Dieser Handball-Abend brauchte einen langen Anlauf: Weil HBW Balingen-Weilstetten
stundenlang auf der Autobahn 7 in einer Vollsperrung nach einem Unfall feststeckte,
begann die Partie in der Sparkassen-Arena mit rund einer Stunde Verspätung. Dann aber
machten die Zebras kurzen Prozess: Mit 35:21 (19:8) schickten sie die Schwaben, die nun noch
tiefer in den Abstiegsstrudel geraten sind, auf die lange Heimreise nach Süddeutschland. Nach 16 Minuten
war die einseitige Partie bereits entschieden: Die Zebra-Deckung hatte zu diesem Zeitpunkt
acht Minuten keinen Gegentreffer zugelassen und so einen Zwischenspurt von 6:4 auf 12:4 ermöglicht.
Bester Torschütze bei den Kielern war erneut
Filip Jicha, der 9/4 Mal
traf. Aus dem Feld heraus war allerdings
Kim Andersson noch effektiver:
Sieben Tore erzielte der Schwede. Den größten Jubel allerdings löste der 18-jährige A-Jugendliche
Jannick Boldt aus.
In der 52. Minute feierte er sein Männer-Bundesliga-Debüt im Zebra-Dress, in der 57. und 58. Minute
erzielte der Youngster seine ersten beiden Tore in der Sparkassen-Arena, die die Zuschauer von
den Sitzen rissen.
Geduld war gefragt
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Während der Wartezeit ging Hein Daddel bei einem Fan-Fußballspiel
ins Tor.
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Der Handball-Abend begann zäh: Um 20.15 Uhr sollte die Partie eigentlich angepfiffen werden,
doch vom Gegner des THW Kiel war zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sehen. Auf ihrem Weg
vom Hamburger Flughafen nach Kiel stoppte eine Vollsperrung der Autobahn 7 den südlichsten
Bundesliga-Verein auf dem Weg zu seinem Ziel. Über den Grünstreifen und einen Waldweg lotse
die Kieler Polizei via Handy den Mannschaftsbus der Baden-Württemberger schließlich am Stau vorbei.
In der Sparkassen-Arena vertrieb
Hein Daddel den Fans die Zeit,
zudem durften einige junge Nachwuchskicker auf dem Parkett des Handball-Tempels zeigen, was
in ihnen steckt. Das Publikum feierte diesen besonderen Abend, jubelte und freute sich auf die
Ankunft der Balinger. Um 20.40 erreichte der Bus den Arena-Eingang, wenige Minuten
später liefen die Spieler unter dem Jubel der Fans zum Warmmachen auf die Platte. Was viele
nicht mehr für möglich gehalten hatten, wurde wahr: Eine Stunde später als geplant begann der
23. Spieltag der TOYOTA Handball-Bundesliga auch für den THW Kiel und HBW Balingen-Weilstetten.
Temporeicher Beginn
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Erst floß bei Filip Jicha Blut, dann traf der Tscheche in Serie.
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Den abstiegsgefährdeten "Galliern von der Alb" waren die Reisestrapazen und die fehlende Vorbereitung auf die
Partie beim ungeschlagenen Spitzenreiter zunächst kaum anzumerken. Mit viel Tempo schienen beide
Mannschaften zu versuchen, etwas der verlorenen Zeit wieder aufzuholen. Sechs Treffer fielen
in den ersten vier Minuten, beim 3:3 waren Nord- und Süddeutsche noch auf Augenhöhe. Dann aber
begann beim Gast ein durch die offensive THW-Abwehr forciertes Fehlerfestival, dass der THW konsequent
zu nutzen wusste.
Filip Jicha erzielte beim 6:3 die erste Drei-Tore-Führung (7.), ehe
den Zuschauern der Atem stockte: Fabian Gutbrod hatte den Tschechen beim folgenden Angriff nach seinem
Wurf zum 4:6 voll im Gesicht erwischt, blutend musste
Jicha von der
Platte begleitet werden. Diese Aktion war der Auftakt für recht ruppige Minuten, in denen beide
Mannschaften kräftig austeilten. Der THW vergaß dabei aber auch das Handballspielen nicht:
Gutbrods Treffer sollte für acht Minuten das letzte Erfolgserlebnis der Balinger gewesen sein,
die 3:2:1-Deckung der Zebras funktionierte wie ein Uhrwerk. Der starke
Andersson
bediente
Ahlm zum 7:4, kurz darauf netzte der Schwede nach einem
Traumpass von
Aron Palmarsson zum 8:4 ein, Der zurückgekehrte
Jicha
traf vom Siebenmeterstrich, ehe
Christian Zeitz, der wegen des
Fehlens von
Tobias Reichmann (Arm)
und
Christian Sprenger (grippaler Infekt) auf Rechtsaußen spielte,
den Ball mit 107 km/h am verduzten HBW-Torwart ins Eck drosch.
12:4 war Vorentscheidung
Es folgten ein weiterer
Jicha-Siebenmeter und
Palmarssons
Traumtor in Unterzahl: Beim 12:4 war bereits eine Vorentscheidung gefallen, nach 16 Minuten
war die Partie, auf die man so lange warten musste, entschieden. Auch, weil bei HBW kaum ein
Spieler Normalform erreichte. Aber auch, weil die Kieler gegen die bewegliche HBW-Abwehr den
Ball und damit auch den Gegenspieler laufen ließen. Tolle Ballstaffetten wechselten sich ab mit
feinen Einzelleistungen, und wenn
Dominik Klein an diesem Abend ein wenig
mehr vom Zielwasser genippt hätte, die Kieler wären in neue Ergebis-Dimensionen vorgestoßen.
Trotz der vergebenen Chancen wurde es schnell noch deutlicher: Ein weiterer 6:0-Lauf
schraubte die Führung auf 18:6 (27.). Vor dem Spiel hatte HBW-Trainer
Rolf Brack die Maxime ausgegeben, auch an das Torverhältnis zu denken - aus diesem Grund nahm er
18 Sekunden vor dem Halbzeitpfiff beim stand von 9:18
eine Auszeit, um seinen Mannen einen letzten Spielzug anzusagen. Doch auch dieser schlug fehl - und wäre
beinahe mit einem weiteren THW-Tor bestraft worden.
Traumtore und ein Debüt
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Dynamisch: Kim Andersson traf sieben Mal und glänzte auch als
Anspieler.
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Der Rest des Spiels ist schnell erzählt: Nach dem Wechsel machten
Dominik Klein,
Jicha nach einem
Andersson-Traum-Anspiel von
der Mittellinie,
Ilic und erneut
Jicha mit Gegenstößen
zum 25:10 jede Hoffung der Balinger auf ein gutes Ergebnis zunichte.
Gislason
nutzte den Vorsprung, um munter rotieren zu lassen.
Andersson zeigte
beim 27:12, 28:13 und 29:13, wie variantenreich man aus dem Rückraum einnetzen kann. Auch als Anspieler
zeigte der Schwede eine tolle Partie: Nach seinem Zuckerpass auf
Daniel Kubes
zum 30:15 war der Arbeitstag von
Andersson dann beendet - was folgte,
war der große Moment von
Jannick Boldt: Der 18-jährige gebürtige Elmshorner
betrat nach 51 Minuten und 43 Sekunden der Partie zum ersten Mal das Parkett der Sparkassen-Arena.
Jubel brandete auf, der sich wenig später in einen Orkan verwandelte. Nachdem
Kubes
mit einem unglaublichen Rückhandwurf getroffen hatte, eroberte
Zeitz
in der Abwehr den Ball und schickte
Boldt auf die Reise. Diese
fing den schwierigen Pass, hängte seinen erfahrenen Gegenspieler ab und traf cool zum 34:19. Wenig später
wurde der A-Jugendliche mustergültig auf Außen freigespielt, was dieser frech mit einem Leger am Kopf von
Matthias Puhle vorbei zum 35:19 nutzte - die beiden Tore des Youngsters rissen das Publikum von
den Sitzen.
Gislason applaudierte, und auch die neuen Mannschaftskameraden
feierten gemeinsam mit dem Nachwuchsspieler.
Jetzt kommt Großwallstadt
Dass
Jannick Boldt noch einmal an Puhle scheiterte, verhinderte eine
einhundert-Prozent-Quote des 17-Jährigen. So aber erlebte er auch den Schlusspfiff auf der Platte mit:
Das 35:21 (19:8) brachte dem THW Kiel die Punkte 45 und 46 ein - im 23. Saisonspiel blieben die
Kieler damit weiter ohne Punktverlust. Bereits am Sonnabend sollen zwei weitere Punkte eingesackt
werden: Zu Gast ist dann der abstiegsbedrohte Altmeister TV Großwallstadt, mit dem die
Kieler noch eine offene Rechnung zu begleichen haben: Im vergangenen Jahr siegten die
Mainfranken in der Sparkassen-Arena. Anpfiff der Partie ist um 19.00 Uhr - und wohl nicht nur die
Spieler hoffen, dass dieses Mal nichts dazwischen kommt ...
(Christian Robohm)
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Bitte lesen Sie auch
HBW-Trainer Dr. Rolf Brack:
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Ankunft im Regen: Erst gegen 20.40 erreichten die Balinger die Sparkassen-Arena. Die Fahrt vom
Hamburger Flughafen war wegen einer Vollsperrung in die Verlängerung gegangen.
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Ich bin froh, dass es heute nicht das höchste Ergebnis in der Geschichte der Handball-Bundesliga
wurde. Einen Dank richte ich an Alfred, dass er gewechselt
und die Deckung umgestellt hat,
mit der wir offensichtlich nichts anfangen konnten. 20 technische Fehler waren zuviel.
Wir sind nicht wie sonst an unserer Torausbeute, sondern an Stockfehlern gescheitert.
Das hatte nichts mit der Anreise zu tun. Der Polizei-Einsatzleiter in Kiel
hat dafür gesorgt, dass unser Busfahrer auch ohne Eskorte den Mut hatte, über den Grünstreifen und durch den Wald
am Stau vorbei zu fahren. Sonst wäre es wohl noch später geworden. Wir sind zunächst froh, dass
wir die Reise nicht noch einmal machen mussten.
Es war aber extrem, vor welchen unlösbaren Probleme wir im
Pass- und Zusammenspiel gestellt wurden. Glücklicherweise haben wir gegen die 6:0-Deckung gezeigt,
dass wir auch ein bisschen Handball spielen
können, sodass der Abend nicht zu erbärmlich und peinlich wurde. Man muss unser Spiel
vergleichen mit Hüttenberg,
die hier 30 Minuten guten Handball gezeigt haben. Das konnten wir in der ersten Halbzeit nicht.
Man sieht, dass bei uns Leistungsträger der Vergangenheit der Form hinterher hinken. Frechheit und Esprit
waren heute in der ersten Hälfte nicht zu erkennen.
Ich bin froh, dass die zweite Halbzeit vom
Selbstvertrauen her klappte und es keinen Knacks gab. Mit 14 Toren Unterschied haben wir die Niederlage
glücklicherweise im Rahmen halten können. Aber einst waren wir sieben Punkte vor
Gummersbach, jetzt ist nur noch einer. Die Spannung, die wegen des
THW in der Meisterschaft vorne ein bisschen fehlt, ist hinten da. Das ist der härteste Abstiegskampf aller
Zeiten. Es wird eine Mannschaft dran glauben, mit der niemand gerechnet hat.
Nachdem was wir in der
ersten Halbzeit gezeigt haben, hätte ich gesagt, wir sind der totsichere Tipp für den dritten Absteiger. Aber
Alfred hat uns so aufgebaut, dass ich noch ein wenig Hoffung habe.
Es war ein schwieriger Tag - auch wegen der Warterei. Wir waren sehr konzentriert und wollten unsere Form beibehalten für die
nächsten Aufgaben. Am Anfang wurde unnötig hart gespielt. Das tut mir leid, es waren Fouls dabei, die
man sonst nicht bei uns sieht. Wir haben aber sehr gut gedeckt, und dann ist es schön zu sehen, dass wir das
gegen jede Mannschaft durchziehen können. Auch vorne haben wir gut und sehr beweglich gespielt. Gegen Balingen ist
es oft schwierig, wir haben dort ja auch schon verloren. Wichtig ist es, gegen die
aggressive und bewegliche Abwehr nicht den Spielfluss zu verlieren. Das ist uns heute gelungen.
Ich bin zufrieden mit dem Spiel. Die Einstellung der Mannschaft war gut, auch darüber ich freue mich sehr.
Und wir haben vor, diese Form beizubehalten.
Jannick Boldt hat sehr gut gespielt. Da er zu unserem Nachwuchsteam gehört,
kann man sehen, dass unsere Jugendarbeit immer besser wird und wir auf dem richtigen Weg sind.
Herzlich bedanken möchte ich mich bei Rolf Brack und den Balingern, dass sie hier auch noch zu später
Stunde gespielt haben. Sabine Holdorf-Schust und unsere
Polizei haben wirklich große Arbeit geleistet, um Balingen von der Autobahn über Schleichwege
hierher zu lotsen und das Spiel durchführen zu können. Es gibt nirgends eine Regel,
dass wir hätten spielen müssen. Wir wären also alle unverrichteter Dinge nach Hause gefahren, Balingen hätte
noch einmal kommen und wir hätten einen neuen Termin finden müssen. Das hätte beide Teams viel
Geld gekostet. Vielen Dank auch an die Zuschauer für ihre Geduld. Ich hoffe, dass das keine andere Mannschaft auf ihrem Weg nach
Kiel noch einmal erleben muss.
THW-Rechtsaußen Jannick Boldt gegenüber den KN:
Es ist einfach unfassbar, in der Bundesliga-Mannschaft zu
spielen. Ich konnte es nicht fassen, als gestern der Anruf
des A-Jugend-Trainers kam. Das Gefühl, vor solchen Rängen zu spielen,
kann man nicht beschreiben.
HBW-Spieler Frank Ettwein gegenüber den KN:
Wir sind rechtzeitig abgefahren und haben auch im
Radio nichts von der Vollsperrung mitbekommen.
Wir hatten kein Essen, kein Trinken dabei und saßen in
einem 20-Mann-Bus, so dass wir uns in Etappen
umziehen mussten.
Video: Die Pressekonferenz
- THW Kiel:
-
Omeyer (19.-21. 0 Paraden),
Palicka (1.-19., 21.-60., 12 Paraden);
Andersson (7),
Lundström (n.e.),
Dragicevic (n.e.),
Boldt (2),
Ahlm (2),
Kubes (3),
Zeitz (2),
Palmarsson (3),
Narcisse,
Ilic (5/2),
Klein (2),
Jicha (9/4);
Trainer: Gislason
- HBW Balingen-Weilstetten:
-
Ziemer (12.-40., 8 Paraden),
Puhle (1.-12., 40.-60., 6 Paraden);
König (2),
Herth (1),
Sauer,
Wilke (3/2),
Ettwein,
Schlinger (4),
Strobel,
Wessig,
Häfner (2),
Bürkle (4),
Alvanos (2),
Gutbrodt (3);
Trainer: Brack
- Schiedsrichter:
-
Martin Harms / Jörg Mahlich
- Zeitstrafen:
-
THW: 2 (Andersson (15.), Ahlm (19.));
HBW: 3 (Alvanos (14.), Bürkle (24.), Wessig (49.))
- Siebenmeter:
-
THW: 8/6 (Puhle hält Ilic (4.), Jicha an den Pfosten (22.));
HBW: 5/2 (Palicka hält Wilke (26.) und Herth (38.),
Wilke gegen Palicka an den Pfosten (49.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:0, 2:1, 3:3 (4.), 6:3 (7.), 6:4, 12:4 (16.), 12:6 (16.), 18:6 (27.), 19:7, 19:8;
2. Hz.: 19:9 (33.), 20:10 (36.), 25:10 (40.), 26:11, 27:12 (43.), 28:13, 29:14 (46.), 30:15 (49.),
31:16, 32:17 (53.), 33:18, 35:19 (57.), 35:21.
- Zuschauer:
-
10288 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Kiel)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 08.03.2012:
Sieg bei Spätvorstellung
THW 35:21 über Balingen - Gäste steckten drei Stunden im Stau auf der A7 fest
Kiel. Die Sensation blieb aus, der THW Kiel gewann
sein Heimspiel in einer kuriosen "Spätvorstellung"
gegen Außenseiter HBW Balingen-Weilstetten gestern
Abend souverän mit 35:21 (19:8) Toren. Damit
schraubte der Handball-Rekordmeister mit dem
23. Sieg im 23. Bundesligasaisonspiel seinen
Punktestartrekord auf 46:0, machte einen weiteren
Schritt zur 17. deutschen Meisterschaft.
Spätvorstellung? Ja, denn es war ein Sieg mit Hindernissen.
Schon im vergangenen Spiel zwischen den Kontrahenten in
Kiel hatten die Gäste Pech, waren verspätet in der Sparkassen-Arena eingetroffen und
hatten es gerade zum Anpfiff geschafft. Grund war am 15.
September 2010 ein Stau auf der Autobahn 7 nach einem
Unfall gewesen. Ironie des Schicksals: Gestern erwischte
es die Schwaben bei ihrer Anfahrt
aus Hamburg erneut.
Wieder ein Unfall, erneut Stau. Dieses Mal aber saß der Balinger
Tross geschlagene drei Stunden fest, nichts rührte
sich, weil bei dem Zusammenstoß Öl ausgelaufen war. Die
Fahrbahn geriet zur Rutsche, es herrschte das blanke Chaos.
Nur mit Hilfe der rührigen Polizei auf der A 7, die, als sich
wieder etwas bewegte, Geleitschutz gab, erreichten die
Schwaben Kiel gerade noch rechtzeitig vor einer drohenden
Absage der Bundesligapartie.
Das Kieler Publikum hatte ausgeharrt, war stets über den
aktuellen Stand informiert worden. Balingens Spieler
wurden gefeiert, als sie um 20.50 Uhr in voller Spielmontur
die Arena stürmten. Umgezogen hatte sich die Mannschaft
von Trainer Rolf Brack bereits im Bus, hatte sich sogar
ein wenig warmgemacht. Um 21.15 Uhr erfolgte dann der erlösende
Anpfiff von Harms/Mahlich (Magdeburg/Stendal).
Wäre das Spiel ausgefallen, wären beide Teams auf hohen
Kosten sitzen geblieben.
Trotz ständiger finanzieller Probleme trotzen die Männer
vom Rande der Schwäbischen Alb seit ihrem Aufstieg 2005
stets dem drohenden Abstieg, verdienten sich ihren Kampfnamen
"Gallier von der Alb". Aber Brack hatte weder einen
Asterix noch Obelix im Aufgebot, den Zaubertrank hatte der
Tabellenvierzehnte ebenfalls nicht dabei. Er hätte gerade an
diesem Tag helfen können. So mussten sich die Gäste auf einfache,
irdische Mittel beschränken.
Gestern fielen diese, auch
wegen der widrigen Umstände, besonders bescheiden aus. Nur
auf Schadensbegrenzung bedacht, mühte sich Balingen, das Tempo zu verschleppen.
Das gelang in der ersten Halbzeit nur selten, weil die offensive
THW-Deckung ständig störte, Bälle gewann und phasenweise
zum Tempospiel fand. Phasenweise. Denn auch die
"Zebras" steckten die äußeren Umstände nicht spurlos weg,
produzierten ebenfalls Fehler. Dennoch setzten sie sich bald
ab, hatten auch in Andreas Palicka
einen guten Rückhalt und legten zur Pause ein 19:8 vor.
Die Führung hätte höher ausfallen können, doch Balingens
einziger Lichtblick, Nationaltorhüter Martin Ziemer, hatte
etwas dagegen.
Wie fast immer, war HBW-Coach Brack für
Überraschungen gut. Gestern wechselte er sein Team alle
zehn Minuten fast komplett durch, welchen Sinn die Auszeit
zwölf Sekunden vor der Pause bei 8:19 machen sollte,
bleibt indes sein Geheimnis.
Ein großer Tag war es indes für den 17-jährigen Jannick Boldt.
THW-Trainer Alfred Gislason hatte den A-Jugendlichen
ins Team genommen, weil mit Christian Sprenger (Grippe)
und Tobias Reichmann
(Knochenabsplitterung im Arm) beide Rechtsaußen fehlten.
In der 51. Minute folgte der große Moment, Jannick wurde
Bundesligaspieler. Und noch besser: Die Versuche seiner
Mitspieler, ihm ein Tor zu ermöglichen, glückten erstmals
in der 57. Minute. Boldt traf zum 34:18, später ein zweites
Mal. Die Halle tobte, freute sich mit dem jungen Mann.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 08.03.2012)