Endspurt in den ersten Mammutwochen des THW Kiel: Nur 48
Stunden nach dem mühe- und glanzlosen
32:27-Erfolg
im
Pokal beim DHC Rheinland steht am Freitag
die letzte Pflichtpartie für die "Zebras" vor der elftägigen Länderspielpause
an. Bei Aufsteiger HSG Ahlen-Hamm geht es für den Rekordmeister um zwei
Bundesligapunkte und die Verteidigung der Tabellenführung in der TOYOTA
HBL. Das Spiel wird um 19.45 Uhr angepfiffen,
Sport1 überträgt
das erste Bundesliga-Duell der beiden Mannschaften live und kostenpflichtig
im Internet. Zeitnahe und kostenlose Informationen liefert wie gewohnt
kiel-liveticker.de,
zudem überträgt auch
Radio Lippewelle
live aus der Maxipark-Arena Hamm.
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Maik Machulla kehrt nach dem Zwangsabstieg mit der HSG Nordhorn-Lingen
in die Bundesliga zurück.
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HSG Ahlen-Hamm/Irma Korthals |
Geographisch trennen die westfälischen Städte Ahlen und Hamm nur rund
12 Kilometer. Was den Handball betrifft, waren sich die Vereine Ahlener SG
und ASV Hamm in den vergangenen Jahren sogar noch näher. Regelmäßig gehörten
beide Lokalrivalen zur Spitzengruppe der Zweiten Bundesliga Nord, aber nur
2006 gelang es der Ahlener SG einmal, noch etwas lauter ans Tor der Beletage
zu klopfen. Als Tabellenzweiter scheiterte man allerdings in der
Aufstiegsrelegation am Süd-Vize TSV Dormagen. Der Traum vom Erstliga-Handball
blieb indes bei beiden Vereinen bestehen. Gleichwohl kristallisierte sich
aber auch heraus: Aufstieg ist eine Sache, Etablierung eine ganz andere.
Da keiner der beiden Klubs wirtschaftlich dem Bundesliga-Handball auf Dauer
standhalten können würde, wurden im Herbst 2009 trotz leiser Fanproteste
die Kräfte gebündelt. Der Plan lautete, mit einer Spielgemeinschaft in die
TOYOTA Handball-Bundesliga vorzustoßen und mit einem starken Unterbau in
der neuen 3. Liga anzutreten. Die neu geschaffene HSG Ahlen-Hamm solle dann
in der Maxipark-Arena Hamm ihre Heimspiele austragen, die "Youngsters" und die
weiteren Jugendmannschaften hingegen sollten in Ahlen im neu geschaffenen
Leistungszentrum des Westdeutschen Handballverbandes unterkommen.
Der ASV Hamm stand zu diesem Zeitpunkt bereits auf
dem Aufstiegsplatz, die Ahlener SG belegte hinter Emsdetten Rang 3 der
Zweiten Liga Nord. Um den anvisierten Aufstieg nicht zu gefährden, wurden
bereits während der vergangenen Saison einige Leistungsträger Ahlens zur
Verstärkung nach Hamm geschickt. Der ASV wurde im Mai unter Trainer Kay
Rothenpieler souverän Meister und feierte den Aufstieg, während die
geschwächte ASG mit Coach Jens Pfänder im Niemandsland der Zweiten Liga
versank - alles verlief somit nach Plan in der vergangenen Spielzeit.
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Zurück zu alter Stärke? Einar Holmgeirsson.
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HSG Ahlen-Hamm/Irma Korthals |
Wie vereinbart übernahm nach der Saison Jens Pfänder den Trainerposten
der Bundesliga-Mannschaft. Ihm wurde damit die Aufgabe zuteil, aus drei Mannschaftsteilen
eine Einheit zu formen: aus ehemaligen Spielern des ASV Hamm, ehemaligen
Spielern der Ahlener SG und den fünf Neuzugängen. Um im Kampf um
den Klassenerhalt nicht zu blauäugig dazustehen, wurden vier gestandene
Bundesligaspieler verpflichtet: Aus Nordhorn stieß der torgefährliche
Spielmacher Maik Machulla zu den Westfalen. "Er ist in der 1. Bundesliga
zu Hause, kann eine Mannschaft führen. Ich freue mich, dass wir nach neun
Jahren doch zusammenarbeiten werden", zeigte sich Jens Pfänder, der
den aus der "Magdeburger Schule" stammenden 33-Jährigen bereits einst nach
Solingen lotsen wollte, glücklich über die Verpflichtung. Ebenfalls über
eine Erfahrung von mehr als 250 Erstligaspielen verfügt der niederländische
Rechtsaußen Mark Schmetz, der nach der Pleite von TuSEM Essen zuletzt beim
TBV Lemgo auf Torejagd ging. Pfänder und Schmetz arbeiteten bereits zweimal
miteinander, weshalb der Coach auch keine Probleme sah, dem Neuzugang gleich
das Kapitänsamt der HSG zu übertragen. Im rechten Rückraum angelte sich der
Verein als zweiten Mann neben dem Ex-Lemgoer Malte Schröder den isländischen
Nationalspieler Einar Holmgeirsson. Der 28-Jährige, der in den vergangenen
Jahren häufig unter Kniebeschwerden litt, erhielt beim Aufsteiger einen
Ein-Jahres-Vertrag. "Wir hoffen natürlich, dass er bei uns an seine guten
Zeiten in Flensburg und Großwallstadt anknüpft", verspricht sich HSG-Geschäftsführer
Franz Dressel viel vom Linkshänder. Als vierter erprobter Neuzugang wurde
Kreisläufer Rico Göde von den Berliner Füchsen geholt, der bereits in
Delitzsch und Stralsund Erfahrungen im Abstiegskampf sammelte - wenn auch keine
positiven. Fürs Tor wurde mit Tomas Mrkva ein echtes Juwel verpflichtet.
Der 21-jährige tschechische Nationalkeeper gilt in seiner Heimat als
Jahrhunderttalent, zog sich Mitte September im Training aber einen Mittelfußbruch
zu und muss noch einige Wochen pausieren. Daher legte die HSG noch einmal
nach und verpflichtete den Serben Srdjan Djordjevic bis zur Winterpause aus
Ungarn.
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Srdjan Djordjevic (hier mit Trainer Jens Pfänder) vertritt bis zur
WM-Pause den verletzten Tomas Mrkva.
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simpli PR |
Weitere Hoffnungsträger im durch die Fusion mit insgesamt 21 Spielern
riesigen
Kader der HSG Ahlen-Hamm sind: der
israelische Spielmacher Chen Pomeranz, der 2008 von der HSG Wetzlar nach
Deutschland gelotst wurde, dort aufgrund eines Kreuzbandrisses aber nie
Fuß fassen konnte; der Rückraumspieler Marcus Hock, der in den vergangenen
drei Spielzeiten in der Zweiten Liga beim ASV Hamm nach Belieben traf;
Linksaußen Andreas Simon, der 175 Bundesligaspiele für GWD Minden absolvierte sowie
der tschechische Kreisläufer und Abwehrhüne Jiri Hynek, der allerdings
aufgrund eines Kreuzbandrisses erst nach der WM in Schweden wieder in den
Kader zurückkehren wird.
Auch aufgrund der vielen Verletzungen verlief der Saisonstart bei den
Westfalen alles andere als erfolgreich: Nach acht Spieltagen wartet die
HSG noch immer auf den ersten Sieg und steht mit 1:15 Punkten auf dem
vorletzten Platz der TOYOTA Handball-Bundesliga.
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Marcus Hock hofft nach kurzlebigen Engagements bei Melsungen
und Wetzlar auf seinen Durchbruch in der ersten Liga.
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HSG Ahlen-Hamm/Irma Korthals |
Zwar hatte es das Auftaktprogramm des Aufsteigers auch in sich, und
bis auf die böse 21:36-Schlappe in Hamburg am zweiten Spieltag konnte
die Mannschaft von Jens Pfänder die Niederlagen gegen die
Europapokalstarter Großwallstadt (29:32), Rhein-Neckar Löwen
(25:28), Gummersbach (25:30), Lemgo (29:33) und Göppingen (27:31)
stets in Grenzen halten. Allerdings vergab die HSG Ahlen-Hamm auch
schon zwei "Big Points" in eigener Halle: Gegen Co-Aufsteiger TSG
Ludwigshafen-Friesenheim reichte es nur zu einem 23:23-Unentschieden,
gegen HBW Balingen-Weilstetten unterlag man nach 18:16-Halbzeitführung
gar mit 29:30 (siehe auch
Gegnerkurve HSG Ahlen-Hamm).
Den vorläufigen sportlichen Tiefpunkt erreichte die
Mannschaft am Mittwoch im
DHB-Pokal:
Beim Nord-Zweitligisten Dessau-Roßlauer HV, der seinerseits erst am
vergangenen Wochenende vom TSV Altenholz zerpflückt wurde, verloren
die Westfalen mit 28:32 (15:20) - noch in der Aufstiegssaison hatte
der ASV Hamm keinerlei Probleme mit den Sachsen-Anhaltinern und gewann
beide Ligaduelle mit 31:23. Der Haussegen beim kommenden THW-Gegner hängt
schief, Geschäftsführer Franz Dressel bat die Mannschaft direkt nach der
Pokalpleite in die Kabine. Er bemängelte die fehlende Einstellung,
stellte sich aber gleichzeitig hinter seinen Coach: "Es wird personelle
Konsequenzen geben. Diese werden aber nicht Trainer Jens Pfänder betreffen.
An dieser Niederlage trifft ihn überhaupt keine Schuld."
Auch abseits des Spielfeldes traten mittlerweile erste Schwierigkeiten
auf, von einer finanziellen Schieflage war gar die Rede. In der
vergangenen Woche dementierte Geschäftsführer Franz Dressel diese
angeblich im sechsstelligen Bereich liegende Lücke. Demnach gäbe es
aber im Sponsorenbereich Zusagen in erheblicher finanzieller Höhe,
die mündlich zugesagt, aber vertraglich nicht fixiert wurden. "Wir
glauben aber, auch aus der Vergangenheit heraus, dass diese Zusagen
eingehalten werden. Das haben wir im Griff", ist sich Dressel sicher.
Am Freitag steht logischerweise das erste Bundesligaduell des THW Kiel
mit der HSG Ahlen-Hamm an. Gegen die "Ur-Vereine" mussten die "Zebras"
in den vergangenen Jahren hingegen insgesamt dreimal im Pokal antreten.
Im Oktober 2000 (30:15) und im September 2008
(37:26) siegte der THW in der Ahlener
Friedrich-Ebert-Halle, im November 2007 maß sich der Rekordmeister
mit dem ASV Hamm und hatte beim 39:33-Erfolg
damals mehr Mühe als erwartet. Indes: In der 2008 eingeweihten
Maxipark-Arena spielten die "Zebras" noch nie. Alfred Gislason
warnte aufgrund der klaren Vorzeichen für seine Mannschaft nach dem
Pokalsieg beim DHC Rheinland in Bezug auf die
schwache zweite Halbzeit: "Spielen wir so gegen Hamm, bekommen wir Probleme."
Die Schiedsrichter am Freitagabend in Hamm sind
Colin Hartmann und Stefan Schneider.
(Sascha Krokowski)
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Lesen Sie bitte auch
Aktualisierung vom 22.10.
Alle westfälischen THW-Fans möchten wir zudem informieren, dass es
am Freitag in der Maxipark-Arena in Hamm auch einen schwarz-weißen
Fanartikel-Stand geben wird. Wer also noch einen THW-Schal, ein Trikot
oder den neuen Kalender braucht (und obendrein eine Karte für die
seit Wochen ausverkaufte Partie besitzt), kann am Freitagabend
prima Portokosten sparen.
HBL-Interview mit Torsten Friedrich
"Ein bisschen wie Schalke gegen Dortmund"
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Torsten Friedrich: "Wenn die HSG erst einmal spielt,
dann stehen alle gemeinsam hinter der Mannschaft.
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HSG Ahlen-Hamm/Irma Korthals |
Torsten Friedrich ist mit seinen 39 Jahren in einem Alter,
wo für viele die Karriere längst schon zu Ende ist. Doch
weil er Torwart ist und seinen Sport noch immer liebt,
steht er in dieser Saison im Tor der 2. Mannschaft der
HSG Ahlen-Hamm, für die Friedrich auch als Jugendkoordinator
tätig ist. Und als sei das alles noch nicht genug, ist der
Mann, den alle nur "Fichte" nennen, seit Saisonbeginn nun
auch Fan-Beaufrager der HSG und somit das integrative Moment
für die einst rivalisierenden Anhänger beider Klubs. Wenn
am Freitagabend der THW Kiel zum Ligaspiel in Hamm antritt,
hat Torsten Friedrich noch ein weiteres Problem: Bei einem
Fassungsvermögen von 2.000 Besuchern müssen viele Fans der
HSG draußen bleiben.
- HBL:
-
Es heißt, für das Spiel gegen den THW Kiel hätte die HSG ganz
locker auch 10.000 Tickets verkaufen können. War die Kartennachfrage
für dieses Match tatsächlich so gewaltig?
- Torsten Friedrich:
-
Das lässt sich schwer sagen. Wir hatten ganz sicher aber 5.000 bis
6.000 Anfragen. Nachdem aber klar war, dass das Match ausverkauft
ist, und das ja hier in allen Medien publiziert wurde, haben sich
viele Interessierte möglicherweise erst gar nicht mehr gemeldet.
Die Zahl ist aber nur eine grobe Schätzung.
- HBL:
-
Die Zahl war jedenfalls so gewaltig, dass sich die Verantwortlichen
der HSG dazu entschlossen, das Match gegen den HSV Hamburg, für das
ein ähnlicher Ticketrun zu erwarten sein wird, in die Dortmunder
Westfalenhalle zu verlegen.
- Torsten Friedrich:
-
Das hatten wir ursprünglich überhaupt nicht vor. Wir wollten alle
unsere Heimspiele in Hamm austragen. Aber weil so viele Fans das
Match gegen Kiel live sehen wollten und nun außen vor bleiben müssen,
haben wir nachgedacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir
allen unseren Anhängern die Möglichkeit geben möchten, die Spiele
gegen die Top-Gegner in der Halle zu erleben.
- HBL:
-
Die HSG scheint ja eine ungeahnte Akzeptanz zu erfahren, wenn Ende
Dezember statt der 2.000 Besucher in Hamm möglicherweise 10.000 in
Dortmund kommen werden.
- Torsten Friedrich:
-
Das Interesse an der Bundesliga ist riesig. Alle wollen Erstligahandball
sehen. Nach so vielen Jahren in der 2. Liga - das gilt für Ahlen genau
so wie für Hamm - sind hier alle neugierig auf mehr. Wir sind bei nahezu
jedem Spiel ausverkauft. Aber das haben wir uns ja auch so gewünscht.
Zudem sind wir hier im östlichen Ruhrgebiet in einer traditionellen
Hochburg, wo in den 70er und 80er Jahren der Handball einen sehr hohen
Stellenwert hatte.
- HBL:
-
Als Fanbeauftragter der Spielgemeinschaft müsste Sie das doch unheimlich freuen.
- Torsten Friedrich:
-
Das tut es. Wir versuchen aber auch einiges. Es gab ja bereits zwei Hammer
Fanclubs in der Zeit, als Ahlen und Hamm noch gegeneinander in der 2. Liga antraten.
- HBL:
-
Die Spielgemeinschaft ist ja noch recht neu. Gibt es da eigentlich
schon eine homogene Fangemeinde?
- Torsten Friedrich:
-
Anfangs gab es schon diverse Ressentiments. Aber das wird immer weniger.
Allein: Das kann ja gar nicht sofort funktionieren, wenn man an die hitzigen
Derbys der Vergangenheit denkt. Die Rivalität gab es zwischen den Fans
genauso wie unter den Spielern. Das war schon immer ein bisschen wie Schalke
gegen Dortmund. Insofern gab es anfangs schon ein wenig Probleme unter den
Fans. Aber wir bekommen das immer besser unter einen Hut. Wenn die HSG erst
einmal spielt, dann stehen alle gemeinsam hinter der Mannschaft.
- HBL:
-
Das heißt: Aus alten Rivalen sind - na ja, nicht neue Freunde - aber gute Bekannte geworden.
- Torsten Friedrich:
-
Das darf man so sagen. Wir sind da auf einem guten Weg. Wir haben viele
Fans aus Ahlen, viele Fans aus Hamm und sicher auch noch einige neue
Freunde hinzugewinnen können. Und dass die Spiele in Hamm und nicht in
Ahlen stattfinden, liegt daran, dass die neue Halle nun mal in Hamm
steht. Das hätte sonst auch genau andersherum sein können.
- HBL:
-
Wie sind Sie eigentlich Fan-Beauftragter für Ahlen-Hamm geworden?
- Torsten Friedrich:
-
Das entwickelte sich nahezu von allein. Ich habe schon im vergangenen
Jahr beim ASV Hamm mitgearbeitet und bin als Jugendkoordinator - das
bin ich ja auch noch - und als Spieler in beiden Vereinen und in beiden
Hallen präsent. Insofern sehe ich mich als Bindeglied zwischen den
beiden Partnern der Spielgemeinschaft und lebe das auch mit den Fans.
- HBL:
-
Als Keeper der zweiten Mannschaft steht jetzt vielleicht sogar ein
Einsatz am Freitagabend zur Diskussion.
- Torsten Friedrich:
-
Das darf ich ja gar nicht. Hamm hat die Lizenz für die 1. Liga, Ahlen
die für die 3. Liga. Insofern sind das zwei unterschiedliche Klubs.
Das ist für mich halt ein wenig ärgerlich, sonst würde ich natürlich
gern gegen Kiel aushelfen.
- HBL:
-
Was trauen Sie Ihren Kollegen am Freitagabend denn zu?
- Torsten Friedrich:
-
Es wäre sicher grenzenlos vermessen zu sagen, dass wir das Spiel
gewinnen werden. Immerhin treten wir gegen den Deutschen Meister
und den Gewinner der Champions League an. Ich hoffe, dass wir das
Spiel lange Zeit möglichst eng gestalten können. Das wäre für uns
immens wichtig, um Selbstbewusstsein für den Abstiegskampf zu tanken.
Zudem habe ich schon erlebt, dass am Ende einer Saison Entscheidungen
an nur wenigen Toren hingen. Die Berliner Füchse scheiterten in der
vergangenen Saison nur aufgrund eines Tores an der
Europacup-Qualifikation.
(Das Gespräch führte die HBL)
Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 27.08.2010:
"Wir sind nicht blauäugig"
Spannendes Projekt: Neuling HSG Ahlen-Hamm hat seine Hausaufgaben gemacht
In der Theorie hat die HSG Ahlen-Hamm den Klassenverbleib sicher.
Mindestens. Woran das liegt? Ganz einfach am sportlichen Chef des
Neulings, denn Jens Pfänder ist nicht irgendwer, der 50-Jährige
ist als Bundeslehrwart des Deutschen Handballbundes der Spiritus
Rector der Übungsleiter. Seit 2005 hat er den Job inne und hilft
dabei, die Lehre des Spiels zu verbreiten.
Mehrmals war er bereits in der 1. Liga, den TuS N-Lübbecke hatte
er 2004 mit 68:0 Punkten nach oben geführt, doch nach einem
misslungenen Engagement in Essen suchte er Abstand. Mit dem
nigelnagelneuen Fusionsgebilde verantwortet er nun eines der
interessantesten Projekte des deutschen Profihandballs - Pfänder
nennt das "eine superspannende Geschichte im Herzen Westfalens".
Auch für ihn wird die Welt wieder "schöner, größer und weiter".
Rückblende: Ende 2009 verkünden die Ahlener SG, deren Trainer
damals Pfänder heißt, und der ASV Hamm, ab der Saison 2010/2011
unter einer Flagge anzutreten. Der Anhängerschaft erschien dies
zwar so sinnvoll wie eine Kooperation der Fußballrivalen Borussia
Dortmund und Schalke 04, doch die Vernunft der Funktionäre führte
zur Ehe. "Kurzfristig könnte den Aufstieg jeder Verein im Alleingang
schaffen, aber für längere Zeit ist die 1. Liga für keinen allein
zu stemmen", sagte damals Hamm-Manager Franz Dressel. Beide
Zweitligisten sortierten ihre Kader für das Ziel Aufstieg, das
der ASV Hamm mit dem Trainer Kay Rothenpieler im Mai realisierte.
Hamm ist in der neuen Gemeinschaft der aufstrebende Juniorpartner.
Erst 2003 verließ der Klub die Oberliga und kletterte mit
Rothenpieler, ehedem einer der besten deutschen Rechtsaußen, peu
a peu in die Beletage des Handballs. Rothenpieler, der eigentlich
als Sportdirektor des neuen Erstklässlers ausersehen worden war,
zog sich jedoch nach der Meisterschaft ins Private zurück -
Pfänder ist so zur alleinigen Frontfigur geworden, doch diese
Beschreibung wird dem Team hinter den Kulissen nicht gerecht. Der
ehemalige Ahlener Macher Dietmar Kupfernagel stieg zum hauptamtlichen
Geschäftsführer der HSG auf, dazu kommen allein in der Administration
vier weitere Angestellte. "Der THW Kiel ist da unser leuchtendes
Vorbild", sagt Pfänder. "Wir versuchen, unsere Erstliga-Aufgaben so
schnell wie möglich zu erfüllen."
Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass sich die HSG Ahlen-Hamm wie
fast jeder Aufsteiger auf ein Himmelfahrtskommando einlassen muss,
doch das mag Pfänder mit Blick auf seine neuen Spieler und
erfahrenen Stammkräfte so nicht gelten lassen. "Wir haben Leute geholt,
die sich in der Liga sehr gut auskennen", sagt der gebürtige
Dortmunder. Allen voran gilt das für den ehemaligen Nordhorner Mittelmann
Maik Machulla und Mark Schmetz. Den niederländischen Rechtsaußen hatte
Pfänder bereits in Herdecke und später in Essen trainiert, mit 21 Jahren
setzte er den Oranje-Trickser bereits erfolgreich als Kapitän ein. Diese
Rolle übernimmt der inzwischen 33-jährige Schmetz, der zuletzt mit dem
TBV Lemgo den EHF-Cup gewann, nun trotz fehlenden Stallgeruchs auch bei
der HSG. "Das ist einfach eine Frage der Erfahrung", sagt Pfänder und
betont: "Auch der Rest der Mannschaft wird Akzente setzen."
Linksaußen Andreas Simon, 2004 Junioren-Europameister, lernte mit GWD
Minden die 1. Liga kennen; der lange verletzte isländische Linkshänder
Einar Holmgeirsson (Flensburg und Großwallstadt) könnte den rechten
Rückraum erheblich stärken. Zwischen den Pfosten steht mit dem aus der
Magdeburger Schule kommenden Martin Ziemer nicht nur der überragende
Torwart der 2. Liga, der 21-jährige Tscheche Tomas Mrkva gilt unter den
letzten Männern als eines der größten europäischen Talente. Kreisläufer
Rico Göde gewöhnte sich bereits in Delitzsch, Stralsund und Berlin an
höchstes Niveau. "Alles in allem", sagt Pfänder, "sind wir da nicht
blauäugig aufgestellt." Zur Rückrunde wird auch der tschechische
Kreisläufer und Abwehrspezialist Jiri Hynek die Folgen eines Kreuzbandrisses
auskuriert haben.
Als Folge der Fusion ist der Kader zurzeit auf 20 Spieler aufgebläht; beide
Stammvereine kommen so zu ihrem personellen Recht. Zusammensetzung und
Altersstruktur der Mannschaft spiegeln allerdings auch das Konzept der
Gemeinschaft wider: Zur großen HSG gehört auch ein stabiler Unterbau mit
einem in der neuen 3. Liga beheimateten Talentschuppen.
Wer ein wirkliches handfestes Argument braucht, um an die Chance der HSG
Ahlen-Hamm in der 1. Liga zu glauben, dem hilft vielleicht ein Blick auf
die Spielstätte der Westfalen. Die erst 2008 in Betrieb genommene
Maxipark-Arena Hamm mit einer Kapazität von 2.700 Zuschauern ist nicht nur
ein Schmuckkästchen - ebenso wichtig ist das alleinige Hausrecht, das die
Handballer dort genießen. Fürs Training müssen sie nicht wie viele
Konkurrenten mit Sack und Pack durch die Gegend ziehen. Und anders als die
großen Vereine in den riesigen Multifunktionsarenen müssen sie sich nicht
mit Stars und Sternchen der Showbranche um Termine balgen. Pfänder: "Ich
hoffe, dass sich das auch in Punkten bezahlt macht."
Vorerst bleibt die HSG übrigens ihrem Standort treu - selbst für das
zuschauerattraktive (und auch mit Heimvorteil nicht sehr aussichtsreiche)
Spiel gegen den HSV Handball am 29. Dezember wagt der Neuling nicht den
Umzug in die gut 40 Kilometer entfernte Dortmunder Westfalenhalle. So
bleiben - eine längere Zeit im Oberhaus vorausgesetzt - noch Freiräume
für späteres Wachstum. "Das Projekt", glaubt Pfänder, "kann sich sportlich
und finanziell in der ersten Liga etablieren." Theoretisch besteht daran
mit dem Bundeslehrwart auf der Bank gar kein Zweifel.
(aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 27.08.2010)
Aus den Kieler Nachrichten vom 22.10.2010:
Gislason warnt vor "Bruder Leichtfuß"
THW heute bei kriselnder HSG Ahlen-Hamm
Hamm. Vor der elftägigen Länderspielpause erwartet
Aufsteiger HSG Ahlen-Hamm heute Abend (19.45
Uhr) Handballmeister THW Kiel. Beide Vereine hadern
vor dem ersten Aufeinandertreffen in der Bundesliga
noch mit ihren Auftritten im DHB-Pokal am
Mittwoch, allerdings mit unterschiedlich tiefen Sorgenfalten.
Während die Kieler gestern in der Sportschule Kaiserau rätselten,
warum sie beim letztlich ungefährdeten
32:27-Sieg gegen den DHC Rheinland
einen zehnminütigen Blackout erlebt hatten, herrschte bei den
Westfalen Katerstimmung. Schließlich war das Team von Jens Pfänder
beim Zweitligisten Dessau-Roßlauer HV, vor einigen Tagen noch vom
TSV Altenholz gerupft, ausgeschieden (28:32). Nach dem verpatzten
Saisonstart von 1:15 Punkten gerät nun auch Pfänder unter Druck.
Ein erboster Geschäftsführer Franz Dressel kündigte nach dem
Pokal-Aus auch personelle Konsequenzen an. "Sie werden allerdings
nicht den Trainer betreffen, er ist unschuldig." In der seit drei
Wochen ausverkauften Maxipark-Arena in Hamm (2600 Zuschauer) hofft
Pfänder nun auf eine Trotzreaktion. "Es ist gut, dass wir schon
nach 48 Stunden die Chance bekommen, uns wieder freizuschwimmen."
Die HSG, eine Allianz aus dem ASV Hamm und der Ahlener SG, war mit
großen Ambitionen gestartet. Routiniers wie Mark Schmetz, Maik
Machulla oder Einar Holmgeirsson wurden verpflichtet, doch den
Beweis, eine erstklassige Einheit zu sein, blieb der Neuling bislang
schuldig. Allerdings fehlte mit den verletzten Jiri Hynek (Kreis),
Frank Schumann (Mittelblock), Holmgeirsson (Rückraum) und Tomas Mrkva
(Tor) auch eine komplette Achse. Gegen Kiel wird zudem Stammtorhüter
Martin Ziemer geschont, der zuletzt nur mit schmerzstillenden Spritzen
spielen konnte.
Trotz der beängstigenden Talfahrt glaubt THW-Trainer
Alfred Gislason, dass der heutige
Gegner ein stärkerer sein wird als der DHC Rheinland.
Zumal der Isländer noch mit den Seinen haderte, hatten sie
doch mit großer Lässigkeit einen klaren Vorsprung verspielt.
"Ich wollte einige Spieler schonen. Am Ende musste ich sie
doch wieder einwechseln", meinte er unter anderem Kreisläufer
Marcus Ahlm, den
Milutin Dragicevic diesmal nicht
ersetzen konnte. "Gegen Hamm müssen wir über 60 Minuten das
spielen, was wir in Dormagen nur eine halbe Stunde lang
geschafft haben."
Die zweite Halbzeit hätten sie verschlafen, das meinte
auch Rechtsaußen Christian Sprenger.
"Das kann auch mal nach hinten losgehen." In Erinnerung an das
Bundesliga-Spiel am 3. September in Dormagen (32:25),
als es zur Halbzeit noch 15:15 stand, hätten sie sich vorgenommen,
diesmal sofort für Klarheit zu sorgen. "Das klappte gut, dann
haben wir aber zu schnell den Abschluss gesucht."
Bis auf jene zehn Minuten hätten sie die Hürde souverän
genommen, relativierte Filip Jicha
den Diskussionsbedarf. "Wir dürfen nicht vergessen, dass es
die gleiche Mannschaft war, gegen die wir kürzlich noch große
Schwierigkeiten hatten." Vor der Länderspielpause, auf die er
sich sehr freue, hätten sie nun nur noch eine Aufgabe zu lösen.
"Und das werden wir tun."
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.10.2010)
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
HSG Ahlen-Hamm - THW Kiel:
Das Tippspiel ist nicht mehr verfügbar.
Mittippen!
TV-, Radio- und Internet-Tipps:
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TV/Internet: sport1.de:
Fr., ab 19.45 Uhr: HSG Ahlen-Hamm - THW Kiel
live aus der Maxipark-Arena in Hamm
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Radio: Radio Lippewelle Hamm:
Fr., ab 19.00 Uhr: Liveübertragung HSG Ahlen-Hamm- THW Kiel
live aus der Maxipark-Arena in Hamm
Livestream auf www.lippewelle.de
- Internet: kiel-liveticker.de
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www.kiel-liveticker.de.
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Eine Übersicht über verschiedene Live-Ticker finden Sie auf unserer
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