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Momir Ilic trumpfte in Hamm groß auf
und erzählte 10/3 Treffer.
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Susanne Schauer |
Mit einem deutlichen Kantersieg hat der THW Kiel seine
Tabellenführung in der TOYOTA Handball-Bundesliga untermauert.
Am Freitagabend gewannen die "Zebras" beim überforderten
Aufsteiger HSG Ahlen-Hamm nach einer grandiosen ersten
Halbzeit mit 36:23 (21:7). Bester Torschütze bei den Kielern
war
Momir Ilic mit 10/3 Treffern,
bei den Westfalen war Spielmacher Chen Pomeranz achtmal
erfolgreich.
Nach dem müh- und glanzlosen
32:27-Erfolg
am Mittwoch beim DHC Rheinland wollten die Kieler im zweiten
Pflichtspiel binnen 48 Stunden erneut schnell für klare
Verhältnisse sorgen. Bei Aufsteiger HSG Ahlen-Hamm, am Mittwoch
überraschend bei Zweitligist Dessau-Roßlauer HV aus dem Pokal
geflogen, standen die Chancen dafür ziemlich gut, denn in die
lange Verletztenliste der Westfalen mit Frank Schumann,
Einar Holmgeirsson, Jiri Hynek und Tomas Mrkva reihte sich nun
auch noch Torhüter Martin Ziemer mit einer Fußverletzung ein.
Für ihn rückte Carsten Schröder aus der Oberliga-Mannschaft des
ASV Hamm ins Team, nahm aber erst einmal auf der Bank Platz.
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Marcus Ahlm hatte nach fünf
Treffern in den ersten zwanzig Minuten bereits Feierabend.
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Henning Wegener |
Alfred Gislason begann ohne den
zuletzt stark auftrumpfenden
Aron Palmarsson,
der sich im Abschlusstraining eine leichte Zerrung zugezogen hatte
und nur im Notfall eingesetzt werden sollte.
Filip Jicha bekleidete stattdessen
zunächst die Spielmacher-Position,
Momir Ilic
startete auf der Königsposition daneben. Und
Jicha
war es auch, der nach zwei Minuten den ersten Treffer erzielte und
auch das zweite THW-Tor nachlegte. Die HSG Ahlen-Hamm glich aber
durch einen Schlagwurf Hocks und einen Treffer von Kreisläufer
Clößner zum 2:2 aus, die 2.500 Zuschauer in der seit Wochen
ausverkauften Maxipark-Arena in Hamm erhoben sich bereits jetzt
begeistert von ihren Sitzen.
Doch die Konzentration bei den Gastgeber ließ alsbald ein wenig nach,
im Angriff fanden sie nur selten Mittel gegen die sattelfeste Kieler
6:0-Abwehr. Nach dem 3:2 durch Christian Zeitz
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Chen Pomeranz versucht, an Christian Zeitz
vorbeizukommen. Der Israeli trumpfte erst in der zweiten Halbzeit auf.
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Henning Wegener |
trafen die "Zebras" nach Ballgewinnen in der Abwehr durch Gegenstöße
von
Jicha und
Sprenger
schnell zum 5:2. Rückraumspieler Marcus Hock ließ die HSG mit seinem
zweiten Tor zum 3:5 noch einmal hoffen, doch dann lief gar nichts mehr
zusammen bei den Westfalen. Der THW zeigte jetzt höchste Spielkultur
in seinen Angriffen, erhöhte durch zweimal
Ahlm,
einmal
Jicha und einen Gegenstoß
Sprengers nach weitem
Omeyer-Pass auf 9:3. HSG-Trainer Jens Pfänder
sah sich bereits nach neuneinhalb Minuten gezwungen, seine Auszeit
zu nehmen, brachte mit Maik Machulla für Chen Pomeranz einen neuen
Spielmacher. Doch dessen erster Schlagwurf war ein gefundenes Fressen
für
Thierry Omeyer, und der THW zog nach
zwei weiteren Treffern
Ahlms nach jeweils
schönem Anspiel
Ilics und einen Schlagwurf
von
Zeitz gar auf 12:3 davon. Erst danach
konnte Marcus Hock die achtminütige Torflaute seiner Mannschaft beenden,
leitete damit aber weitere zehn Minuten ohne Gastgebertor ein. Die Westfalen
waren dem Rekordmeister in den ersten 30 Minuten in allen Belangen
unterlegen, hatten zudem mit insgesamt sieben (!) Aluminiumtreffern der
Rückraumachse Hock/Pomeranz/Schröder bis zur Pausensirene sehr viel Pech.
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Frust auf der Bank des Gastgebers.
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Henning Wegener |
Der THW Kiel kannte kein Pardon mit dem Aufsteiger und baute seinen
Vorsprung weiter konsequent bis auf 17:4 (24.) aus - bei diesem Treffer
des immer mehr aufdrehenden
Ilics rutschte
dessen glücklosem Landsmann Srdjan Djordjevic der Ball am kurzen Pfosten durch, ohne
eine einzige Parade ließ er sich nun entnervt durch Carsten Schröder
auswechseln. Mittlerweile durften
Marcus Ahlm
nach fünf Treffern in zwanzig Minuten und
Christian Sprenger
bereits Feierabend machen, es kamen
Dragicevic
und
Reichmann in die Partie. Die Zuschauer
wurden langsam ungeduldig und skandierten nach einem etwas
uninspirierten Fehlwurf Pomeranz' erstmals "Wir wollen euch kämpfen
sehen". Diese Aufforderung schien zumindest ein wenig zu fruchten: Linksaußen Andreas
Simon schaffte den fünften Treffer und auch Chen Pomeranz lief
langsam warm und traf bis zum Seitenwechsel noch zweimal. Dennoch behielt
der THW das Heft in der Hand:
Daniel Kubes
fing einen Abwurf Schröders ab und erzielte per Gegenstoß das
zwischenzeitliche 19:6, nach einem Treffer
Dragicevics
ging es schließlich mit einem mehr als deutlichen 21:7 für Schwarz-weiß
in die Kabinen.
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Andreas Palicka zeigte tolle Paraden
im zweiten Durchgang - gegen die Strafwürfe von Chen Pomeranz
war er aber machtlos.
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Susanne Schauer |
Nun hatte auch
Thierry Omeyer Feierabend,
Andreas Palicka und
Jerome Fernandez
rückten ins Team. Doch man merkte den Gastgebern an, dass sie sich trotz
rücksichtslosen Rückstands noch einiges für die zweiten 30 Minuten
vorgenommen hatten. Besonders der 21-jährige Linkshänder Lars Gudat
blühte nun auf, traf nach Gegenstößen und auch aus dem Rückraum.
Auf Seiten des THW war es anfangs in erster Linie
Christian Zeitz
zu verdanken, dass der Vorsprung der Kieler nicht dahinschmolz wie
noch am Mittwoch in Dormagen: Vier der ersten fünf THW-Treffer nach
dem Seitenwechsel setzte der Linkshänder und glänzte auch mit zwei
Ballgewinnen in der Abwehr. Mittlerweile durfte auch
Filip Jicha
auf der Bank Platz nehmen, für ihn ließ
Alfred Gislason
nun
Momir Ilic das Spiel führen. Dies tat
der Serbe in beeindruckender Form, glänzte mit weiteren tollen
Anspielen und vor allem gut gesetzten Würfen. Dass der Vorsprung
der Kieler dennoch nicht weiter anwuchs, hatte zum einen mit der
nicht mehr ganz so konsequenten Abwehrarbeit der Kieler, zum anderen
aber auch mit den mutiger agierenden Westfalen zu tun, bei denen
der immer stärker werdende Chen Pomeranz nicht nur glänzend Regie führte,
sondern auch die herausgeholten Siebenmeter verwandelte und gar einen
von Gudat eingeleiteten Kempatrick zum zwischenzeitlichen 19:31
abschloss. So waren letztlich auch die HSG-Fans mit ihrer Mannschaft
wieder versöhnt, die letzten Spielminuten gab es daher trotz
zweistelligen Rückstands Standing Ovations für den Aufsteiger. Das letzte
Ausrufezeichen einer höchst unterhaltsamen, wenn auch nicht spannenden
Partie setzte der gute
Andreas Palicka mit
einer Parade gegen den auf ihn zurasenden Thomas Rycharski, der zehn
Minuten zuvor auf Forderung der Zuschauer von Jens Pfänder eingewechselt
wurde.
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Der Spielerkreis des THW - zufrieden nach einer starken Leistung in Hamm.
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Renate Butler |
Die ersten Mammutwochen der Saison für den THW Kiel mit 13 Partien binnen
41 Tagen sind geschafft. Die Bilanz dieser Zeit von elf Siegen, einem
Unentschieden gegen Barcelona und nur einer
Niederlage in Berlin kann sich durchaus sehen
lassen und unterstreicht die Vorgabe zu Saisonbeginn, dass der Rekordmeister
wieder in allen drei Wettbewerben nach dem Titel greifen will.
"Erst" am Dienstag, den 2. November steht das nächste Pflichtspiel
für die Mannschaft von
Alfred Gislason auf
dem Plan, wenn man in der Bundesliga bei Altmeister TV Großwallstadt
zu Gast ist. Für die Hälfte der Spieler in Reihen des THW bedeuten diese
elf Tage aber alles andere als Urlaub, denn
Dominik Klein
Christian Sprenger,
Filip Jicha,
Daniel Kubes
und
Aron Palmarsson kämpfen in ihren
Nationalteams um wichtige Punkte in den Qualifikationsgruppen zur
Handball-Europameisterschaft 2012. Auch
Momir Ilic,
der für einen Lehrgang des EM-Gastgebers Serbien nominiert wurde,
sowie
Thierry Omeyer und
Jerome Fernandez,
die mit der bereits als Titelverteidiger qualifizierten "Equipe Tricolore"
in zwei Testspielen auf Tunesien treffen, werden unterwegs sein.
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Ein Riesen-Kompliment an meine Mannschaft. Wir haben gesehen, wie schwer
es hier ist, besonders gegen Spitzenmannschaften gingen die Spiele alle
sehr eng aus. Wir haben überragend in Angriff und Abwehr gespielt.
Vorgestern haben wir gespielt und heute alles gegeben. Hamm hat Probleme
im Innenblock, das wussten wir und haben es in der ersten Halbzeit gut
genutzt. Aron Palmarsson hat heute nicht gespielt,
da er sich heute morgen beim Training eine leichte Zerrung zugezogen hat.
HSG-Trainer Jens Pfänder:
Glückwunsch an Kiel. Nach den vielen Pfostentreffern waren wir geknickt,
aber mit zunehmender Spieldauer wurden wir besser. Allerdings hat Kiel
dieses Spiel gnadenlos durchgezogen. Die körperliche Präsenz des THW ist
beeindruckend. In der zweiten Halbzeit haben wir das Herz in beide Hände
genommen. Das war positiv für die Mannschaft. Wir hoffen gegen Wetzlar
einen Befreiungsschlag machen zu können.
THW-Geschäftsführer Uli Derad:
Kompliment an die Mannschaft. Sie hat in den letzten Tagen in Celje,
Dormagen und hier mit einer Deutlichkeit gespielt. Ich bin begeistert
von der Unterstützung der Fans für ihre Mannschaft hier. Das ist Handball pur.
- HSG Ahlen-Hamm:
-
C. Schröder (25.-30., keine Parade),
Djordjevic (1.-25., 31.-60., 6 Paraden);
Rycharski,
Clößner (1),
Machulla,
Simon (2),
Wiegers (3),
Schmetz,
M. Schröder (1),
Hock (4),
Gudat (4),
Göde,
Pomeranz (8/3),
Lammers;
Trainer: Pfänder
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-30., 7 Paraden),
Palicka (31.-60., 10 Paraden);
Lundström (n.e.),
Dragicevic (2),
Sprenger (2),
Ahlm (5),
Kubes (1),
Reichmann (1),
Zeitz (6),
Palmarsson (n.e.),
Ilic (10/3),
Klein (2),
Jicha (5),
Fernandez (2);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Colin Hartmann / Stefan Schneider
- Zeitstrafen:
-
HSG: 4 (Göde (20.), Schmetz (21.), Lammers (37.), Clößner (56.));
THW: 2 (2x Kubes (46., 53.))
- Siebenmeter:
-
HSG: 3/3;
THW: 4/3 (Ilic gegen C. Schröder an die Latte (25.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2 (5.), 2:5, 3:5 (7.), 3:12 (15.), 4:12,
4:17 (24.), 5:17, 5:18, 6:18, 6:19, 7:19, 7:21;
2. Hz.: 8:21, 8:22, 9:22, 9:23, 10:23, 10:24 (35.), 12:24,
12:25, 14:25 (42.), 14:26, 15:26, 15:28, 16:28, 16:29,
17:29, 17:30 (47.), 18:30, 18:31, 19:31, 19:32, 20:32 (53.),
21:33, 21:36, 23:36.
- Zuschauer:
-
2.500 (ausverkauft) (Maxipark-Arena, Hamm)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 23.10.2010:
"Zebras" rasierten den Aufsteiger
Spaziergang zum 36:23 bei Ahlen-Hamm
Hamm. Ein bitterer Abend für die HSG Ahlen-Hamm.
Der Aufsteiger hatte sich auf das erste Pflichtspiel gegen
Handballmeister THW Kiel riesig gefreut, die
2500 Zuschauer fassende Maxipark-Arena war ausverkauft,
die Fans bester Laune. Und dann rasierten
die "Zebras" den Tabellenvorletzten beim 36:23 (21:7)-Sieg
nach allen Regeln der Kunst.
Schon vor dem Anpfiff rollte die La-Ola-Welle durch die
schmucke Halle, wer einen Sitzplatz erworben hatte, verzichtete
in den ersten Minuten darauf, ihn zu nutzen. Erstaunlich,
war das Team von Jens Pfänder ("das war heute Kaninchen und
Schlange") nach einem katastrophalen Saisonstart mit 1:15 Punkten
doch zwei Tage zuvor auch noch beim Zweitligisten Dessau-Roßlauer
HV (28:32) aus dem Pokal geflogen. Aber die HSG-Fans wollten zumindest
eine Mannschaft sehen, die sich wehrt. Lange vergeblich. Selten
durfte Kreisläufer Marcus Ahlm seinen
Job so ungehindert verrichten. Selten Filip Jicha,
der vier der ersten sieben THW-Tore verbuchte, so ungestört werfen.
Sicher, den Westfalen fehlten verletzungsbedingt Schlüsselspieler.
In der Deckung die Spezialisten Frank Schumann und Jiri Hynek. Im
Tor die Stammkräfte Tomas Mrkva und Martin Ziemer. So war Pfänder
gezwungen, Carsten Schröder aus dem Oberliga-Team zu berufen. Sicher,
Marcus Hock & Co. scheiterten allein in der ersten Hälfte
siebenmal an der Umrandung des Kieler Tores. Als Erklärungen für
eine lange blutleere Vorstellung können diese Faktoren aber nicht dienen.
Eine intakte Mannschaft tritt anders auf. Eine zerrissene Truppe?
Das wollte Mario Clößner nicht bestätigen. "Wir sind nach den vielen
Niederlagen total verunsichert, das Pokal-Aus war für uns ja nur die
Spitze des Eisberges." Der Kreisläufer erkannte einen
"Drei-Klassen-Unterschied" und bedankte sich artig bei den Fans.
"Unglaublich. Die feiern uns, obwohl wir so auf die Nüsse bekommen."
Auch die Köpfe der Hausherren bewegten sich gestern zu langsam.
Bestes Beispiel war die 10. Minute, als Thierry Omeyer
mit einem langen Pass Christian Sprenger bediente
und der zum 9:3 traf. Bedenklich war nicht das Tor, auch nicht das
sehenswerte Zuspiel. Symptomatisch war, dass der Rechtsaußen eine gefühlte
Ewigkeit unbemerkt am Torkreis des bedauernswerten Srdjan Djordjevic
warten durfte. Pfänder nahm eine Auszeit, hätte das Regelwerk es
zugelassen, hätte der 51-Jährige vor der Pause noch einige Male
unterbrochen. So musste er tatenlos erleben, wie Kiel auf 17:4 (19.)
entschwand.
Alfred Gislason setzte vor der elftägigen
Länderspielpause auf Rotation, schonte Aron Palmarsson,
der sich am Morgen leicht gezerrt hatte. Ein sehr zufriedener THW-Trainer
("die erste Halbzeit war überragend") sah noch eine glänzende Show von
Andreas Palicka und einen zehnfachen
Torschützen Momir Ilic, der auf der Mitte spielte
und vom Kreis traf. Die HSG-Fans freuten sich über die kleinen Dinge. Sie
bejubelten wacker jedes Tor ihres Teams, das über weite Strecken dieses
Publikum nicht verdient hatte. So blieb nur eine Frage ungeklärt: Warum
nahm Pfänder in der 58. Minute noch eine Auszeit? Nicht, um sich von
der Mannschaft zu verabschieden. Er machte es, weil er die zweite Halbzeit
gewinnen wollte. "Es ist ein Unterschied, ob wir mit 17 oder 13 Toren
Differenz verlieren." Auch Pfänder freute sich über die kleinen Dinge.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 23.10.2010)