THW-Logo
31.05./02./03.06.2009 - Letzte Aktualisierung: 03.06.2009 Champions League

CL-Finale: Ciudad Real holt nach Schlussspurt den Pokal

CL, Finale, Rückspiel: 31.05.2009, So., 18.00: BM Ciudad Real - THW Kiel: 33:27 (13:14)
Update #3 Spanische Pressestimmen, KN-Spielbericht, KN-Kommentar, Stimmen und Fotos ergänzt ...

Drei Minuten fehlten zum großen Triumph: Leere Blicke auf der Bank des THW Kiel.
Klicken Sie zum Vergrößern! Drei Minuten fehlten zum großen Triumph: Leere Blicke auf der Bank des THW Kiel.
Es hat wieder nicht gereicht: Der THW Kiel hat trotz einer ganz starken Leistung bei Ciudad Real den Vorsprung aus dem Hinspiel nicht verteidigen können. In der Schlussphase überrollten die Spanier die bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit gehenden Kieler und siegten am Ende mit 33:27 (13:14). Dabei hatten die Zebras vor 6000 Zuschauern das Rückspiel im Champions-League-Finale rund 40 Minuten lang kontrolliert, dann jedoch konnten die müden Kieler dem Angriffswirbel und den Paraden von Arpad Sterbik nichts mehr entgegen setzen. Beste Kieler Werfer waren Vid Kavticnik und Nikola Karabatic mit je sieben Toren.
Die Spanier bereiteten dem THW Kiel einen mehr als heißen Empfang. Vom Mannschaftshotel bis zur Halle wurde der Bus mit den THW-Spielern von aggressiven Anhängers Ciudad Reals begleitet. In der Halle machten die Zuschauer einen Höllenlärm - bei über 30 Grad Außentemperaturen stand den
Am Rücken verletzt und vom Fieber geschwächt: Filip Jicha.
Klicken Sie zum Vergrößern! Am Rücken verletzt und vom Fieber geschwächt: Filip Jicha.
Kielern im Glutofen Quijote-Arena ein ganz heißer Ritt bevor. Doch der THW ließ sich von diesen Äußerlichkeiten zunächst überhaupt nicht beeindrucken. Alfred Gislason hatte Lundström für Klein in die Anfangsformation berufen, auf der Mitte sollte Nikola Karabatic die Fäden spinnen. Und das klappte vorzüglich - auch, weil Omeyer von Beginn an voll da war. So kaufte er sich schon in der Anfangsphase reihenweise Bälle der Spanier, hielt in der ersten Minute einen Siebenmeter von Stefansson und schien Ciudad Reals Starensemble förmlich entnerven zu wollen. Auf der Gegenseite hatte Sterbik zunächst nicht seinen besten Tag, nach zwölf Minuten wurde er durch den Routinier Hombrados ersetzt. Zu diesem Zeitpunkt führten die Kieler bereits mit 7:4, konzentriert hatten die Zebras durch Ahlm, Lundström, Kavticnik und Karabatic die Lücken genutzt, Ciudad Real mit variablem Spiel nicht in die Partie kommen lassen.

15 Paraden zeigte Thierry Omeyer in der ersten Hälfte. Am Ende konnte auch er die Niederlage nicht verhindern.
Klicken Sie zum Vergrößern! 15 Paraden zeigte Thierry Omeyer in der ersten Hälfte. Am Ende konnte auch er die Niederlage nicht verhindern.
Dies änderte sich durch Hombrados - ein ums andere Mal schnappte der Oldie nun in altbekannter Manier zu. Durch Abalo, einen Siebenmeter von Stefansson und einen Tempogegenstoß von Rodriguez glichen die Spanier nach 16 Minuten erstmals aus, um sich dann mit zwei Zeitstrafen für Metlicic und Rodriguez selbst zu schwächen. Der THW nutzte die doppelte Überzahl durch Kavticniks Siebenmeter und Lundströms Heber zur erneuten Zwei-Tore-Führung - immer wieder angestachelt von schier unblaublichen Paraden des Thierry Omeyer. Kim Andersson in Unterzahl markierte das 13:10, nach Stefanssons Anschlusstor fing Kavticnik einen genialen Lövgren-Pass auf der Kreisposition und verwandelte zum 14:11 (26.). Dann jedoch gab es einen erneuten Bruch im Kieler Spiel. Bis zur Pause sollte dem THW kein Tor mehr gelingen, und hätte Omeyer nicht weiter vor allem in Eins-gegen-Eins-Situationen geglänzt, wäre unter Umständen noch mehr als das Tor von Abalo in Überzahl und der Siebenmeter nach der Halbzeitsirene von Stefansson für die Gastgeber herausgesprungen. So aber konnte der THW eine verdiente 14:13-Halbzeitführung in die Kabinen retten.

Kein Durchkommen für Nikola Karabatic.
Klicken Sie zum Vergrößern! Kein Durchkommen für Nikola Karabatic.
Das Durchschnaufen schien den Kielern gut getan zu haben, kamen sie doch wesentlich konzentrierter zurück auf die Platte. Als Champions-League-Torschützenkönig Filip Jicha, übrigens mit seinem einzigen Tor, das 17:15 erzielte, und kurz darauf Karabatic nach einem feinen Bodenpass von Andersson das 18:15 erzielte (38.), glaubten auch viele der mitgereisten 500 THW-Fans an einen Erfolg der Zebras. Der Jubel kannte auch bei den über 3.000 schwarz-weißen Anhängern in der Forstbaumschule kaum Grenzen, als Karabatic und Lundström kurz darauf auf 20:16 für den THW erhöhten. Talant Dujshebaev reagierte und brachte Arpad Sterbik wieder ins Tor - ein Schachzug, der letztlich eines der Mosaiksteinchen war, die Ciudad Real langsam aber sicher auf die Erfolgsspur brachten. Plötzlich lief es überhaupt nicht mehr im Angriff des THW, unvorbereitet wurde abgeschlossen, technische Fehler schlichen sich ein. Auch in der Abwehr nahmen sich die Zebras nun eine komplette Auszeit, Fernandez, Stefansson und zweimal Rodriguez ließen beim 20:20 (44.) Minute die "Hölle" der Quijote-Arena erwachen. Sechs Minuten lang mühte sich der THW ohne Erfolg um ein Feldtor, diese Phase nutzte Rutenka mit zwei weiteren Toren zur ersten Führung der Spanier. Kavticnik setzte zwar mit einem tollen Heber nach, aber die Waagschale dieses Finales neigte sich zusehends in Richtung Ciudad Reals. Müde wirkten die Kieler, während von der spanischen Bank immer wieder frische Kräfte ins Rennen geschickt werden konnten, ohne einen Qualitätsverlust festzustellen. Dann halfauch noch das ansonsten gute Unparteiischen-Gespann Visekruna/Stanojevic den Gastgebern, als sie zunächst einen Freiwurf zehn Meter vom Foul entfernt ausführen ließen, den Morros verwandeln konnte, um Sekunden später Morros zu gestatten, von einer Position innerhalb des Anwurfkreises den Anwurf des THW zu stören - die Folge war das 24:22.

Ihm blieb der große Triumph zum Ende einer einzigartigen Karriere versagt: THW-Kapitän Stefan Lövgren.
Klicken Sie zum Vergrößern! Ihm blieb der große Triumph zum Ende einer einzigartigen Karriere versagt: THW-Kapitän Stefan Lövgren.
Doch noch hatte der THW mehr als eine Hand am größten Pokal des europäischen Handballs. Kim Andersson konterte, doch nach zwei weiteren Toren von Fernandez und Metlicic war der Hinspiel-Vorsprung beim 26:23 für die Gastgeber beinahe aufgebraucht. Gislason wollte mit einer Auszeit Ruhe ins Kieler Spiel bringen, was jedoch nicht gelang. Längst hatten sich die Zebras von der hektischen Atmosphäre anstecken lassen, doch noch einmal bäumten sie sich auf. Karabatic knallte einen Hüftwurf zum 25:27 in die Maschen, kurz darauf tankte er sich durch drei Gegenspieler hindurch zum 26:27 (53.) - noch konnten die Kieler träumen. Dass daraus jedoch ein Alptraum wurde, das lag an Arpad Sterbik. Nach Stefansson 28:26 in Überzahl kaufte er sich den Wurf des frei vor ihm auftauchenden Jicha, auf der Gegenseite konnte Källmann - immer noch in Überzahl - das 29:26 erzielen. Kurz darauf schnappte sich erneut Sterbik den Ball, schickte wieder Källmann auf die Reise: 30:26 (56.). Lövgren nahm seine letzte Kraft zusammen und verkürzte zum 27:30 - dann spielte nur noch Ciudad Real. Hektische Kieler luden die Gastgeber nun zum Kontern ein. Rutenka und Abalo (58.) brachten die Gastgeber erstmals in der Gesamtrechnung in Führung, dann entschärfte Sterbik auch noch einen Wurf von Klein. Als Stefansson in der Schlussminute daraufhin das 33:27 erzielte, war das Champions-League-Finale verloren. Am Ende hatten die größeren Kraftreserven der Gastgeber den Ausschlag gegeben, während dem THW Kiel durch diese Niederlage die Krönung einer nahezu perfekten Saison versagt blieb. Den verständlichen Frust darüber werden die Zebras auf einer lange geplanten Reise auf die Ferieninsel Mallorca versuchen, wegzuspülen. Auf dieser Fahrt wollen sich die Akteure von Stefan Lövgren verabschieden, dem zum ganz großen Triumph am Ende seiner einzigartigen Karriere nur drei Minuten gefehlt haben.

Nun gilt es, sich wieder aufzurichten. Denn bereits am Mittwoch kann der THW mit einem Erfolg in Essen einen neuen Punkterekord in der TOYOTA Handball-Bundesliga aufstellen, ehe zum Saisonfinale am 6. Juni gegen die SG Flensburg-Handewitt die große Saisonabschlussfeier einer nahezu perfekten Spielzeit stattfindet. Dann ist es auch Zeit, danke zu sagen für eine denkwürdige Leistung in dieser Saison - schade, dass dabei der größte Pokal fehlen wird ...

(Christian Robohm)

Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...

Lesen Sie auch den Spielbericht der Kieler Nachrichten, den KN-Kommentar von Reimer Plöhn, den KN-Bericht 5500 Spanier wetterten gegen Thierry Omeyer sowie KN-Artikel "Amigo wollte nicht mehr "amigo" sein".

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason:
Wir waren sehr nah dran. Wir waren die bessere Mannschaft. Leider haben wir eine klare Führung verworfen. Wir haben uns um den Lohn der eigenen Arbeit gebracht.
THW-Kapitän Stefan Lövgren gegenüber den KN:
Wir haben am Ende unsere Linie verloren, nicht mehr den Zug zum Tor gehabt. So darf man hier nicht spielen. Das ist sehr bitter. Wenn man will, kann man die Zukunft beim THW negativ sehen, ich sehe sie positiv. Es kommt die Chance zum Neuanfang.
Nikola Karabatic gegenüber den KN:
Ich habe die ganze Zeit daran gedacht, dass wir es schaffen werden. Auch am Ende noch. Wir haben zwei Titel gewonnen, aber diese Niederlage macht mich sehr traurig. Noch trauriger macht mich rückblickend aber, was alles im Umfeld des THW passiert ist.
Ciudad-Spieler Ales Pajovic gegenüber den KN:
Fantastisch dieser Sieg. Klar, tun mir die Kieler leid. Aber ich lebe und spiele noch hier, deshalb feier ich heute. So ist das nun mal im Sport.
THW-Rechtsaußen Vid Kavticnik gegenüber den KN:
Ich bin sehr traurig. Aber wir sind an dieser Niederlage auch selbst Schuld. In der zweiten Halbzeit haben wir uns das Spiel von den Spaniern aufzwängen lassen, nicht mehr unsere Stärken ausgespielt. Kein Tempospiel, keine schnelle Mitte. So konnten wir nicht mehr bestehen.
THW-Rückraumspieler Filip Jicha gegenüber den KN:
Ich bin sehr enttäuscht. Auch von mir selber. Ich habe der Mannschaft nicht helfen können, ich bin einer der Verlierer dieses Spieles. Es tut mir so Leid.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Das ist eine riesige Enttäuschung. Die Schiri-Entscheidungen am Ende fand ich etwas eigenartig.

 


Champions League, Finale, Rückspiel: 31.05.09, So., 18.00: BM Ciudad Real (ESP) - THW Kiel: 33:27 (13:14)

Logo Ciudad BM Ciudad Real (ESP Flagge ESP):
Hombrados (12.-39., 9 Paraden), Sterbik (1.-12., 39.-60., 13 Paraden); Källman (4), Fernandez (4), Stefansson (8/3), Parrondo, Abalo (5), Metlicic (1), Rodriguez (4), Rutenka (4), Zorman (1), Entrerrios, Morros (1), Dinart; Trainer: Dujshebaev
Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-60., 20 Paraden), Martini (1 Siebenmeter, 0 Paraden); Lund, Wessig (n.e.), Andersson (4), Lundström (4), Kavticnik (7/5), Anic (n.e.), Lövgren (1), Ahlm (3), Zeitz, Karabatic (7), Klein, Jicha (1); Trainer: Gislason
Schiedsrichter:
Visekruna / Stanojevic (Serbien)
Zeitstrafen:
Ciudad Real: 3 (Metlicic (16.), Rodriguez (16.), Abalo (34.));
THW: 3 (Zeitz (23.), Ahlm (27.), Kavticnik (54.))
Siebenmeter:
Ciudad: 5/3 (Omeyer hält Stefansson (1.) und Rutenka (26.));
THW: 5/5
Spielfilm:
1. Hz.: 0:2 (2.), 1:2 (3.), 1:3, 3:3 (8.), 3:5 (8.), 4:5, 4:7 (10.), 5:8, 8:8 (16.), 8:10 (17.), 9:11, 10:12 (23.), 10:13, 11:14 (26.), 13:14;
2. Hz.: 13:15, 14:16 (35.), 15:17, 16:18 (38.), 16:20 (39.), 20:20 (44.), 20:21, 22:21 (45.), 24:22 (47.), 24:23, 26:23 (49.), 27:24, 27:26 (53.), 30:26 (56.), 30:27 (57.), 33:27 (60.) .
Zuschauer:
5863 (ausverkauft) (Quijote-Arena, Ciudad Real (ESP))
Spielgrafik:
Spielgrafik

 

Die anderen deutschen Europapokal-Teilnehmer

Nicht nur zum dritten Mal in Folge steht der THW Kiel im Finale der Champions League. Sogar zum dritten Mal nacheinander träumt die Handball-Bundesliga vor den Europapokal-Finalspielen von einem Dreifach-Triumph, wie er bereits 2007 gelang. Nur im Challenge-Cup, in dem die stärksten Handball-Ligen keine Startplätze besitzen, gibt es keinen deutschen Finalisten, hier stehen sich der Sieger von 2007 und 2008, UCM Sport Resita und Liga-Konkurrent CSU Suceava in einem rein rumänischen Duell gegenüber.

Knapp ist die HSG Nordhorn-Lingen im Pokalsieger-Cup am spanischen Vertreter Pevafersa Valladolid gescheitert. Nach dem 31:30-Erfolg von Peter Gentzel und Co. verhinderte die knappe 23:24-(10:15)-Niederlage in Spanien den zweiten Europapokalerfolg des Bundesliga-Zwangsabsteigers in Folge. Nach zwei dramatischen Partien hatten die Spanier mit den mehr erzielten Auswärtstreffern das bessere Ende für sich. Verjans hatte kurz vor Schluss die Möglichkeit, den alles entscheidenden Treffer zu erzielen, er wurde jedoch abgedrängt. Der abschließende Freiwurf von Przybecki brachte nichts mehr ein.

Im EHF-Pokal haben zwei Ex-Zebras den Titel gewonnen: Viktor Szilagyi, Adrian Wagner und Co. feierten nach dem 29:28-Erfolg im Hinspiel gegen den slowenischen Spitzenclub RK Velenje vor 12.000 Zuschauern in der Lanxess-Arena auch im Rückspiel einen Sieg. Durch das 26:22 (16:8) holte der VfL Gummersbach den zweiten EHF-Pokal-Sieg seiner Geschichte. Gleichzeitig war dies der sechste EHF-Pokaltriumph einer deutschen Mannschaft in Folge.

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 02.06.2009:

Eine Hand am Pott, dann flossen die Tränen

20:16-Führung reichte dem THW Kiel im CL-Final-Rückspiel bei BM Ciudad Real nicht
Ciudad Real - Handballmeister THW war aufgebrochen, um seinen 39:34-Hinspielsieg bei BM Ciudad Real zu verteidigen und Pfingstsonntag zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte den Gewinn der Champions League zu feiern. Der Traum geriet zum Albtraum. Die Kieler verloren nach überlegen geführtem Spiel in der Schlussphase ihren Faden, das Spiel und den"Pott" mit einer betäubenden 27:33-Niederlage.

Tränen statt Jubel, auch die mitgereisten rund 400 Fans waren lange fassungslos und emotionslose Zuschauer von Sektfontänen, Konfettiregen und spanischen Jubelorgien bei der abschließenden Siegesfeier in der Hölle "Quijote-Arena". Während Mäzen und Milliardär Domingo Diaz de Mera jeden "seiner" Spieler umarmte, bahnte sich Matchwinner Olafur Stefansson mit Trainer Talant Duschebajew den Weg zur abschließenden Pressekonferenz eine Etage über der Spielfläche. Dort wartete THW-Coach Alfred Gislason, den Blick starr auf die Spielstatistik gerichtet, bemüht seine Enttäuschung zu verbergen.

Dicke Tränen kullerten indes beim Sieger. Olafur Stefansson blickte hinüber zu seinem isländischen Landsmann und begann hemmungslos zu weinen. "Dieser Sieg ist das perfekte Ende einer sehr schönen Zeit in Spanien, ich habe in einer großartigen Mannschaft mit einem großartigen Trainer spielen dürfen. Das ist jetzt vorbei", schluchzte der 35-jährige Linkshänder, der ab Juli 2009 das Trikot der Rhein-Neckar Löwen tragen wird. Wieder einmal war Stefansson zum Schreckgespenst für die Kieler Abwehr geworden. 2008 hatte er die "Zebras" beim Sieg in Kiel mit zwölf Toren fast im Alleingang mürbe geworfen und Ciudad Real den zweiten Triumph in der Königsklasse gesichert. Sechs Tore steuerte Stefansson bei der Revanche 2009 in Kiel bei, achtmal traf er am Sonntag in eigener Halle. Dabei war er jedes Mal für die letzten, alles entscheidenden Tore verantwortlich. Seinen ersten Titel hatte der Isländer 2002 mit dem SC Magdeburg gewonnen, Trainer war Alfred Gislason, Landsmann und Freund aus Island. "Ich kann den Schmerz von Alfred nachempfinden, es tut weh", stammelte Stefansson, "und ich wünschte mir, dass auch die Kieler feiern könnten." Auch sie hätten den Pokal verdient gehabt, "alle 30 Spieler, die dabei gewesen sind, das waren zwei Spiele zwischen Mannschaften auf absolut gleichem Niveau." Alfred Gislason blickte die ganze Zeit in die Journalistenschar. Er habe sich nicht getraut, zu Olafur rüber zu schauen, sagte der THW-Coach. Später, als er die Quijote-Arena verließ sagte er noch: "Es ist nicht leicht, gegen jemanden zu spielen, den man liebt."

Auch die Kieler Spieler schämten sich ihrer Tränen nicht nach diesem denkwürdigen Spiel. Filip Jicha lag zwischen jubelnden Spaniern wie im Koma, Nikola Karabatic ebenfalls regungslos im leeren Tor, Dominik Klein wischte sich Tränen aus dem Gesicht, Stefan Lövgren tat es schon vor dem Abpfiff. Da waren noch 20 Sekunden zu spielen, bei Ciudad-Ballbesitz und deren 33:27-Führung. Alle Kieler hatten die Fassung verloren nach den unglaublichen Ereignissen, die in den letzten 20 Spielminuten über den THW hinweggefegt waren. 20:16 hieß es nach 39 Minuten - für Kiel, in der Gesamtrechnung lagen die "Zebras" mit neun Toren vorn. Doch die Publikumsbeschimpfungen, die unentwegten Provokationen von Trainer Talant Duschebajew, Störungen durch Papierschnipsel - die Spanier zogen jetzt alle Register.

Trotzdem, was sollte noch geschehen? Thierry Omeyer hatte den Spaniern in der ersten Halbzeit mit unglaublichen Reflexen und 16 Bällen den Zahn gezogen, vorne agierten seine Mitspieler ordentlich, mehr nicht. Hätten sie ihre Chancen besser verwertet, wäre mehr herausgekommen als der 14:13-Halbzeitvorsprung. Das klappte zu Beginn der zweiten Hälfte besser: 20:16. Dann geschah das Unfassbare. Kein Druck aus dem Rückraum, Kim Andersson und Christian Zeitz auf der rechten Seite fast ohne Wirkung, Filip Jicha links ein Ausfall. Stefan Lövgren konnte nicht helfen, Nikola Karabatic, einziger Spieler von dem Gefahr ausging, wurde kurzgedeckt. Ciudad Real führte 27:24, Hoffnung kam noch einmal durch zwei Karabatic- Tore zum 27:26 auf, doch am Ende brachen alle Dämme. 6:1 gewann Ciudad die Schlussphase, in ohrenbetäubendem Lärm.

Seit gestern lassen Lövgren und Co ihre müden Beine auf Mallorca baumeln: Frustbewältigung und Abschiedsparty für Lövgren, Karabatic und Kavticnik. Morgen wartet TuSEM Essen in der Bundesliga, und am Sonnabend wollen die "Zebras" doch noch feiern: Gemeinsam mit ihren Fans das Double und eine denkwürdige Saison 2008/2009.

(Von Reimer Plöhn und Frank Molter, aus den Kieler Nachrichten vom 02.06.2009)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 02.06.2009:

Vor dem Ziel gestolpert

Ein Kommentar von Reimer Plöhn zum CL-Final-Rückspiel bei BM Ciudad Real
Verloren. Der letzte Saisontriumph nach dem Double in Meisterschaft und DHB-Pokal, die Krönung, glitt dem THW Kiel im Finale der Champions League aus den Händen. BM Ciudad Real ist Europas Nummer eins.

Wie der Sieg ist auch die Niederlage untrennbar mit dem Wesen des Sports verbunden. Diese Erkenntnis wird Spieler und Fans nicht trösten. Jene Mannschaft, die so nahe dran war am Triple, die auf dem Parkett als "Leuchtturm" mit großartigem Spiel ablenkte vom Manipulationsskandal, kam ausgerechnet auf der Zielgeraden ins Stolpern.

Es fehlten Kleinigkeiten, aber zum Scheitern trugen auch Fisimatenten des Gastgebers bei: Provokationen, Beschimpfungen, Unfairness. Zustände, die in der Bundesliga unvorstellbar wären. Irgendwann brachen die "Zebras" unter diesem Druck zusammen. Schlechte Manieren setzten sich durch.

Noch bitterer ist, dass diese Mannschaft auseinanderfällt. Stefan Lövgren, Nikola Karabatic und Vid Kavticnik werden fehlen. Drei prägende Figuren, die den Stil bildeten und das Sieger-Gen in sich tragen. Der THW wird sich mit seinen Zugängen neu finden müssen - Geduld ist jetzt gefragt.

Keine Geduld lässt das Schiedsrichterproblem zu. Mittelpunkt aller Fan-Diskussionen in Ciudad Real war die Ansetzung: "Wer pfeift das Spiel?" Kein Wort über den Gegner, kein Wort über Taktik oder Chancen. Der Sport nur als Randgeschehen. Wird das Schiedsrichterproblem nicht schnell grundlegend beseitigt, verliert der gesamte Handball.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 02.06.2009)

Pressestimmen zum Spiel:

"El Mundo":
Eine Aufholjagd für die Ewigkeit! Kiel hatte am Ende keine Lösung mehr parat. In der Offensive erblindete es gegen Sterbik, in der Abwehr zerbrach es gegen spanische Hagelschauer aus Hoffnung.
"El Pais":
Nichts ist unmöglich, wenn Hoffnung den Weg weist. Die unvergessliche Aufholjagd verwirklichte einen scheinbar unmöglichen Traum. Beim 16:20 schien dieser zu verpuffen. Duschebajew und Co haben trotzdem nicht den Glauben an sich verloren. Dabei hatte Kiel den Pott doch schon in der Hand.
"El dia de Ciudad Real":
Der König bleibt der König. Noch nie brüllte die Arena so wie am Sonnabend. Omeyer hat Team und Fans erschreckt und damit den Zorn auf sich gezogen. Dass er nicht für seine ungeheuerliche Leistung belohnt wurde, lag daran, dass Kiel den Titel nicht verdient hatte. Ciudad Real ist nicht nur die eingeschworenere, sondern auch bessere Mannschaft.
"Marca":
Es gibt noch Wunder, zumindest in der Quijote Arena. Omeyer hat gezeigt, dass er der beste Torwart der Welt ist. Dann wurde er wieder menschlich und seine Paraden waren nur noch Ausnahmen. Einzig Karabatic konnte am Ende dagegenhalten.


(31.05./02./03.06.2009) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite