07.01.2010 | EM 2010 |
In der wärmeren Jahreszeit ist von dem 57-jährigen Schnauzbartträger wenig zu sehen, ab sofort aber steht Heiner Brand wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Vom 19. bis zum 31. Januar findet in Österreich die neunte Europameisterschaft statt. Deutschland muss sich in der Vorrunde mit Schweden, Polen und Slowenien auseinandersetzen. Und die Favoriten? "Frankreich muss man zuerst nennen", sagt der Bundestrainer. Individuell sei der amtierende Weltmeister und Olympiasieger schon länger Extraklasse gewesen, "jetzt aber haben sie sich auch mannschaftlich gefunden. Die klare Nummer eins". Ein Wiedersehen gibt es in Innsbruck, dem deutschen Vorrundenort, mit Noka Serdarusic, dem ehemaligen THW-Erfolgstrainer. Der 59-Jährige ist neuer Coach der Slowenen. Dabei steht Serdarusic noch unter Verdacht der Beihilfe zur Untreue gegen die THW-GmbH. Der Schiedsrichter-Bestechungsskandal hat sich unaufgeklärt ins Jahr 2010 geschleppt.
Heiner Brand meldete seinen 28er-Kader für die EM fristgerecht am 15. Dezember bei der Europäischen Handball-Föderation (EHF). Nur Akteure aus diesem Kreis sind spielberechtigt, können eventuell nachnominiert werden. In der laufenden Vorbereitung hat Brand 19 Athleten beisammen. Einen Tag vor Turnierstart muss er die 16 benennen, mit denen er ins Turnier startet. Fehlen werden Rückraum-Star Pascal Hens vom HSV Hamburg und Kreisläufer Sebastian Preiß. Während Hens schon früh seine Absage wegen mangelnder Fitness erklärte, muss der Lemgoer Preiß mit Achillessehnenbeschwerden aussetzen. "Ein harter Schlag für uns", sagt Brand, "Preiß galt in Abwehr und Angriff als feste Größe und hat im letzten Jahr noch einmal einen Schritt nach vorn gemacht".
Im Aufgebot für Österreich fehlt auch Torhüter Henning Fritz. Der 35-jährige Schlussmann von den Rhein-Neckar Löwen hatte seine Formkrise überwunden und mit einer Rückkehr in die deutsche Auswahl geliebäugelt. Er habe Henning Fritz zwar erklärt, dass er bei konstant starken Leistungen wieder ein Thema werden könnte, aber es bestehe kein Anlass, etwas zu ändern, sagt Brand. "Ich vertraue meinen Leuten, die nach dem Umbruch ins Team hineingewachsen sind." Johannes Bitter (Hamburg), Carsten Lichtlein (Lemgo) und Silvio Heinevetter (Berlin) bilden das Trio, das im Januar 2009 bei der WM in Kroatien das deutsche Tor zur Festung machte. An diesem hält der Bundestrainer auch in Österreich fest. Weiter gelten Abwehrchef Oliver Roggisch, Mittelmann Michael Kraus, Holger Glandorf, Lars Kaufmann, Dominik Klein und Torsten Jansen als sichere EM-Kandidaten. Er habe eine erfreuliche Entwicklung bei seiner Mannschaft nach dem Umbruch 2007 feststellen können, so Heiner Brand. "Individuell mögen Franzosen, Kroaten und andere zwar stärker sein, aber als Team können wir mithalten. Es macht Spaß, mit diesen jungen, begeisterungsfähigen Spielern zu arbeiten."
Nach der radikalen Verjüngung schaffte die DHB-Auswahl bei der Europameisterschaft 2008 in Norwegen den beachtlichen Platz vier, bei der WM in Kroatien landete das Brand-Team auf Rang fünf. Dort hätte mehr herausspringen können, aber in den vorentscheidenden Spielen gegen Norwegen und Dänemark waren die Schiedsrichter, gelinde ausgedrückt, nicht auf deutscher Seite. Unvergessen ist Brands "Waldschrat-Auftritt", als er das Parkett stürmte und sich mit Drohgebärden an die Fersen der Unparteiischen heftete. Bilder, die um die Welt gingen. Brand entschuldigte sich später für diesen Fehltritt - in der Sache aber lag er nicht so verkehrt.
Und die Chancen in Österreich? "Alles ist möglich," sagt Heiner Brand. "Wir können gegen 14 andere Mannschaften verlieren, die meisten Teams können wir aber auch schlagen." Es müsse erlaubt sein zu träumen, fügt er an, "wichtig ist es, dass wir gut ins Turnier kommen".
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 07.01.2010)
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