Mit einem deutlichen Sieg gegen die personell
gebeutelte TSV Hannover-Burgdorf ist der THW Kiel
am Mittwochabend auf die Zielgerade im Meisterschaftskampf
eingebogen. Durch das 37:20 (16:12) gegen die
Niedersachsen konnten die "Zebras" den Rückstand
auf die punktgleichen Rhein-Neckar Löwen um
neun auf 14 Tore verkürzen. Erfolgreichste
Torschützen in der ausverkauften Sparkassen-Arena
waren Kapitän Filip Jicha
und Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson
mit jeweils acht Treffern.
Hannover ohne Linkshänder im Rückraum
Mit großen Verletzungssorgen war der letztjährige
Ligasechste nach Schleswig-Holstein gereist: Neben
den beiden Abwehrsäulen Gustav Rydergard und
Csaba Szücs fehlten Trainer Christopher Nordmeyer
beim Rekordmeister mit Runar Karason und Jan-Fiete
Buschmann gleich beide etatmäßigen Linkshänder im
Rückraum. Mit den drei Nachwuchskräften Julius Hinz,
Timo Kastening und Hendrik Pollex kam die TSV
Hannover-Burgdorf zwar immerhin auf ein 13-köpfiges
Aufgebot, der Rückraum aber stellte sich mit Mait
Patrail, Alvaro Ferrer und Vasko Sevaljevic von
ganz alleine auf.
THW legt vor, setzt sich aber nicht ab
Marko Vujin erzielte alle
seine sechs Tore im ersten Durchgang.
Dennoch taten sich die "Zebras" mit den Niedersachsen,
die ihr erstes Pflichtspiel seit 14 Tagen absolvierten,
in der ersten Halbzeit schwer: Zwar klappte es bei den
Gastgebern im Angriff ganz gut, wo sie sich auf
Topshooter Marko Vujin,
Kreisläufer Patrick Wiencek
und Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson
verlassen konnten. Doch die TSV Hannover-Burgdorf hielt
gut mit, spielte ihre Angriffe wohl überlegt aus und
wartete auf gute Torchancen. Diese gewährten ihnen die
Kieler zunächst, Lars Lehnhoff erzielte die ersten drei
Treffer der "Recken" und egalisierte jeweils die THW-Führung.
Und auch als Vujin und
Sigurdsson nach einem
Ballgewinn Jichas in der
Abwehr den ersten Doppelschlag zum 5:3 setzten, blieb
die TSV ruhig. Besonders der auf Halbrechts eingesetzte
Sevaljevic wusste zu überzeugen und erzielte im
Alleingang die Treffer fünf bis acht für die Gäste,
so dass es nach 18 Spielminuten nur 9:8 für den THW
stand.
Alfred Gislason hatte
mittlerweile einige Änderungen in der Deckung vorgenommen,
hatte von der 6:0- auf die offensive 3:2:1-Variante
umgestellt, zudem Johan Sjöstrand
für den glücklosen Andreas Palicka
zwischen die Pfosten gestellt. Und als er
Patrick Wiencek für Aron Palmarsson
auf die linke Halbposition beorderte, war zumindest
Sevaljevic in der Folgezeit abgemeldet. Die TSV Hannover-Burgdorf
jedoch ließ sich auch von Vujins
drittem Treffer und Jichas
Gegenstoß zum 11:8 nicht aus dem Konzept bringen, das
nun daraus bestand, mit zwei Kreisläufern die THW-Deckung
zu knacken. Dies klappte dank der Anspiele Mait Patrails
auch so gut, dass sich der schwarz-weiße Vorspung trotz
zweier Treffer Toft Hansens
beim 16:12 noch im Rahmen hielt.
10:1-Lauf der "Zebras"
Doch nach dem Seitenwechsel drehten die "Zebras" so
richtig auf. Zurückgestellt auf eine 6:0-Deckung, die
zunehmend forscher zu Werke ging, zeigte besonders
Johan Sjöstrand in der
Folgezeit seine Klasse - der Schwede parierte in der
zweiten Halbzeit 58 Prozent aller Würfe. Und auch
Christian Zeitz, dessen Einsatz
aufgrund einer Magen-Darm-Grippe fraglich schien, stellte
sich nun in den Dienst der Mannschaft. Bis zum
18:14 - nach dem einzigen Doppelschlag der Hannoveraner
an diesem Abend durch Sevaljevic und Hykkerud - hielt
die immer müder werdende TSV dem Druck noch stand. Doch
nun setzte der THW zu einem Lauf an, nutzte jede
Unachtsamkeit der "Recken" im Aufbauspiel gnadenlos
aus und setzte sich binnen elf Spielminuten mit einem
10:1-Lauf auf 28:15 ab. Knackpunkt hierfür war ausgerechnet
eine Kieler Unterzahlsituation, nachdem Patrick Wiencek
gegen Hykkerud eine Zeitstrafe kassierte. Doch kurzzeitig
dezimiert ließen die "Zebras" mit schnellen Beinen in
der Abwehr keinen Gegentreffer zu und sorgten durch
Treffer von Sigurdsson und
Ekberg auch für neuen Schub
auf den Rängen. Als der im zweiten Durchgang nicht mehr
zu bremsende Jicha mit einem
Doppelschlag auf 28:15 erhöhte, drohte den Gästen endgültig
ein Debakel - zumal Christopher Nordmeyer auch keine Auszeit
mehr nehmen konnte.
Auch Kapitän Filip Jicha drehte
nach dem Seitenwechsel auf.
Allerdings verpassten es die Kieler in der Folgezeit ein
wenig, aus den nächsten Paraden Sjöstrands
genügend Kapital zu schlagen. Beste Chancen ließ der deutsche
Rekordmeister vorne liegen, so scheiterte Toft Hansen
gleich zweimal am eingewechselten Weber, Sigurdsson
traf bei einem Gegenstoß ebenfalls nur den Pfosten wie
Vujin beim Siebenmeter. So betrug
der Vorsprung weiterhin "nur" 13 Tore, als der erst
18-jährige Timo Kastening drei Minuten vor Spielende zum
20:33 traf.
Am Sonntag beim TBV Lemgo
Die Schlussphase gehörte dann aber noch einmal nur den
Kielern: Zweimal bediente Palmarsson
den starken Wiencek, der mit seinen
Treffern fünf und sechs auf 35:20 erhöhte. Und als sich das
Publikum in der Sparkassen-Arena bereits von ihren Sitzen
erhoben hatte, setzten Jicha und Sigurdsson,
die mit weiten Sjöstrand-Pässen
zum Gegenstoß auf die Reise geschickt wurden, die Schlusspunkte: 37:20! Damit
machten die "Zebras" letztlich neun Tore auf die Rhein-Neckar
Löwen wett - der Tabellenführer siegte gleichzeitig nach
Startschwierigkeiten mit 34:26 (14:14) beim Bergischen HC.
Vier Spieltage stehen noch an, der Rückstand des THW auf
die punktgleichen Mannheimer beträgt nun noch 14 Treffer. Am
kommenden Sonntag kommt es zum nächsten Fernduell: Während
die Löwen am Abend den HSV Hamburg in der SAP-Arena erwarten,
sind die "Zebras" bereits am Nachmittag gefordert: Im
Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen sind die Kieler bei
der jungen Truppe des TBV Lemgo zu Gast.
Es war ein schwieriges Spiel. Wir wollten es natürlich nutzen,
dass Hannover-Burgdorf mit einem kleinen Kader angereist ist.
Anfangs haben wir uns aber zu sehr unter Druck gesetzt, wollten
zu viel zu schnell. Dadurch haben wir Fehler gemacht, und mit
vier Toren Vorsprung zur Pause war ich nicht zufrieden. Es war
dann aber eine Riesenleistung von meinen Jungs in der zweiten
Halbzeit. Sie haben nicht auf die Anzeigetafel geschaut, sondern
einfach immer weiter Gas gegeben. Hinzu kam eine starke Leistung
von Abwehr und Torwart. Aber: Wir haben nur ein Spiel wettgemacht
und schauen immer nur auf den nächsten Gegner. Auf diesen
müssen wir uns konzentrieren. Am Sonntag müssen wir zum TBV
Lemgo, und ich wäre froh, wenn wir dort überhaupt gewinnen würden.
Hannovers Trainer Christopher Nordmeyer:
Glückwunsch an den THW zum verdienten Sieg. Wir hatten uns
für heute vorgenommen, besser zu spielen, als wir es letztlich
getan haben. Wir sind durch unsere Ausfälle mit einem bedingt
wettbewerbsfähigen Team auf einen hungrigen Gegner getroffen.
Mit der ersten Hälfte war ich zufrieden, in der zweiten Halbzeit
haben uns die Kräfte verlassen, weil ich im Rückraum nicht
wechseln konnte. Aus THW-Sicht war dieser hohe Sieg sicherlich
angemessen, aus unserer Sicht natürlich nicht. Ich wünsche dem
THW Kiel aber alles Gute. Wir haben gegen die Rhein-Neckar
Löwen mit der gleichen Differenz verloren, insofern haben wir
uns nichts vorzuwerfen (er lächelt).
In der zweiten Halbzeit haben wir richtig Dampf gemacht.
Dann haben uns auch die Fans unterstützt. Wir brauchen
diese Unterstützung, denn ab sofort müssen wir jedes
Spiel wie ein Champions-League-Finale bestreiten. Auf
dem Platz und auf den Rängen!
Handballmeister THW Kiel verkürzt nach seinem Kantersieg den Rückstand auf die Löwen
Kiel. Das Spitzenduo der Handball-Bundesliga gab
sich am 30. Spieltag keine Blöße: Am Mittwochabend gewann
der THW Kiel sein Heimspiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf
souverän mit 37:20 (16:12). Zeitgleich setzten sich die
Rhein-Neckar Löwen nach anfänglichen Schwierigkeiten beim
Bergischen HC mit 34:26 (14:14) durch. Die Löwen führen
vor den punktgleichen Kielern (51:9) nun aber nur noch
mit 14 Toren.
An diesem 30. April ging es eigentlich nur um die Frage,
ob es den Kielern gelingen würde, die Tordifferenz auf die
Löwen einzudampfen. 23 waren es vor dem Anpfiff gewesen.
Die Chancen für die Zebras standen gut, diesen Rückstand
zu verkürzen. Die Niedersachsen hatten bis dato alle neun
Liga-Spiele gegen den THW verloren. Diesmal hatte das Team
von Christopher Nordmeyer das zusätzliche Handicap, auf
vier verletzte Stammspieler verzichten zu müssen. Nummer
fünf, Abwehrchef Csaba Szücs, war mitgereist, schaute aber
nur zu. Im Rückraum musste die TSV gänzlich ohne Linkshänder
auskommen.
Die Gäste verkauften sich in der ersten Halbzeit wacker,
verschleppten das Tempo, was keine Schande ist. Diese Taktik
wählten in Kiel auch schon deutlich besser besetzte Mannschaften.
Die Hausherren, die zunächst in Nationaltorhüter Martin Ziemer
wiederholt ihren Meister fanden, führten nach einer Viertelstunde
mit 9:7. Und die Löwen? Die auch. Aber nicht die großen, sondern
die kleineren des BHC. Sollte es an diesem Abend doch nicht nur
um ein zeitgleich ausgetragenes Wettwerfen gehen? Ging es am
Ende gar um Punkte?
Die Zebras wussten nichts von dem starken Start des Bergischen
HC. Ihr Thema war, einen Gegner zu besiegen, dessen einziges
Ziel es war, sich nicht zu blamieren. Offenbar rührte der
reduzierte Kader auch das Herz der Schiedsrichter Colin Hartmann
und Stefan Schneider, die mit ihren kleinlichen Entscheidungen
anfangs das Tempo aus dem Spiel nahmen und lange die Nerven der
Kieler strapazierten. Zur Halbzeit führte der THW dennoch mit
vier Toren (16:12). Und in Wuppertal? 14:14.
In der 38. Minute hämmerte Christian Zeitz,
für den der THW ein eigenes Fan-Trikot auf den Markt gebracht hat,
das 20:14 ins Netz. Zeitz, der nach
Veszprem wechseln wird, ließ sich trotz Magen-Darm-Virus aufstellen.
In Wuppertal begegneten sich die ungleichen Löwen in diesem Moment
immer noch auf Augenhöhe (17:17). Mittlerweile hatten auch die
10285 Zuschauer in der Arena erfahren, dass das Team um den
Ex-Kieler Viktor Szilagyi in der Lage
zu sein schien, Schützenhilfe zu leisten.
Die Zebras blieben dran, in Unterzahl erzielte "Goggi" Sigurdsson
sein fünftes Tor (22:14/40.) gegen einen Gegner, der sich zunehmend
aufgab. Symptomatisch dafür war ein verpatztes Anspiel an den Kreis,
das sich Niclas Ekberg schnappte und zum
23:14 ummünzte. Minute 41, neun Tore Vorsprung. Und in Wuppertal? Da
bekam der Favorit das Spiel allmählich in den Griff und führte mit
23:19. Standesgemäß für einen Spitzenreiter.
Und in Kiel? Der THW bot weiter in Angriff und Abwehr eine konzentrierte
Leistung, der in der 15. Minute eingewechselte Johan Sjöstrand
hielt stark. Die zweite Halbzeit geriet nun doch zu einer Demütigung für
die Gäste, die ihren Widerstand einstellten und sich in endlosen Passfolgen
lediglich über die Zeit retten wollten. Auch eine harsche Ansprache ihres
genervten Trainers weckte sie nicht auf. In der 48. Minute lagen sie mit
13 Toren zurück, es stand 29:16 für die Kieler, die sich längst in einen
Rausch geworfen hatten. Zeitgleich in Wuppertal: 26:20 für die großen
Löwen, die trotzdem sieben Tore auf den THW eingebüßt hatten. Am Ende
kamen noch zwei dazu - Kiel hatte die Gunst der Stunde genutzt und neun
Treffer aufgeholt. "Wenn wir alle Gegner so schlagen, werden wir Meister",
sagte Kreisläufer Patrick Wiencek, der aber
bezweifelte, dass die Löwen sich unter Druck gesetzt fühlen. "Das ist
eine sehr routinierte Mannschaft."
(von Freya Baier und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 02.05.2014)