08.10.2004 | Champions League |
Die Ausgangsposition für den THW Kiel könnte durchaus schlechter sein. Nach den kräfte-raubenden Reisestrapazen im letzten Jahr, wie zum Beispiel gegen das russische Team aus dem rund 3000 Km entfernten und nur beschwerlich erreichbaren Astrachan, stehen zunächst keine langen Reisen auf dem Programm. Adrian Wagner zeigt sich erleichtert: "Ich denke da sind für uns sehr interessante Gegner dabei. Wir treffen mit Sävehof auf eine skandinavische und mit Creteil auf eine französische Mannschaft, da sind die Reisestrapazen sehr gering. Der dritte Gegner wird wohl aus Island kommen. Gegen eine isländische Mannschaft haben wir noch nie im Europapokal gespielt und da sind bestimmt einige gespannt auf die Insel."
Besonders der schwedische Kapitän der Mannschaft, Stefan Lövgren, zeigt sich begeistert, weiß die kommenden Aufgaben aber auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: "Sävehof ist ein Traumlos! Die haben als schwedischer Meister allerdings eine sehr, sehr starke Mannschaft, wir sind jedenfalls gewarnt. Ich hoffe, dass wir ohne viele Verletzungen durch die Saison kommen, dann können wir jeden schlagen." Mit Jonas Larholm, auf den der THW bereits ein Auge geworfen hat, und Kim Andersson, welcher zur nächsten Saison in den Diensten der Zebras seine Tore werfen wird, hat Sävehof die nach Meinung Lövgrens derzeit größten schwedischen Talente im Team. Durch die Zugänge von Peter Möller und Jonas Ernelind aus Hamburg bilden sie jetzt eine erfahrene und starke Mannschaft. "Ich freue mich sehr, nach Göteborg zu reisen und hoffe, dass wir im Scandinavium spielen werden", liebäugelt Lövgren bereits mit der 8000 Zuschauer fassenden Handballarena. "Dies ist ein optimales Los, nicht nur für uns, sondern auch für unsere Fans. Die Champions League ist sehr wichtig für uns. Es wäre ein Traum, sie endlich zu gewinnen."
Historisch gesehen wird es der insgesamt neunte Anlauf des THW Kiel auf den Thron der Königsklasse, welcher schon des Öfteren nur sehr knapp verfehlt wurde. Eine kleine Zeitreise: Erinnern wir uns beispielsweise an die Saison 1996/97. Der THW erzielte im Halbfinale zunächst in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg ein 23:23 Unentschieden gegen Badel Zagreb. Das Finale schien in greifbarer Nähe. Alle Hoffnung lag nun in der Auswärts- und Nervenstärke. Im brodelnden Zagreb kam es dann nach einer starken kämpferischen Leistung des THW leider zu einer 25:23-Niederlage. So schied man im Halbfinale aus, Sieger wurde später der FC Barcelona, mit dem noch einige Nerven aufreibende Begegnungen folgen sollten.
In der Saison 1999/00 durfte der bisherige Höhepunkt der Kieler Champions League - Geschichte notiert werden: Im Rückspiel des Finalspieles unterlagen die Zebras um Magnus Wislander beim FC Barcelona in einer hochdramatischen Partie mit 29:24 (siehe Bericht), wodurch der Drei-Tore-Vorsprung des THW aus dem Hinspiel (28:25) unglücklich egalisiert wurde. Bis zur 54. Minute, der THW lag mit 23:25 hinten, hatte man eine Hand schon am Pokal, doch das Glück und vor allem die Schiedsrichter waren dem THW wieder einmal nicht hold.und so hatten unsere "norddeutschen Gallier" (Schwenker) auch diesmal ihr großes Ziel nur knapp verfehlt - der FC Barcelona war erneut das Maß aller Dinge.
Eine unglückliche Wiederholung dieses Matches folgte ein Jahr später im Halbfinale; das Ergebnis vorweg: wiederum hieß der Sieger FC Barcelona, wiederum hatte man den großen Traum von dem großen Pott vertan, wiederum entsprach der Spielverlauf dem klassischen Spannungsaufbau eines Alfred Hitchcock (siehe Bericht). Kurz gesagt: man stand unmittelbar vor einer kleinen Sensation gegen den Angstgegner, welcher aber längst nicht mehr als unbesiegbar galt. Nach einer hochdramatischen Partie fehlte nach dem Rückspiel nur ein einziges Tor! Es sollte einfach nicht sein.
Der vorerst letzte Anlauf an die europäische Spitze scheiterte in der Spielzeit 2002/03 bereits im Viertelfinale, wo die Zebras nach einem 33:33-Unentschieden im Hinspiel bei Prule 67 Ljubljana (SLO) in eigener Halle mit 26:28 unterlagen. Doch genug von der Vergangenheit - was zählt, ist schließlich die Gegenwart und in der muss zunächst einmal gespielt und die Zukunft erst geschrieben werden.
Zu diesem Zweck haben sich die Kieler neu aufgestellt. Nach den Abgängen von Jacobsen, Lozano, Pryzbecki und Wisotzki hat sich der THW wieder gezielt durch Frode Hagen (aus Barcelona) und Henrik Lundström (von Redbergslid Göteborg) verstärkt und zusätzlich ergänzt durch die mit Zweitspielrecht beim TSV Altenholz ausgestatteten Spieler Klockmann, Schindler und Sommerfeld. Gut gewappnet sieht sich Trainer Noka Serdarusic: "Ich bin kein Träumer, eine Mannschaft muss langsam zusammenwachsen, es macht also keinen Sinn, jede Saison zig Spieler auszuwechseln. Die Mannschaft ist aber gut für den Wettkampf aufgestellt, wir werden den Kampf in diesem Jahr auf jeden Fall aufnehmen!" Aber auch Befürchtungen ob der um effektiv einen Mann dünneren Personaldecke gegenüber dem letzten Jahr wurden bereits heftig diskutiert. "Entscheidend für den Erfolg wird sein, dass die Mannschaft nicht durch Verletzungen dezimiert wird", prognostiziert Lövgren. Laut Manager Uwe Schwenker bestünde aber auch im Fall der Fälle kein Grund zur Beunruhigung, man sei im Notfall jederzeit bereit, kurzfristig auf dem Transfermarkt tätig zu werden. Bedarf sehe er dafür bisher jedoch nicht. "Weiterbringen" sollen die Neuzugänge die Mannschaft schließlich, nicht bloß "auffüllen". Seine neuen skandinavischen Kollegen sieht Mattias Andersson bereits gut in die Mannschaft integriert, was Frode Hagen bestätigt: "Es ist unglaublich, wie nett und professionell mich die Mannschaft und der Verein aufgenommen haben. Ich fühle mich hier wirklich sehr, sehr wohl. Ich hoffe, dass es letztendlich für große Erfolge reicht, da ich bisher noch nicht sehr viel gewinnen konnte. Mein Ziel ist es, in jedem der Wettbewerbe so weit wie möglich zu kommen, die Krönung wäre natürlich der Gewinn der Champions League. Möglich ist alles!" Wir sind gespannt.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)
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