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10.06.2014 Champions League

Zebra-Journal: SG gelingt in Köln eine "Flensation"

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.06.2014:

Köln. Das "Final4" der Champions League endete mit einer Sensation: Die Experten hatten MKB Veszprem und den FC Barcelona im Finale erwartet, tatsächlich sahen die 20.000 Zuschauer in der Lanxess-Arena das 74. Derby zwischen dem THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt, das der Erzrivale mit 30:28 (14:16) verdient gewann.

1. Juni

Gruppenphase, 1. Spieltag: Orlen Wisla Plock (POL) - THW Kiel: 33:34 (14:14)
In ihrer Euphorie waren die Flensburger bereits zwei Sekunden vor dem Abpfiff auf das Feld gestürmt, sie hatten einen Pfiff der dänischen Unparteiischen als finales Ende verstanden. Während die fassungslosen Kieler darauf warten mussten, dass sie in der Neuauflage des Endspiels aus dem Jahr 2007 - Kiel gewann in zwei Finalspielen (29:27/28:28) gegen die SG seinen ersten Titel in der Königsklasse - auch offiziell zu Verlierern erklärt wurden, feierten die Flensburger mit der Ausgelassenheit von Schulkindern. Völlig verheult lagen sie sich in den Armen. Kein Wunder, hatten sie mit ihrer SG doch in den vergangenen Jahren nur Tragödien erlebt, beispielsweise verloren sie zuletzt viermal in Folge das Finale um den DHB-Pokal. Ljubomir Vranjes, der Vater des Erfolges, sank zu Boden, vergrub sein Gesicht in den Händen. In der Stunde des größten Erfolgs in der Vereinsgeschichte wollte der Schwede für sich allein sein. Als die Feiernden schließlich das Feld geräumt hatten, und die Partie beendet werden konnte, zeigten sich die Kieler als faire Verlierer. "Wir waren unglaublich müde", sagte Kapitän Filip Jicha. "Flensburg hat den Sieg verdient. Ich bin jetzt einfach nur froh, dass diese Saison vorbei ist."

31. Mai

Halbfinale: MKB-MVM Veszprem (HUN) - THW Kiel: 26:29 (13:13)
Im Halbfinale hatte das Team von Alfred Gislason dem ungarischen Meister MKB Veszprem einen großen Kampf geliefert und mit 29:26 (13:13) besiegt. Obwohl das Team um Momir Ilic, dem Torschützenkönig (103) der Champions League, sich zuvor drei Wochen lang ausschließlich auf seine erste Teilnahme am "Final4" vorbereiten konnte, wirkten die Kieler am Ende frischer. Was täuschte, war es doch lediglich der Wille, der die müden Beine und leeren Köpfe ins Ziel getrieben hatte. Und Andreas Palicka. Der Torhüter wurde nach einer Viertelstunde eingewechselt und brachte die Ungarn mit seinen Paraden zur Verzweiflung.

War das erste Halbfinale schon beste Werbung für den Handball, schlug das zweite gar ein neues Kapitel auf. Die Flensburger lagen gegen den hohen Favoriten FC Barcelona acht Minuten vor dem Abpfiff mit 26:32 zurück, als sie die Partie noch einmal aus dem Feuer rissen. Drei Sekunden vor dem Abpfiff traf Holger Glandorf mit einem Verzweiflungswurf zum 32:32 und rettete die SG in die Verlängerung. Als die mit 36:36 endete, wurde erstmals in der Geschichte der Champions League ein Halbfinale im Siebenmeterwerfen entschieden. Mattias Andersson, auch im Finale einer der Helden, parierte dabei den Strafwurf von Nikola Karabatic. Den fünften und letzten für die SG versenkte der erst 20-jährige Hampus Wanne. Er tat es mit einem lässigen Leger gegen den routinierten Danijel Saric. "Ich dachte mir, dass er damit nicht rechnet. Schließlich bin ich für ihn doch nur irgendein ein kleiner Junge."

 

Der Weg ins "Final4"

Der Weg ins "Final4" führte den THW Kiel nach Polen (doppelt), Kopenhagen, Dünkirchen und Porto. Im Achtelfinale sollte es ein Novum geben, doch die Reise in die Ukraine, es wäre die erste der Vereinsgeschichte gewesen, fiel aufgrund der politischen Unruhen aus (siehe Extrabericht). Im Viertelfinale schalteten die Zebras Metalurg Skopje aus - in der Boris-Trajkovski-Arena des mazedonischen Vizemeisters zeigten sie eines ihres besten Saisonspiele.

22. September

Gruppenphase, 1. Spieltag: Orlen Wisla Plock (POL) - THW Kiel: 33:34 (14:14)
Der Auftakt war holprig und schmerzhaft. In der mit 5000 Zuschauern gefüllten Orlen-Arena von Wisla Plock siegte der THW Kiel nach einem dramatischen Spiel mit 34:33 (14:14). In der letzten Minute lagen die Zebras gegen den polnischen Vizemeister 32:33 zurück, weil Christian Sprenger ein Fehlpass unterlief, den der starke Mariusz Jurkiewicz verwandelte. Die Halle tobte, doch der THW gab nicht auf. Mit Blick auf eine brodelnde Wand aus Plock-Fans verwandelte Marko Vujin einen Strafwurf zum Ausgleich, aber die vom spanischen Nationaltrainer Manolo Cadenas betreuten Polen hatten den Ball. Doch 16 Sekunden vor dem Ende warf Ivan Milas ihn aus unerklärlichen Gründen zu Filip Jicha, der als Spitze einer offensiven Deckung nur einen kurzen Weg zum Tor hatte. Der Kapitän verbuchte sein achtes Tor, und Sprenger atmete auf. "Mein Fehlpass hat sich schlimm angefühlt", sagte der Rechtsaußen. "Zum Glück konnten wir das noch umbiegen." Wie rustikal die Hausherren verteidigen durften, bekam besonders Rene Toft Hansen zu spüren. Er bezahlte die Punkte mit einem Cut über dem Auge, einem blutenden Hinterkopf und einer dicken Lippe. "Heute werde ich wohl nicht mehr geküsst", sagte der Däne trocken. Aus einer großartig kämpfenden Mannschaft ragte Aron Palmarsson heraus, der trotz seiner Knieverletzung mitwirkte, sechs Tore erzielte und dem THW einen kühlen Kopf gab. Für Patrick Wiencek war die Reise eine besondere, hat er doch polnische Wurzeln. Opa Karl Janus hatte sich aus dem vier Autostunden entfernten Koczala auf den Weg gemacht, um den Enkel zu sehen. "Alle 2000 Einwohner sind Patrick-Fans", sagte Janus. "Wenn er spielt, sitzen wir alle vor dem Fernseher."

29. September

Gruppenphase, 2. Spieltag: THW Kiel - KIF Kolding-Kopenhagen (DEN): 29:26 (12:14)
Eine Woche nach dem Plock-Drama gewann der THW sein erstes Heimspiel: Gegner war der Mitfavorit um den Gruppensieg, der dänische Vizemeister KIF Kolding-Kopenhagen. Elf Tore von Filip Jicha und 17 Paraden von Andreas Palicka ermöglichten einen 29:26 (12:14)-Erfolg, der aber bis zum Abpfiff auf der Kippe stand. Die Gastgeber mussten auf Christian Sprenger (Adduktoren) und Aron Palmarsson (Knie) verzichten, die Dänen brachten Ex-Zebra Kim Andersson mit, der wegen seiner chronischen Schulterprobleme eigentlich nur in der Deckung eingesetzt werden konnte. Da auch Kasper Irming (Kreuzbandriss) ausfiel, musste das Team von Henrik Kronborg im Rückraum ohne Linkshänder auskommen. Doch auf die Deckung, in der mit Joachim Boldsen (35/186 Länderspiele), Lars Jörgensen (35/90), Torsten Laen (33/152), Lasse Boesen (33/133) und Torhüter Kasper Hvidt (37/219) sehr erfahrenes Personal stand, war Verlass. 64 Sekunden vor dem Abpfiff führten die Kieler vor 9000 Zuschauern nur noch mit einem Tor (27:26). Auch weil Andersson, der nicht werfen konnte, mit schlauen Anspielen vielen Treffern den Weg bereitet hatte. Dann holte Rene Toft Hansen einen Strafwurf heraus, Jörgensen kassierte eine Zeitstrafe, Niclas Ekberg verwandelte eiskalt, und Palicka parierte gegen Alberto Rocas - die Entscheidung. "Der THW hätte ruhig noch eine Woche warten können, bevor er seine beste Saisonleistung abruft", sagte Boldsen und lachte. "Palle (Palicka, d. Red.) war überragend."

12. Oktober

Gruppenphase, 3. Spieltag: FC Porto Vitalis (POR) - THW Kiel: 27:31 (17:16)
Drittes Spiel, dritter Sieg - diesmal setzte sich der THW Kiel beim FC Porto mit 31:27 (16:17) durch. Ohne Filip Jicha (Grippe), Aron Palmarsson (Knie) und Patrick Wiencek (Oberschenkelzerrung) waren die Kieler nach Portugal gereist. In der mit knapp 2000 Zuschauern ausverkauften "Dragao Caixa" (Drachenkäfig) herrschte eine prächtige Stimmung. Kein Wunder, bestritt der FC Porto in der Champions League doch das erste Heimspiel seiner Vereinsgeschichte. Vor allem der erst 23-jährige Rückraumspieler Gilberto Duarte (9 Tore) stellte die Gäste, die erstmals von Rene Toft Hansen (Vizekapitän) aufs Feld geführt worden waren, vor große Probleme. Ohne Palmarsson und Jicha musste Trainer Alfred Gislason auf der Position des Spielmachers viel improvisieren. Da auch Neuzugang Rasmus Lauge keine Ruhe in die Angriffe bringen konnte, wechselten sich Christian Zeitz und "Goggi" Sigurdsson als Mittelmänner ab. Die Zebras erwischten den besseren Start und enteilten, gefüttert von Toren des schnellen Sigurdsson, auf 25:19. Da Abwehrchef Daymaro Salina nach einer rüden Attacke gegen Niclas Ekberg in dieser Phase seine dritte Zeitstrafe (41.) kassierte, wanderten die beiden Punkte vorzeitig auf das Konto der Kieler. "Im Moment haben wir es nicht leicht, aber wir nehmen zwei Punkte mit", zog Sigurdsson nüchtern Bilanz. "Abhaken, nach vorne schauen." Anschließend durften die Zebras auch wieder im Training Fußball spielen. Nach Niederlagen - der THW unterlag kurz zuvor in Magdeburg mit 31:34 - ist das beliebte Kicken zum Aufwärmen verboten.

19. Oktober

Gruppenphase, 4. Spieltag: KS Vive Targi Kielce (POL) - THW Kiel: 34:29 (17:11)
Gegen Vive Targi Kielce hatte der THW Kiel in der vergangenen Saison das kleine Finale um Platz drei verloren, auch das Wiedersehen in der Gruppenphase sollte der Rekordmeister in unangenehmer Erinnerung behalten. In der mit 4200 Zuschauern ausverkauften "Hala Legionow" hielt der THW - ohne Aron Palmarsson (Knie) und Patrick Wiencek (Oberschenkelzerrung) - nur bis zur 20. Minute (8:8) mit. Dann warf der polnische Meister, der damals noch von Bogdan Wenta betreut wurde, sechs Tore in Folge - die sehr intensiv geführte Partie war sieben Minuten später zu Gunsten der Hausherren mit 34:29 (17:11) entschieden. Die Gäste kamen noch einmal auf 18:21 heran, eine Chance, Kielce die Punkte zu entreißen, hatten sie nicht. "Das ist kein Problem, wir haben gegen eine bessere Mannschaft verloren", sagte Alfred Gislason. "Von dem 0:6-Lauf haben wir uns nicht mehr erholt." Gegen die aggressive Deckung wirkte der THW um seinen grippekranken Kapitän Filip Jicha ("Wir haben keine Lösungen gefunden.") ratlos. Für Kielce war dieser Sieg ein weiterer Meilenstein. Die Spieler sind längst die Helden einer Stadt, die nur über einen mittelmäßigen Fußballklub verfügt.

Sie fahren Autos in den Vereinsfarben, die ihre Nummern und das jeweilige Konterfei tragen. Das Auto mit der "5" wartete diesmal besonders lange vor der Halle. "Das war hart", sagte Michal Jurecki, der Fahrer. "Wir hätten auch verlieren können." Damit lag der achtmalige Torschütze erstmals an diesem Tag daneben. Obwohl auch die Fans in Feierlaune waren, wollten sie nicht ihren Frieden mit Marko Vujin machen. Sie hatten auf einer Internetplattform ein Zitat des Serben gefunden, der in der vergangenen Saison gesagt haben soll, dass Kielce es nicht verdienen würde, das "Final4" zu erreichen. "Das habe ich so nie gesagt", wehrte er sich. "Es war ein Interview auf Ungarisch, vielleicht wurde es falsch übersetzt."

17. November

Gruppenphase, 5. Spieltag: Dunkerque HB Grand Littoral (FRA) - THW Kiel: 21:29 (13:19)
Am fünften Spieltag siegte der THW Kiel beim französischen Vizemeister US Dunkerque mit 29:21 (19:13) und beendete die Hinrunde in der Champions League punktgleich (8:2) mit Kielce (unterlag in Kopenhagen) und den Dänen. Im mit knapp 2500 Zuschauern ausverkauften "Stade de Flandres" spielten die Gäste groß auf und hatten aufgrund ihrer sehr soliden Deckung die Partie bereits zur Pause entschieden.

Hitzig wurde es nur noch am Ende, als Guillaume Joli den Kieler Torhüter Johan Sjöstrand bei einem Siebenmeter hart am Kopf traf. Der französische Welt- und Europameister sah die Rote Karte, genau wie Rene Toft Hansen zuvor, der Theophile Causse unglücklich getroffen hatte. "In der Pause haben wir gedacht, dass Patrick Wiencek oder Wael Jallouz die Rote Karten sehen könnten", sagte Filip Jicha. "Dass es dann aber Rene getroffen hat, sorgte für Schmunzeln." Wiencek und Jallouz, der die letzten drei THW-Tore erzielen sollte, hatten vor dem Seitenwechsel jeweils zwei Zeitstrafen kassiert.

20. November

Gruppenphase, 6. Spieltag: THW Kiel - Dunkerque HB Grand Littoral (FRA): 28:25 (15:12)

1. Dezember

Gruppenphase, 7. Spieltag: THW Kiel - Orlen Wisla Plock (POL): 34:25 (16:11)
Mit dem 34:25 (16:11)-Heimsieg gegen Wisla Plock machte der THW Kiel am sechsten Spieltag den Einzug ins Achtelfinale perfekt. Ein runder Tag für die Zebras, hatte die Konkurrenz doch überraschend gepatzt. Kolding (10:4 Punkte) unterlag in Porto, Kielce verlor auch das Rückspiel gegen die Dänen und in Dunkerque. Drei Niederlagen in Folge, die den mächtigen Kielce-Boss Bertus Servaas dazu verleiten sollten, Trainer Bogdan Wenta einige Wochen später durch Talant Duschebajew zu ersetzen. Plock war vor 8000 Zuschauern chancenlos, fehlte doch mit Mariusz Jurkiewicz einer der wenigen Routiniers. Als dann auch noch Marcin Lijewski (31.), vom Champions-League-Sieger HSV Handball an die Weichsel gewechselt, verletzt vom Feld humpelte, gaben die Gäste auf. Lijewski musste tatenlos zusehen, wie Aron Palmarsson, der bereits im Hinspiel einer der besten Kieler gewesen war, zu großer Form auflief. Der Isländer führte schlau Regie und warf nebenbei noch acht Tore. Der THW Kiel gewann die Punkte elf und zwölf, die Spieler erhielten als Belohnung drei freie Tage.

9. Februar

Gruppenphase, 8. Spieltag: KIF Kolding-Kopenhagen (DEN) - THW Kiel: 24:26 (13:13)
Über Kopenhagen zum Gruppensieg: Nach dem 26:24 (13:13)-Sieg bei KIF Kolding-Kopenhagen fehlte dem THW Kiel aus den abschließenden Heimspielen gegen Kielce und Porto nur noch ein Punkt, um den ersten Platz abzusichern. Wer hätte das nach der 29:34-Niederlage in Kielce für möglich gehalten? "Wir haben von den Kielce-Patzern profitiert", räumte Trainer Alfred Gislason ein. Eine Vorlage, die seine Mannschaft zu nutzen wusste. In Kopenhagen kam dem THW entgegen, dass die Hausherren große Sorgen hatten. Kim Andersson konnte, im Gegensatz zum Hinspiel, diesmal noch nicht einmal in der Deckung aushelfen. Mit Kasper Irming (Kreuzbandriss) fehlte erneut auch ein zweiter Linkshänder, Spielmacher Lukas Karlsson musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen - auch Trainer Henrik Kronborg kam nicht, seine Bandscheibenprobleme waren so groß, dass er nur wenige Tage später durch Aron Kristjansson ersetzt wurde, den Trainer der isländischen Nationalmannschaft.

Trotzdem: Die starke Deckung der Dänen hielt, der 38-jährige Kasper Hvidt parierte großartig. Es stand 23:23 in der 54. Minute, als Filip Jicha die Weichen auf Sieg stellte. Der Tscheche warf zwei der drei letzten THW-Tore, das dritte bereitete er mit Pass auf Niclas Ekberg vor, der an alter Wirkungsstätte zu großer Form auflief. Wie "Goggi" Sigurdsson und Rene Toft Hansen war der Rechtsaußen von der mittlerweile insolventen AG Kopenhagen an die Förde gewechselt. Auch die Verlierer fühlten sich am Ende als Sieger. "Die halbe Nation saß vor dem Bildschirm", sagte Ex-Zebra Lars Krogh Jeppesen, der mittlerweile im KIF-Management arbeitet. "Wir haben nur wenige Gelegenheiten, uns vor einem solchen Publikum zu präsentieren."

16. Februar

Gruppenphase, 9. Spieltag: THW Kiel - KSV Vive Targi Kielce (POL): 28:28 (13:16)
28:28 (13:16) gegen Vive Targi Kielce - ein dramatisches Heimspiel gegen Polens Meister endete vor 9800 Zuschauern mit einer Punkt-Landung für den THW. Einer genügte, um den Gruppensieg perfekt zu machen, der Rekordmeister nutzte den ersten Matchball.

Ein intensives Match, das für die Hausherren unter ungünstigen Vorzeichen stand. Aron Palmarsson sollte aufgrund seiner Knieprobleme geschont werden, Christian Zeitz übergab sich unmittelbar vor dem Anpfiff und reiste mit einer Magen-Darm-Grippe wieder ab. Auch Andreas Palicka, Filip Jicha und Patrick Wiencek hatte der Virus erwischt, das Trio war allerdings in der Lage, noch einmal 60 Minuten Handball zu spielen. Jicha und Wiencek wurden gebraucht, Palicka nicht. Der überragende Johan Sjöstrand, der 24 Bälle abwehren sollte, machte seinen Einsatz überflüssig. "Wir haben das Spiel in den 1:1-Situationen gegen Sjöstrand verloren", sagte Kielce-Präsident Bertus Servaas, der vier Wochen zuvor Talant Duschebajew als neuen Trainer verpflichtet hatte. Mit ihm spielten die Gäste eine sehr offensive Deckung, die dem THW große Probleme bereitete. Aron Palmarsson wäre ein Schlüssel gewesen, doch der Isländer saß im Anzug auf der Tribüne. Die Partie plätscherte eine Halbzeit lang vor sich hin, um dann richtig Fahrt aufzunehmen. Ein Sieg in Kiel hätte den Gästen noch die theoretische Chance auf den Gruppensieg belassen, doch letztlich war es Sjöstrand, der diesen Coup verhinderte. "24 Paraden? Echt? Das kann nicht sein", sagte der coole Schwede. "Das hat richtig Spaß gemacht." Das erlebten sicherlich nicht alle seiner Kollegen so, einige verschwanden unmittelbar nach dem Abpfiff ungeduscht aus der Halle, um nicht das gesamte Team anzustecken. Manager Klaus Elwardt zog anschließend den Hut vor dem Publikum. "Sie haben mit einem unglaublichen Spektakel der Mannschaft sehr geholfen."

19. Februar

Gruppenphase, 10. Spieltag: THW Kiel - FC Porto Vitalis (POR): 30:25 (17:11)
Der dreimalige Champion startete sein letztes Gruppenspiel (30:25/17:11) vor 7800 Zuschauern mit einem höllischen Tempo. 4:0 nach vier Minuten, 10:1 nach zehn - die Spieler des FC Porto wirkten wie Statisten, die zusehen durften, wie die Kieler mit einem 60:6-Sieg in die Geschichte rasen. Groß, breite Schultern, Rastamähne - das Personal des portugiesischen Meisters erinnerte stark an die Besetzung von Bob Jamaika I ("Cool Runnings"). Dass sie auch Handball spielen können, bewiesen sie, als sie aus ihrer Schockstarre erwachten. Eine Viertelstunde sollte es dauern, bis sie schließlich die Angst vor der ungewohnten Kulisse und dem so übermächtig wirkenden Gegner abgeschüttelt hatten. Anschließend kamen sie zu einigen gelungenen Aktionen, stark begünstigt durch die ungewohnte Aufstellung der Hausherren. So durften sich im Rückraum Rasmus Lauge, Wael Jallouz und Christian Zeitz, der im Schatten von Tormaschine Marko Vujin zumeist nur noch in der Deckung zum Einsatz kam, als Achse ausprobieren. Ein Trio, das in dieser Konstellation wenig Spielpraxis hatte. Alfred Gislason sollte sich nach dem Abpfiff als "Ochse" bezeichnen. Mit seinen frühen Wechseln hätte er das Spiel zerstört. Tatsächlich häuften sich nun die Fehler der Kieler, doch in Gefahr geriet der Sieg nicht mehr. Als bittere Pille blieb allerdings die Verletzung von Christian Sprenger, der bei seinem Treffer zum 3:0 umgeknickt war und sich einen Innenbandanriss im rechten Knöchel zuzog - der Rechtsaußen musste drei Wochen pausieren.

20. März

Achtelfinale, Hinspiel: HC Motor Zaporozhye (UKR) - THW Kiel: 28:31 (14:16) in Györ (HUN)
In der neutralen Atmosphäre im ungarischen Györ (siehe Extrabericht) trat der THW zum Hinspiel gegen den ukrainischen Meister HC Motor Saporoschje an. Er erwischte den schlechteren Start, lag mit 0:3 zurück, ehe Aron Palmarsson nach fünf Minuten den ersten Kieler Treffer erzielen konnte. Als Gudjon Valur Sigurdsson die Zebras mit 6:5 in Führung brachte (12.), hatten sie den Schlüssel für die offensive Abwehr der Ukrainer gefunden. Zudem erwies sich Andreas Palicka in Abwesenheit seines Torwart-Kollegens Johan Sjöstrand (Gehirnerschütterung) als verlässlicher Rückhalt. Er hatte wesentlichen Anteil an der 16:14-Pausenführung. Der Sieg war noch lange nicht in trockenen Tüchern. Auch in der zweiten Hälfte erwischten die Kieler den schlechteren Start, beim 18:18 hatte Saporoschje ausgeglichen. Neun Minuten vor Schluss war beim Stand von 25:25 noch alles offen. Dann stellten Marko Vujin und Christian Sprenger, der nach einem Innenbandriss sein Comeback feierte, die Weichen mit einem Doppelpack auf Sieg. "Es war sehr wichtig, hier zu gewinnen", sagte Alfred Gisason nach dem 31:28. "Wir müssen im Rückspiel aber besser agieren, denn den Ukrainern ist es egal, ob sie auswärts spielen. Es ist alles noch offen."

30. März

Achtelfinale, Rückspiel: THW Kiel - HC Motor Zaporozhye (UKR): 40:28 (20:13)
Auch im Rückspiel legte zunächst Saporoschje vor. Dieses Mal dauerte es aber nur acht Minuten, bis der THW einen 2:3-Rückstand in eine 5:4-Führung umgewandelt hatte. Fortan kannten die Zebras keine Gnade mehr. Mit einer starken Abwehr in Zusammenarbeit mit Andreas Palicka in Bestform sorgten sie für eine fünfminütige Torflaute bei den Gästen und enteilten vorentscheidend auf 9:3. Ein Vorsprung, den sie fortan unter der Regie von Filip Jicha (6 Tore) kontinuierlich und mit viel Spielwitz ausbauten. Obwohl Alfred Gislason nach der Pausenführung (20:13) begann durchzuwechseln, hielt der THW die Schlagzahl hoch. Publikumsliebling Wael "Willi" Jallouz traf fünfmal. Jedes seiner Tore wurde von den Fans lautstark bejubelt. Ebenso wie das Comeback von Johan Sjöstrand, das der Schwede mit einem parierten Siebenmeter krönte. Als auch noch Nachwuchs-Kreisläufer Fynn Ranke sein erstes Tor in der Champions League erzielte, hatten alle Kieler Feldspieler getroffen. Für den 21-Jährigen gab es sogar stehende Ovationen. Mit La Ola feierten die THW-Fans den 40:28-Sieg und den Einzug ins Viertelfinale. "Es war wichtig für uns zu erleben, dass wir mit solcher Freude und Leichtigkeit siegen können", sagte Kapitän Filip Jicha.

19. April

Viertelfinale, Hinspiel: RK Metalurg Skopje (MKD) - THW Kiel: 21:31 (9:14)
Das Losglück bescherte dem THW Kiel im Viertelfinale mit Metalurg Skopje den vermeintlich leichtesten Gegner. Mit der SG Flensburg-Handewitt und den Rhein-Neckar Löwen im Lostopf wäre auch ein Bundesliga-Duell möglich gewesen. Letztere hatten den Kielern drei Tage zuvor die Tabellenführung in der Liga geraubt. So war die Hexenkessel-Atmosphäre in der Boris-Trajkovski-Arena die größte Sorge der Kieler. Die entpuppte sich als unbegründet, denn mit ihrer schnellen 3:0-Führung brachten die Zebras, die mit Trauerflor für den am Vortag verstorbenen Roland Breitenberger (Seite 52) spielten, die 7000 Mazedonier früh zum Schweigen. Zwar blitzte beim 8:8 auf, zu welchen Leistungen Metalurg und seine Fans imstande sind, doch die THW-Deckung fing sich und schob Skopjes Werfern in großartiger Manier einen Riegel vor. Nun spielte nur noch Kiel. Vor allem Marko Vujin (8) und Aron Palmarsson präsentierten sich in Bestform. Am Ende stand ein 31:21-Sieg, der den Halbfinal-Einzug im Rückspiel zur Formsache machte. Alfred Gislason schwärmte: "Das war unsere beste Saisonleistung." In Skopje legte der THW den Grundstein für das furiose Liga-Finale, nur wusste das damals noch niemand.

27. April

Viertelfinale, Rückspiel: THW Kiel - RK Metalurg Skopje (MKD): 34:26 (19:11)
Die Zebras gingen auch im deutlich gewonnenen Rückspiel (34:26/19:11) kein Risiko ein, obwohl Skopje-Trainer Lino Cervar ihnen längst zum Halbfinal-Einzug gratuliert hatte. Vor dem Anpfiff dozierte der 63-Jährige darüber, dass der THW mit seinem starken Rückraum der einzige Gegner sei, den der FC Barcelona wirklich fürchten müsse. Tags zuvor hatten die Katalenen in einem dramatischen Rückspiel einen Sieben-Tore-Vorsprung auf die Löwen aufgeholt und das "Final4" erreicht. Gislason ließ sich nicht locken, startete mit seiner eingespielten Rückraumachse Aron Palmarsson, Filip Jicha und Marko Vujin. Die Gäste wehrten sich in der Person von Renato Vugrinec. Der 38-Jährige verbuchte sechs der ersten sieben Treffer der Mazedonier, die in Darko Stanic einen guten Rückhalt hatten. Doch mehr als die beiden Routiniers hatten die Cervar-Schützlinge nicht zu bieten. Nach einer Viertelstunde, der THW führte 8:5 und in der Gesamtwertung mit dreizehn Toren, ließ Gislason rotieren. Auf der Mitte kam Dominik Klein zum Einsatz, der mit acht Toren zum besten Schützen avancierte. Als Cervar Stanic auswechselte und Vugrinec nach seiner dritten Zeitstrafe nicht mehr mitspielen durfte, wurde das Geschehen vor 8000 Zuschauern einseitig. In der 45. Minute stimmten die Fans "Viva Colonia" an - der Klassiker der Feiertage in Köln.

Györ in Ungarn statt Ukraine-Trip

Für Motor Saporoschje, den Gegner des THW Kiel im Achtelfinale, war die erste Teilnahme an der Champions League gleich ein besonderes Abenteuer. Weil der ukrainische Meister seine Halle umbaut, muss er seine Heimspiele in der Königsklasse im 300 Kilometer entfernten Charkow austragen. Eine 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt im Nordosten des Landes. Eine Region, vor deren Besuch das Auswärtige Amt kurz vor dem Hinspiel "dringend" abgeraten hatte. Die EHF sah die Problematik ähnlich und entschied, einen anderen Austragungsort für das Hinspiel zu finden. Die Arena des THW Kiel stand für den 20. März - belegt durch die "Drei Fragezeichen" - nicht zur Verfügung. Angefragt von der EHF, schlugen die Kieler Schwerin als Austragungsort vor. Saporoschje hätte gerne alternativ in Minsk gespielt, weil dort, so Präsident Olimpy Pokatov, die Unterstützung durch den Hauptsponsor, der dort seinen Firmensitz hat, gewährleistet gewesen wäre. "Leider hat die EHF diesen Wunsch abgelehnt." Pokatov hatte auch wenig Verständnis für die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. "Unser Verein und die Region Charkow hätten den Kielern einen komfortablen Aufenthalt möglich gemacht." Der Ausrichter der Champions League wählte Györ (Ungarn) als Schauplatz aus, eine Stadt, eine Busstunde von Wien entfernt, die sich durch ihre erfolgreiche Frauenmannschaft einen guten Namen in der Szene gemacht hat. "Györ ist eine Handballstadt", sagte JJ Rowland, Pressesprecher der EHF. "Ich bin mir sicher, dass viele Zuschauer kommen werden." Am Ende waren es in der Halle der Istvan-Szechenyi-Uni lediglich 1900. Für die Kieler war Györ dennoch ein guter Kompromiss. "Das ist für beide Seiten die fairste Lösung", sagte Sabine Holdorf-Schust, die als Geschäftsstellenleiterin die Reisen der Zebras organisiert. Auch finanziell: Der THW Kiel sparte 7500 Euro Flugkosten.

CL-Splitter

  • Lackovic - Rückraumstar Blazenko Lackovic (33) verließ den HSV Handball nach sechs Jahren. Der kroatische Olympiasieger von 2004 wechselte zu Vardar Skopje. Lackovic unterschrieb beim mazedonischen Spitzenklub einen Drei-Jahres-Vertrag, der ihm monatlich angeblich 23000 Euro (netto) einbringen soll.
  • Omeyer - Frankreichs neue Macht rüstet weiter auf: Paris St.-Germain verpflichtete vom Liga-Rivalen Montpellier AHB den Ex-Kieler Thierry Omeyer (bis 2016) und Rückraumspieler William Accambray (2017).
  • Palau Blaugrana - Der FC Barcelona baut seine Sportanlage Nou Camp um: Ab der Saison 2021/22 soll das Fußballstadion 105.000 Zuschauer fassen und ein Dach besitzen. In den Kosten von etwa 600 Millionen Euro ist auch eine 10.000 Zuschauer fassende Halle für die Handball- und Basketballteams inklusive, die 2019 eröffnet werden könnte.
  • Zuschauer - Die beste Kulisse in der Gruppenphase gab es in Weißrussland: 15.320 Fans sahen die Partie zwischen Dinamo Minsk und dem FC Barcelona.
  • Duschebajew - Für einen Eklat sorgte Kielces Trainer Talant Duschebajew. Der Kirgiese hatte seine Emotionen trotz des 32:28-Sieges der Polen im Achtelfinal-Hinspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen nicht im Griff und soll Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson in einem Handgemenge nach dem Abfiff zwischen die Beine geschlagen haben. Auf der anschließenden Pressekonferenz beschuldigte er seinen Kollegen, ihn mit obszönen Gesten provoziert zu haben. Der EHF-Gerichtshof belegte den ehemaligen Welthandballer mit einer Geldstrafe von 5000 Euro, von der die Hälfte bis zum 30. Juni 2015 auf Bewährung ausgesetzt ist.
  • HSV - Einen Negativ-Rekord stellten die finanziell gebeutelten Hamburger Handballer auf. Das Team von Martin Schwalb schied als erster Titelverteidiger der Geschichte im Achtelfinale aus. Endstation war Vardar Skopje. Anschließend soll Präsident Andreas Rudolph den Verein einmal mehr grundsätzlich in Frage gestellt haben. "Wir haben die falschen Spieler, den falschen Trainer", schimpfte Rudolph, "ich mache den Laden sofort dicht." Und? Letztlich nahm ihm das die Handball-Bundesliga (HBL) ab.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.06.2014)


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