Landes- gegen Bundeshauptstadt, Rekordmeister gegen aufstrebenden
Club, null Minuspunkte gegen drei, Tabellenführer gegen seinen direkten Verfolger:
Keine Frage, am Sonntag geht es
für den THW Kiel bei den Füchsen Berlin um zwei ganz wichtige Punkte in der
TOYOTA Handball-Bundesliga. Der Anwurf in der mit 9000 Zuschauern restlos
ausverkauften Max-Schmeling-Halle
erfolgt um 17.30 Uhr, Sport1 überträgt das Spitzenspiel live im
Fernsehen.
Als Bob Hanning 2005 an die Spree ging, um aus den Reinickendorfer Füchsen eine
Bundesliga-Mannschaft zu formen, sah er sich einer Mammutaufgabe gegenüber. 350 Zuschauer
verfolgten damals die Spiele der Berliner in der 2. Liga. Hanning verteilte 10.000 Freikarten,
um den Hauptstädtern den rasanten Sport näher zu bringen. "Damals hatte ich eine Zuschauer-Jahreseinnahme
von 1038 Euro", blickte der umtriebige Berliner Manager im Interview mit "DerWesten" zurück.
Im zweiten Jahr habe er dann 17 Dauerkarten verkauft. "Davon 15 an den Fanklub und zwei
an meine Eltern, die immer noch in Essen-Bredeney wohnen."
Atletico die Stirn geboten
Doch das ist lange her. Hanning hat aus dem Hauptstadtclub ein Team geformt, dass in dieser
Saison erstmals um die europäische Handball-Krone mitspielt. Und das mit Erfolg.
Mit einem Remis in Moskau, einem Sieg gegen den polnischen Spitzenclub Kielce
und einem Auswärtssieg beim dänischen Vizemeister Bjerringbro-Silkeborg haben die
Füchse in der Champions League einen klaren Kurs Richtung Achtelfinale eingeschlagen. Zuletzt
unterlagen die Berliner in der Max-Schmeling-Halle Atletico Madrid mit
33:37 (siehe
Spielbericht), spielten dabei aber über lange Zeit auf
Augenhöhe mit dem dreifachen Champions-League-Sieger. Ein wenig mehr Konstanz im zweiten Durchgang,
ein wenig mehr Glück mit den Schiedsrichtern und eine bessere Torausbeute, und den Berlinern
hätte gegen den großen Favoriten eine Überraschung gelingen können.
Überraschung? Die Berliner stehen nicht zu unrecht im Wettbewerb mit den besten Mannschaften
Europas. Der letztjährige Tabellendritte ist angekommen im Konzert der Großen.
Nur vier Jahre nach dem Aufstieg in die TOYOTA Handball-Bundesliga gehören die Füchse Berlin
zu den Top-Teams der Liga. Auch, weil die Mannschaft vor dieser Saison in weiten Teilen
zusammenblieb. Zwar verließen Konrad Wilczynski (West Wien), Fabian Böhm und Runar Karason (beide
Bergischer HC), Michal Kubisztal (Wisla Plock) und Stian Vatne (Karriereende) den Verein,
die Säulen der Mannschaft von Trainer Dagur Sigurdsson blieben aber an der Spree: Nationaltorhüter
Silvio Heinevetter, der wurfgewaltige Sven-Sören Christophersen (bisher 38 Tore in der Bundesliga), der kompromisslose Abwehrchef
Dennis Spoljaric, dessen kroatischer Landsmann und Torgarant Ivan Nincevic (bisher 39 Liga-Tore), Linkshänder Alexander
Pettersson, Mittelmann Bartolomiej Jaszka und Kapitän Torsten
Laen blieben den Füchsen treu (siehe auch Gegnerkader Füchse Berlin).
Iker Romero ist ein Fuchs
|
Neuer Star unter Stars: Iker Romero.
©
Berlin |
Für Aufsehen sorgten die Berliner, als
sie vor dieser Saison Iker Romero vom aktuellen Champions-League-Sieger FC Barcelona loseisten. Der
Spanier ist laut Manager Hanning der Mann für die "besonderen Momente", soll neben Medienaufmerksamkeit auch Routine
und Ruhe in Berlin einbringen. "Er wird eine wichtige Rolle in entscheidenden Situationen bekleiden", hatte
Sigurdsson Romeros Rolle vor der Saison beschrieben. Indes: Selbst für einen Handball-Weltstar ist
es angesichts der Klasse der Berliner schwierig, sich Spielzeiten zu erarbeiten.
Zwei weitere Neue verstärken das Team von Sigurdsson in dieser Spielzeit: Aus Friesenheim wechselte
der ambitionierte deutsche Kreisläufer Evgeni Pevnov an die Spree, aus Sävehof kam Jonathan Stenbäcken,
den Schwedens Nationaltrainer Staffan Olsson jetzt für den Super-Cup
der Nationalmannschaften berufen hat.
Starke Rolle in der Liga
Das "Kollektiv" Berlin spielt deshalb auch in dieser Saison eine wichtige Rolle in der
TOYOTA Handball-Bundesliga. Mit bisher erst drei Minuspunkten sind die Füchse der direkte
Verfolger des bisher ungeschlagenen THW Kiel. In Magdeburg gewannen die Füchse souverän mit 29:27,
in der Max-Schmeling-Halle hatte kurz darauf auch der deutsche Meister aus Hamburg keine Chance: Mit 26:25
|
Neuzgang Nummer zwei: Jonathan Stenbäcken.
©
Berlin |
gewann die Mannschaft von Dagur Sigurdsson dieses richtungsweisende Spiel. Auch die Aufgaben
gegen schwächere Clubs meisterten die Berliner ohne Probleme. Allerdings: Auswärts leisteten sie
sich bei den schwächelnden Teams aus Göppingen (24:26) und Gummersbach (28:28) zwei Aussetzer
(siehe auch
Gegnerkurve Füchse Berlin).
Diese beiden Spiele verhinderten, dass wie im Vorjahr zwei ungeschlagenen Mannschaften
am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle aufeinandertreffen. Vor Jahresfrist zeigten die
Berliner erstmals, dass sie zu den Großen der Liga gehören. Gegen den THW gewannen sie
mit 26:23 und fügten dem Rekordmeister dabei die erste Saison-Niederlage
zu. Außerdem war dieser Sieg der erste Berliner Erfolg gegen den THW seit dem Wiederaufstieg,
in bisher 20 Bundesliga-Begegnungen beider Mannschaften gegeneinander gab es bisher ein Remis,
vier Kieler Niederlagen und 15 Siege der Zebras (siehe
auch Gegnerdaten Berlin). Für die Niederlage im September 2010
revanchierten sich die Zebras dann im März: Im Viertelfinale des DHB-Pokals gewannen die
Kieler in der Max-Schmeling-Halle sicher mit 31:25 und übersprangen damit die
drittletzte Hürde vor dem siebten Pokalsieg.
Gelungene Generalproben
|
Evgeni Pevnov kam aus Friesenheim.
©
Berlin |
Beide Mannschaften feierten zuletzt ebenfalls im DHB-Pokal gelungene Generalproben für die
Spitzenpartie. Während die Kieler in eigener Halle mit dem SC Magdeburg einen dicken
Brocken souverän mit
28:19 aus dem weg räumten, hatten es die Berliner
beim 39:28 bei der HG Saarlouis ungleich einfacher. Trotzdem sagt Dagur Sigurdsson,
dass die Partie gegen den THW einfacher zu spielen sei, als die Begegnung in Saarlouis:
"Kiel hat keinen Neuzugang. Wir haben oft
gegen den THW gespielt, kennen ihn in- und auswendig. Da kann uns
nichts überraschen. Saarlouis dagegen kannten wir überhaupt nicht." Auch Manager Bob Hanning
freut sich natürlich auf das Duell mit dem Rekordmeister: "Kiel ist neben Atletico Madrid
die beste Mannschaft der Welt." Dass die Kieler trotzdem nicht in der Favoritenrolle seien,
erklärte Bundestrainer Martin Heuberger, der das Top-Spiel am Sonntag live in der Halle verfolgen wird.
Er sehe zwar leichte Vorteile auf Seiten des THW, aber "zu Hause ist Berlin eine Macht".
Dass die Kieler die Reise in die Bundeshauptstadt voller Konzentration antreten, unterstreicht
Dominik Klein: "Die Füchse sind ein ernsthafter Konkurrent um den Titel,
wir werden am Sonntag alles geben müssen, um die zwei wichtigen Punkte aus Berlin entführen zu können."
Viele THW-Fans in Berlin
Dabei werden die Kieler auch wieder von vielen hundert Fans in der Bundeshauptstadt unterstützt.
Der Fanclub "Schwarz-Weiß" ist bereits am Freitag zu einer Drei-Tage-Tour nach Berlin aufgebrochen,
auch die "Zebrasprotten" sind vor Ort, und aus vielen Teilen Deutschlands haben weitere THW-Fans
ihr Erscheinen in der Max-Schmeling-Halle angekündigt. Sie alle können sich im Fuchsbau mit
THW-Fanartikeln eindecken: Die Zebras werden mit einem eigenen Fanstand vor Ort sein. Angeboten werden
unter anderem Trikots zu Sonderpreisen, der neue Adventskalender,
Kindertrikots mit Hein Daddel und der neue Damenschal.
Die Schiedsrichter des Spitzenspiels am Sonntag sind
Ralf Damian und Frank Wenz.
(Christian Robohm)
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Lesen Sie bitte auch
Aus den Kieler Nachrichten vom 28.10.2011:
Die Füchse sind kein "Ein-Jahres-Wunder"
Berlin gibt sich vor Handball-Hit gegen Kiel zurückhaltend
Berlin. Dagur Sigurdsson wirkte gereizt. Einige Dinge weckten diesen
Anschein: seine schrille Stimme, die zusammengekniffenen
Augenbrauen, sein ungewohnt boshafter Blick. Sigurdsson, der
Trainer der Füchse Berlin, konnte nach der 33:37-Niederlage in der
Champions-League-Gruppenphase gegen Atletico Madrid seine
Enttäuschung nicht verbergen. "In der zweiten Hälfte hat unserem
guten Angriff für fünf bis zehn Minuten ein wenig gefehlt", klagte
er: "Wäre das nicht passiert, hätten wir eine Chance auf den Sieg
gehabt."
Dass nur Nuancen einen Erfolg gegen den dreimaligen
Cup-Sieger verhinderten, beweist, wie weit es in Berlin gekommen
ist. Die Füchse, seit viereinhalb Jahren in der Bundesliga,
können Weltklasse-Teams Paroli bieten. Das Selbstvertrauen ist
groß, vor allem weil das Team merkt, dass sie nicht nur das von
vielen Kritikern prognostizierte Ein-Jahres-Wunder ist.
Die Füchse sind vor dem Bundesliga-Heimspiel am Sonntag
(17.30 Uhr, Sport1) gegen den THW Kiel Dritter, sie haben souverän
das Pokal-Achtelfinale erreicht sowie in ihrer schweren
Champions-League-Gruppe beste Chancen auf die Runde der letzten
16. "Zufall ist das nicht", sagt Sigurdsson.
Seine Mannschaft habe in dieser Saison Reife gezeigt, präsentiere
sich stabil. Dass der Isländer daran selbst einen großen Anteil
trägt, würde er nie zugeben. Doch ohne seine sachliche und intelligente
Arbeit stünden die Füchse wohl nicht so gut da.
Der ehemalige Spielmacher, 38 Jahre alt, hat in der vergangenen
Spielzeit viel an Erfahrung gewonnen, spürt das volle Vertrauen
von Manager Bob Hanning und der Mannschaft. Der oftmals zu
akribische, zu verbohrte Trainer öffnet sich immer mehr für neue
Ideen. "Dagur ist selbstbewusster geworden", sagt Kapitän
Torsten Laen: "Er macht jetzt auch Sachen,
die er im vorigen Jahr nicht gewagt hat." Sigurdsson traut
seiner Mannschaft mehr zu, im Spitzenspiel
gegen Hamburg (26:25) Mitte September sorgte er für Verblüffung,
als er die gewohnte 6:0-Abwehr durch eine 5:1-Formation
ersetzte und den HSV überraschte. "Für
mich ist dieser Schachzug noch immer der Schlüssel zum Erfolg", sagt Laen.
Die Füchse gewannen in dieser Saison zudem in Magdeburg, lösten
ihre Aufgaben gegen das Mittelmaß der Liga souverän. Aber
erst die kommenden Spiele werden Aufschluss über den weiteren
Saisonverlauf geben. Dann, wenn Berlin die Zusatzbelastung in der
Königsklasse mit Auftritten gegen die Liga-Spitze in Einklang bringen
muss. Sigurdsson, ein Trainer der gern seine erste Sieben durchspielen
lässt, wird häufiger wechseln müssen. Auch wenn der Kader
nicht übermäßig breit aufgestellt ist, hat er in Mark Bult,
Jewgeni Pewnow und Jonathan Stenbäcken soliden Ersatz für
Stammkräfte wie Laen, Alexander Petersson und Sven-Sören
Christophersen. Iker Romero nicht zu vergessen, der aber darf
meist nur für rund 15 Minuten auf das Parkett. "Weil", und das wird
Hanning nicht müde zu erzählen, Romero ja auch nicht durchspielen
soll. Er ist unser Mann für die besonderen Momente". Einziges
Problem: Diese besonderen Momente fehlen. Ob Romero ausgerechnet
gegen Kiel damit beginnt,
darf bezweifelt werden.
Überhaupt geben sich die Berliner vor dem Spiel reserviert. "Der
Heimsieg im September vorigen Jahres war wahnsinnig schön,
aber in zehn Fällen gewinnen wir vielleicht nur ein, zwei Mal gegen
Kiel", glaubt Laen. Noch sei der Abstand zu solch einem Spitzenteam
zu groß. Die Füchse hoffen auf ihren Trainer und einen genialen
Einfall, mit dem er Landsmann
Alfred Gislason überrascht.
Für Hanning steht längst fest, dass Dagur bereits die Klasse eines
Gislason erreicht hat". Vergleicht man die Anzahl ihrer Titel
und ihr internationales Renomee, liegt in jener Aussage der typisch
Hanning'sche Populismus. Blickt man aber ein paar Jahre und vielleicht
den ein oder anderen Titel Sigurdssons weiter, könnte er
Recht behalten.
(von Tino Scholz, aus den Kieler Nachrichten vom 28.10.2011)
Aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2011:
Im Taxi zurück nach Kiel
Mit Alfred Gislason,
Trainer des THW Kiel, sprach Wolf Paarmann von den Kieler Nachrichten.
- Kieler Nachrichten:
-
Überrascht es Sie, dass Berlin erneut in der Bundesliga-Spitze mitmischt?
- Alfred Gislason:
-
Nein. Bob Hanning (Manager, d. Red.) und Dagur Sigurdsson (Trainer)
machen einen super Job. Die Mannschaft
war bereits im vergangenen Jahr sehr gut und wurde in dieser Saison
noch einmal verstärkt. Jede Position ist doppelt besetzt,
und mit Iker Romero haben sie sich einen besonderen
Ersatzspieler geholt. Von einem kleinen Kader,
von dem Bob immer spricht, kann keine Rede
mehr sein. Er ist und bleibt eben der Weltmeister der
Untertreibung.
- Kieler Nachrichten:
-
Was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft?
- Alfred Gislason:
-
Ich erhoffe mir, dass wir es schaffen, über 60 Minuten
auf einem konstanten Niveau zu spielen. Mit Ausnahme
des Pokalspiels gegen den SC Magdeburg ist
uns das zuletzt nicht besonders gut gelungen.
- Kieler Nachrichten:
-
In der kommenden Woche stehen Lehrgänge der Nationalmannschaft
im Kalender. Wie sehen diese Tage für den THW aus?
- Alfred Gislason:
-
Im Anschluss an das Berlin-Spiel wird sich die
Mannschaft in alle Himmelsrichtungen zerstreuen.
Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, auf den Bus zu
verzichten und mit den wenigen, die in Kiel bleiben,
mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Wer nicht zu einem
Lehrgang fährt, hat bis Sonnabend frei. Allerdings
werden alle, die das betrifft, Anweisungen für
ein entsprechendes Fitnesstraining
erhalten.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2011)
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Füchse Berlin - THW Kiel:
Das Tippspiel ist nicht mehr verfügbar.
Mittippen!
-
TV: Sport1:
So., ab 17.30 Uhr: Füchse Berlin - THW Kiel
live aus der Max-Schmeling-Halle, Berlin
- Internet:
Eine Übersicht über verschiedene Live-Ticker finden Sie auf unserer
Live-Ticker-Seite.