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17.12.2000 Champions League

28:34-Debakel gegen Gudme - CL-Gruppensieg verspielt

Nun als Gruppenzweiter nach Cetinje

Champions League, 6. Gruppenspiel: 17.12.2000, So., 16.00: THW Kiel - GOG Gudme (DEN): 28:36 (14:17)
Update #4

Vor dem Spiel war die Welt in der Ostseehalle noch in Ordnung...
Vor dem Spiel war die Welt in der Ostseehalle noch in Ordnung...
34 Tore kassiert, das gab's definitiv noch nie in der Ostseehalle. Was für ein Debakel für den THW, der mit einem Punkt gegen den dänischen Meister GOG Gudme den Sieg in der Champions League-Gruppe C klar machen wollte - stattdessen gab's eine derbe 28:34 (14:17)-Klatsche. Nun muß der THW Ende Februar im CL-Viertelfinale zunächst zu Hause gegen den jugoslawischen Meister Lovcen Cetinje aus Montenegro antreten.
Beim Warmmachen ahnten einige Fans schon, daß es schwer werden würden, denn Magnus Wislander und Staffan Olsson waren nicht dabei - Dr. Detlev Brandecker erklärte nach dem Spiel (siehe Stimmen), daß ihre physische Konstitution einen Einsatz nicht zuließ. Auch Nenad Perunicic hätte mit seiner fiebrigen Bronchitis eigentlich das Bett hüten sollen, doch der Montenegriner biß auf die Zähne und hatte nach dem Warm-Up einen Ruhepuls von 120... Aber auch Gudme hatte mit Personalsorgen zu kämpfen: Der Ex-Dormagener Spielmacher Rene Boeriths konnte nicht auflaufen, Abwehrchef und Kreisläufer Torsten Laen machte sich zwar warm, konnte aber nicht eingesetzt werden.

Eine ungewohnte Anfangsformation des THW.
Eine ungewohnte Anfangsformation des THW.
Für den THW trat dann also eine ungewöhnliche erste Sieben zum Anpfiff an, die aus Geerken (Tor) Jacobsen (LA), Lövgren (RL), Schwenke (RM), Bjerre (RR), Schmidt (RL) und Bezdicek (Kreis) bestand. Ungewöhnlich war auch, daß Holger Menke auf der Bank saß. Der THW nominierte seinen "Trainingspartner", weil man sonst keine zehn Feldspieler zusammenbekommen hätte... Vier Minuten lang fiel kein Tor, Lövgren warf überweg, auf der Gegenseite war Lindhart genauso planlos, dann scheiterte Bjerre an GOG-Keeper Agerschou, der wie im Hinspiel ein starke Partie zeigte. Nach Ballverlust Jacobsen blieb Agerschou auch gegen den Tempogegenstoß laufenden Schwenke Sieger und Jacobsen traf nur den Pfosten. Das erste Tor im Spiel erzielte dann GOGs Sören Stryger per Gegenstoß zum 1:0 für den dänischen Meister (4.).

Nachdem sowohl der THW (der angeschlagene Bezdicek scheitert vom Kreis an Agerschou) als auch Gudme (Nielsen wirft überweg) Torchancen vergaben, schaffte Morten Bjerre per Einzelaktion das 1:1 (5.). Inzwischen war der geschwächte Nenad Perunicic zur Stabilisierung in die Deckung gekommen. "Bezze" (Nachwurf vom Kreis) und Jacobsen (Tempogegenstoß) brachten den THW dann mit 3:1 (7.) in Führung.

Das war's dann aber mit der THW-Herrlichkeit, Gudme glich schnell durch Lindhardt und Nielsen zum 3:3 aus und nachdem Stefan Lövgren, der an seine schlechte Leistung in Essen nahtlos anknüpfte, zweimal an der Deckungsreihe der Dänen gescheitert war, schaffte GOG per Gegenstoßtor durch Stryger wieder die Führung: 4:3 (10.).

Beim THW lief heute wenig zusammen.
Beim THW lief heute wenig zusammen.
Bis zum 5:5 (13.) hielt der THW dann noch mit, aber danach... Innerhalb von sechs Minuten zog Gudme auf 10:5 (19.) davon. Nun stellte Noka Serdarusic. Daß Ernelind für Schmidt kam, war noch nicht sonderlich verwunderlich. Daß aber für den völlig indisponierten Weltmeister Lövgren der THW-"Aushilfsspieler" Holger Menke, der eigentlich an keinem geregelten Spielbetrieb teilnimmt, sich nun im linken Rückraum versuchen durfte, war schon symptomatisch für die heutige Leistung der Zebras.

Wenig später kam dann noch Steinar Ege für seinen Keeper-Kollegen Axel Geerken, doch welcher der beiden Torhüter heute aktiv war, machte keinen Unterschied. Beide kamen zusammen insgesamt auf sieben Paraden, während ihr Gegenüber Agerschou für sich fünfzehn gehaltene Bälle verzeichnen konnte. Doch nicht nur die Keeper und der schlechte Rückraum waren Schuld am Rückstand, die Deckung stand einfach nicht - die Schützen von GOG trafen aus allen Lagen.

Während der restlichen ersten Halbzeit blieb der THW stets mit vier Toren im Rückstand (8:12, 23.; 10:14, 26.; 13:17, 30.). In dieser Phase verschaffte der erst spät eingewechselte Ex-Großwallstädter Claus-Jacob Jensen dem THW große Probleme. Gegen eine viel zu passive Deckung traf der lang-aufgeschossene Däne wie er wollte: Drei Tore in zwei Minuten, die THW-Fans stöhnten bei jedem Treffer auf. Auch eine 5:1-Deckung des THW gegen den linken Rückraum der Gäste änderte daran nichts. Kurzerhand rochierte der GOG-Angriff und Jensen traf dann eben aus dem rechten Rückraum...

Mit einem 14:17-Rückstand der Zebras ging es dann in die Kabine. Wer nun erwartet hatte, daß der deutsche Meister in Halbzeit zwei zur Aufholjagd ansetzen würde, wurde gnadenlos enttäuscht, es gab nur kurze THW-Strohfeuer, die von GOG schnell gelöscht wurden. Nach 15:18-Anschluß (33.) ging der Heimatverein von Nikolaj Jacobsen sogar mit deutlichen fünf Toren (20:15, 36.) in Führung und nach dem 17:20 (38.) erhöhten die Dänen wieder auf 19:23- (42.) und 20:25 (44.).

Nach diesem Tumult sah Mike Bezdicek die rote Karte.
Nach diesem Tumult sah Mike Bezdicek die rote Karte.
Gänzlich aus dem Konzept brachte den THW dann die rote Karte gegen Mike Bezdicek. "Bezze" hatte sich schon vorher desöfteren mit dem knorrigen Kasper Nielsen behakt. Als er aber dem explosiven Kraftpaket aus Dänemark, das sieben Tore erzielte, in einer Diskussion das Trikot zerriß, blieb den griechischen Unparteiischen Migas / Bavas keine andere Wahl. In Überzahl erhöhten die Gäste, die nach dem Sieg von Braga gegen Triest keine Chance mehr aus Weiterkommen hatten, auf 27:20 (46.) und 30:21 (51.) - eine totale Demontage des THW Kiel in eigener Halle.

Zum Ende konnte der Gastgeber den katastrophalen Neun-Tore-Rückstand immerhin auf "nur" sechs Treffer verringern, aber mit dem 28:34 dürfte das Thema "unbezwingbare Ostseehalle" vorerst zu den Akten gelegt sein. Bei GOG Gudme brillierte nicht nur Torhüter Agerschou, sondern insbesondere der Rückraum aus Claus-Jacob Jensen (10 Tore), Kasper Nielsen (7) und Simon Lindhart (6) konnte überzeugen, dazu kam noch ein sicherer Außen und Tempogegenstoßschütze Sören Stryger (7/1). Beim THW dagegen gab es keinen "besten Spieler", am meisten Tore erzielten Jacobsen (6/3) und Ernelind (6/1) vor Bjerre (5).

Hier finden Sie alle Begegnungen des Champions League-Viertelfinales.

Stimmen zum Spiel:

Pressekonferenz. Von links: THW-Arzt Dr. Brandecker, THW-Trainer Serdarusic, Hallensprecher Körting, Trainer Nyegaard, Jacobsen
Pressekonferenz. Von links: THW-Arzt Dr. Brandecker, THW-Trainer Serdarusic, Hallensprecher Körting, Trainer Nyegaard, Jacobsen
Gudmes Trainer Bent Nyegaard:
Wir haben gewonnen, weil wir die bessere Mannschaft waren. Ich bin unheimlich froh und habe mich schon sehr bei den Spielern bedankt. Es ist immer gut zu gewinnen, aber in der Ostseehalle - eine der Hallen Europas - zu gewinnen, ist schon etwas besonderes. Deshalb bin ich sehr stolz, daß wir so klar gewinnen konnten. Es war ein großes Vergnügen für uns, daß zu schaffen.

Es war ein Spiel, in das beide mit Verletzungssorgen gegangen sind, wir mußten ohne Boeriths und Laen auskommen, das war ein großes Handicap für uns. Daher sind wir sehr zufrieden, daß wir so ein Spiel vor solch einer Kulisse machen konnten.

THW-Trainer Noka Serdarusic:
Ja, sie haben gewonnen, weil sie die bessere Mannschaft waren, das war ganz deutlich. Wir hatten in der ersten Halbzeit kein Rezept in der Abwehr, nur einige Minuten spielten wir in der Deckung nicht ganz so schlecht. Aber da gingen dann so zwei oder drei Verzweiflungswürfe von GOG rein, da hat man dann natürlich auch wenig Lust, in der Abwehr zu spielen...

In der zweiten Halbzeit haben wir dann versucht, das Spiel umzubiegen, daber das hat leider nicht geklappt, weil wir im Rückraum eine schlechte Leistung gezeigt haben. Stefan Lövgren hat genauso schlecht gespielt wie in Essen, außerdem haben beide Torhüter fast nichts angefaßt. Als dann noch Bezdicek nach "Rot" raus mußte und Holger Menke das erste Mal in seinem Leben am Kreis spielte, war prinzipiell alles gelaufen. Holger hat da drei, vier Hundertprozentige verworfen, aber ich will ihm da gar keinen Vorwurf machen. Ich will ihn lieber überreden in der nächsten Saison richtig bei uns einzusteigen, damit wir dann 14 Spieler haben...

Aber das alles zurvor genannte ist keine Entschuldigung für unsere Leistung.

Zu unserer Verletzungssituation:
Jacobsen hatte vor dem Spiel große Probleme mit dem Rücken, aber als er fitgespritzt werden sollte, ist er lieber so aufgelaufen, obwohl er nicht gesund ist. Ein großen Dank an Nenad Perunicic. Es war großartig, daß er sich bereit erklärt hat, überhaupt zu spielen, denn nach dem Warmmachen hatte er einen viel zu hohen Ruhepuls. Die einzig richtige Lösung wäre eigentlich gewesen, daß er nicht spielt. Aber dann hätten das einige wieder nicht verstanden, wenn wir ohne Wislander, Olsson und Perunicic aufgelaufen wären.

[Frage: Wollten Sie vielleicht absichtlich Zweiter werden?]
Nein, wir haben nicht auf den zweiten Platz gespielt. Ich habe gewußt, daß die Ostseehalle fast ausverkauft ist, und 7000 Menschen kann man nicht veralbern. Wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen.

Nikolaj Jacobsen kann das bestätigen: Ich habe schon vor dem Spiel in Braga davor gewarnt, was passieren kann, wenn wir nicht Gruppenerster werden. Vor 1000 mehr als fanatischen Zuschauern in Cetinje (Montenegro), die von 25 Polizisten mit Maschinenpistolen in Schach gehalten werden, zu spielen, das will ich wirklich nicht...

THW-Arzt Dr. Detlev Brandecker:
Zum Ende der Halbserie sind wir nun in einer Situation, in der wir überlegen müssen, ob es noch so klug ist, die Spieler "fit zu spritzen", ober ob der Moment erreicht ist, an dem ein Spieler einfach nicht mehr spielen darf.

Wir haben Wislander und Olsson nicht geschont, sondern ihr Zustand hat einen Einsatz einfach nicht erlaubt. Auch Nenad Perunicic hätte mit seiner fiebrigen Bronchitis eigentlich nicht spielen dürfen. Er hatte nach dem Warmmachen einen Ruhepuls von 120, da ist es eigentlich nicht möglich zu spielen. Er hat das dann doch gemacht, obwohl es nicht gesund ist.

Und zu Mike Bezdicek: Ich weiß nicht, wie er das 60 Minuten macht. Wir werden ihn morgen noch einmal untersuchen, dann wird sich herausstellen, wie und wann er operiert werden muß. Er konnte nur spielen, weil er so viel Tabletten geschluckt hat, wie ein "normaler Patient" nicht vertragen würde.

Der einzige, der eigentlich "fit" ist, ist Klaus-Dieter Petersen. Der macht gute Fortschritte in seiner Reha, beginnt in den nächsten Tagen wieder mit Lauftraining und kann im Januar dann wieder leichtes Training machen.

Wislander und Olsson kriegen wir bis Mittwoch wohl wieder hin, bei Perunicic bin ich mir da nicht so sicher.


6. Gruppenspiel: 17.12.00, So., 16.00: THW Kiel - GOG Gudme (DEN): 28:34 (14:17)

Logo THW Kiel:
Geerken (1.-20, 31.-48.), Ege (20.-30, 48.-60.); Bezdicek (2), Ernelind (6/1), Jacobsen (6/3), Schwenke (4), Bjerre (5), Perunicic (2), Lövgren (3), Schmidt, Scheffler, Menke; Trainer: Serdarusic
Logo GOG Gudme (DEN Flagge DEN):
Agerschou (1.-60.), Alhage (eim 7m); Laen (n.e.), Stryger (7/1), Marxen, Nielsen (7), M. Jensen (1/1), Vilhelmsen (2), Lindhardt (6), Pedersen (n.e.), C.J. Jensen (10), Rieck (1); Trainer: Nyegaard / Albrektsen
Schiedsrichter:
Migas / Bavas (Griechenland)
Zeitstrafen:
THW: 2 (Scheffler, Menke);
Gudme: 5 (zweimal Nielsen, M. Jensen, Vilhelmsen, Lindhardt)
Rote Karte:
THW: Bezdicek nach grober Unsportlichkeit gegen Nielsen (44.)
Siebenmeter:
THW: 5/4 (Jacobsen an den Pfosten);
Gudme: 2/2
Spielfilm:
1. Hz.: 0:1, 3:1, 3:4, 4:4, 4:5, 5:5, 5:10, 6:10, 6:11, 7:11, 7:12, 9:12, 9:13, 10:13, 10:14, 11:14, 11:15, 12:15, 12:16, 13:16, 13:17, 14:17;
2. Hz.: 15:17, 15:20, 17:20, 17:21, 18:21, 18:23, 19:23, 19:24, 20:24, 20:27, 21:27, 21:30, 24:30, 24:31, 26:31, 26:32, 28:32, 28:34
Zuschauer:
6900 (Ostseehalle, Kiel)
Spielgraphik:
Spielgraphik


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