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Warf sich beinahe in einen Rausch: Filip Jicha erzielte 13/4 Tore.
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Der THW Kiel hat zwei ganz wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft eingesackt:
Beim VfL Gummersbach gewannen die Zebras am Mittwochabend aufgrund einer starken
zweiten Halbzeit verdient mit 29:22 (15:14). Ein mit 13/4 Toren alles überstrahlender
Filip Jicha, ein gut aufgelegter
Marcus Ahlm sowie
in der zweiten Halbzeit eine überragende Deckung mit einem Weltklasse-
Omeyer
waren die Garanten zum Erfolg in der nur mit 9053 Zuschauern gefüllten Kölner Lanxess-Arena.
Der THW begann in Köln mit einer ganz anderen Körpersprache als noch beim
Pokal-Aus beim VfL im Februar. Mit dem Anpfiff stellte man sich
den Gummersbacher Angriffsbemühungen entschlossen entgegen. Da
Omeyer
in den ersten Minuten gut ins Spiel fand, gelang der Start der Zebras - auch wenn Gummersbach
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Erfolgreichster Gummersbacher Torschütze: Vedran Zrnic.
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zunächst wieder auf die 3:3-"Hasendeckung" setzte. Zrnic empfing dabei seinen Gegenspieler zum Teil
bereits an der Mittellinie. Indes: Den THW schien diese Deckungsvariante nicht mehr zu
überraschen. Und auch wenn kurz nach dem Ballkontakt immer ein blaues Hemd an dem schwarz-weißen
klebte, ließen sich die Kieler davon nicht aus der Ruhe bringen. Sie warteten geduldig auf ihre
Chancen - und die kamen, auch weil Gummersbach zunächst im Angriff zu viele Fehler produzierte.
Sprenger erzielte vom Kreis das erste Tor, dem
Jicha
einen Tempogegenstoß folgen ließ. Erneut
Sprenger mit einem Tempogegenstoß-Dreher erhöhte
auf 3:0, ehe Zrnic nach 6.35 Minuten das erste Tor für die Gastgeber erzielen konnte. Doch die Zebras
legten nach,
Andersson und
Palmarsson drückten erfolgreich
auf die Tempo-Tube, beim 5:1 (8.) für den THW sah sich VfL-Coach Sead Hasanefendic zur Auszeit gezwungen.
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Gummersbach begann - wie schon gegen den HSV - mit einer 3:3-Deckung.
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Doch
Jicha ließ sich auch von der kurzen Pause nicht irritieren, ging
einmal mehr in eine Eins-zu-Eins-Situation und schloss diese gegen den nun besser in die Partie
kommenden Stojanovic zum 6:1 ab. Kurz darauf musste der THW-Tscheche aber für zwei Minuten auf die Bank - und diese
Überzahl konnten die Gastgeber eindrucksvoll nutzen. Die Zebras verzettelten sich in der Offensive,
Zrnic und
Schindler mit einem Doppelpack brachten den VfL wieder in Schlagdistanz. Als
Pfahl und Vukovic kurz darauf relativ unbedrängt zum 6:7-Anschluss einnetzen konnten, sah sich auch
Gislason zur Auszeit gezwungen (15.). In dieser forderte der Kieler Trainer von
seiner Mannschaft mehr Konzentration bei den Anspielen im Angriff ein - und hatte mit dieser
Forderung Erfolg. Es kam die große Zeit des
Marcus Ahlm: Mit dem Rücken zum Tor
nahm er einen Pass auf, drehte sich um seinen Gegenspieler und traf zum 7:9. Kurz darauf
bediente der inzwischen in die Partie gekommene
Daniel Narcisse den Kieler
Kapitän erneut - und der vollstreckte ebenso eiskalt. Als
Jicha seinen Siebenmeter
zum 11:7 (19.) verwandelte, war der THW wieder auf vier Tore enteilt. Das Problem folgte in
Form von zwei in die Luft gestreckten Fingern des Schiedsrichter-Gespanns:
Sprenger musste
für zwei Minuten auf die Bank. Und wieder stellten sich der Zebra-Angriff in Unterzahl nicht clever
genug an, lud durch seine Fehler den VfL zum Kontern ein: Das taten Vukovic,
Schindler und
Zrnic dann auch - drei Tore in Überzahl bedeuteten den 10:11-Anschluss der Gastgeber, der den Auftakt
zu einem offenen Schlagabtausch bildete - auch, weil sich die VfL-Abwehr zu diesem Zeitpunkt weiter
an den eigenen Kreis zurück gezogen hatte, was die Kieler Offensivbemühungen vor Probleme stellte.
Nach
Sprengers 15:13 aus spitzem Winkel wurde es hektisch: Gunnarsson
hatte einen
Szilagyi-Pass nicht greifen können, der Ball trudelte ins
Seitenaus. Der Gummersbacher Isländer wollte eine THW-Berührung und damit einen eigenen Eckball
herbei diskutieren, doch da hatte
Omeyer bereits
Sprenger auf
die Reise geschickt. Indes: Der Rechtsaußen scheiterte an Stojanovic, nichts war es mit einer Drei-Tore-Führung zur
Halbzeit. Schlimmer noch: In Überzahl,
Szilagyi war wegen Protestierens nach der
Gunnarsson-Szene auf
die Bank geschickt worden, fingen sich die Zebras noch den 14:15-Anschluss durch Pfahl.
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Die VfL-Abwehr hatte den Überrachungseffekt nicht mehr auf ihrer Seite.
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Der VfL-Halbrechte war es auch, der bei angesagtem Zeitspiel die zweite Halbzeit mit dem Ausgleich
eröffnete - zum ersten Mal machten sich auch die Fans in der Lanxess-Arena richtig bemerkbar.
Jichas
verwandelter Siebenmeter brachte den THW wieder in Führung - und dann passierte lange nichts. Fünf Minuten
dauerte es, bis
Klein mit einem Tempogegenstoß-Heber für eine zahlenmäßige
Veränderung
auf dem Videowürfel sorgte.
Ahlm legte nach - der THW war wieder mit drei Toren
in Führung (42.) und schien sich langsam, aber sich absetzen zu können. Dieser Plan geriet dann jedoch ernsthaft in
Gefahr, weil Zrnic per Siebenmeter verkürzen konnte und
Ahlm eine Zwei-Minuten-Strafe erhielt. Wenige Sekunden später leistete sich
auch
Andersson ein Foul, das auf die gleiche Art geahndet wurde. Nahezu zwei Minuten
mussten die Zebras nun in doppelter Unterzahl agieren - doch aufkommenden Sieg-Hoffnungen der heimischen
Fans stellte sich der Welthandballer entgegen:
Omeyer schnappte sich erst
einen Zrnic-Siebenmeter, hielt dann einen "Freien" von
Wagner und entschied
sich bei einem Pfahl-Wurf für die richtige Ecke.
Klein, zuvor mit einem
famosen Kempa-Trick an Stojanovic gescheitert, machte es im zweiten Versuch besser: Der Tempogegenstoß
saß, der THW beendete die kritische Phase mit einem demoralisierenden 1:0-Zwischenergebis, führte 20:17 (46.) - und legte nach.
Narcisse verwandelte vom Kreis zum 17:21 (48.), hinten wurde
Omeyer zur unüberwindbaren Wand hinter einer Beton anmischenden Kieler
Abwehrreihe, die bis dato nur drei Tore in 18 Minuten zugelassen hatte. Vorn begann jetzt
die ganz große
Jicha-Show der Schlussphase.
Gegen die nun wieder offensiver eingestelle Deckung der Gastgeber machte
Jicha die Kieler
Tore 22 (in Überzahl), 23 (aus dem Rückraum), 24 (Dreher), 25 (Eins-gegen Eins, 53.), 26 (Siebenmeter),
27 (Tempogegenstoß, 56.) und 28 (Siebenmeter, 58.) - lediglich
Kleins Treffer zum Endstand verhinderte,
dass der Kieler Tscheche alle Treffer in den letzten zwölf Minuten des Spiels erzielen konnte - unglaublich! Dabei fiel
es auch nicht mehr ins Gewicht, dass die THW-Abwehr nun den Gastgebern auch wieder Raum zum Mitspielen gab - die Partie
war zehn Minuten vor dem Ende entschieden, die Zebras konnte anfangen, zwei ganz wichtige Punkte im
Meisterschaftsrennen zu feiern.
Diese Feierlichkeiten dürften aber nicht von langer Dauer gewesen sein, wartet doch mit dem TBV Lemgo
bereits das nächste hochkarätige Auswärtsspiel. Am kommenden Sonntag (17.45 Uhr, live im DSF) wollen
die Kieler mit viel Selbstbewusstsein im Rücken auch das Gerry-Weber-Stadion einnehmen.
(Christian Robohm)
Lesen Sie bitte auch den Spielbericht der Kieler Nachrichten
und den KN-Bericht "Überraschung, die keine war" vom 12.03..
Wir haben gegen die offensive Abwehr der Gummersbacher clever gespielt, haben sie nach
hinten gezwungen oder sie soweit heraus geholt, dass sich Räume auftaten. Das war ein sehr
gutes Spiel von uns.
Die Saison ist aber noch lang. Jetzt müssen wir erst einmal noch
nach Lemgo und Göppingen, das werden extrem schwere Spiele. Lemgo
hat gestern verloren und wird das gegen uns besser machen wollen. Es wird ein enges Spiel,
in dem letztlich die Tagesform entscheiden wird. Wir müssen dort hellwach sein.
Wir müssen auf jeden Fall in jedem Spiel
konzentriert zur Sache gehen, nur auf unsere Leistung schauen und nicht die
Nerven verlieren. Was dann im Juni dabei heraus kommt, werden wir dann sehen.
[gegenüber den KN:]
Wir wussten, dass Gummersbach diese Deckung spielen
würde, schließlich hatten sie damit ja gegen den
HSV Erfolg gebracht. Entscheidend war heute, dass
wir trotzdem cool geblieben sind.
Wenn man zu Hause nur 22 Tore erzielt, ist das der entscheidende Punkt. Die Quote im Angriff
hat die Partie entschieden, wenn man so oft an der Deckung und Omeyer
scheitert, rächt sich das gegen eine Mannschaft wie den THW eben. Die 3-3-Deckung haben wir gespielt,
weil sie in Hamburg gut funktioniert hat und man so gleich aggressiv ins Spiel kommt.
Warum sollten wir es da nicht noch einmal probieren?
Allerdings hat das heute nicht so gut funktioniert, wahrscheinlich fehlte das Überraschungsmoment.
[gegenüber den KN:]
Die offensive Deckung hat uns nicht zu viel Kraft gekostet,
schließlich haben wir das gegen Hamburg 60 Minuten lang durchgehalten.
Wir haben zu Hause 22 Tore geworfen, beim HSV zuletzt 39 - das erklärt alles.
THW-Spieler Kim Andersson gegenüber den KN:
Wir sind sehr erleichtert, dass wir hier gewonnen haben.
Aber das war nur ein kleiner Schritt, der Weg
zur Meisterschaft ist noch lang. Am Sonntag haben
wir mit Lemgo einen ähnlich schweren Gegner. In
der zweiten Halbzeit hat Titi (Thierry Omeyer, Anm. d. Red.)
den Laden abgeschlossen, den Rest haben
Filip und Marcus (Ahlm, Anm. d. Red.)
erledigt. Die Stimmung in der Halle war
nur mittelmäßig, aber das lag auch daran, dass wir so gut gespielt haben.
VfL-Geschäftsführer Axel Geerken gegenüber den KN:
Der Sieg der Kieler war verdient, wir haben einfach zu viele
Chancen vergeben. Wir hätten gerne gewonnen,
aber heute haben uns die Mittel gefehlt.
VfL-Spieler Adrian Pfahl:
Wir mussten im ersten Durchgang dreimal einen Rückstand
aufholen, das hat unglaublich viel Kraft gekostet.
Als Kiel nach der Pause noch einmal davonzog,
hatten wir nichts mehr zu bieten. Um Kiel zu schlagen,
muss man mindestens 30 Tore werfen, das haben
wir nicht.
VfL-Linkshänder Adrian Pfahl gegenüber den KN:
In der ersten Halbzeit ging alles schief. Aber wenn es bei
uns erst einmal läuft, dann läuft es auch richtig gut.
- VfL Gummersbach:
-
Stojanovic (1.-60., 16 Paraden)
Hammerschmidt (1 Siebenmeter, 0 Paraden);
Krantz (1),
Wagner,
Schindler (3),
Vukovic (4),
Fäth,
Lützelberger (1),
Gunnarsson (2),
Szilagyi (2),
Pfahl (4/1),
Rahmel (n.e.),
Zrnic (5/3);
Trainer: Hasanefendic
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 18/1 Paraden),
Gentzel (1 Siebenmeter, keine Parade);
Lund,
Andersson (1),
Lundström (1/1),
Anic (n.e.),
Sprenger (3),
Ahlm (6),
Zeitz,
Palmarsson (1),
Narcisse (1),
Ilic,
Klein (3),
Jicha (13/4);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Lars Geipel (Steuden) / Marcus Helbig (Landsberg)
- Zeitstrafen:
-
VfL: 6 (Vukovic (4.), Schindler (24.),
Szilagyi (29., Zrnic (39.), 2x Krantz (42., 47.));
THW: 5 (Jicha (10.), Sprenger (20.),
Narcisse (34.), Ahlm (44.),
Andersson (44.))
- Siebenmeter:
-
VfL: 5/4 (Omeyer hält Zrnic (44.));
THW: 5/5
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1 (3.), 1:5 (9.), 2:6 (12.), 6:7 (15.), 7:10 (18.), 9:11 (21.), 11:13 (24.), 13:14 (27.), 14:15 ;
2. Hz.: 15:16 (33.), 15:16 (36.), 15:17 (39.), 16:19 (42.), 17:19 (45.), 17:22 (48.),
18:24 (51.), 19:25 (54.), 20:27 (57.), 22:29.
- Zuschauer:
-
9053 (LANXESS arena, Köln)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 11.03.2010:
Klammer-Handball stoppte Jicha nicht
THW gelang gegen Gummersbach Revanche für Pokal-Aus - Omeyer Weltklasse
Köln - Mit einer eindrucksvollen
Vorstellung besiegte der THW Kiel gestern
Abend den "Favoriten-Schreck" VfL Gummersbach
mit 29:22 (15:14). In der mit knapp 9000 Zuschauern
gefüllten Lanxess-Arena stand der Bundesliga-Hit lange auf der
Kippe, doch in der letzten Viertelstunde zogen die
"Zebras" eindrucksvoll davon.
In einer leidenschaftlich kämpfenden Kieler Mannschaft
ragten Thierry Omeyer
und Filip Jicha heraus. Kiels
Schlussmann hielt 56 Prozent der Bälle, eine Weltklasse-Quote, und der Tscheche versenkte
13 Bälle im Tor von Goran Stojanovic, der beim
Pokal-Aus der Kieler vor einem Monat (28:35) noch der große
THW-Albtraum gewesen war.
VfL-Trainer Sead Hasanefendic hatte sich entschieden, auch den Kielern mit der offensiven
3:3-Deckung zu begegnen, mit der er in der vergangenen
Woche den HSV Hamburg geschockt hatte (39:31). Doch das Konzept
ging diesmal nicht auf. "Uns hat heute der Wille, das Feuer
gefehlt", meinte Hasanefendic. "Und im Angriff haben
wir mit zu viel Angst gespielt." Ein richtiges Handballspiel
wollte nicht recht entstehen, zu sehr zerstörten die Hausherren die Angriffsaktionen
des THW. Es wirkte, als hätte der VfL an diesem
Abend seine Ringerabteilung in die Arena geschickt. Wie Kletten hingen
Christoph Schindler und Co an den
schwarz-weißen Trikots der Gäste, die trotz eines Blitzstarts
(6:1/9.) zunächst keine Ruhe in ihre Aktionen bringen
konnten. Der VfL kämpfte sich heran, hatte nach einer
Viertelstunde den Abstand auf ein Tor verkürzt (6:7).
Doch die Stimmung auf den Rängen bleib mau, kein Vergleich
zum Pokalspiel, in dem sich die beschauliche Eugen-Haas-Halle in Gummersbach
in einen brodelnden Hexenkessel
verwandelt hatte.
Auch mit dem Pausenpfiff war der VfL noch ebenbürtig,
doch sie trafen mit ihrem Klammer-Handball nicht den
Nerv der Kieler. Immer wieder spielte das Team von
Alfred Gislason ("Wir haben heute alles besser gemacht als
im Pokal") geschickt in die
Lücken. Immer wieder landete der Ball beim starken
Kreisläufer Marcus Ahlm, der
nicht zu stoppen war. Das galt
auch für Filip Jicha, der im
zweiten Durchgang Tore am Fließband warf. Die Vorentscheidung
fiel in der 45. Minute, als Ahlm und
Kim Andersson
Zeitstrafen absitzen mussten, und der VfL in doppelter
Überzahl nicht in der Lage war, den Zwei-Tore-Rückstand (17:19) zu verkürzen.
Rechtsaußen Vedran Zrnic scheiterte freistehend
am immer stärker werdenden Omeyer, und
Klein, der sich einen Fehlpass von Drago Vukovic
schnappte, traf im Gegenzug zum 17:20. Dann spielte
Kiels Linksaußen einen schlauen Pass zu Daniel Narcisse,
der am Kreis gelauert hatte, und der Ex-Gummersbacher
traf zum 17:21. Dann scheiterten Robert Gunnarsson
und Schindler an Omeyer, die Partie war entschieden,
der VfL entnervt. Aus dem Spiel heraus hatten die Gastgeber
im zweiten Durchgang bis zu jener 49. Minute nur zweimal getroffen, eine verheerende
Quote. Wie es geht, zeigte in der Schlussphase
noch einmal Jicha, der bis
zum Abpfiff noch sechs Tore erzielen sollte.
Mit diesem Sieg hat der THW nicht nur erfolgreich
Revanche für die bittere Pokal-Pleite genommen, sondern
auch vor dem nächsten Auswärtsspiel eine große Portion
Selbstvertrauen getankt. Am Sonntag wartet der TBV
Lemgo auf die "Zebras". Jene Mannschaft, die als einzige
den THW in der vergangenen Saison schlagen konnte.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 11.03.2010)