Glück hatte
Thorsten Storm sich vor dem Final Four gewünscht, und davon
hatte seine SG Flensburg-Handewitt im zweiten
DHB-Pokal-Halbfinale
eine ganze Menge: erst nach Verlängerung besiegten die Nordlichter
die HSG Nordhorn mit 38:36 (32:32, 14:13) und konnten sich dabei auf
einen überragenden Jan Holpert im Tor, besagtes Glück und zahlreiche
fragwürdige Entscheidungen des Schiedsrichterinnengespannes verlassen.
"Die machen es", hatte THW-Manager
Uwe Schwenker vor
der Partie auf Nordhorn als Pokalsieger getippt. Und so präsentierten sich
die Niedersachsen zunächst auch, ließen in einer mehr als hektischen Anfangsphase
der SG kaum Raum, um zu ihrem gefürchteten Spiel zu kommen. Da auch Flensburg sicher
in der Abwehr stand, blieb es lange Zeit ausgeglichen. Zuhilfe kam den Flensburgern
dabei auch das Schiedsrichtergespann, das sich ein ums andere Mal selbst überstimmte,
Uneinigkeit präsentierte und in kniffligen Situationen häufig zu Ungunsten der HSG entschied.
So auch in der 20. Minute, als es einen SG-Angriff aufgrund eines Trillerpfeifen-Pfiffs
aus der Nordhorner Fankurve unterbrach und zur Überraschung aller den Flensburgern einen
Siebenmeter zusprach, den Stryger sicher zum 9:8 verwandeln konnte.
Nordhorn zeigte sich von alldem wenig geschockt, spielte sein Spiel und konnte sich auf einen
glänzend haltenden
Peter Gentzel verlassen. Da auf der Gegenseite aber Jan Holpert wieder
einmal eine beeindruckende Form an den Tag legte, neutralisierten sich die Teams nahezu
vollständig. Mit 14:13 für den nördlicheren Vertreter wurden die Seiten gewechselt.
Bis zur 51. Minute gestaltete sich auch die zweite Halbzeit absolut ausgeglichen.
Dann konnte Nordhorn durch zwei Treffer des überragenden Jan Filip erstmals mit zwei Toren
in Führung gehen (27:25). Diese Führung währte indes nur bis zur 57. Minute, in der
der nun kaum noch aufzuhaltende Klimovets den erneuten Flensburger Ausgleich erzielen konnte.
Dramatisch dann die Schlussminuten: erneut war es Klimovets, der mit einem kaum fassbaren
Rückhandwurf den 31:31-Ausgleich erzielen konnte und gleichzeitig die erste Nordhorner
Zeitstrafe (für Glandorf) provozierte. Der Ex-Kieler Przybecki
brachte die HSG wieder in Führung, Christiansen konnte erneut ausgleichen. Nach Zeitstrafen
gegen Boldsen und Ursic war die Spielerzahl auf de Feld recht übersichtlich geworden, doch
Vranjes letzter Wurfversuch blieb im SG-Block hängen: Verlängerung!
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Flensburger Jubel nach dem Sieg.
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In dieser schien sich das gesamte Spiel widerzuspiegeln, hätte jedoch Filip beim Stand
von 34:33 für Nordhorn den freien Tempogegenstoß an Holpert vorbei gebracht, wäre
die Messe wahrscheinlich gelesen gewesen. So aber parierte Holpert, rettete der SG
das Unentschieden nach der Hälfte der Verlängerung. Dann kam den Flensburgern
das Glück zur Hilfe, als Glandorfs Kracher beim Stand von 36:36 an den Innenpfosten
prallte und von dort aus dem Tor sprang. Im Gegenzug vollendete Christiansen zum 37:36,
Lijewskis Treffer zum Endstand von 38:36 wenige Sekunden vor dem Abpfiff hatte nur noch
statistischen Wert.
(Christian Robohm)
Hier geht's zu Fotos von den Halbfinals im Final Four...
- SG Flensburg-Handewitt:
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Holpert (1.-70., 20 Paraden),
Beutler (1 Siebenmeter);
Solberg (2),
Palmar (1),
Lackovic (6),
Runge,
Jensen
Christiansen (8/3),
Klimovets (7),
Stryger (7/3),
Lijewski (2),
Boldsen (5);
Trainer: Andersson
- HSG Nordhorn:
-
Gentzel (1.-70.,17 Paraden) ,
Larsson;
Machulla (1),
Ursic (4),
Arrhenius (4),
Filip (11/4),
Glandorf (8),
Przybecki (4),
Vranjes (3),
Leissink,
Schumann,
Franzen (1),
Bult;
Trainer: Lindgren
- Schiedsrichter:
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Ehrmann (Odenthal) / Künzig (Karlsruhe)
- Zeitstrafen:
-
Flensburg: 4 (2x Boldsen (33., 60.), Stryger (38.), Lijewski (44.));
Nordhorn: 3 (Glandorf (59.), Ursic (60.), Arrhenius (68.))
- Siebenmeter:
-
Flensburg: 8/6 (Gentzel hält Christiansen (13.) und Stryger (49.)) ;
Nordhorn: 4/4
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 3:3 (7.), 5:5 (10.), 7:5 (11.), 7:7, 10:10, 12:10 (25.), 13:12, 14:13
2. Hz.: 15:13, 16:14, 16:16 (34.), 19:19, 22:22, 25:25 (51.), 25:27 (52.), 27:29, 30:30 (57.)
31:32 (59.), 32:32
Verlängerung 1. HZ: 32:33, 34:34, 35:35
Verlängerung 2. HZ: 36:35, 36:36 (67.), 37:36 (70.), 38:36
- Zuschauer:
-
12500 (ausverkauft) (Colorline-Arena, Hamburg)
Aus den Kieler Nachrichten vom 18.04.2005:
Flensburg im Glück
Pokalverteidiger stand gegen Nordhorn vor dem Aus - Przybecki spielte trotz Grippe
Piotr Przybecki konnte es nicht fassen. Mit einem Bein stand
seine HSG Nordhorn im Finale, führte in der Verlängerung mit 34:33, als Jan Filip freistehend
am Flensburger Torhüter Jan Holpert scheiterte. Dann kassierte HSG-Kreisläufer Arrhenius
von den überforderten Schiedsrichterinnen Ehrmann/Künzig
eine Zeitstrafe und Flensburg band in Überzahl den Sack (38:36) zu. "Diese Zeitstrafe war
lächerlich", schnaufte ein völlig ausgepumpter Przybecki.
"Wir waren heute so gut drauf."
Nur er nicht. Der 32-Jährige, der in den letzten drei Jahren das THW-Trikot trug, wurde
zwei Tage zuvor von einem Virus schwer erwischt. Nicht das erste Mal, dass sein Körper
vor einem wichtigen Spiel streikte. "Ich habe mir Tabletten reingehauen, um spielen zu
können." Auch gegen den Rat seiner Frau Agnieszka. "Sie meinte, ich wäre schön blöd. Am
Ende würde ich der Dumme sein." Am Ende, als elf Fehlwürfe auf seinem Konto standen.
Die ersten neun sogar in Folge. "Das hat mich die ganze Nacht beschäftigt", ließ sich
Przybecki mit Infusionen auch für das Spiel um Platz drei gegen
Göppingen (siehe Spielbericht) aufpäppeln. Diesmal wurde der Pole
nicht nur wegen seiner sieben Tore zum Matchwinner. Im Siebenmeterwerfen stand er als Erster
am Punkt und legte den Grundstein für den 35:33-Erfolg und die Qualifikation für den
Pokalsieger-Cup. "Das war mein erster Strafwurf seit 150 Jahren", strahlte er, bevor er
matt in die jubelnden Arme seiner Kollegen fiel.
(Von Wolf Paarmann und Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 18.04.2005)