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11.01.2007 WM 2007/Nationalmannschaft

Kieler Nachrichten: Heiner Brand - das Gesicht des Handballs

Serie "Handball-Legenden": Heiner Brand als Spieler und als Trainer ein Glücksfall für den deutschen Sport

Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Aus den Kieler Nachrichten vom 11.01.2007:

Gummersbach - Weltmeister werden? Heiner Brand kneift die Lippen zusammen. "Natürlich können wir es schaffen. Dann aber muss alles passen", brummt der Bundestrainer in seiner markanten Bass-Tonlage. "Favoriten sind andere. Frankreich, Kroatien, Spanien, vielleicht schafft es sogar Tunesien."
Heiner Brand weiß um die Probleme seiner Nationalmannschaft. Sorgen macht ihm allerdings nicht nur die lange Verletztenliste. Brand hadert damit, dass dem deutschen Handball die Stars abhanden kommen. Ausgerechnet vor dem WM-Turnier im eigenen Land. Christian Schwarzer, Volker Zerbe, Stefan Kretzschmar oder Klaus-Dieter Petersen: alle Spieler mit Weltgeltung. Sie nahmen ihren Hut, weil sie müde waren oder sich für die WM 2007 zu alt fühlten.

Geblieben ist Heiner Brand. Natürlich. Der Gummersbacher war schon 1978 als Spieler beim bisher einzigen Weltmeisterschaftstriumph einer deutschen Nationalmannschaft dabei, er prägte den Vereinshandball mit seinem VfL Gummersbach und galt als bester und härtester Abwehrspieler der Welt. Es hieß: Wenn die Handball-Russen kommen, gibt es nur einen Mann, der sie stoppen kann: Heiner Brand. "Der beste Abwehrspieler aller Zeiten", urteilte Trainer-Guru Vlado Stenzel. Brand blieb seiner Sportart auch nach der aktiven Zeit als Trainer erhalten. Als die Nationalmannschaft Mitte der 90-er Jahre zum Problemfall für die aufstrebende Bundesliga wurde, machte er den festgefahrenen Karren flott. Heiner Brand war früher und ist heute das Gesicht des deutschen Handballs.

Der schlurfende Gang, seine schwingenden Hüften und der ihn antreibende enorme Ehrgeiz haben den 54-Jährigen stets begleitet. Außerdem die Stadt Gummersbach mit ihrem VfL. Hier wurde Heiner Brand in eine Sport verrückte Familie hineingeboren, hier bewohnt er sein Haus mit Ehefrau Christel, hierher kehrt er immer wieder zurück.

Brands Großvater stand dem VfL vor dem Zweiten Weltkrieg als Präsident vor, und Vater Erwin fügte später an der Seite des legendären Eugen Haas all jene Puzzleteilchen zusammen, die den deutschen Rekordmeister auf seinen beispiellosen Erfolgsweg führten. An Gummersbachs Geschichte schrieben auch die älteren Brüder, Klaus und Jochen, tragende Kapitel. Beides exzellente Handballer, die beim VfL als Spieler oder Trainer und auch in der Nationalmannschaft Spuren hinterließen. "Die Familie", sagt der inzwischen dreifache Großvater Heiner Brand, "ist mein Refugium. Sie gibt mir Geborgenheit, dort erhole ich mich von allen Strapazen."

1959, mit sieben Jahren, streifte Heiner Brand erstmals das blaue VfL-Trikot über. 27 Jahre spielte er für den Traditionsklub, sammelte sechs deutsche Meisterschaften, vier DHB-Pokalsiege und erzielte als Kreisläufer in 182 Bundesligaspielen 318 Tore. Auf internationalem Parkett ragen die beiden Europapokalsiege der Landesmeister über Mai Moskau und ZSKA Moskau heraus. "Großartige Erfolge, wir waren im Prinzip klarer Außenseiter", erinnert sich der ehemalige Kreisläufer. "Als lupenreine Amateure, die sich mit drei Trainingseinheiten pro Woche fit hielten, trafen wir auf Ostblock-Teams, die tagtäglich unter Vollprofibedingungen trainierten. Dass wir trotzdem gewannen, grenzt an ein kleines Wunder."

Die Nationalmannschaftskarriere startete der Gummersbacher, der inzwischen sein Abitur gemacht und ein Betriebswirtschaftsstudium in Köln angefangen hatte, im Jahr 1974. Krönung war der WM-Titel 1978 mit dem 20:19-Endspielsieg über die Sowjetunion. Zwei Jahre später zog er das DHB-Trikot, 28-jährig, schon wieder aus. Grund war der Ärger über den Olympia-Boykott in Moskau. "Eine emotionale Entscheidung, die kam viel zu früh", sagt er heute. Zwar ließ er sich anlässlich der B-WM 1982 zu einem Comeback überreden, kurze Zeit später trat er nach 131 Länderspielen aber endgültig zurück. Das schönste Andenken an seine Zeit als Nationalspieler spendet ihm heute in seinem Garten Schatten. Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal erhielten alle Teilnehmer einen Ahorn-Zweig als Andenken an Kanada. Brand nahm ihn mit nach Hause, pflanzte den grünen Zweig in seinen Garten, und heute steht dort ein stattlicher Baum.

Der Aufstieg des bis dahin bereits in der Bundesliga erfolgreichen Handball-Pädagogen zum Nationaltrainer begann im Herbst 1996. Arno Ehret war in der WM-Qualifikation gescheitert. "Ich fange bei Null an", sagte Brand damals. Und er startete durch. Nicht wie eine Rakete. Vielmehr ähnelte die Fahrt der deutschen Handballer zunächst der einer Achterbahn. Bronze in Südtirol folgten Enttäuschungen in Kroatien und Frankreich. In Stockholm meldete sich der deutsche Handball in der Weltspitze zurück. Dort musste Brand hilflos zusehen, wie ein mazedonisches Schiedsrichtergespann seine Mannschaft mit einer fragwürdigen Entscheidung um den EM-Titel brachte. Es ist sein trockener Humor, der ihn über derart schwierige Situationen hinweg hilft: "Immerhin waren wir wenigstens für ein paar Sekunden Europameister." Demnächst auch für ein paar Sekunden Weltmeister - oder gar mehr? "Ich hoffe, dass ich am 4. Februar beim Endspiel in der Kölnarena auf der Trainerbank sitze", brummt Heiner Brand. Wenn nicht, geht seine Welt auch nicht unter. "Dann sitze ich in Köln im Brauhaus. Geburtstag feiern mit meinem Freund Kurt Klühspies." Voraussichtlich hat der Bundestrainer dann einen neuen Trainervertrag in der Tasche. DHB-Präsident Ulrich Strombach glaubt jedenfalls fest an eine Verlängerung des Kontrakts über 2008 hinaus. "Ich habe das Gefühl, dass Heiner Brand seine Arbeit für den deutschen Handball fortsetzen will."

Portrait: Heiner Brand

  • Geboren: 26. Juli, 1952 in Gummersbach
  • Familienstand: verheiratet mit Christel
  • Kinder: Marcus (30), Julia (24)
  • Beruf: Diplom-Volkswirt, Bundestrainer
  • Vereine als Spieler: VfL Gummersbach (1959 - 1986)
  • Stationen als Trainer: 1984 - 1987 Co-Trainer beim DHB (unter Simon Schobel); 1987 - 1991: VfL Gummersbach; 1992 - 1993: SG Wallau-Massenheim; 1994 - 1996: VfL Gummersbach; 1996: Co-Trainer DHB (unter Arno Ehret); seit 1997: Bundestrainer
  • Erfolge als Spieler: sechsmal Deutscher Meister, viermal Deutscher Pokalsieger, zweimal Europacup-Sieger der Landesmeister, zweimal Europacupsieger der Pokalsieger, Weltmeister 1978 mit der DHB-Auswahl (20:19 gegen Sowjetunion)
  • Erfolge als Trainer, Verein: dreimal deutscher Meister, einmal Pokalsieger; Erfolge mit dem Nationalteam: Europameister 2004, Olympia-Silber 2004 in Athen, Vize-Weltmeister 2003, Vize-Europameister 2002; Trainer des Jahres 1998, 2002, 2003
  • WM-Favoriten: Frankreich, Kroatien, Spanien, Deutschland
  • Geheimfavorit: Tunesien.

    (Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 11.01.2007)


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