Der THW Kiel hat sich mit einer Punktlandung vorzeitig den
Gruppensieg in der starken Vorrundengruppe der
"VELUX EHF Champions League"
gesichert: Am Sonntagabend erkämpften sich die durch
zahlreiche Erkrankungen geschwächten Kieler gegen den
polnischen Meister KS Vive Targi Kielce ein 28:28-Unentschieden,
nachdem sie noch zur Pause mit 13:16 in Rückstand gelegen
hatten. Allerdings vermochten die "Zebras" auch eine eigene
Führung in den Schlussminuten nicht über die Zeit zu retten.
Doch: Dieser Punktgewinn vor knapp 10.000 fantastischen
Kieler Fans fühlte sich beinahe an wie ein Sieg, zu dem ein
unglaublicher Johan Sjöstrand 23
Paraden und Marko Vujin 10/3 Tore
beisteuerte.
Wie schon zuvor im Bundesliga-Spiel gegen Eisenach
musste THW-Trainer Alfred Gislason
gegen den polnischen Meister auf Mittelmann
Aron Palmarsson verzichten. Dafür
nominierte Gislason den
Nachwuchsspieler Tjark Müller,
der ansonsten für die zweite Mannschaft des THW in der
Dritten Liga aufläuft, nach. Weil auch Christian Zeitz
sich kurz vor dem Anpfiff wegen einer Magen-Darm-Erkrankung
abmeldete und weitere THW-Spieler an dem Virus litten, ging
die "Zebra"-Herde geschwächt in eine Partie, in die der
gegnerische Trainer Talant Dujshebaev sein komplettes
Starensemble schicken konnte.
Die 60 Spitzenspiel-Minuten begannen hektisch - auf beiden Seiten.
Während der THW Kiel vor allem mit Holztreffern und technischen
Fehlern zu kämpfen hatte, taten sich die Gäste schwer, an
Johan Sjöstrand vorbeizukommen. Bis
zum 5:5 (8.) egalisierten sich beide Mannschaften, dann setzten
sich die Gäste erstmals ab: Vujin traf
bei einem Gegenstoß krachend die Latte, im Gegenzug traf Strlek.
Dann scheiterte Ekberg ebenfalls am
Gebälk, im Gegenzug traf Bielecki. Als dann auch noch ein Pass
von Vujin auf Rene Toft Hansen
in den Armen des Gegners landete, nutzte Cupic dies zum 8:5 für
die Gäste. Gislason nahm früh die Auszeit,
stellte die Abwehr um und brachte Wael Jallouz
für Rasmus Lauge - doch immer dann, wenn der
überragende Vujin seine Farben wieder heran
gebracht hatte, nutzten die Polen die Kieler Fehler gnadenlos aus. So
hofften die Fans nach Vujins Kracher zum
12:13 (26.) vergeblich auf einen Schlussspurt ihrer "Zebras": Lijewski
und Chrapkowski erhöhten wieder auf eine Drei-Tore-Führung, die bis
zum 16:13 zur Pause Bestand hatte. Unter dem Hallendach verabschiedeten
über 100 polnische Fans ihre Mannschaft euphorisch in die Kabine.
Nach dem Wechsel bot sich den Fans das gleiche Bild: Immer, wenn der
THW heran kam, setzten die Gäste einen schnellen Gegentreffer. Bis zur
35. Minute: In dieser bediente der immer stärker werdende
SjöstrandMarko Vujin,
der den Ball mit 111 km/h ins Netz drosch - das 16:18 war das Signal
zur Aufholjagd. Wenig später verkürzten Vujin
und Jicha nach Einzelaktionen auf 18:19, und
als sich Cupic nach einer Abwehraktion von Jallouz
theatralisch fallen ließ - wofür der Kieler Tunesier eine
Zwei-Minuten-Strafe aufgebrummt bekam -, war richtig Feuer unter dem
Arena-Dach: Angepeitscht von der unglaublichen Kulisse nagelte
Sjöstrand seinen Kasten zu, und
Lauge traf zum umjubelten Ausgleich.
Die Waage schien sich in Richtung THW zu verschieben. Auch, weil
die Kieler im Angriff nun variabler wurden und immer häufiger
Toft Hansen am Kreis fanden. Aber auch,
weil die "Zebras" einen unglaublichen Willen zeigten.
Führung für den THW
Dieser brachte den THW nun in Führung: Toft Hansen
verwandelte eine rasend Schnelle Mitte zum 23:22, dann parierte
Sjöstrand, und Jallouz
hämmerte den Ball mit über 100 km/h zum 24:22 in die Maschen. Als dann
Vujin den von Toft Hansen
herausgeholten Siebenmeter zum 25:22 versenkte (50.), schienen die "Zebras"
auf die Siegerstraße einzubiegen. Doch da hatten sie die Rechnung ohne
Michal Jurecki gemacht: Der ehemalige Rhein-Neckar-Löwe drehte in der
Schlussphase auf und hielt gemeinsam mit dem stärker werdenden Szmal
seine Blau-Gelben im Spiel: 25:25 (52.). Auf der Gegenseite zeigte
Sjöstrand Paraden im Sekundentakt, weil
aber der THW nach Toft Hansens 28:26 (57.)
drei Minuten lang nicht mehr zum Torerfolg kam, nutzten die Gäste
dies zum erneuten Ausgleich.
Abschließendes Spiel am Mittwoch gegen Porto
Auf Seiten Kielces war Michal Jurecki mit sieben Treffern bester Werfer.
Weil Szmal den finalen Wurf von Sprenger hielt, im Gegenzug die Kieler
Abwehr aber einen polnischen Siegtreffer nicht zuließ, schlugen beide
Mannschaften in das Unentschieden ein. Nach 60 packenden, intensiven
und am Ende dramatischen Minuten hatte das Spitzenspiel der
Vorrundengruppe B keinen Sieger
auf dem Feld gefunden - und doch feierten die Kieler Fans ihre
Mannschaft auch noch weit nach dem Schlusspfiff für eine engagierte
Leistung, an deren Ende die Punktlandung für den Gruppensieg gelungen
war. Am kommenden Mittwoch wollen die "Zebras" mit einem Sieg gegen
den FC Porto Vitalis die erfolgreiche Champions-League-Vorrunde
abschließen, um sich dann vorerst wieder auf die Bundesliga zu
konzentrieren. Für die Partie gegen Porto, die am Mittwoch um 19.30 Uhr
angepfiffen wird, gibt es noch Karten im Vorverkauf und an der Abendkasse.
Ich bin zufrieden mit diesem Unentschieden, lange Zeit sah es
nicht so aus, als ob wir heute würden punkten können. Das Remis
ist ein gerechtes Ergebnis. Wir hatten heute Probleme mit dem
Ausfall von Palmarsson, der uns gegen
die starke Abwehr Kielces gefehlt hat. Kielce hat eine super
Mannschaft, die bestimmt im Laufe der Saison noch stärker werden
wird. Aber ich muss meiner Mannschaft ein Riesen-Kompliment
aussprechen: Sie hat nach dem Rückstand toll gekämpft!
Kielces Trainer Talant Dujshebaev:
Es war eine unglaubliche Atmosphäre in dieser Halle, es macht
Spaß, hier zu spielen. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Mannschaft,
sie hat alles gegeben und gekämpft. Leider hat es mit dem Sieg nicht
geklappt. Wir müssen weiter hart arbeiten, um an Barcelona und den
THW Kiel, zu denen ich momentan aufschaue, heranzukommen. Mit der
Arbeit in den ersten Wochen bin ich zufrieden, aber meine Mannschaft
ist noch weit von dem entfernt, was ich spielen möchte.
Kielces Rechtsaußen Thorir Olafsson:
Wir wollten zwei Punkte, es ist aber leider nur ein Punkt gegen
eine sehr starke Mannschaft geworden. Jetzt müssen wir nach vorn
schauen.
Einen Wunschgegner für das Achtelfinale habe ich nicht. Wir
wollen jetzt erst einmal gegen Porto siegen - und wir wollen
nicht nur die Gruppenphase, sondern die Champions League
gewinnen. Dafür müssen wir jeden Gegner schlagen. Wenn wir so
stark wie heute in der zweiten Halbzeit spielen, bin ich
optmistisch.
gegenüber den KN:
Ich hatte 24 Paraden? Echt? Das kann nicht sein. Na gut, es
waren ein paar Doppelparaden dabei. Die erste Halbzeit war
ganz okay, die zweite Halbzeit sehr gut. Das hat richtig Spaß
gemacht.
Wir müssen momentan zusehen, dass wir überhaupt sechs
einigermaßen gesunde Spieler zusammenbekommen. Heute haben
wir Christian Zeitz direkt vor
dem Spiel nach Hause geschickt, einige andere Spieler
mussten sofort nach dem Spiel ohne Dusche nach Hause,
um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Deshalb freuen
wir uns über den Punktgewinn und Platz eins in der Gruppe.
Ich möchte mich heute bei den Fans bedanken, die mit einem
unglaublichen Spektakel meiner Mannschaft geholfen haben.
Mittwoch steht das nächste Spiel an. Und natürlich wollen
wir gegen Porto gewinnen, wir spielen schließlich zu Hause
vor unseren Fans. Deshalb werden wir auch am Mittwoch
versuchen, volle Pulle zu gehen, und dann sehen, ob es
zum Erfolg reicht.
gegenüber den KN:
Anfangs war es richtig schwierig, nach der Pause hatten
wir das Momentum auf unserer Seite. Und dann kam das
Publikum, das war richtig geil. Aber es war hart, da
sich auch noch Rasmus
(Lauge, d. Red.) verletzt hat.
Es war ein schweres Spiel, weil Aron
gefehlt hat und Rasmus auch nur 40
Minuten gespielt hat. Die Stimmung war perfekt, die Halle stand
hinter uns.
THW-Rückraumspieler Rasmus Lauge gegenüber den KN:
Wir haben auch in der ersten Halbzeit nicht schlecht gespielt,
aber zu viele Fehler gemacht. Das haben wir abgestellt. Jetzt
können wir gegen Porto ein bisschen ausprobieren, gewinnen
wollen wir aber trotzdem.
Kielces Rückraumspieler Michal Jurecki gegenüber den KN:
Wir sind hierher gekommen, um zu gewinnen. Deshalb sind wir
nur zu 50 Prozent zufrieden. Aber wir arbeiten noch an dem
neuen System, denn mit Talant als neuem Trainer arbeiten wir
ja erst seit drei Wochen.
Kielces Präsident Bertus Servaas gegenüber den KN:
Wir haben hier ohne Angst gespielt, das hat mir sehr gefallen.
Wir spielen erst seit ein paar Wochen ein neues System, aber
es waren heute schon erste Erfolge zu sehen. Wir haben den
Sieg in den 1:1-Situationen mit Sjöstrand
aus der Hand gegeben.
Alle Spieltermine, Ergebnisse und Tabellen der Gruppenphase im
EHF-Pokal finden Sie hier.
In der Gruppenphase des
EHF-Pokals hat die TSV Hannover-Burgdorf
bereits am Mittwoch ihre zweite Partie bestritten. Nach der 28:36-Pleite
in Ungarn bei Csurgoi KK ist das Viertelfinale für die weiter
punktlosen Niedersachsen aber bereits in weite Ferne gerückt. Besser
macht es am Wochenende die Füchse Berlin in ihrer
Gruppe D: Nach dem Auftaktsieg
gegen Chambery gewannen die personell gebeutelten Bundeshauptstädter
am Sonnabend in der Slowakei bei HC Sporta Hlohovec souverän mit
33:27 (18:11).
In der Königsklasse hatte die SG Flensburg-Handewitt in der
Gruppe D gegenüber dem
Ligakonkurrenten aus Hamburg bereits am Mittwochabend zunächst
vorgelegt: Nach dem deutlichen 37:25-Heimsieg über Naturhouse La Rioja aus
Spanien übernahm der Vizemeister mit nun 13:3 Zählern vorläufig
die Tabellenspitze. Der HSV Hamburg aber konterte am Sonntagnachmittag
durch einen in deutlichen 35:24-Erfolg beim schwedischen Meister
HK Drott Halmstad und liegt nun wieder mit 14:2 Punkten vorne.
Alle Spieltermine, Ergebnisse und Tabellen der
CL-Gruppenphase finden Sie hier.
In der Gruppe A hatten die
Rhein-Neckar Löwen bei ihrem Gastspiel beim russischen Vizemeister
St. Peterburg HC keine Mühe und siegten am Sonnabend ungefährdet
mit 32:23 (18:10). Damit haben die Mannheimer den zweiten Platz
in ihrer Gruppe sicher, während MKB Veszprem aus Ungarn sich den
Gruppensieg geholt hat.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Champions League: THW Kiel hat nach dem 28:28 gegen Kielce den ersten Platz sicher
Kiel. Selten wurde ein Remis in der Arena des Handballmeisters
THW Kiel so bejubelt wie das gestrige gegen Vive Targi Kielce.
28:28 (13:16) stand es nach einem intensiven Spiel, das allerdings
einen langen Anlauf benötigte, um am Ende richtig heiß zu werden.
Die personell stark gehandicapten Zebras wurden mit ihrer
Energieleistung schließlich für Platz eins in der
Gruppe B der Champions League
belohnt. Das Heimspiel gegen den FC Porto (Mittwoch, 19.30 Uhr)
hat für die Kieler nun nur noch statistischen Wert.
Bis zur Pause deutete wenig darauf hin, dass die letzten Minuten
eine Hitze entwickeln würden, die sich in der mit 9800 Zuschauern
gefüllten Arena sonst nur bei K.o.-Spielen ergibt. Der Gastgeber
hatte in der ersten Halbzeit keinen Rhythmus gefunden. Fehlerhaft
und überhastet im Angriff, zu zaghaft in der Deckung - die Gäste,
die sich mit ihrem neuen Trainer Talant Duschebajew zuletzt zehn
Tage lang konzentriert auf dieses Spiel vorbereiten konnten,
trumpften dagegen wie aus einem Guss auf. Zu Recht führten die
Polen zur Pause mit drei Toren, auch weil die Kieler immer wieder
in den entscheidenden Phasen Fehler machten. So vergab
Patrick Wiencek im Gegenstoß das
11:12, als er freistehend an Venio Losert scheiterte, kurz darauf
landete ein Fehlpass von Filip Jicha
in den Händen von Piotr Chrapkowski, der in Unterzahl zum 15:12
für die starken Gäste traf.
Fehler, für die es medizinische Erklärungen geben sollte. Die
Kieler mussten eine halbe Stunde vor dem Anpfiff noch den Ausfall
von Christian Zeitz verkraften, der
sich von einer Magen-Darm-Grippe gebeutelt zur Halle geschleppt
hatte. Aber in einem spielfähigen Zustand befand er sich nicht.
Um 17.17 Uhr reiste er, der sich kurz zuvor übergeben hatte, in
kurzen Hosen und Sporttasche über der Schulter wieder ab.
Jicha und Wiencek,
ebenfalls vom Virus befallen, waren geblieben, quälten sich mit
großer Moral ins Ziel.
Auch Aron Palmarsson wirkte nicht mit.
Der Isländer saß im feinen Champions-League-Zwirn auf der Tribüne.
"Mir tut diese Pause richtig gut", sagte der Mittelmann, der damit
rechnet, am Sonntag zur Verfügung zu stehen, wenn der THW bei der
HSG Wetzlar antritt. "Wenn ich dort auch nicht gebraucht werde,
wäre das natürlich super." Im Anschluss an das Wetzlar-Spiel hat
sein Verein eine spielfreie Woche, auf das Spiel bei der MT
Melsungen (1. März) folgt eine weitere. "Das werden wichtige
Wochen für mich", sagte Palmarsson,
der fest davon überzeugt ist, noch im März erstmals in dieser
Saison hundertprozentig fit zu werden. Ohne Palmarsson
und Zeitz war die schwarz-weiße
Personaldecke schon kurz, als unmittelbar vor dem Seitenwechsel
auch noch Rasmus Lauge vom Feld humpelte,
weil er einen Schlag auf sein operiertes Knie bekommen hatte. Das
stark gerupfte Team von Alfred Gislason
stellte sich in diesen Minuten von selbst auf. Ganz anders dagegen
die Situation bei den Polen, die ihren 16-Mann-Kader munter
rotierten. Dass sie zur Pause nicht höher führten, verdankte Kiel
in erster Linie dem starken Johan Sjöstrand
und Tormaschine Marko Vujin. Die Zebras
hätten sich gestern eine Niederlage leisten, den fehlenden Punkt
auch gegen Porto einsammeln können, doch mit zunehmender Spieldauer
wurde dieses Duell zu einer Frage der Ehre. Die Zuschauer erwachten
zur Freude von THW-Manager Klaus Elwardt
("Ein geiles Publikum"), die Zebras, in deren Reihen
Lauge zurückgekehrt war, rafften sich
noch einmal auf und hatten im famosen Sjöstrand
ihren Matchwinner. Gruppensieg - die Sorgen kehrten erst nach dem
Abpfiff zurück. "Ich weiß nicht, mit welcher Mannschaft wir gegen
Porto antreten", sagte Gislason mit Blick
in die blassen Gesichter seiner Spieler, die teilweise ungeduscht
nach Hause fuhren, um nicht die Kollegen anzustecken.
(von Wolf Paarmann und Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 17.02.2014)