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Jerome Fernandez überzeugte mit fünf Treffern, hatte mit der
Barca-Abwehr aber auch eine Menge Mühe.
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Das Spiel zwischen dem THW Kiel und dem FC Barcelona war als Duell der Giganten angekündigt
worden - und zumindest eine Halbzeit lang hielt die Begegnung, was sich Fans und Spieler
davon versprochen hatten. Am Ende einer hochdramatischen, intensiv geführten Partie feierten
beinahe nur die Spanier einen Punktgewinn: Das 28:28 (14:10) fühlte sich aus Kieler Sicht nach
einer Fünf-Tore-Führung zu Beginn der zweiten Hälfte ein wenig wie eine Niederlage an. Doch
diese Partie, das Spitzenduell in der
Gruppe A, hatte einfach keinen Sieger verdient. Bester Torschütze
bei den Zebras war
Marcus Ahlm mit sechs Treffern,
Thierry Omeyer
zeigte in der ersten Halbzeit unglaubliche 19 seiner insgesamt 25 Paraden.
Für solche Ereignisse liebt man in Handball-Europa die Königsklasse. Wenn am zweiten Vorrunden-Spieltag
die Neuauflage des Finales in der Handball-Hauptstadt Kiel stattfindet, kribbelt es bis unter das
Hallendach. Trotzdem begrüßten die 10.250 Zuschauer in der ausverkauften Sparkassen-Arena
den FC Barcelona mit lang anhaltendem Applaus, von dem lediglich Siarhei Rutenka ausgenommen wurde.
Pfiffe begleiteten den bulligen Spieler über die gesamte Dauer der Partie.
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Aron Palmarsson wurde von der katalanischen Abwehr wenig Platz zum
Entfalten eingeräumt.
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Der THW begann mit
Aron Palmarsson auf der Mitte,
Jerome Fernandez
blieb zunächst auf der Bank. Aber bereits in den ersten Minuten dieses Giganten-Duells zeichnete sich ab,
dass die Schwarz-Weißen an diesem Tag emotional ordentlich durchgeschüttelt werden würden. Da stand auf
der einen Seite
Thierry Omeyer, der seine Gegenspieler von Beginn an zur
Verzweiflung trieb. Auf der anderen Seite war dann aber auch die Nervosität ein ständiger Begleiter
der Kieler Angriffsbemühungen, die zudem in Danijel Saric immer wieder ihren Meister fanden. Nach drei
Minuten aber platzte endlich der Offensivknoten bei den Kielern:
Jicha bediente
Marcus Ahlm mit einem Traumpass zum 1:0. Nach fünfeinhalb Minuten dann gelang
es den Katalanen erstmals, das Bollwerk
Omeyer zu überwinden - allerdings
brauchte Barca dafür einen Siebenmeter. Doch das Auf und Ab ging weiter - was hinten erkämpft wurde,
wurde vorn durch eine Vielzahl an Fehlern wieder zunichte gemacht. Und so war der Jubel riesengroß,
als sich ausgerechnet der junge
Tobias Reichmann in Unterzahl ein Herz fasste, und nach
sieben (!) Minuten aus dem Rückraum den zweiten THW-Treffer erzielen konnte.
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Einen schweren Stand hatte Zeitz nicht nur in dieser Szene.
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Doch die Partie bestimmten weiterhin die Torhüter:
Omeyer kauften sich
reihenweise Bälle von den Außen, Saric schnappte sich erst einen
Palmarsson-Wurf und
dann auch noch den Nachwurf des an diesem Tag mit wenig Zielwasser ausgestatteten
Dominik Klein.
Nach zehn Minuten gingen die Gäste durch ein Nöddesbo-Tor erstmals in Führung (3:2), wenig später
hielt Saric einen Tempogegenstoß von
Jicha, was Garcia wenig später
zum 4:2 per Siebenmeter nutzte. Doch jetzt war die Sparkassen-Arena da - binnen Minuten verwandelte
Omeyer sie in ein wahres Tollhaus. Und auch im Angriff lief es nun besser -
der hart bedrängte
Ahlm verkürzte,
Jicha glich
von der Strafwurflinie aus, und der inzwischen auf die Platte beorderte
Fernandez
brachte den THW wieder mit 5:4 in Führung. Nach Sarmientos erneutem Ausgleich ging
Zeitz mit dem Kopf durch die Sorhaindo-Wand zum 6:5,
Reichmann
erhöhte nach einem feinen
Jicha-Bodenpass zum 7:5. Als
Klein
dann nach zwanzig Minuten einen freien Ball weit neben das Tor bugsierte, brachte
Gislason
Henrik Lundström - eine Entscheidung, die sich rentieren sollte.
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Henrik Lundström brachte seine Farben mit vier Toren in zehn Minuten
zur 14:10-Halbzeitführung.
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Denn jetzt kam Schwung in die Angriffsbemühungen, per Tempogegenstoß erzielte der Schwede das 9:8.
Omeyer hielt den Gegnestoß von Noddesbö,
Ahlm bediente
Lundström: 10:8 (25.). Und die Kieler hatten nun richtig am Erfolg gerochen:
Fernandez drehte sich um Freund und Feind zum 11:8,
Lundström
lief beim
Jicha-Gegenstoß an den Kreis ein und vollendete zum 12:8 - die Halle
stand Kopf. Wenig später drohte die ehrwürdige Arena tatsächlich in ihren Grundfesten bedroht zu sein,
als der permanent mit Pfiffen bedachte Rutenka es allen Kritikern zeigen wollte, und an den Siebenmeterstrich
schritt. Seinen versuchten Heber fing
Omeyer mit einer Hand - Standing Ovations
waren die Folge. 19 Paraden zeigte der entfesselte Kieler Keeper in der ersten Hälfte und hatte damit
großen Anteil an der 14:10-halbzeitführung, die erneut
Lundström und
Zeitz
unter Dach und Fach brachten.
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Eine unglaubliche erste Halbzeit zeigte Thierry Omeyer mit 19 Paraden.
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Doch dieser FC Barcelona war auch nach
Ahlms 15:10 nach dem Wiederanpfiff
nicht geschlagen. Schon in der ersten Hälfte hatte Trainer Xavi Pascual die gesamte Breite seines
gigantischen Kaders in die Schlacht geworfen, und nun schienen die Katalanen dadurch die zweite
Luft zu erhalten. Da Saric sich nun noch mehr steigerte, wurde das Torewerfen in der zweiten Hälfte
für den THW zu einem immer kraftraubenderen Akt. Zudem drehte im Barca-Angriff Rocas nun richtig auf -
zwei Tore von ihm und ein Igropulo-Geschoss brachten die Spanier auf 13:16 heran,
Lundströms ersten Fehlwurf bestrafte Entrerrios mit dem 15:17-Anschluss.
Und auch die serbischen Schiedsrichter machten es den Zebras in dieser Phase nicht leicht: Gleich dreimal
pfiffen sie
Jicha in aussichtsreicher Position zurück oder ahndeten
Fouls unterschiedlich - die Nervosität machte sich wieder breit. Doch mit unglaublichem Willen
hielten die müder wirkenden Kieler ihren Gegner weiter in Schach:
Ahlm
erzielte nach einem durchgesteckten
Jicha-Pass das 20:17,
kurz darauf boxte der Kreisläufer im Fallen den Ball zum 21:18 über die Linie, ehe
Zeitz
nach dem missglückten
Ilic-Siebenmeter-Comeback das schönste Tor des
Tages erzielte: Eine gehechtete Schraube von der Außenposition beendete er mit einem artistischen
Rückhandwurf zum 22:19 (48.). Doch vor allem aus dem Rückraum konnten die Kieler nicht den gewohnten
Druck entfachen - die schnelle und gleichzeitig aggressive Barca-Abwehr zog den Zebras Stück um
Stück den Zahn. Rocas und Sarmiento, der durch die Beine des in der zweiten Halbzeit oft allein
gelassenen
Omeyer traf, verkürzten auf 22:23 (52.) - mit der
Auszeit von
Gislason begann die Partie praktisch von vorn.
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Filip Jicha musste oft in eins-gegen-eins-Situationen punkten.
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Der nach einer Attacke humpelnde
Fernandez traf zum 24:22, doch zwei
Zeitz-Fehler im Angriff sorgten binnen 30 Sekunden für den Ausgleich
durch Nöddesbo und Ugalde. Mit Gegenstößen trafen die Katalanen den THW ins Mark.
Fernandez
konterte mit einem 101-km/h-Kracher, den der völlig allein gelassene Sarmiento mit dem Ausgleich
erwiderte.
Palmarsson brachte den THW in dieser dramatischen Schlussphase wieder
in Führung, und als
Omeyer einen Nagy-Wurf spektakulär abwehrte, schien
sich das Blatt doch noch zugunsten des THW zu wenden. Doch ein erneuter technischer Fehler im Angriff
lud Ugalde zum Konter ein, auch
Jichas einziger Rückraum-Kracher der Partie
zum 27:26 (59.) sorgte nicht für Ruhe: Rocas glich aus,
Jicha legte zwanzig Sekunden
vor dem Ende wieder vor. Barca-Trainer Xavi Pascual nahm die Auszeit, beorderte Sorhaindo für
Schlussmann Saric als zusätzlichen Feldspieler auf die Platte. Barca spielte nahezu ungestört den
Angriff aus, räumte für den in der zweiten Hälfte überragenden Rocas ab - 29:29. Die schnelle Mitte
verhinderte Nagy, der aufreizend lässig den von
Omeyer nach vorn beförderten
Ball wegköpfte - damit verhinderte Barcelonas Kapitän einen letzten schnellen Angriff. Die Rote Karte
nahm er gelassen zur Kenntnis, die drei Sekunden Restspielzeit konnten die Kieler trotz der Hereinnahme
von
Dragicevic als siebtem Feldspieler nicht mehr für einen konstruktiven
Angriff nutzen. Ende, aus, Remis.
Die Katalanen feierten ihren Punktgewinn wie einen Sieg, während die Kieler sich mit leicht
hängenden Köpfen beim fantastischen Publikum bedankten. Doch traurig mussten sie nicht sein: In einer
unglaublichen Begegnung hatten sie ihren Teil zu einem wahren Duell der Giganten beigetragen.
Im zweiten Spiel der Gruppe A gewannen die Rhein-Neckar Löwen bei
Celje Pivovarna Lasko (SLO) mit 32:28 (14:12). Chambery Savoie (FRA) schlug überraschend die Polen von KS Vive
Kielce, am kommenden Sonntag Gegner des THW, mit 27:26 (16:12).
Für den THW Kiel geht die kräftezehrende Terminhatz ungeachtet der Energieleistung gegen Barca ohne
Gnade weiter. Bereits am Mittwoch stellt sich in der Sparkassen-Arena mit Frisch Auf Göppingen ein
weiterer harter Brocken vor. Das Bundesliga-Duell beginnt um 20.15 Uhr.
(Christian Robohm)
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Lesen Sie bitte auch
Wir wussten, dass es ein sehr schweres Spiel werden würde,
denn es trafen zwei der besten Mannschaften aufeinander.
Barcelona hat ein starkes Team. Daher hätten wir zwar gewinnen,
aber genau so gut heute auch verlieren können. Im Angriff haben
wir leider zu viele Fehler gemacht und Barcelona zu
Gegenstößen eingeladen. Daher haben wir uns nie absetzen können.
Heute konnten wir sehen, wie stark Barca ist. Es wird noch
sehr interessant in dieser Gruppe. Wir wollen unter die
ersten zwei kommen, dafür müssen wir uns aber steigern.
Barcelonas Trainer Xavi Pascual:
Zunächst möchte ich mich bedanken für das gute Benehmen
der Zuschauer sowie auch den freundlichen Empfang von
Seiten des Vereins. Es ist wie immer eine große Ehre,
hier zu spielen, obwohl der Gegner natürlich eine ganz große Nummer ist.
Hinsichtlich des Spiels hat sich heute fortgeführt, was bereits
in den letzten Duellen der beiden Mannschaften ersichtlich
wurde: Es waren jeweils sehr enge Partien, die sich erst
in den letzten Minuten entschieden. Ich bin sehr stolz auf
meine Mannschaft. Sie hat Moral und Kampfgeist bewiesen
und verdient ein Unentschieden geholt.
Barca-Torhüter Danijel Saric:
Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, gerade nach den
letzten knappen Niederlagen gegen Ciudad Real und die
Rhein-Neckar Löwen. Wir haben heute Moral bewiesen
und uns beim THW nach der bitteren Niederlage in Köln
ein wenig revanchieren können. Insgesamt war es heute ein
gerechtes Unentschieden.
Natürlich wollten wir heute gewinnen, aber Barcelona hat sehr stark
gespielt. Das Unentschieden ist gerecht. Es macht immer
sehr viel Spaß, gegen einen so starke Mannschaft wie Barcelona
spielen zu dürfen.
THW-Rückraumspieler Aron Palmarsson gegenüber den KN:
Unglaublich, dass Nagy am Ende den Ball mit dem Kopf spielt und
uns nur drei Sekunden bleiben, um ein Tor zu machen. Wir hatten
zu wenig Zeit, um darauf zu reagieren. Wir hätten heute mehr
Geduld haben müssen, nicht immer gleich den Abschluss suchen.
THW-Linksaußen Henrik Lundström gegenüber den KN:
Wir waren zu statisch im Angriff, das
ist schon in der ganzen Saison unser Problem. Titi war überragend,
aber auf der anderen Seite stand heute auch ein sehr guter
Torhüter.
Barca-Kreisläufer Jesper Noddesbö gegenüber den KN:
Wir haben schnell gemerkt, dass wir gegen diesen THW eine
Chance haben. Ich habe schon oft hier gespielt, und habe die Kieler
immer mit viel Tempo erlebt. Das war heute anders. Die Stimmung
war unglaublich, ich wäre froh, wenn wir bei uns auch so ein Publikum
hätten.
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 25 Paraden),
Palicka (n.e.);
Lundström (4),
Dragicevic,
Sprenger (2),
Ahlm (6),
Kubes,
Reichmann (2),
Zeitz (3),
Palmarsson (1),
Ilic,
Klein,
Jicha (5/1),
Fernandez (5);
Trainer: Gislason
- FC Barcelona (ESP ):
-
Sjöstrand (n.e.),
Saric (1.-60., 22 Paraden);
Nöddesbo (3),
Garcia (2/2),
Entrerrios (2),
Sorhaindo (1),
Sarmiento (5),
Ugalde (4)
Romero (1),
Nagy (1),
Jernemyr,
Rutenka,
Rocas (6/2),
Oneto,
Igropulo (2),
Saubich (1);
Trainer: Pascual
- Schiedsrichter:
-
Nenad Nikolic / Dusan Stojkovic (SRB)
- Zeitstrafen:
-
THW: 2 (Jicha (7.), Fernandez (45.));
FCB: 2 (Nöddesbo (27.), Sorhaindo (31.))
- Rote Karte:
-
FCB: Nagy (60., Unsportlichkeit)
- Siebenmeter:
-
THW: 3/1 (Jicha an den Pfosten (27.), Saric hält Ilic (46.));
FCB: 5/4 (Omeyer hält Rutenka (28.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:0 (3.), 2:1 (7.), 2:4 (14.), 5:4 (17.), 7:5, 8:6 (20.), 8:8 (22.), 12:8 (26.), 13:9, 14:10 (30.);
2. Hz.: 15:10 (31.), 16:11, 16:13 (33.), 18:15 (37.), 20:17 (43.), 21:19 (45.), 23:20 (50.), 23:22 (52.),
24:22, 24:24 (54.), 26:25 (56.), 27:26 (59.), 28:27 (60.), 28:28.
- Zuschauer:
-
10.250 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena-Kiel, Kiel)
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Die vier deutschen Teams im
EHF-Pokal und
Pokalsieger-Cup haben noch spielfrei und
werden erst ab 20. November eingreifen.
Die SG Flensburg-Handewitt feierte nach dem 19:27-Auftakt bei Ciudad Real am Sonnabend in der
Gruppe D ihre Heimpremiere: Gegen den rumänischen
Titelträger HCM Constanta gewannen die Flensburger mit 29:22 (15:7).
Die Rhein-Neckar Löwen, mit einem 31:30-Erfolg beim FC Barcelona grandios in
die Vorrunden-Gruppe A gestartet, haben ihren Siegeszug
auch beim Serdarusic-Club Celje Pivovarna Lasko fortgesetzt. In Slowenien
gewannen die Löwen mit 32:28 (14:12).
Der HSV Hamburg hat nach dem 30:26 zum Auftakt bei Montpellier HB (FRA) sein zweites
Spiel in der Gruppe B verloren:
Beim ungarischen Topclub MKB Veszprem unterlag die Mannschaft von Trainer Martin Schwalb
mit 30:33 (13:15).
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Aus den Kieler Nachrichten vom 04.10.2010
Trotz "Hexer" Omeyer: Kiel verspielte Heimsieg
Champions League: Krimi gegen den FC Barcelona endete leistungsgerecht 28:28
Kiel. Einen Punkt gewonnen, einen verloren? Auch
eine halbe Stunde nach dem Abpfiff herrschte Uneinigkeit
darüber, ob das dramatische 28:28 (14:10)
zwischen dem THW Kiel und dem FC Barcelona einen
gerechten Ausgang gefunden hatte. Nach 60 intensiven
Minuten herrschte aber Einigkeit darüber,
dass der Sieger dieses Gruppenspiels in der Champions
League ein glücklicher gewesen wäre.
Die Neuauflage des letztjährigen Endspiels hätte keinen
würdigeren Rahmen haben können. Die Zuschauer empfingen
den FC Barcelona herzlich, pfiffen nur, wie immer, Siarhei Rutenka aus. Der
gebürtige Weißrusse verweigerte bei der Begrüßung dann
auch als einziger Thierry Omeyer den obligatorischen
Handschlag. Das Finale in Köln, als Kiels Torhüter nach
dem 36:34-Sieg demonstrativ durch die Reihen der Spanier
gerast war, hatte Rutenka nicht vergessen. Jede Aktion
des Ungeliebten wurde mit Pfiffen begleitet, zu viel der
Ehre für Rutenka, dem kein Tor gelingen sollte. Auch
nicht vom Siebenmeterpunkt. In der 28. Minute trat
er gegen Omeyer an. Gegen
den famosen Franzosen, der schon 17 Bälle abgewehrt
hatte. Ob Rutenka auf seinen Kopf zielen würde? Diese
Frage hatte sich auch Omeyer gestellt, es wäre nicht das erste
Mal gewesen. "Ich war bereit." Er hatte damit gerechnet,
dass die Besiegten des Vorjahres mit Kopfwürfen Rache nehmen würden. Nahmen
sie in einem fairen Spiel nicht, auch Rutenka nicht. Er
versuchte ihn mit einem Heber zu überlisten, aber Omeyer
fing den Ball. Es war der Moment, in dem sich die Fans
erhoben, um ihn zu feiern.
Der THW, der zu diesem Zeitpunkt 12:8 führte, hatte
es zu einem großen Anteil ihm zu verdanken, dass der Stolperstart
folgenlos geblieben war. Zu langsam, zu statisch
trug er seine Angriffe vor, die zudem eine enorme Fehlerquote
besaßen. 2:4 stand es nach einer Viertelstunde, für
die Kieler Tempohandballer eine historische Minusbilanz.
Das Eis sollte erst Henrik Lundström brechen, der, eingewechselt
für den glücklosen Dominik Klein, in schneller
Folge zum 9:8, 10:8, 12:8 und 13:9 traf.
Als nach der Pause der gute Marcus Ahlm auf 15:10 erhöhte,
schienen die Weichen gestellt. Doch die Gäste, die
ihren gesamten Kader rotieren ließen, bauten in der Deckung
nun eine blau-rote Mauer auf. Zudem wussten sie mit Danjiel Saric einen
hinter sich, der Omeyer-Format erreichte. Als der Serbe
einen Siebenmeter seines Landsmannes Momir Ilic
(46.) parierte, läutete er damit eine dramatische Schlussphase
ein. Eine, in der Christian Zeitz mit einer 360-Grad-Drehung
ein unglaubliches Tor zum 22:19 warf. Eine,
in der Zeitz aber auch mit zwei überhasteten Würfen
den Gästen erstmals nach 37 Minuten wieder den Ausgleich (24:24) ermöglichte.
Dann warf sich
Filip Jicha
mit seinen Toren zum 27:26 und 28:27 den Frust von der
Seele. Immer wieder hatten die schwachen Unparteiischen
Nenad Nikolic und Dusan Stojkovic ihm einen
Vorteil abgepfiffen. Der sonst so gelassene Tscheche verlor
zwischendurch völlig die Fassung, heizte das Publikum mit eindeutigen Gesten ein.
"Das ist eigentlich nicht meine Art, aber ich kenne diese
Schiedsrichter schon lange, und wir liegen einfach nicht
auf der gleichen Wellelänge", meinte Jicha, der aber betonte,
dass nicht die Serben für das Remis verantwortlich gewesen
seien. "Wir spielen im Angriff im Moment einfach
zu langsam."
Trotzdem - Kiel führte 28:27, als "Barca" mit Cedric
Sorhaindo den siebten Feldspieler brachte und tatsächlich,
zehn Sekunden vor dem Abpfiff, durch Albert Rocas
ausglich. Zehn Sekunden sind im Handball der Gegenwart
eine Ewigkeit, zumal Sorhaindo vergaß, sich wieder
auszuwechseln. Aus alter Gewohnheit lief der bullige Franzose an den Kreis zurück,
"Barca" hatte sieben Spieler auf dem Feld, aber
keinen Torhüter. Diesen Vorteil konnte der THW nicht
nutzen, weil Laszlo Nagy per Kopf den schnellen Anwurf
verhinderte. Im zweiten Anlauf blieben den Kielern nur
noch drei Sekunden, Saric stand im Tor, die Siegchance
war vertan. Und Rutenka? Verabschiedete sich mit
Küsschen und ironischem Beifall von den THW-Fans.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 04.10.2010)