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12.01.2007 WM 2007/Nationalmannschaft

Kieler Nachrichten: Herbert Lübking - Morddrohungen wegen Wechsels

Serie "Handball-Legenden": Der "ewige Weltmeister" Herbert Lübking hält noch zwei Rekorde

Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Aus den Kieler Nachrichten vom 12.01.2007:

Minden - Er fühlt sich als "ewiger Weltmeister", ist mit seinen 65 Jahren immer noch topfit und möchte auf einige Dinge seiner sportlichen Vergangenheit am liebsten nicht mehr angesprochen werden. Herbert Lübking denkt allerdings gerne an die Zeit zurück, als er mit Grün-Weiß Dankersen auf dem Großfeld vor 15 000 Besuchern spielte.
Und er schwärmt noch heute vom WM-Titel mit der deutschen Mannschaft im Jahre 1966, mit dem das Kapitel Großfeld-Handball weltweit endgültig zugeklappt wurde: "Damit sind wir nach wie vor amtierender Titelträger." Dabei ist Lübking alles andere als ein Titelsammler und Trophäen-Fan, seine sportliche Ausbeute nach einer überaus imponierenden Karriere lagert auf dem Speicher und im Keller. Das gilt für WM-Medaille, Silbernes Lorbeerblatt und Bundesverdienstkreuz genauso wie für die Erinnerung an seinen Einsatz in der allerersten Weltauswahl.

Das war im August 1968 in Karvina und ist ihm heute noch lebhaft in Erinnerung. "Es war der Tag des Prager Frühlings, als die Russen einmarschierten. Wir sind nach dem Spiel direkt zum Flughafen gebracht worden und waren froh, noch ausreisen zu können." Nicht die einzige Turbulenz, die Lübking in seiner Karriere erlebte. Denn sein Wechsel vom Bundesligisten GW Dankersen zum Kreisligisten und Ortsnachbarn TuS Nettelstedt schlug 1970 hohe Wellen. "Mir ging es ausschließlich um meine berufliche Entwicklung. Mit knapp 30 Jahren, Frau und zwei Kindern musste ich an meine Zukunft denken."

Eigentlich wollte der Großhandelskaufmann bis zu den Olympischen Spielen in München bei Melitta in Minden arbeiten, bei Dankersen spielen und nach Olympia die Seiten wechseln. Weil aber sein Doppelchef (im Verein und der Firma) Wind von der Sache bekommen hatte, wurde er direkt beurlaubt und galt auch sportlich in Dankersen als unerwünschte Person. Die Folgen auf privater Ebene waren erheblich. Von Morddrohungen über eingeworfene Fensterscheiben gipfelte es in der eintägigen Entführung seines damals dreijährigen Sohnes Andre. "Es war ganz schlimm damals", erinnert sich Ehefrau Irmgard ungern an diese Zeit. Dass sie wochenlang weder beim Bäcker noch beim Fleischer bedient oder der ältere Sohn Thorsten in der Schule verprügelt wurde sowie alte Freunde zu verbitterten Feinden wurden, all das war da beinahe nur Nebensache.

Immerhin flog Lübking nur für einige Monate aus der Nationalmannschaft, weil Bundestrainer Werner Vick erkannte, dass er seinen Kapitän für die Olympischen Spiele unbedingt benötigte. Am Ende sprang Rang sechs heraus. Für Lübking war Schluss im DHB-Team, er setzte mit Nettelstedt zum Durchmarsch von der Kreisliga bis zur Bundesliga an. Kaum ein Spiel ging verloren, jedes Jahr kletterte man eine Klasse höher. Brisant wurde es, als es in Dankersen zum Vergleich mit Nettelstedt kam. Alles Schnee von gestern. Heute kegelt er mit den Nettelstedter Handballern, und mit denen aus Dankersen spielt er Tennis.

Lübking war mit 1,83 m und 82 kg weder ein Riese noch ein Kraftpaket. Er glänzte als intelligenter Spielmacher, war sehr variabel in seinen Würfen und unglaublich schnell. "10,9 Sekunden über 100 m", freut er sich noch heute. Genauso hat er Spaß daran, dass seine 20 Tore aus dem Bundesligaspiel gegen Hildesheim vom 11. Februar 1969 noch heute Rekord darstellen. Und es ehrt ihn, dass er kürzlich in einer Statistik als effektivster Nationalspieler aller Zeiten geführt wird. 4,7 Tore pro Spiel blieben unerreicht.

Portrait: Herbert Lübking

Geboren am 23. Oktober 1941 in Dankersen, verheiratet, zwei Söhne. Seine Karriere beginnt in Dankersen und führt ihn über TuS Nettelstedt zum TBV Lemgo zurück nach Dankersen. 1962 macht er sein erstes Länderspiel gegen Jugoslawien und überzeugt auf Anhieb. Insgesamt kommt er auf 139 Länderspiele und wirft 650 Tore. Auf dem Großfeld wird er 1966 Weltmeister. In der Halle ist er bei den Weltmeisterschaften 1964 (Rang 4), 1967 (Rang 6 und Torschützenkönig) sowie 1970 (Rang 5) am Ball, dazu bei den Olympischen Spielen 1972 in München (sechster Platz). Mit Dankersen wird er drei Mal Europapokalsieger auf dem Großfeld, zwei Mal Deutscher Meister und fünf Mal Deutscher Vizemeister.

(Von Michael Schulte, aus den Kieler Nachrichten vom 12.01.2007)


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