02.09.2013 | Champions League |
Da sei es fast egal, wer sich als fünftes Team für Vorrundengruppe B qualifiziere, ob nun Constanta (ROM), Elverum (NOR), Porto (POR) oder Volendam (NL). "Es ist insgesamt eine sehr gute Mischung aus alten und neuen Gegnern", sagt die Marketing-Frau Holdorf-Schust. Die Anfrage der Fans, berichtete sie, sei jedenfalls schon vor dem Verkaufsstart der Champions-League-Tickets Mitte August sehr groß gewesen. Der Rückzug des traditionsreichen Klubs Atletico Madrid, der bei der Auslosung am 27. Juni noch der THW-Gruppe zugeordnet worden war, sei zwar schade. "Natürlich waren wir mit Madrid auch sehr zufrieden. Aber ich glaube nicht, dass dieser Rückzug große Auswirkungen auf unseren Kartenvorkauf haben wird", so Holdorf-Schust.
Schon die Vorrunde, die am 18. September entweder in Montpellier oder Plock beginnt, dürfte einige Feste für die Kieler Handballfans bieten. Auch Trainer Alfred Gislason hatte sich nach der Auslosung über die guten Gegner gefreut. Er strebt mit seinem Team die vierte Endrundenteilnahme in fünf Jahren an. Wieder ist Köln die Endstation der Handball-Träume. Ob der Vertrag mit der Domstadt darüber hinaus allerdings verlängert wird, ist noch unklar. EHF-Generalsekretär Michael Wiederer aber hat schon erklärt, dass Köln der erste Ansprechpartner bleibe.
Dennoch, die triste wirtschaftliche Lage macht viele Funktionäre nachdenklich. In dieser Hinsicht lebt der THW Kiel derzeit auf einer der wenigen Inseln der Glückseligen. Insgesamt kämpfen viele Klubs in der Champions League, die sich in den letzten Jahren sehr kontinuierlich entwickelt hat, ums Überleben. Nur ein Teil des Problems ist, dass der neue Vermarktungspartner der EHF Marketing (EHFM), die italienische Agentur MP Silva, bis zum Druck dieser Beilage noch keinen Nachfolger von Eurosport als TV-Partner gefunden hatte. Es drohte ein Szenario ohne Fernsehen. "Wir sind auf einem guten Wege", sagt Peter Vargo, der EHFM-Geschäftsführer, den Kieler Nachrichten auf Anfrage. "Aber es ist, wie immer zäh, wir sind halt nicht der Fußball." Er betont aber die positive Entwicklung in den letzten Jahren. So übernehme die EHFM inzwischen die Reisen für die Schiedsrichter und Kampfrichter (etwa 300.000 Euro). "Das mussten die Klubs früher bezahlen." Die Punkteprämien bleiben unverändert. Aber auch in diesem Jahr, so Vargo, werde der CL-Veranstalter den Klubs wohl wieder etwas mehr auszahlen können.
Dennoch, die Lage bleibt in vielen europäischen Ländern dramatisch. Gerd Butzeck glaubt, dass sich mit dem Rückzug Madrids die Tektonik des europäischen Handballs gravierend verändert. "Die Stellung, die Spanien im Klubhandball lange als wichtigster deutscher Konkurrent besaß, wird in Zukunft sicher durch Frankreich eingenommen werden", sagt der Geschäftsführer des Forum Club Handball (FCH), der Vereinigung der führenden europäischen Klubs.
Nicht nur Paris St. Germain sei hervorragend ausgestattet. Auch Montpellier, St. Raphael und Dünkirchen seien sehr konkurrenzfähig. Es herrscht Konjunktur im französischen Handball, seit die Katarer in Paris eingestiegen sind.
Auch im weißrussischen Handball, sagt Butzeck, sei eine positive Entwicklung zu verzeichnen. "Da hat Juri Schewzow in Minsk inzwischen Einiges aufgebaut", lobt Butzeck. Während Minsk hier auf die staatlichen Mittel baut, fördert ein privater Sponsor, der auch die SEHA-Liga unterstützt, den Klub in Brest.
Aber das sind eher die Ausnahmen. Wenn Atletico Madrid in Spanien der einzige ernstzunehmende Konkurrent des CL-Rekordsiegers FC Barcelona auf der Strecke bleibe, dann habe das erheblichen Folgen für den einst so stolzen spanischen Klubhandball, so Butzeck nachdenklich. "Wenn man ehrlich ist, dann kann die Handball-Abteilung des FC Barcelona einen Etat von mehr als fünf Millionen Euro nicht rechtfertigen, weil in Spanien keine Gegner mehr sind", so Butzeck. Der Klub sei zwar organisatorisch hervorragend geführt, aber "schlecht gemanagt hinsichtlich der Vermarktung", so Butzeck. Aber wenn selbst ein Heimspiel gegen den THW Kiel, den größten Konkurrenten im letzten Jahrzehnt, im Palau Blaugrana nicht ausverkauft sei, dann zeige das doch die kaufmännischen Defizite.
Nicht überall seien die Probleme die gleichen, sagt Butzek. "Veszprem und Kielce, auch Celje, beispielsweise haben ja einen sehr guten Zuschauerzuspruch." Aber in vielen Ländern seien einzelne Mannschaften schlichtweg zu dominant. "In Kroatien zum Beispiel überträgt das Fernsehen die Liga nicht, weil Zagreb zu überlegen ist. Es ist einfach uninteressant, wenn vorher klar ist, dass Zagreb mit 20 Toren gewinnt. Aus diesem Grund bleiben dann auch die Zuschauer weg."
Auf all diese Probleme müsse die Klubvereinigung nun reagieren, sagt Butzek. "Wir müssen einfach nach Lösungen suchen, wie wir einen funktionierenden Wettbewerb herstellen können." Wie es gehen könnte, zeige der europäische Basketball. "Dort ist der Zugang zum wichtigsten Klubwettbewerb auch abhängig von der Auslastung der Hallen", erklärt Butzeck. Wenn ein Klub keine 80 Prozent der Tickets verkaufe, erhalte er am Saisonende eine Gelbe Karte, nach der zweiten Saison ist Schluss. "Über solche Kriterien müssen wir einfach nachdenken", sagt Butzeck. Im Herbst will die Klubgruppe darüber diskutieren. Der THW würde unter solchen Zugangsbedingungen gewiss nicht leiden. Aber St. Petersburg, der russische Vertreter in der Champions League, den teilweise unter 1000 Fans besuchen, hätte langfristig in der Champions League keine Überlebenschancen.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 24.08.2013)
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