27./28.08.2010 - Letzte Aktualisierung: 28.08.2010 | Bundesliga |
Update #2 | KN-Vorberichte ergänzt ... |
Das Team der TSG Friesenheim.
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Trainer Thomas König glaubt an den Klassenerhalt.
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Ein knappes Jahr lag zwischen dem bisher schwärzesten und dem schönsten Tag in der jüngeren Vereinsgeschichte der Handballer der Turn- und Sportgemeinde Friesenheim: Am 15. Mai dieses Jahres kannte der Jubel beim heutigen Gegner keine Grenzen mehr, mit einem 32:20-Sieg beim TuSpo Obernburg sicherten sich "Die Eulen", deren Spitznamen auf das Wappentier des Ludwigshafener Stadtteils Friesenheim zurück geht, einen Spieltag vor dem Saisonende den Aufstieg in die Beletage des europäischen Handballs. Ein Jahr zuvor hatte Jacek Bezdikowski mit einem direkt verwandelten Freiwurf nach der Schlusssirene die Friesenheimer in ein tiefes Tal der Depression gestürzt - statt der TSG schaffte damals Hannover-Burgdorf durch diesen Last-Minute-Relegations-Erfolg den Aufstieg in die TOYOTA Handball-Bundesliga. "Das hat jeden von uns in ein tiefes Loch gestürzt", berichtet TSG-Trainer Thomas König. Selbst in der Vorbereitung auf die darauf folgende Zweitliga-Saison habe dieser eine Gegentreffer nicht aus den Köpfen der Spieler und Verantwortlichen verbannt werden können.
Rückraumspieler Gunnar Dietrich sammelte bereits mit TuSEM Essen
Bundesliga-Erfahrung.
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Linkshänder Gabor Ancsin ist einer von nur drei Ausländern im Team.
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Keeper Maximilian Bender wurde von den Rhein-Neckar Löwen ausgeliehen -
via Zweitspielrecht war er aber auch schon beim Aufstieg dabei.
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Spielmacher Andrej Kogut spielte in der vergangenen Saison mit der HSG Düsseldorf
in der Bundesliga.
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Die Schiedsrichter am Sonntag sind Nils Blümel und Jörg Loppaschewski.
(Christian Robohm / Sascha Krokowski)
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Lesen Sie bitte auch den Vorbericht der Kieler Nachrichten vom 27. August, den Vorbericht der Kieler Nachrichten vom 28. August sowie die Mannschaftsvorstellung aus dem "Zebra-Journal".
Aus den Kieler Nachrichten vom 27.08.2010
Und ihre Premiere in der Ersten Liga feiert die Mannschaft von Trainer Thomas König (46) ausgerechnet beim Branchen-Primus und Rekordmeister THW Kiel. Anwurf in der Sparkassen-Arena ist am Sonntag um 15 Uhr. Restkarten werden seit gestern verkauft. Auch für die Partien gegen Lemgo (12. Sept.) und Balingen (15. Sept.) sind noch Tickets zu haben.
Nicht nur "Kretzsche" hat die Eulen als Abstiegskandidat Nummer eins auf seinem Zettel, vielmehr gilt der Titelträger der Zweiten Liga Süd nahezu allen Fachleuten als größter Außenseiter in der jüngeren Bundesliga-Historie. "Abstieg wäre kein Beinbruch", sagte Thomas König dem "Mannheimer Morgen" und pflichtet den miserablen "Umfragewerten" seiner Trainermitstreiter bei. "Es wäre schlimm, wenn meine Kollegen das nicht so sehen würden, wären sie zu einer anderen Einschätzung gekommen, hätten sie keine Ahnung."
Dennoch wedelt König nicht mit der weißen Fahne. Er selbst sei vom Klassenerhalt überzeugt, verkündet der Trainer der Pfälzer trotzig. Tatsächlich zieht der Neuling sogar mit einigen Rekordmarken ins Abenteuer Bundesliga. 17 (!) deutsche Spieler stehen im TVG-Kader: Bundesligaspitze. Mit einem Altersdurchschnitt von 22 Jahren setzt Friesenheim zudem auf den jüngsten Kader überhaupt. Allerdings steht in der Rubrik Nationalmannschaftseinsätze eine blanke Null, Bundesligaerfahrung weisen insgesamt nur acht Spieler auf. Neuzugang Andrej Kogut von der HSG Düsseldorf ist mit 47 Einsätzen Spitzenreiter dieser Wertung.
Und Vollprofitum bleibt auch nach dem Aufstieg ein unerfüllter Traum der einstigen Rhein-Neckar-Löwen-"Filiale". Nur mühevoll überspringt der Saisonetat die Eine-Million-Euro-Hürde. Vom Handball leben lediglich das ungarische Talent Gabor Ancsin und der Litauer Mindaugas Veta. Alle anderen Spieler gehen einer geregelten Arbeit nach, sind Schüler oder Studenten. Immerhin will Neuzugang Stefan Bonnkirch Meister werden - Industriemeister der Elektrotechnik. Darauf wollte sich der Linkshänder konzentrieren, als er noch bei der HSG Frankfurt Rhein-Main Tore warf. "Dann aber kam das Angebot, bei Friesenheim Erstligahandball spielen zu dürfen, und da konnte ich nicht widerstehen." Die Schule muss warten.
Jung, arm, unerfahren. Nur die riesengroße Euphorie, bei den Großen mitmischen zu wollen, brennt in den Herzen der Handball-Amateure. Vermutlich wird die Bundesliga ein Lehrjahr. Der Klassenerhalt ist für die TSG Ludwigshafen-Friesenheim in etwa so realistisch wie eine erfolgreiche Mausjagd einer Eule bei hellem Tageslicht.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 27.08.2010)
Aus den Kieler Nachrichten vom 28.08.2010
88 Tage haben die "Zebra"-Fans seit dem letzten Heimspiel gegen Balingen mit Entzug gerungen, jetzt kehrt die "Droge" Handball in ihren Tempel zurück. "Alle freuen sich, dass es in der Liga wieder losgeht", sagt auch Trainer Alfred Gislason. "Die Experimente in der Vorbereitungszeit sind beendet."
Zwölf Testspiele absolvierte der THW seit dem Angolfen in Hohwacht. Zwölf Siege sprangen heraus. Dabei überzeugten die Kieler vor allem gegen Montpellier, Zagreb oder Lemgo - Teams auf vermeintlicher Augenhöhe. Die einzige Niederlage gab's im 13. Spiel beim Supercup (26:27) gegen Titelmitkonkurrent HSV Hamburg. Ein Warnschuss zur rechten Zeit?
Gewonnen hätte seine Mannschaft natürlich gerne, betont Gislason. Ansonsten hat er die Partie in München abgehakt. Immerhin bestätigte das Ergebnis aber seine eigene Einschätzung für die Favoritenstellung. 17 von 18 Bundesligatrainern heben den THW für die Meisterschaftsentscheidung 2011 auf den Schild. Gislason sagt: "Wir sind nicht mehr Favorit als Hamburg."
Während Kiels Neuzugänge Milutin Dragicevic und Daniel Kubes ihre Punktspiel-Premiere vor ihrem künftigen Heimpublikum feiern, starten Daniel Narcisse (Kreuzbandriss), Kim Andersson (Knieoperation) und Christian Sprenger als Zuschauer in die Spielzeit. Sprenger könnte schon am kommenden Wochenende in Dormagen in den Kader zurückkehren, dagegen müssen sich Narcisse (bis Februar 2011) und Andersson (voraussichtlich Oktober, November) lange gedulden. "Das Team wird die Ausfälle für einen gewissen Zeitraum kompensieren,", erläutert Gislason, "aber die Belastung für die einzelnen Spieler wird noch höher werden."
Verletzungspech beklagen auch die Pfälzer. Trainer Thomas König muss auf Veta, Brandt, Hauk und Kojut verzichten. "Das hat uns auch in der Vorbereitung behindert", erklärt der TSG-Coach, "es gibt noch viel Nachholbedarf." Ängstlich reisen die "Eulen" aus dem Ludwigshafener Stadtteil Friesenheim nicht an. Respekt sei vorhanden, "aber wir haben beim besten Club der Welt nichts zu verlieren, können nur lernen. Egal, wie hoch wir verlieren", sagt Thomas König.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 28.08.2010)
Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 27.08.2010
15 Jahre spielte Friesenheim in der 2. Liga Süd und steht in deren Ewiger Tabelle mit weitem Vorsprung an der Spitze. Die TSG war der Inbegriff der Zweitklassigkeit - bis zum Aufstieg im Mai. Kreisläufer Evgeni Pevnov offenbart die ganze Aufregung, die den 5000-Einwohner-Stadtteil Ludwigshafens erfasst hat. "Dass wir mit dieser Mannschaft aufgestiegen sind, ist einfach nur krass." Im Jahr zuvor scheiterte Friesenheim in der Relegation gegen Hannover-Burgdorf durch ein Tor in letzter Sekunde. "Dass wir den Sekundentod so gut wegstecken - damit konnte niemand rechnen", sagt Geschäftsführer Werner Fischer.
Die Friesenheimer halten als Königskinder Einzug an den Hof der 1. Liga. So heißen sie in Anlehnung an ihren Trainer Thomas König, der sie wie kein Zweiter geprägt und ihnen einen herzerfrischenden Angriffshandball beigebracht hat. Der Einfluss des 46-Jährigen ist auch deswegen groß, weil sich das Ende der Entwicklung der blutjungen Spieler noch in weiter Ferne befindet und sie so wissbegierig sind. Ihr Durchschnittsalter betrug in der Aufstiegssaison 23 Jahre.
Pevnov ist einer der jungen Wilden. Fast zwei Meter groß, mehr als hundert Kilogramm schwer - diese beeindruckenden Maße kommen nicht nur seiner persönlichen Torstatistik zugute, sondern auch dem Kollektiv. Die Mitspieler stoßen in die Räume, die der 21-Jährige mit seinen klug gestellten Sperren aufreißt. Und verwandeln die Siebenmeter, die er in schöner Regelmäßigkeit herausholt.
Pevnov ist in Usbekistan geboren, russischer Staatsbürger und in Deutschland aufgewachsen. Sein Vater Wladimir ist Generalmanager des russischen Handball-Verbandes, für den Pevnov bereits sein Debüt gab. Auch bei der EM in Österreich stand er im Kader, blieb jedoch ohne Einsatz. Seinem Stolz tut das keinen Abbruch. Pevnov sagt: "Mit 20 Jahren als Jüngster der Mannschaft bei einer EM dabei zu sein - wie viele können das von sich behaupten?" In seiner Brust schlagen zwei Herzen. "Wenn ich in Deutschland bin, dann fühle ich mich als Russe. Und wenn ich in Russland bin, fühle ich mich als Deutscher."
Gabor Ancsin, Maximilian Bender (beide Jahrgang 1990), Alexander Becker und Christian Dissinger (beide 1991) - die Liste der jungen Spieler lässt sich fortsetzen. Der Ungar Ancsin ist neben Mindaugas Veta, der nach einer Schulteroperation bis Februar ausfällt, einer von nur zwei Profis in Reihen der Pfälzer. Und er steht beispielhaft für die Kooperation, die die TSG mit den Rhein-Neckar Löwen pflegt. Friesenheim und Mannheim, wo Ancsin genauso wie Becker unter Vertrag steht, liegen nur wenige Kilometer voneinander entfernt. "Mit den Rhein-Neckar Löwen wollen wir gute Jugendspieler in der Region halten und ihnen die nötige Spielpraxis geben", erklärt König.
Die Nachbarschaftshilfe funktioniert so gut, dass Jugendnationalspieler Niklas Ruß nach seinem Ausbildungsjahr in Friesenheim nun nach Mannheim zurückgekehrt ist, wo er den verletzten Gudjon Valur Sigurdsson ersetzen soll. Nicht nur ein großes Talent wie Ruß, sondern auch die TSG entwickelt sich durch die Zusammenarbeit mit den Löwen weiter - so weit sogar, dass sie jetzt auf einer Stufe mit den Mannheimern steht. Stimmt nicht, meint König, "die spielen oben mit und wir gegen den Abstieg". Doch sind nach dem Aufstieg aus Nachbarn Konkurrenten geworden, und es wird interessant sein zu beobachten, ob sie ihre guten Umgangsformen beibehalten.
Friesenheim hat sich mit dem Konzept, zu einem großen Teil auf junge deutsche Spieler zu setzen, viele Sympathien erworben. Die Fans identifizieren sich mit dem Jugend-forscht-Kurs ihres Vereins, dem noch vor drei Jahren der Ruf anhaftete, eine leidenschaftslose Profitruppe unter Vertrag zu haben. Die Ära, als etwa Nico Kibat, Frantisek Sulc und Michele Skatar den Verein prägten und die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten, ist passe - und damit auch die maue Stimmung in der 2250 Zuschauer fassenden Eberthalle, die lange Zeit als Friedhofshalle verspottet wurde. Die TSG hat Anfang August ihren Dauerkartenverkauf gestoppt, insgesamt wurden tausend Tickets abgesetzt.
Den Friesenheimern steht eine aufregende Saison bevor, die sie ziemlich sicher von Beginn an in die niederen Gefilde der Tabelle führt. Nachdem die Mannschaft in der 2. Liga 26 Spiele gewann, "wird sie nun vielleicht lernen müssen, wie es sich anfühlt, 26 Spiele zu verlieren", sagt Fischer, der geschätzt über einen Etat von einer Million Euro verfügen kann. Bei den Transfers blieb der Geschäftsführer dementsprechend zurückhaltend. Rechtsaußen Marco Hauk kömmt aus Bittenfeld, und für die Position Rückraum Mitte wurde Andrej Kogut (HSG Düsseldorf) verpflichtet. König schätzt den 22-Jährigen für seinen "exzellenten Schlagwurf".
Dass man nicht nur Beute für die scheinbar übermächtige Konkurrenz sein will, sondern auch selbst auf die Jagd geht - davon zeugt die Eule im Wappen des Stadtteils Friesenheim. "Ein dynamisches Raubtier", wie der zweite Keeper Stephan Pfeiffer findet, der mit Mitspielern und Fans diesen Namen trägt: die Eulen. "Wir werden alles für den Ligaverbleib tun", sagt Pfeiffer, "es geht darum, den Horst zu verteidigen."
(aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 27.08.2010)
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