Schwarzes statt schwarz-weißes Wochenende in Köln: Der THW Kiel
verlor am Sonntagnachmittag beim "VELUX EHF Final4" in der Lanxess-Arena
auch das Spiel um den dritten Platz. Beim 30:31 gegen KS Vive Targi
Kielce aus Polen sahen die 20.000 Zuschauer zwei komplett unterschiedliche
Halbzeiten. Die Polen legten gegen wie gelähmt wirkende "Zebras" einen
Neun-Tore-Vorsprung vor und gingen mit einer 19:12-Führung in die Kabinen.
Nach dem Seitenwechsel kämpften sich die Kieler Stück für Stück in die
Partie zurück und hatten in der turbulenten letzten Spielminute noch
den Ausgleich auf der Hand. Es sollte aber nicht reichen.
Erfolgreichste Torschützen beim THW waren Momir Ilic
und Filip Jicha mit jeweils sechs Treffern. Bei
Kielce erzielte Kreisläufer Rastko Stojkovic sieben seiner acht Tore nach
dem Seitenwechsel.
Gislason rotiert durch
Momir Ilic erzielte sechs Treffer,
verpasste in der Schlussminute per Siebenmeter aber den
Ausgleich.
Die Partie begann zunächst hektisch und mit Unkonzentriertheiten
und Fehlwürfen auf beiden Seiten, ehe EkbergToft Hansen zum 1:0 für den THW bediente.
Indes: Es sollte die einzige Kieler Führung in der gesamten Partie
bleiben. Den "Zebras" sah man die schmerzhafte Halbfinal-Niederlage
an, und dass sie keine 20 Stunden und eine schlaflose Nacht später
schon wieder aufs Parkett mussten. Kielce hingegen war von Beginn
an heiß auf die Partie, und durch drei Cupic-Treffer, einen Strlek-Konter
und einen Hammer Bieleckis gingen die Polen schnell mit 5:1 in
Führung. Die Kieler hingegen fanden im Angriff häufig nicht die
richtigen Lösungen, zudem hatten sie bei mehreren Aluminiumtreffern
auch noch Pech.
Immerhin konnten die "Zebras", mittlerweile mit
Narcisse für den indisponierten
Palmarsson und mit einer 3:2:1-Deckung,
in Überzahl ein bisschen verkürzen: Erst netzte Marko Vujin,
der kurz zuvor mit einem Siebenmeter an Losert gescheitert war,
ein, dann traf Andreas Palicka über
das gesamte Spielfeld ins leere Tor, da Kielces Trainer Bogdan
Wenta in Unterzahl Losert durch einen weiteren Feldspieler
ersetzte. Als Momir Ilic einen
Strlek-Treffer zum 4:6 postwendend beantwortete, hofften die Kieler
Fans auf Besserung.
1:8-Lauf in sieben Minuten
Doch was nun folgte, waren die schwärzesten acht Saisonminuten
des THW: Zunächst tankte sich Jurecki gegen die müde wirkende
Kieler Deckung zum 7:4 für Kielce durch. Dann knallte
Dominik Klein den Ball an die Latte,
beim Nachwurf Ekbergs war Venio Losert
rechtzeitig zur Stelle. Als Bielecki dann auf 8:4 stellte,
Losert Ilics Versuch mit dem Fuß abwehrte
und damit sogleich den Gegenstoß Strleks zum 9:4 einleitete, nahm
Alfred Gislason seine erste Auszeit.
Thierry Omeyer, Marcus Ahlm
und Filip Jicha kamen in die Partie, doch
trotz des 5:9-Anschlusstreffers durch Narcisse
änderte sich nichts am Spielgeschehen. Der THW spielte in dieser
Phase desolat, bekam seine 3:2:1-Deckung immer noch nicht auf
Betriebstemperatur und lieferte sich auch im Angriff einen Fehler
nach dem nächsten. Die Konsequenz: Kielce wurde zum Torewerfen
eingeladen und baute seinen Vorsprung binnen vier Minuten durch
Strlek, Cupic, zweimal Tkaczyk und Lijewski auf 14:5 (18.) aus.
Alfred Gislason musste daher keine
fünf Minuten nach seiner ersten Standpauke noch einmal die grüne
Karte auf den Zeitnehmertisch legen.
Immerhin rappelte sich der THW nun ein wenig auf. Ein zweistelliger
Rückstand konnte so gerade noch vermieden werden, Ilic
sorgte für den sechsten Kieler Treffer. Kielce, immer lautstärker
unterstützt von seinen Fans, hielt aber den Vorsprung zunächst
aufrecht. Erst als Ivan Cupic nach einem Foul an Dominik Klein
eine Zeitstrafe kassierte, robbten sich die "Zebras" in Überzahl
durch einen Ilic-Siebenmeter und einen
Jicha-Dreher vom Kreis etwas heran.
Nach dem 10:16-Anschluss hatten die Polen aber bis zum Seitenwechsel
wieder den längeren Atem, so dass es mit einem auch in der Höhe
verdienten 19:12 für Kielce in die Kabinen ging.
THW gegen Stojkovic
Mit deutlich mehr Entschlossenheit - und wieder der 6:0-Deckung
um Momir Ilic und Toft Hansen
im Mittelblock - kehrten die Kieler nach dem Seitenwechsel aufs
Parkett zurück. Sprenger, Ilic,
Toft Hansen und Jicha
trafen vorne für den THW, doch in der Abwehr war weiterhin der Wurm
drin. Besonders Kreisläufer Rastko Stojkovic bekamen die "Zebras"
nicht in den Griff, der ehemalige Nordhorner wurde immer wieder
glänzend freigespielt und nutzte seine Chancen konsequent. Daher
konnten die Kieler trotz einiger kleiner Hoffnungsschimmer nicht
verkürzen, nach 38 Minuten stand es 24:17 für den polnischen Meister.
Palicka bringt Kieler zurück ins Spiel
Marko Vujin - hier beim letzten
Kieler Angriff im grünen Leibchen - erwischte keinen guten Tag.
Alfred Gislason brachte im Tor nun
Andreas Palicka für den völlig glücklosen
Thierry Omeyer zurück. Und dies sollte
sich auszahlen: Palicka hielt in der
Folgezeit mehrere Bälle, die Abwehr wurde langsam sicherer, und
durch zwei Gegenstöße durch Sprenger
und Jicha keimte beim 19:24 wieder
etwas Hoffnung auf bei den Kieler Fans in der Lanxess-Arena.
Erst Recht, als Palicka bei zwei
Kieler Ballgewinnen blitzschnell reagierte und den zur zweiten
Halbzeit gekommenen Gudjon Valur Sigurdsson
mustergültig bediente - nach 51 Minuten war Kielces Vorsprung auf
26:24 geschrumpft.
Palicka parierte auch den nächsten
Wurf von Cupic, doch Stojkovic reagierte am schnellsten und
traf per Nachwurf zum 27:24 für die Polen. Als aber
Sprenger und erneut Sigurdsson
nach punktgenauem Pass Palickas auf
26:27 verkürzten, lag der Ausgleich in der Luft. Bei Bieleckis
folgendem Fehlwurf entschieden die portugiesischen Schiedsrichter
auf Einwurf für Kielce, statt Ballgewinn THW traf Strlek vom Kreis
dann zum 26:28. Und als ein für Toft Hansen
gedachtes Anspiel von Narcisse in
Bedrängnis nicht den gewünschten Abnehmer fand, hatte Cupic im
Konter wieder einen Drei-Tore-Vorsprung für Kielce erkämpft.
Dramatische Schlussphase ohne Kieler Happy-End
Jubel bei Kielces Spielern über den dritten Platz.
Doch der THW war nun mittendrin in der Partie, kämpfte auch
in der Abwehr um jeden Millimeter und verkürzte nach einer
fantastischen Hechtparade Palickas
bei einem abgefälschten Bielecki-Wurf und dem vierten
Toft-Hansen-Treffer auf 29:30.
Bielecki war im Anschluss nicht zu stoppen, doch
Narcisse antwortete postwendend.
Zwei Minuten blieben dne "Zebras" noch, um Kielce endlich
zu stellen. Zwei Minuten, die es in sich hatten. Die Polen
spielten ihren Angriff lange aus, letztlich unterlief ihnen
aber ein technischer Fehler. Toft Hansen
erkämpfte dem THW nach feinem Narcisse-Pass
einen Siebenmeter, den Momir Ilic aber
kunstvoll ans Gebälk setzte. Bogdan Wenta nahm 14 Sekunden vor
der Partie seine Auszeit, und den Kielern gelang mit der
offensiven Manndeckung tatsächlich noch ein Ballgewinn.
Buntic unterband das schnelle Umschalten der "Zebras"
regelwidrig mit einem Foul an Palicka.
Die rote Karte konnte der Kroate verschmerzen, denn nun hatte
der THW nur noch vier Sekunden Zeit, um von der eigenen
Hälfte bis zum Torerfolg zu kommen. Vujin
passte auf Filip Jicha, doch dessen
Sprungwurf aus zwölf Metern strich über die Latte. Kielce
jubelte, während die "Zebras" zum zweiten Mal binnen 24 Stunden
als Verlierer die Schlusssirene hörten.
Am Mittwoch letztes Heimspiel gegen Wetzlar
So endete ein bitteres Wochenende für den THW Kiel, die
Trauer über das verpasste Triple wird sicherlich noch ein
wenig anhalten. Aber spätestens zum Bundesliga-Endspurt sollte
der Stolz über das nationale Double wieder in den Vordergrund
treten. Emotional dürfte es dabei bereits am kommenden Mittwoch
werden, wenn die "Zebras" das Überraschungsteam der HSG Wetzlar
zum letzten Heimspiel der Saison empfangen. Denn dann heißt es
auch Abschied nehmen von vier ganz großen Spielern:
Thierry Omeyer,
Momir Ilic, Daniel Narcisse
und Kapitän Marcus Ahlm werden nach der
Partie verabschiedet, vorher aber dürfen die Kieler zum 18. Mal
die Meisterschale in Empfang nehmen. Und natürlich steht zuvor
noch ein Sieg gegen die HSG Wetzlar auf dem Plan.
Nach der gestrigen Niederlage war das natürlich ein schweres Spiel.
Wir waren mit großen Erwartungen nach Köln gereist, und waren natürlich
enttäuscht. Ich habe lange nicht so eine traurige Mannschaft gesehen
wie nach der Niederlage gegen den HSV. Das zog
sich bis heute über das Frühstück und die Hinfahrt in die Arena, und
diese Traurigkeit hat sich dann in der ersten Halbzeit widergespiegelt.
Dann haben wir uns gesagt, dass wir bis zum Umfallen kämpfen wollen,
weil wir uns so nicht von unseren Fans in Köln verabschieden wollten.
Leider hat es dann nicht mehr zum Ausgleich gereicht.
Wir haben in dieser Saison bis zu diesem Wochenende alles erreicht,
was wir uns vorgenommen hatten, sind deutscher Meister und Pokalsieger
geworden und haben uns für das Final4 qualifiziert. Leider konnten
wir dann nicht unsere Leistung abrufen, wie wir es gerne gehabt hätten
und die ein solches Turnier verlangt. Aber so ist Sport, auch solch
ein Wochenende gibt es. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand, ich
habe viele tolle Momente mit dem THW Kiel erleben dürfen, jetzt waren
es einmal nicht so schöne. Aber wir sind Menschen - dieses Wochenende
hat gezeigt, dass wir noch mehr an uns arbeiten müssen.
Wir sind extrem schlecht ins Spiel gekommen, und Kielce war viel
besser. In der zweiten Halbzeit hat sich diese Geschichte dann
gedreht, wir waren deutlich besser und hätten den Ausgleich auch
verdient gehabt. Natürlich sind wir enttäuscht, dass wir nur
Vierter geworden sind. Aber wir haben an diesem Wochenende nicht
unsere Leistung abrufen können. Trotzdem ein großes Lob für meine
Mannschaft, in der zweiten Halbzeit hat sie ihren wahren Charakter
gezeigt.
Kielces Trainer Bogdan Wenta:
Man gewinnt nicht jeden Tag gegen den THW Kiel, deshalb bin ich
extrem zufrieden. Kiel hat in der zweiten Halbzeit gezeigt, welche
Fähigkeiten in der Mannschaft stecken, und wir haben schwere
Momente erlebt.
Kielces Torhüter Venio Losert:
Das war ein schwieriges Spiel für beide Mannschaften, schließlich
haben beide Teams gestern ihr Halbfinale verloren. Wir hatten es
heute aber verdient, zu gewinnen.
Es sieht so aus, dass unsere gestrige Niederlage gegen Hamburg
unser Spiel stark beeinflusst hat. Wir spielten in Ordnung,
aber spielten nicht als Team. Diese Mannschaft war seit vier
Jahren zusammen und hat in dieser Zeit exzellenten Handball
gezeigt. Darum bedaure ich es sehr, dass wir die Saison nicht
mit diesem Titel beendet haben.
Wir kamen schlecht in die Partie. Wir spielten eine sehr
schlechte erste Halbheit. In der zweiten Halbzeit haben wir
uns gesagt, dass wir kämpfen müssen. Wir haben für uns und
die Fans gespielt und wollten eine gute Leistung zeigen. Wir
haben gut gekämpft und das hat dann auch funktioniert, wir
haben fast noch gewonnen. Wir waren sieben Tore hinten und
am Ende war es noch einmal sehr eng. Das gesamte Wochenende
lief nicht gut. Es ist eine große Enttäuschung für uns, aber
so ist es nun einmal.
Natürlich sind wir überhaupt nicht damit zufrieden, dass wir
das Finale verpasst haben. Wir sind enttäuscht. Wir wollen
immer unsere Spiele gewinnen, das war keine Last, die auf
unseren Schultern lag. Wir waren gestern einfach nicht gut
genug. Ich denke dennoch, dass die Saison erfolgreich war,
weil wir wieder Deutscher Meister geworden sind.
Es lief nicht so, wie wir das wollten. Wir kamen, um den
Titel zu holen. Es war schwierig, für das Spiel heute
Motivation zu finden. Ich werde länger als eine Woche
brauchen, um das hier zu vergessen.
Wir hatten eine katastrophale erste Halbzeit, aber wir
haben dann Charakter gezeigt und fast den Rückstand noch
aufgeholt. Daher bin ich stolz auf die Mannschaft. Die
Enttäuschung ist groß.
Kielces Rückraumspieler Grzegorz Tkaczyk:
Wir waren heute von der ersten Minute an das bessere Team und haben
deswegen auch verdient gewonnen. Dieser Sieg ist auch für unsere Fans,
die die gesamte Mannschaft fantastisch unterstützt haben.
Kielces Kreisläufer Rastko Stojkovic:
Es ist absolut toll, gegen solch eine starke Mannschaft wie Kiel
zu gewinnen. Wir sind nicht besser als die anderen, weil wir
gewonnen haben, aber wir haben gezeigt, dass wir mit den besten
Teams in Europa mithalten können. Das ist ein wichtiger Schritt
für uns!
Kielces Rechtsaußen Ivan Cupic:
Wir haben gegen das große Kiel gewonnen! Wir haben am Anfang
sehr gut gespielt, hatten aber die letzten 15 Minuten zu
kämpfen, als Kiel das Spiel fast noch drehte. Insgesamt müssen
wir sehr glücklich und zufrieden sein: Wir haben die Saison
mit einer Bronze-Medaille in der Champions League beendet und
demonstriert, dass wir verdient haben, hier zu sein.
Kielces Präsident Bertus Servaas:
Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, Handball ist so ein
schöner Sport. Das ist eine wunderbare Werbung für den Handball
in Polen. Wir sind gekommen, um von den besten Teams in Europa
zu lernen. Das ist großartig für unsere Stadt, die Region und Polen.
Kielces Rückraumspieler Michal Jurecki:
Du schlägst nicht jeden Tag den THW Kiel, daher freuen wir
uns sehr. Ich bin auch sehr froh für unsere wundervollen Fans.
THW: 8/4 (Losert hält Vujin (5.) und
Ilic (36., Nachwurf verwandelt),
Jicha an die Latte (49.),
Ilic an die Latte (60.));
Kielce: 3/2 (Cupic an die Latte (46.))
Am Ende landete der Ball beim 30:31 (12:19), bei
dem Kreisläufer Rene Toft Hansen
vier Treffer für den THW erzielte, zweimal an der Latte.
Einmal, als Momir Ilic in der
letzten Minute im Spiel um Platz drei zum Siebenmeter
antrat. Dann in der letzten Sekunde, als
Filip Jicha das 31:31 gegen
Kielce und eine Entscheidung im Siebenmeterwerfen erzwingen
wollte. Eine Szene, die ihren Anfang mit der Roten Karte
für Denis Buntic nahm, der Kiels Torhüter
Andreas Palicka am Mittelkreis
zu Boden gerissen hatte.
Der Ausgleich wäre verdient gewesen, schließlich hatten
die "Zebras" sich nach einem Katastrophenstart (5:14/19.)
noch zu einer versöhnlichen Abschiedszeremonie aufgeschwungen.
"Ich kann mich nicht erinnern, am Frühstückstisch jemals eine
so traurige Mannschaft gesehen zu haben", sagte
Jicha. "Wir sind mit sehr hohen
Erwartungen nach Köln gefahren."
Erst in der Halbzeit des Kielce-Spiels fanden die Kieler
schließlich die richtige Einstellung für einen Neustart. "Wir
sind Profis und unseren vielen Fans was schuldig", sagte ein
völlig frustrierter Palicka. "Auch
wenn wir viel zu schlecht waren, um die Champions League zu gewinnen."
(von Wolf Paarmann, Ralf Abratis und Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 03.06.2013)
Bogdan Wenta will sich mit seiner polnischen Mannschaft in Europas Spitze etablieren
Köln. Vive Targi Kielce feierte in Köln ein wahres Handballfest.
Der dritte Platz beim Final4 ist für die Polen ein großer Erfolg.
Angereist waren sie mit enthusiastischen Fans, die die Kielce-Kurve
in der Arena in eine blau-gelb gekleidete, hüpfende und singende
Front verwandelten. Kielce stellte das Wochenende unter das Motto
"Dabeisein ist alles" und genoss die Stimmung in vollen Zügen. Noch
nie hatte es ein Verein aus der Superliga bis in diese Endrunde geschafft.
"Danke Köln, das ist ein fantastischer Event. Und danke an meine
Mannschaft für eine großartige Saison!", sagte Trainer Bogdan Wenta
nach dem Aus gegen Barcelona. Von Enttäuschung keine Spur. Auch die
Fans feierten das Spiel um Platz drei wie ein Finale.
Mittendrin
Dennis Beekhoven, gebürtiger Holländer, der in der Kielce lebt und
Handball-Fan ist, seit er denken kann. "Fast alle leben für den
Handball, obwohl wir auch ein Fußball-Team in der Ersten Liga haben."
Er genieße es, sein Team auf der großen Bühne zu erleben. In der
polnischen Liga sind heiß umkämpfte Partien Mangelware. Nur zweimal
pro Saison wird es für die Ostpolen ernst. Dann, wenn es gegen Wisla
Plock geht. Ein Ende der Zwei-Klassen-Gesellschaft ist nicht in Sicht.
"Nur bei den Spitzenduellen müssen die Teams richtig kämpfen. Im
internationalen Vergleich fehlt ihnen dann die Übung darin", sagt
Beekhoven. Die Teilnahme an der SEHA Balkan-Liga wäre eine gute
Lösung gewesen, findet er. Dort spielen unter anderem Vereine aus
Kroatien, Mazedonien und Bosnien einen Meister aus. Der polnische
Verband entschied sich dagegen. Kielce will sich auf eigene Faust
mittelfristig in der europäischen Spitze etablieren.
Die tragende Säule dabei ist Trainer Wenta. In seinen fünf Jahren
beim Verein stellte er eine Mannschaft zusammen, die jeweils zur
Hälfte aus polnischen und ausländischen Spielern besteht, und
führte sie am Wochenende zu ihrem größten internationalen Erfolg.
"In dieser Elite bist du gezwungen zu kämpfen", sagt er. "Wir sind
noch nicht so weit." Er betont das "noch", denn er hat die nächsten
Schritte schon vor Augen. Erst kürzlich sicherte er sich mit
Tobias Reichmann einen weiteren
Puzzlestein. Schon lange hatte er den deutschen Nationalspieler im
Visier. Nun unterschrieb er einen Dreijahresvertrag. Nach einem
weiteren Jahr in Wetzlar wird der ehemalige Kieler das Kielce-Trikot
überstreifen. "Ich möchte mich weiterentwickeln und den Schritt ins
Ausland wagen", sagt der Rechtsaußen. "In Kielce sehe ich gute
Möglichkeiten." Er ist nicht der einzige Bundesligaprofi, der Wentas
Ruf folgte. Auch Spieler wie Karol Bielecki, Ivan Cupic oder Krzysztof
Lijewski zog es nach Polen. "Dieser dritte Platz ist sehr, sehr
wichtig für den polnischen Vereinshandball", freute sich Lijewski nach
dem Sieg gegen den THW. "Er zeigt, dass wir in Polen einen guten
Job machen und wird uns hoffentlich noch einen Schub geben."
(von Wolf Paarmann, Ralf Abratis und Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 03.06.2013)