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In der Juni-Ausgabe fand sich in der Reihe "Talente auf dem Sprung"
ein Feature über THW-Neuzugang
Sebastian Preiß.
Hier nun der Artikel mit freundlicher Genehmigung des Handball-Magazins.
Seine Zukunft entschied sich recht unvermittelt. Ein bißchen hatte er sich
an den Gedanken gewöhnt, in einem Jahr nach Norden zu ziehen. Und dann kam
die Aufgabe der HG Erlangen, die künftig nicht mehr in der 2. Liga spielen
mochte.
Sebastian Preiß
wechselt deshalb sofort in die Beletage. Als junger
Kreisläufer zum THW Kiel. Dort stehen
Magnus Wislander
und
Klaus-Dieter Petersen vor ihm -
der eine Jahrhundert-Handballer, der andere
Nationalspieler. "Ich werde Lehrgeld zahlen", sagt
Preiß bestimmt. Woanders
hätte er womöglich leichtere Wege nach oben finden können, "aber dieser
Herausforderung stelle ich mich". Und das mindestens vier Jahre lang. So
lange nahm Kiels Manager
Uwe Schwenker den Junioren-Nationalspieler unter
Vertrag.
Ob Frank Bergemann wohl an solch einen steilen Aufstieg dachte, als er vor
vier Jahren einen jungen Burschen ins Zweitliga-Team der HG Erlangen
einbaute? Der Trainer machte aus dem Linksaußen
Preiß
einen Spieler für
Innenblock und Kreis und setzte ihn immer wieder ein. "Obwohl ich viele
Fehler gemacht habe", sagt
Preiß. "Bergemann habe ich sehr viel zu
verdanken." In Erlangen preschte der Blondschopf im Zusammenspiel mit dem
Russen Wjatscheslaw Gorpischin so weit vor, daß auch Horst Spengler auf ihn
aufmerksam wurde. Der Weltmeister von 1978 suchte als DHB-Trainer noch
starke Junioren für die Auswahl. Mittlerweile hält Spengler große Stücke auf
den Spätberufenen, der bis dahin vom Verband unentdeckt lernte.
Preiß sei
"eines der Talente, die den Sprung in die A-Nationalmannschaft schaffen
werden. Er wird seinen Weg gehen, weil seine Einstellung stimmt."
Serdarusic: Leichtes Arbeiten mit dem abwehrstarken Junior
Im Januar spielte
Preiß mit den Junioren beim
Turnier in Balingen und weckte
das Interesse einiger Zuschauer, darunter auch
Zvonimir Serdarusic, Trainer
des THW Kiel. Der sichtete seit geraumer Zeit neues Personal für den Kreis,
weil
Wislander und
Petersen
immer mehr in die Jahre kommen. "Wir brauchen
einen jungen Mann", sagte
Serdarusic, und so beobachtete der ehemalige
Weltklasse-Kreisläufer unter anderem Sven Tiedtke (HC Wuppertal/21) und
Markus Krauthoff (HSG Düsseldorf/24). Letztlich blieb er bei
Preiß hängen.
Wenn der 20jährige in diesen Tagen über den THW spricht, bekommt er manchmal
vor lauter Aufregung rote Bäckchen. "Angst", sagt er, "habe ich nicht vor
dieser Aufgabe, aber Respekt." Als Kiel im Halbfinale der Champions League
gegen Barcelona spielte, schaute er zu und ließ sich danach von
Petersen
noch einiges zu den Zebras erklären. Der THW sei ein "Traumverein für einen
jungen Spieler", erzählt
Preiß mit funkelnden Augen.
Serdarusic sieht das
alles noch etwas skeptisch: "Der Junge sollte noch ein Jahr in der 2. Liga
bleiben und ständig spielen." Diesen Plan störte jedoch der Erlanger
Rückzug. Interesse an dem Talent hat nun auch Fredenbeck bekundet, das
Preiß für ein Jahr ausleihen möchte. Der Umworbene sieht das alles ganz
pragmatisch. Das Studium der Betriebswirtschaftslehre könne er nun ein Jahr
eher beginnen und vielleicht auch mit Freundin Daniela zusammenziehen.
Mit einem wie
Preiß, glaubt
Serdarusic, sei es "leicht zu arbeiten".
Schließlich kann der auch in der Abwehr gut anpacken und könnte in einer
6:0-Deckung recht schnell helfen. Spengler entdeckt bei dem Junior "diesen
russischen Kreisläufer-Einschlag". Also einer wie Mindens Dimitri Kusilew
etwa.
Preiß sei zwar ein "Berg am Kreis", aber seinem Körper fehle noch die
"Festigkeit", glaubt
Serdarusic, andererseits bringe er enormes Ballgefühl
und gutes Spielverständnis mit: "Es spricht nichts dagegen, daß seine
Leistungskurve weiter nach oben zeigt."
Dem schnellen Einstieg beim THW steht allerdings sein bisher größter Erfolg
entgegen: Mit der Junioren-Nationalmannschaft bereitet sich
Preiß auf die WM
in der Schweiz (20. August bis 2. September) vor - und kann damit in den
Wochen vor der neuen Saison nicht mit den Kielern üben. Gespannt wartet
Serdarusic dort auf seinen Neuen, obwohl er ihm gern noch ein Jahr in der 2.
Liga gegönnt hätte. "Man freut sich immer über ein deutsches Talent", sagt
Noka.
Preiß darf sich auf eine lange Zeit im hohen Norden einstellen
Man raunt sich aber ebenso zu, daß es mal junge und aussichtsreiche
Ballwerfer gab wie
Henning Siemens und
Nico Kibat, die es in Kiel nicht
schaffen. Der Weg nach oben, sagen sie, sei gerade bei den Norddeutschen
sehr schwierig. Solche Einschätzungen hält
Serdarusic allerdings für "dummes
Gerede". Als er 1994 mit dem THW seine erste Deutsche Meisterschaft gewann,
war Kiel ein sehr junges Team. "Ich habe dann nur die Spieler nicht
ausgemustert."
Preiß kann sich auf eine lange Zeit im Norden einstellen.
Interview mit Frank Bergemann
Frank Bergemann (45) holte den damals 17jährigen
Sebastian Preiß zur HG
Erlangen und setzte ihn gleich in der 2. Liga ein. Heute trainiert der
Lehrer den österreichischen Staatsligisten Alpla HC Hard.
- Handball-Magazin:
-
Wie ist Ihnen Sebastian Preiß aufgefallen?
- Frank Bergemann:
-
Das war reiner Zufall. Er war ein talentierter Junge aus der Nähe, der etwas
Neues suchte. Einen Jugend-Oberligisten oder die Möglichkeit, in einem
Männer-Kader zu trainieren. Letzteres habe ich favorisiert.
- Handball-Magazin:
-
Woher haben Sie den Mut genommen, einen so jungen Spieler gleich in der 2. Liga einzusetzen?
- Frank Bergemann:
-
Das war seit Jahren Teil meiner Arbeit. Außerdem setzen sich die ganz guten
Spieler auch in diesem Alter durch und gehen ihren Weg. Gerade Sebastian hat
sich nicht viele Fehler genommen, weil er seine Karrriere sehr konsequent
verfolgt.
- Handball-Magazin:
-
Was bringt er als Kreisläufer alles mit?
- Frank Bergemann:
-
Ehrgeiz und sehr gute körperliche Möglichkeiten. Er kann viel einstecken.
Außerdem hat er sehr von Gorpischin profitiert. Den muß man auch als Mentor
nennen.
- Handball-Magazin:
-
Jetzt geht Ihr ehemaliger Spieler zum THW Kiel. Glauben Sie, daß das ein guter Weg ist?
- Frank Bergemann:
-
Grundsätzlich ja. Aber Sebastian braucht die Möglichkeit, Spielpraxis zu
sammeln. In diesem Alter ist es ganz entscheidend, wie viele Minuten er auf
dem Feld steht.
(Tim Oliver Kalle, mit freundlicher Genehmigung entnommen dem Handball-Magazin, Juni 2001)