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04.05.2012 DHB-Pokal / Geschichte

Zebra-Journal: Final-Four: Vom Desaster zur Erfolgsstory

Final Four schrieb viele bunte Geschichten - Beim ersten Mal zahlten die Clubs zu

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 04.05.2012:

Das "Lufthansa Final Four" findet in diesem Jahr am 5./6. Mai in Hamburg statt.
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Am Anfang roch es wahrlich nicht nach einer Erfolgsgeschichte. Am Anfang war es ein Desaster. Die Premiere des Final Four-Turniers um den Pokal des Deutschen Handballbundes (DHB), die im Juni 1993 in der Frankfurter Ballsporthalle aufgeführt wurde, war mit vielen Makeln behaftet.
Das Finale zwischen der SG Wallau-Massenheim und Bayer Dormagen (24:21) etwa endete mit einem Eklat, nachdem der Dormagener Matthias Schmidt den Rückraumstar Stephan Schöne niedergestreckt hatte. Nach dem Ausschluss hatten die Rheinländer in den letzten 19 Minuten nur fünf Feldspieler zur Verfügung; Nationaltorwart Andreas Thiel erregte das so sehr, dass danach eine Tür das Zeitliche segnete.

Vor allem aber war die Halle nur zur Hälfte mit Zuschauern besetzt. Und das, obwohl mit der SG Wallau und dem Zweitligisten Eintracht Wiesbaden zwei Clubs aus der Region stammten. Ein Pokal-Final-Four war damals also noch keine eingeführte Marke im deutschen Handball. Und so mussten die vier Teilnehmer (Wallau, Wiesbaden, Dormagen und SG Hameln) das Defizit ausgleichen, das durch die geringe Zuschauerzahl entstanden war. "Jeder Club musste 3000 bis 4000 Mark bezahlen, weil das Turnier nicht kostendeckend war", erinnert sich der Spielleiter der Handball-Bundesliga (HBL), Uwe Stemberg, an den finanziellen Fehlstart.

Die Zeiten haben sich geändert. Wenn am 5. und 6. Mai 2012 in der Hamburger O2- World die 20. Austragung des Final Fours ausgespielt wird, hat sich die Endrunde längst vom hässlichen Entlein zur Schönheitskönigin des internationalen Handballs gewandelt. Zu einem Ereignis mit Vorbildcharakter. Und es gibt auch viel Geld zu verdienen, jeder Club darf mit einer sechsstelligen Summe rechnen.

Viele Funktionäre und Manager des internationalen Handballs sind in den vergangenen Jahren nach Hamburg gereist, um zu erleben, wie man einen modernen Handball-Event aufziehen kann. So kam der Präsident der Internationalen Handball-Föderation (IHF), der Ägypter Hassan Moustafa, im Jahr 2006 nach Hamburg. Auch die spanische Liga hospitierte bei den Kollegen in Deutschland. Das heutige Final Four zählt inzwischen zu den attraktivsten Handballfesten der Welt.

Wer sich 1992/93 ausgedacht hat, den Pokal in jenem Modus ausspielen zu lassen, der einst im US-College-Basketball entwickelt wurde, das wissen die Gründungsmitglieder des Liga-Ausschusses, der 1992 installiert worden war, heute nicht mehr. Der ehemalige Vorsitzende Heinz Jacobsen mutmaßt, dass es einige Gründe gegeben habe. "Womöglich hat die SG Wallau, als sie sich um die erste Austragung bewarb, das so vorgeschlagen", sagt der 71-Jährige aus Kiel. Andererseits drückten die Liga damals schon Probleme im Terminkalender. "Wahrscheinlicher ist, dass wir diesen Modus aber wegen der Terminprobleme entwickelt haben", sagt Jacobsen. Denn damals war es schon beschlossene Sache, dass fortan jedes Jahr eine Welt- oder Europameisterschaft stattfinden würde.

Als die Funktionäre die schwierige Premiere in Frankfurt reflektierten, kam Jacobsen die rettende Idee. "Die Vorstellung war, in eine Stadt zu gehen, die als Standort ähnlich populär ist wie Berlin im Fußball", erzählt er. Handball und Hamburg, das sollte künftig mit dem Pokal-Final-Four assoziiert werden. Doch Jacobsen hatte Widerstände zu überwinden. Es gab Kräfte im Liga-Ausschuss, die weitere katastrophale Veranstaltungen befürchteten, wenn sich etwa vier Süd-Vereine für Hamburg qualifizierten. "Soweit wollte man damals in Handballer-Kreisen nicht unbedingt denken", erinnerte sich Jacobsen 2000. "Wohl auch deshalb, weil Hamburg als Austragungsort nicht unumstritten war. Vor allem, so sagten die Kritiker, weil hier weder ein Erst- noch ein Zweitligist beheimatet ist."

Der Visionär musste kämpfen für sein Projekt, setzte sich aber durch. "Nach Hamburg zu gehen, das war eine sehr weitsichtige Idee von Heinz", so sieht es Stemberg heute.

Natürlich war noch nicht alles perfekt, als das Final Four 1994 in die Alsterdorfer Sporthalle zog. "Wir mussten viel improvisieren", sagt Jacobsen. "Damals haben wir beispielsweise ein VIP-Zelt auf dem Parkplatz hinter der Halle aufgebaut, da, wo heute die Übertragungswagen der Fernsehsender stehen." Das Projekt war längst noch nicht so ausgereift wie heute, aber einen Mangel an Zuschauern gab es in Hamburg nie. Die Halle, die knapp 4500 Fans fasste, war stets ausverkauft. Schon bei der ersten Austragung in Hamburg erhielten die Teilnehmer etwas Geld, erinnert sich Jacobsen: "Ich glaube, die vier Klubs haben damals rund 10000 Mark bekommen."

Mit den Jahren entwickelte sich eine Symbiose zwischen dem Turnier und Hamburg, und so geriet die große Nachfrage nach Eintrittskarten allmählich zum Problem. Der Andrang war so groß, dass die Ligafunktionäre 2001 sogar einen Umzug in eine andere Stadt in Erwägung zogen, eine Option war die neue Kölnarena. Doch mit den Hamburger Planungen für eine neue, moderne Arena waren diese Umzugsphantasien passe. "Dass sich der Liga-Ausschuss dennoch einmütig gegen die Abzugstendenzen und damit für die Hansestadt entschied, hat einen durchaus erfreulichen Hintergrund: Schon im Jahre 2003 soll die Stadt Hamburg stolzer Besitzer einer neuen und entsprechend größeren Veranstaltungshalle sein, die dann 10.000 Besuchern Platz bietet", schrieb Jacobsen im Programmheft des Turniers 2001. "Eine Perspektive, die es fast schon verbietet, der Tradition den Rücken zu kehren und für nur ein Jahr in eine andere Stadt umzuziehen."

Als der Umzug in die O2-World, damals noch ColorLine-Arena, tatsächlich anstand, befürchtete indes mancher, die große Halle nicht füllen zu können. "Ich hatte starke Bauchschmerzen, das gebe ich zu, das Risiko erschien mir sehr groß", berichtet Manfred Werner, der damals die Finanzen der Liga regelte. "Doch dann sahen wir, als der Kartenverkauf im Internet freigeschaltet wurde, dass die Karten wie warme Semmeln weggingen." Auch nach dem Umzug in den Hamburger Volkspark gab es Jahre, in denen die Nachfrage nur zu einem Bruchteil befriedigt werden konnte. Kurz nach der WM 2007 in Deutschland, als die Euphorie nach dem WM-Titel groß war, berichtete HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann von über 70.000 Ticketanfragen.

Die Anziehungskraft des Turniers wurde so groß, dass auch das Interesse der Sponsoren geweckt wurde. 2004 fungierte der Sportartikelhersteller Asics als Titelsponsor, zwischen 2005 und 2008 die Haspa, seither engagiert sich die Lufthansa bei diesem Top-Event, bei dem rund 250 Medienvertreter akkreditiert werden. Diese großen Dimensionen, der Run auf die Tickets, all das war nicht vorherzusehen. "Es war eine große, schwierige Entscheidung", sagt Werner heute. "Keiner konnte ahnen, dass das so ein großer Renner werden würde." Und bei Jacobsen, dem geistigen Vater dieses Events, schimmert unverkennbar Stolz durch, wenn er die rasante Entwicklung Revue passieren lässt. "Ich bin froh, dass der Mut, den wir damals hatten, belohnt worden ist."

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 04.05.2012)


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