Stefan Lövgren überzeugte als Regisseur und eiskalter Siebenmeterschütze, © living sports

Lesen Sie auch den Spielbericht der Kieler Nachrichten...

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 23.09.2004:

Triumph des Angriffs über Abwehrkunst

THW begeisterte beim 36:22 über Gummersbach

Kiel - Auf Regen folgt Sonne, und so ließ der THW Kiel dem Kampf und Krampf von Flensburg wieder das spielerisch Leichte folgen. Vergessen die Hass- und Prügelszenen vom Sonnabend aus dem Nordderby: 10 250 Zuschauer hatten gestern Abend ihren hellen Spaß am 36:32 (16:14)-Sieg über den VfL Gummersbach. Es war ein großartiger Triumph des Angriffspiels über Abwehrkünste. So macht Handball Spaß.

Jedenfalls allen Fans. Das Torefestival ohne Atempause zog in der ausverkauften Ostseehalle fast jeden in seinen Bann - defensiv orientierte Trainer lässt so etwas eher graue Haare sprießen. Zwar gaben sich beide Deckungsreihen größte Mühe, trotzdem rollten sie ungewollt den roten Teppich für die gegnerischen Torschützen in schöner Regelmäßigkeit aus. Kein Wunder, dass VfL-Torhüter Steinar Ege, einst in Kiel zwischen den Pfosten, tobte. "Erst haben wir die Kieler am Kreis viel zu nahe rankommen lassen, dann haben wir vorne im Angriff die Fehler gemacht, die der THW mit Tempospiel bestrafte." So bleibt es dabei: Gummersbach muss seit dem 8. Mai 1993 weiter auf den ersten Sieg in der Ostseehalle warten. Gestern war es eine VfL-Niederlage, die für THW-Trainer Noka Serdarusic erst kurz vor Schluss fest stand. "Trotz zwischenzeitlich komfortabler Führungen, konnten wir uns nie sicher sein. Dieses Team besitzt eine große Qualität." Beim THW begeisterte vor allem Linkshänder Christian Zeitz, der es insgesamt neun Mal in unnachahmlicher Art krachen ließ. Besonders erfreulich: Auch der Fahrkartenschalter des 23-Jährigen meldete gestern Kurzarbeit. In der Offensive zeigte Kiels Publikumsliebling sein bisher bestes Spiel im THW-Trikot. Sehr zum Verdruss von VfL-Linksaußen Alexander Mierzwa. "Unfassbar", fluchte der VfL-Linksaußen, "gerade auf Zeitz hatten wir uns besonders eingestellt -und dann diese Torflut."

Einzelne Spieler herauszuheben, hieße jedoch, andere zurückzustellen. Erst durch eine geschlossene und homogene Mannschaftsleistung kam diese rassige Auseinandersetzung zu Stande. Stark das Engagement von Frode Hagen, der in wichtigen Situationen Verantwortung beim Torwurf übernahm. Stefan Lövgren überzeugte als Regisseur und eiskalter Siebenmeterschütze - alle sechs Versuche vom Punkt landeten sicher im VfL-Gehäuse. Prima auch der Auftritt von Marcus Ahlm. Der Schwede kämpfte in der Abwehr wie ein Löwe und erledigte seinen Job am Kreis mit sieben Volltreffern eindrucksvoll. Und: Klaus-Dieter Petersen feierte mit einem Kurzeinsatz ein unerwartetes Comeback. Eine Wunderheilung? "Nein", sagte Petersen, "diesen kurzen Moment kann man nicht Ernst nehmen."

Teamgeist prägte auch das VfL Spiel. Zwar hatten die Gäste mit Daniel Narcisse einen überaus auffälligen Spieler in ihren Reihen - der Mann mit der Sprungkraft eines Ochsenfroschs schleuderte die Lederkugel insgesamt acht Mal ins THW-Netz. Doch erst die Ausgeglichenheit und ständige Rotation im Team machte den Rekordmeister zum nahezu ebenbürtigen Gegenspieler.

Vor der Pause startete VfL-Trainer Richard Ratka im Rückraum mit von Behren, Lapcevic und Yoon. Allesamt Hochkaräter, die bis zum Halbzeitpfiff für reichlich Tore sorgten. Nach der Pause baute der VfL-Coach dann vornehmlich auf seine "French Connection". Houlet, Burdet und Narcisse machten der THW-Abwehr noch mehr Feuer, außerdem lohnte sich die Einwechslung von Marc Dragunski. Den 2,12-Meter-Riesen bekam die THW Abwehr überhaupt nicht in den Griff - acht Tore in 30 Minuten waren die Folge.

Dennoch - ernsthaft in Bedrängnis kam der THW kaum. Als Burdet beim 30:33 in der 56. Minute nur die THW Latte rasierte und Lapcevic in der Folge eine Zeitstrafe kassierte, war die Entscheidung gefallen. Zwei Tore von Christian Zeitz besiegelten diesen erlebnisreichen Handball-Abend. Ausgerechnet Zeitz - die Dramaturgie passte.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 23.09.2004)