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02.07.2014 Schiedsrichter

Zebra-Journal: "Die Zuschauer müssen auch mal pöbeln dürfen"

Jung-Schiedsrichter Jonathan Waldeck ist auf dem Feld mal Buhmann, mal Trainer

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.06.2014:

Spieler, Trainer, Schiedsrichter. Jonathan Waldeck (19) lebt den Handball auf allen Ebenen. Auch die Rolle, für die sich nur wenige begeistern können: Die des Unparteiischen. Im Zebra-Journal erzählt er aus seinem Alltag an der Pfeife und warum auch der Schiedsrichter-Job eine Bereicherung sein kann.
Als Fünfjähriger startete der Abiturient seine Handball-Laufbahn. Heute spielt er mit dem MTV Dänischenhagen in der Kreisoberliga, trainiert drei Jugendmannschaften und reist mit seinem Partner Fabian Richter (Kronshagen) als Gespann durch ganz Norddeutschland. Seit vier Jahren pfeifen sie im Team, stiegen jüngst in den Jugendaufbaukader A auf. Mehr geht nicht als Jugend-Schiedsrichter. In der Jugend spielten sie beim TSV Kronshagen. Weil jeder Verein ein Schiedsrichter-Gespann stellen muss, waren sie in der Pflicht. "Bock hatten wir schon beide, aber wir mussten auch", sagt Waldeck. Im Rahmen eines Wochenendlehrgangs machten sie den Schiedsrichterschein. Am Ende des Workshops gab es eine schriftliche Prüfung. Aus einem Pool von 480 Regelfragen mussten sie 30 beantworten. Anschließend überzeugten sie auch den Vereinsobmann, der das frisch gebackene Gespann an zwei Spieltagen beobachtete. Seitdem arbeiten sie am Feinschliff.

Einmal im Jahr geht es zu einem Aufbau-Lehrgang. "Bis man eine gemeinsame Linie hat, dauert es. Wir haben dafür gut ein halbes Jahr gebraucht. Trotzdem gibt es manchmal noch Situationen, die ich anders pfeifen würde als mein Partner." Nicht schlimm, findet Waldeck. "Das hat man immer. Die Zuschauer müssen ja auch mal pöbeln dürfen."

Fehlerfrei zu pfeifen, sei ohnehin nahezu unmöglich. "Es gibt immer 50:50-Entscheidungen, die man so oder so treffen kann. Das Schwierige ist, dass man nur zwei Sekunden Zeit hat, die richtige Entscheidung zu treffen und sie anzuzeigen." Geht das schief, ist er oft der Buhmann. Eine Erfahrung, die sich nur bedingt auf sein Verhalten als Spieler oder Trainer auswirkt. "Manchmal gehe ich auch mal ab. Aber ich versuche, mein Temperament zu zügeln", sagt er schmunzelnd. Besonders er, der so viele Rollen im Verein bekleidet, muss aufpassen. "Wenn ich Rot bekomme, bin ich für zwei Spiele gesperrt - in allen Funktionen", sagt er.

Ihm selbst machen Pfiffe von der Tribüne nichts aus. "Das Beste ist, wenn die Trainer signalisieren, dass man richtig entschieden hat, während die Eltern oben pöbeln. Dann weißt du, du hast alles richtig gemacht." Der größte Lohn für ihn sei, wenn sich die Spieler nach der Partie für eine gute Spielleitung bedanken. Dann sei auch die spärliche Bezahlung vergessen. "Sich für acht Euro eine Stunde lang anpöbeln zu lassen, macht nicht so viel Spaß. Das ist vermutlich auch ein Grund dafür, dass nur so wenige unseren Job machen wollen", sagt Waldeck. Immerhin, ab nächster Saison gibt es zehn Euro pro Spiel. In der Oberliga sind es jetzt schon 30. Eine Partie zu leiten, bedeutet nicht nur 60 Minuten Regelauslegung auf dem Feld. Vorher muss das Gespann kontrollieren, ob Trainer und Spieler Kleidung in den richtigen Farben tragen, alle Spieler einen gültigen Pass besitzen, der Spielberichtsbogen korrekt ausgefüllt ist und die Tore keine Mängel aufweisen. Dazu müssen sie eine Stunde vor Anpfiff vor Ort sein. Je nach Altersklasse der Mannschaften sind sie auch mehr als nur Richter über das Regelwerk. "Bei Altherrenspielen muss man nebenbei auch ein bisschen Smalltalk halten." Da sei es wichtig, autoritär zu pfeifen, aber auch mal einen Spruch wie "Alter, da hättest du aber durchgekonnt", hinterherzurufen. "Man darf nicht als Arschloch auftreten. Aber auch auf keinen Fall unsicher."

In den jüngsten Jugendspielklassen ist Waldeck dagegen viel mehr Handball-Lehrer als Schiedsrichter. "In der E-Jugend muss man viel auf technische Fehler wie Schritte achten und sie auch erklären", sagt Waldeck. "Es wäre wichtig, gerade in diesem Bereich richtig gute Schiris einzusetzen. Außerdem wäre ich dafür, dass die Schiris nach der Ausbildung länger unter Beobachtung stehen." Die Arbeit mit Kindern ist sein Hauptantrieb. "Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen liegt mir. Wenn ein Kind dich anlacht, ist es das Beste, was es gibt." Aber auch der Herausforderung in höheren Spielklassen stellt er sich gerne, auch wenn dort im Vorfeld die Anspannung größer ist. "Ein Spiel macht dann Spaß, wenn man man sich voll reinhängen muss. Dann trifft man auch die richtigen Entscheidungen." Inzwischen ist die Pflicht zum geliebten Nebenjob geworden. "Wir wollen immer höher kommen. Unser Traum ist die Bundesliga, auch wenn es bis dahin ein weiter und schwerer Weg ist."

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.06.2014)


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