Der totale Handball-Wahnsinn geht weiter: Auch zum
Kieler Auftakt in der
Gruppenphase der "VELUX EHF Champions League"
beim polnischen Vizemeister Orlen Wisla Plock entwickelte
sich eine umkämpfte Partie, die den letzten Bundesliga-Heimsiegen
gegen Gummersbach und Wetzlar an Dramatik in nichts nachstand.
Wieder war es
Filip Jicha, der mit
seinem achten Treffer wenige Sekunden vor der Schlusssirene
den glücklichen, aber nicht unverdienten 34:33 (14:14)-Erfolg
für den THW Kiel sicherstellte.
THW ohne Zeitz
Alfred Gislason musste in der
nicht ganz ausverkauften Orlen-Arena in Plock auf
Linkshänder
Christian Zeitz
verzichten. Der 32-Jährige laboriert an einer Bronchitis
und trat die Reise nach Polen erst gar nicht mit an. Doch
auch Plocks Trainer Manolo Cadenas hatte einen personellen
Engpass zu beklagen: Neben Abwehrstratege Kamil Syprzak
fielen mit Adam Wisniewski und Ivan Nikcevic gleich beide
etatmäßigen Linksaußen beim polnischen Vizemeister aus.
Der bosnische Rückraumspieler Ivan Milas half auf der
Position aus und machte seine Sache sehr gut.
Fehlstart der "Zebras"
Die über 5.000 Fans in der schmucken Orlen-Arena veranstalteten
schon beim Einmarsch der Mannschaften einen Höllenlärm. Und als
Macin Lijewski den ersten langen Angriff der Gastgeber bei
angezeigtem Zeitspiel erfolgreich abschloss, bebte die Halle.
Der THW Kiel schien ein bisschen beeindruckt von der Atmosphäre,
Jicha traf mit seinem ersten Versuch
nur den Pfosten,
Toft Hansen scheiterte
an Torhüter Sego, und dem nervösen
Lauge
unterliefen Anspielfehler. Die "Ölmänner" nutzten dies aus und
zogen durch Treffer von Milas und Ghionea auf 3:0 davon. Hätte
Johan Sjöstrand nicht noch einen
Gegenstoß Ghioneas pariert - Plock wäre sogar bereits auf 4:0
enteilt. So aber war es vor allem dem schwedischen Neuzugang
zu verdanken, der nun mit weiteren Paraden aufwartete, dass der
THW langsam in die Partie fand.
Sigurdsson
gelang nach Ballgewinn in der Abwehr per Konter der erste Kieler
Treffer,
Sprenger legte nach klugem
Anspiel
Jichas nach. Doch als sich
Mariusz Jurkiewicz dann zum 4:2 durchtankte und sich
Lauge
dabei eine Zeitstrafe abholte, zog Plock durch einen Schlagwurf
Lijewskis, eine Sego-Parade gegen
Sigurdsson
und der postwendenden Antwort durch den auch im Angriff auffälligen
Jurkiewicz wieder auf 6:2 davon. Es waren noch keine elf Minuten
gespielt, als
Alfred Gislason seine
erste Auszeit nahm.
Kiel startet Aufholjagd
Mittlerweile war
Aron Palmarsson
in die Partie gekommen, und mit ihm wurde das Kieler Angriffsspiel
langsam sicherer. Zwar beantwortete Kurkiewicz
Jichas
Treffer postwendend zum 7:3, doch der THW zeigte nun, dass er in der
Partie angekommen war: Erneut
Jicha und
der von
Vujin am Kreis glänzend in Szene
gesetzte
Sprenger verkürzten auf 5:7.
Und nachdem Eklemovic per Schlagwurf wieder erhöhte, zeigte
Aron Palmarsson seine Klasse: Zunächst
sorgte der Isländer persönlich für das 6:8, dann legte er für
Landsmann
Sigurdsson sowie
den im ersten Durchgang in der Abwehr von
Patrick Wiencek
ersetzten
Vujin auf. In der 19.
Spielminute hatten die "Zebras" den Fehlstart wettgemacht und
erstmals ausgeglichen.
Mit Remis in die Pause
Die Kieler ließen sich nun auch nicht mehr von einer
Zeitstrafe gegen
Toft Hansen aus dem
Konzept bringen: In Unterzahl ging der THW durch einen
Wiencek-Gegenstoß und den zweiten
Palmarsson-Treffer sogar mit
10:9 in Führung. Als wenige Minuten später
Marko Vujin
einen Siebenmeter sicher verwandelte und
Palmarsson
Jicha zum 12:10 für den THW bediente,
schienen die "Zebras" die Partie langsam in den Griff zu bekommen.
Doch weit gefehlt: Dieses 12:10 sollte die einzige Zwei-Tore-Führung
für die Kieler in der gesamten Partie bleiben. Vielmehr kochte die
Orlen-Arena nur zwei Minuten später, als Milas, Nenadic und
Jurkiewicz mit ihren Treffern die Partie wieder drehten und
zusätzlich
Patrick Wiencek für
zwei Minuten auf die Bank musste. Glücklicherweise spielten
die Gäste an diesem späten Sonntagnachmittag immer ihren
erfolgreichsten Handball, wenn sie in Unterzahl agierten,
so dass es nach einem fantastischen Heber
Sigurdssons
vom Kreis aus halbrechter Position sowie einem unnachahmlichen
Jicha-Dreher zumindest noch mit einem
14:14-Unentschieden in die Kabinen ging.
Erneuter Kieler Fehlstart
War schon die erste Halbzeit kein wahrer Gaumenschmaus für
Liebhaber von schönen Ballstafetten, so entwickelte sich nach
Wiederanpfiff eine noch umkämpftere und damit auch noch
zerfahrenere Partie. Zunächst besaßen dabei die Gastgeber wieder
die besseren Karten, weil dem THW allein in der ersten Spielminute
drei haarsträubende technische Fehler unterliefen, die Milas und
Toromanovic zum 16:14 ausnutzten. Auch danach wurde es nicht viel
besser bei den "Zebras", denn nach
Vujins
Anschluss erhöhten der starke Toromanovic und Jurkiewicz gar auf
18:15. Die Führung hätte gar noch höher ausfallen können, hätte
Sjöstrand nicht einen Konter Nenadics
pariert und
Palmarsson einen weiten
Pass der Polen abgefangen.
Alfred Gislason reagierte und stellte
von der 6:0- auf die offensive 3:2:1-Deckung mit Wael Jallouz
auf der Spitze um. Nun lahmte auch das Angriffsspiel der Gastgeber
zusehends, als Folge sahen die Zuschauer nun ein Fehlerfestival auf
beiden Seiten, bei dem der THW aber immerhin durch
Jicha, Sprenger
und Sigurdsson wieder zum Ausgleich kam.
THW legt vor, Plock gleicht aus
Nachdem Toromanovic die "Ölmänner" noch einmal mit 19:18 in
Front geworfen hatte, gelang dem von der hart anfassenden
Abwehr Plocks gezeichnete
Toft Hansen
im Nachfassen der wichtige Treffer zum 19:19-Ausgleich. Aber
die Kieler bedarften erst einer erneuten Unterzahl-Situation -
diesmal musste
Jallouz auf die
Bank - um selbst wieder in Führung zu gehen: Nach einem abgeblockten
Lijewski-Wurf war es
Christian Sprenger,
der das 20:19 erzielte. Es war der endgültige Auftakt zu einer
Phase, in der die Abwehrreihen und die Torhüter nurmehr zu
Statisten degradiert wurden. Die "Zebras" konnten sich im
Angriff zwar auf den bärenstarken
Aron Palmarsson
verlassen und zeigten auch ihr spielerisches Potential:
klasse, wie
Filip Jicha den seinen
Gegenspieler hinterlaufenden
Sigurdsson
bediente, der zum 22:21 traf; atemberaubend, wie der isländische
Linksaußen einen Sprungwurf aus dem Rückraum zum 28:27 ins
gegnerische Tor wuchtete. Jedoch fand die Kieler Deckung gegen
den polnischen Angriff mit den ebenfalls aufdrehenden Nenadic
und Toromanovic kein Mittel.
Gislasons
Wechsel zurück auf eine 6:0-Deckung sowie eine 3:2:1-Abwehr mit
Filip Jicha an der Spitze waren ebenso
wenig von Erfolg gekrönt wie der Torwartwechsel vom in der ersten
Halbzeit noch starken
Sjöstrand auf
Andreas Palicka. So gelang Plock
stets postwendend der Ausgleich auf die Kieler Führungstreffer,
und nach einem Fehlpass
Jichas an
den Kreis sorgte Nenadic sieben Minuten vor Spielende sogar
wieder für die 30:29-Führung für die Gastgeber.
Dramatische Schlussminuten
Es entwickelte sich einmal mehr eine dramatische Schlussphase:
Marko Vujin donnerte seinen Sprungwurf
zum 30:30-Ausgleich in den Winkel, doch Jurkiewicz tankte sich auf
der Gegenseite durch - Plock war wieder vorne. Doch
Aron Palmarsson riss das Ruder wieder
zugunsten des THW herum, durch einen Schlag- und einen Sprungwurf
des isländischen Regisseurs legten die "Zebras" wiederum auf 32:31
vor. Lijewski holte anschließend einen Strafwurf für Plock heraus,
den Ghionea gegen den ins Tor zurückgekehrten
Sjöstrand
verwandelte. Beim nächsten Kieler Angriff machte
Toft Hansens Lippe unliebsame Bekanntschaft
mit Jurkiewicz' Ellenbogen. Statt des ehemaligen Madrilenen wurde
jedoch Marcin Lijewski für dessen unterstützenden Schubser auf die
Bank geschickt. Vorteil Kiel? Mitnichten, denn
Sprenger
unterlief ein fataler Fehlpass, den ausgerechnet Jurkiewicz per
Gegenstoß zum 33:32 vollendete. Die Orlen-Arena stand nun Kopf -
erst recht, nachdem Marin Sego einen Sprungwurf
Jichas
partierte und Plock vermeintlich in Ballbesitz brachte. Glücklicherweise
hatte
Alfred Gislason aber rechtzeitig
seine Auszeit genommen. Der THW bekam erneut seine Chance auf den
Ausgleich. Ein geplantes Kreisanspiel auf
Toft Hansen
wurde zwar abgefangen, aber
Palmarsson
sicherte den Kielern den Ball und
Sigurdsson
holte einen Strafwurf heraus, den
Vujin
nervenstark zum 33:33 verwandelte. Noch aber war über eine lange
Minute auf der Uhr, und Plock spielte seinen Angriff clever herunter.
Nach einem abgefälschten Wurf bekamen die Polen bei angezeigtem
passiven Spiel einen Einwurf zugesprochen, dieser allerdings
landete direkt in
Filip Jichas Armen.
Der Tscheche rannte sofort mit dem Ball nach vorne und wuchtete
ihn per Sprungwurf zum entscheidenden 34:33 in die Maschen. Plock
konnte in den verbleibenden Sekunden keinen gefährlichen Torwurf
mehr anbringen, so dass der THW letztlich glücklich, aber nicht
unverdient beide Punkte aus Polen mit auf den Heimflug nimmt.
Am Mittwoch kommt Melsungen
Dieser Auftakterfolg in der Königsklasse war hart umkämpft und
hat sicherlich viel Kraft gekostet. Für Regeneration fehlt den
"Zebras" dieser Tage allerdings die Zeit, denn bereits am kommenden
Mittwoch wartet die nächste knifflige Aufgabe in der DKB Handball-Bundesliga
auf den Tabellenführer. Dann nämlich ist die MT Melsungen in der
Sparkassen-Arena zu Gast.
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie bitte auch
Dies war wie erwartet ein hartes Spiel. Wir haben trotz der
vielen Fehler auf beiden Seiten ein gutes Spiel gesehen. Am
Ende entscheidet ein Ball auf der einen oder andren Seite,
und wir hatten das Glück, diesen Ball zu machen. Ich bin
stolz auf meine Mannschaft, es war ein gutes Spiel. Plock
hat eine starke Mannschaft.
[zur Leistung von Aron Palmarsson:]
Aron war heute wie in den anderen
beiden Spielen sehr wichtig, wenngleich es riskant war wegen
der fehlenden Vorbereitung.
Plocks Trainer Manolo Cadenas:
Es war ein emotionales Ende. Kiel hat in dieser Woche
offenbar das Glück gebucht. Schade für uns, aber ich bin
sehr zufrieden mit meinen Spielern und den Fans.
Es war ein hartes Spiel. Es macht aber Spaß, hier zu spielen
in dieser großartigen Atmosphäre. Die Angriffsreihen waren auf
beiden Seiten der Schlüssel, wir waren nicht gut in der Abwehr.
Deshalb mussten wir vorne besser sein, und das haben wir gemacht.
Deshalb haben wir gewonnen.
Plocks Rückraumspieler Marcin Lijewski:
Ich hätte nicht gedacht, dass wir gegen eine Mannschaft wie
Kiel so gut spielen können. Die Fans waren fantastisch, sie
haben uns sehr geholfen.
Das hat sich schlimm angefühlt, als ich den Ball zu Jurkiewicz
gespielt habe, zum Glück konnten wir das noch umbiegen. Plock
hat sich gut verstärkt, hier werden auch andere Vereine noch
Probleme bekommen.
THW-Kreisläufer Rene Toft Hansen gegenüber den KN:
mit Blick auf seine Lippe:
Ich werde heute bestimmt nicht mehr geküsst.
Wir würden es gerne weniger spannend machen, aber in
unserer derzeitigen Situation ist das nicht möglich. So
lange wir gewinnen, ist alles ok. Zur Atmosphäre? Ich
werde richtig heiß, wenn ich so ausgepfiffen werde.
- Orlen Wisla Plock (POL ):
-
Sego (1.-44., 55.-60., 8 Paraden),
Wichary (44.-55., 1 Parade),
Morawski (n.e.);
Kwiatkowski,
Nenadic (6),
Kavas,
Ghionea (4/1),
Goralski (n.e.),
Piechowski (n.e.),
Jurkiewicz (7),
Toromanovic (6),
Lijewski (4),
Paczkowski (1),
Eklemovic (1),
Milas (4);
Trainer: Cadenas
- THW Kiel:
-
Sjöstrand (1.-46., 54.-60., 8/1 Paraden),
Palicka (46.-54., keine Parade);
Toft Hansen (1),
Sigurdsson (7),
Sprenger (5),
Wiencek (1),
Ekberg (n.e.),
Lauge,
Jallouz,
Palmarsson (6),
Klein (n.e.),
Jicha (8),
Vujin (6/2);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Nenad Krstic / Peter Ljubic (Slowenien)
- Zeitstrafen:
-
Plock: 3 (Kwiatkowski (29.), Jurkiewicz (35.), Lijewski (58.));
THW: 6 (Lauge (10.), 2x Toft Hansen (19., 48.),
Wiencek (27.), 2x Jallouz (40., 45.))
- Siebenmeter:
-
Plock: 2/1 (Sjöstrand hält Ghionea (5., Nachwurf verwandelt));
THW: 2/2
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 3:0 (5.), 3:2 (9.), 6:2 (11.), 6:3, 7:3, 7:5 (14.), 8:5, 8:9 (20.),
9:9, 9:10, 10:10, 10:12 (25.), 13:12, 13:13, 14:13, 14:14;
2. Hz.: 16:14, 16:15, 18:15 (34.), 18:18 (38.), 19:18, 19:20, 20:20,
20:21, 21:21, 21:22, 22:22 (44.), 22:23, 23:23, 23:24, 24:24, 24:25,
25:25, 25:26, 26:26 (48.), 26:27, 27:27, 27:28, 28:28, 28:29,
30:29 (53.), 30:30, 31:30, 31:32 (57.), 33:32, 33:34.
- Zuschauer:
-
5.300 (Orlen Arena, Plock (POL))
- Spielgrafik:
-
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Die Füchse Berlin und die TSV Hannover-Burgdorf greifen im
EHF-Pokal
erst Ende November ins Spielgeschehen ein.
Den Anfang beim deutschen Champions-League-Quartett machten bereits
am Donnerstagabend die Rhein-Neckar Löwen. Nach zweijähriger
Königsklassen-Abstinenz kamen die Mannheimer im Heimspiel gegen
Neuling Motor Zaporozhye (UKR) allerdings nur zu einem 31:31 (15:13)-Unentschieden.
In der Gruppe D liefern sich
die SG Flensburg-Handewitt und Titelverteidiger HSV Hamburg zunächst
ein Fernduell. Der Mannschaft von Trainer Martin Schwalb glückte
am Samstagabend ein Auftakt nach Maß durch einen deutlichen 33:24-Erfolg
beim spanischen Club Naturhouse La Rioja. Die SG legte am
Sonntagnachmittag mit einem schwer umkämpften 31:27 (15:12)-Heimsieg
gegen den dänischen Meister Aalborg Handball nach.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Aus den Kieler Nachrichten vom 23.09.2013:
Geschenkter Sieg von Plock
Handballmeister THW Kiel startet in der Champions League mit einem glücklichen 34:33
Plock. Es sind noch 16 Sekunden zu spielen, Ecke für
Plock, Ivan Milas hat den Ball. Es steht 33:33 (14:14)
im ersten Gruppenspiel der Champions League des
deutschen Handballmeisters THW Kiel gegen den
polnischen Vizemeister, als dem 20-Jährigen Unerklärliches
passiert - er wirft den Ball zu Filip Jicha!
Der Kapitän der Kieler schnappt sich das Geschenk
und beschert seinen Zebras gestern Abend den dritten
Zittersieg der Saison.
Angeblich soll der Pole ein Katholik sein, der die Sonntage
in der Kirche und im Kreise der Familie verbringt. Der in
jeder freien Minute Pilze sammelt. Wenn dem so ist, gibt es
einen Ort, an dem für knapp 5000 Polen Kirche, Familie und
Pilze an einem Sonntag gar keine Rolle spielen.
Es ist 16.48 Uhr in der schmucken Orlen-Arena, als das
Zeichen eines Trommlers genügt, um die Plauderei mit den
Nachbarn zu beenden. Zur Champions-League-Hymne, eine
Abfolge eher schriller Töne, stehen alle stramm. Die Kieler,
die einzeln einlaufen, werden einzeln so laut ausgepfiffen,
dass ihre Namen kaum zu verstehen sind.
Hinter dem Tor von Johan Sjöstrand
setzen sich die Fans erst gar nicht wieder hin. Haben ihre
Helden den Ball, werden sie gefeiert. Greift der THW an, wird
gellend gepfiffen. Ohne Pause. Der Blitzstart der Hausherren
(3:0/5.) verwandelt zunächst auch alle anderen Sitz- in Stehplätze.
Zum Glück für den THW behält Sjöstrand
im Lärmbad die Ruhe, pariert sogar einen Siebenmeter von Valentin
Ghionea, der Rechtsaußen trifft aber im Nachwurf. Bei den Polen,
wen wundert es, läuft alles über die neuen Stars Marcin Lijewski
(ehemals HSV) und Mariusz Jurkiewicz (ehemals Madrid).
Bei den Kielern klappt im Angriff zu Beginn nichts,
Jicha trifft nach vier Fehlwürfen
erst in der 11. Minute - da liegt Plock schon 6:2 vorne. Für
Rasmus Lauge, der in der Abwehr
keine gute Figur macht, wechselt Kiels Trainer
Alfred Gislason frühzeitig
Aron Palmarsson (12.) ein. Der
Isländer, der nach seiner Knieoperation eigentlich im
Schongang herangeführt werden soll, wird gebraucht. Und er
ist hellwach, trifft selbst zum 8:6, bereitet das 8:7 durch
den überragenden "Goggi" Sigurdsson
(16.) vor. Der THW ist wieder dran, steht besser und findet in
einer beinharten Plock-Deckung Lücken. Einer Deckung, in der
erstaunlicherweise der 2,02-Meter Koloss Zbigniew Kwiatkowski
erst Sekunden vor dem Seitenwechsel die erste Wisla-Zeitstrafe
kassieren sollte. Die Zebras, wiederholt in Unterzahl, sind
trotzdem angekommen, führen nach 20 Minuten erstmals mit 9:8.
Leiser wird es nicht. Warum auch? Plock bleibt auf Augenhöhe,
erwischt nach dem Seitenwechsel erneut den besseren Start.
Auch, weil Torhüter Marin Sego, von den Fans mit Verbeugungen
gefeiert, ein gutes Spiel macht.
Um Palmarsson zu schonen, stellt
Gislason auf eine offensive Deckung
um, schickt Wael Jallouz als deren
Spitze in den Hexenkessel. Doch der Tunesier ist überfordert,
kassiert schnell zwei Zeitstrafen. Trotzdem: Wie im ersten
Durchgang reiben sich die Zebras den Schlaf aus den Augen,
biegen in Unterzahl durch ein Tor von Christian Sprenger
erneut einen zwischenzeitlichen Drei-Tore-Rückstand (19:20/41.)
um. Den Polen unterlaufen viele Fehler, sie werden müde, aber
sie geben nicht auf. 25:25 (48.) steht es, als
Andreas Palicka für
Sjöstrand kommt, der das Niveau
nicht halten konnte. Als Lauge, der
wegen seiner Schulterprellung noch immer nicht werfen kann,
sich erneut versuchen darf. Es steht 29:29 (52.), als
Palicka wieder ausgewechselt
wird.
Es bleibt dramatisch, die Polen dürfen in der Deckung nun
gänzlich ungestraft prügeln. Als Sandsack wird
Rene Toft Hansen benutzt, der mit
einem Cut über dem linken Auge, einem blutenden Hinterkopf
und einer dicken Lippe bezahlt. Als Jurkiewicz schließlich
einen Fehlpass von Sprenger zum
33:32 verwandelt, scheint das Kieler Schicksal besiegelt. Dann
verwandelt Marko Vujin, vor dem sich
eine heißblütige Fan-Wand mit wedelnden Schals aufbaut, eiskalt
einen Siebenmeter. Es sind noch 16 Sekunden zu spielen, als es
Ecke für Plock gibt....
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 23.09.2013)
Aus den Kieler Nachrichten vom 23.09.2013:
Treffen mit dem Großvater
Für
Patrick Wiencek war
die Reise nach Polen in doppelter Hinsicht emotional.
Der Fan des Fußball-Drittligisten MSV Duisburg wäre
am Sonnabend liebend gerne im Holsteinstadion gewesen,
um dem MSV die Daumen zu drücken. Stattdessen musste
er auf der Busfahrt von Warschau nach Plock via
Liveticker erleben, wie sein MSV ein dramatisches
Spiel mit 1:0 gewann. "Ich bin mir sicher, dass beide
Mannschaften nichts mit dem Abstieg zu tun haben werden",
sagt der Kreisläufer des THW Kiel, der dann die Chance
hätte, dieses Duell in der nächsten Saison hautnah zu
erleben.
Der 24-Jährige verpasste zwar das Wiedersehen mit
Duisburg, dafür traf er in Plock aber seinen polnischen
Großvater. Der 66-Jährige hatte sich mit drei Freunden
aus dem vier Autostunden entfernten Dörfchen Koczala
aufgemacht, um den Enkel endlich einmal live zu sehen.
"Die 2000 Einwohner sind Patrick-Fans", sagt Karl Janus.
"Wenn er spielt, sitzen wir alle vor dem Fernseher."
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 23.09.2013)