THW-Logo
24.01.2007 WM 2007 / Nationalmannschaft

Kieler Nachrichten: "Vielleicht hätten wir uns einen ballern sollen"

Frustbewältigung im deutschen Team - Heute erstes "Endspiel" gegen Slowenien ohne Velyky

Aus den Kieler Nachrichten vom 24.01.2007:

Halle/Westfalen - Deutschlands Handballer haben ihr erstes Zwischenziel bei der Heim-WM erreicht: Sie stehen in der Hauptrunde. Heute (17.30 Uhr/ARD) muss die Brand-Sieben im ersten von "vier Endspielen" in Halle gegen Slowenien Farbe bekennen.
Bundestrainer Heiner Brand muss dabei weiter auf Rückraumspieler Oleg Velyky verzichten, dessen Sehnenverletzung unter dem Fuß nicht ausgeheilt ist. "Ich rechne frühestens im Viertelfinale mit Oleg", sagt Brand. Andrej Klimowets zählt trotz seines Muskelfaserrisses in der rechten Wade weiterhin zum 16er-Kader. Mannschaftsarzt Dr. Berthold Hallmaier prophezeit dem gebürtigen Ukrainer eine weitere Pause "von vier bis sechs Tagen". Das bedeutet, dass "Oldie" Christian Schwarzer seine vorgesehenen Fernsehauftritte als Experte beim ZDF verschieben muss. "Ich baue auf ihn", betont Brand. Neu im WM-Kader ist Deutschlands dritter Torhüter Carsten Lichtlein (TBV Lemgo). Man habe vier schwere Spiele in der Hauptrunde zu absolvieren, begründete der Bundestrainer Lichtleins Hereinnahme. "Verletzt sich einer meiner beiden Torhüter, stünden wir dumm da." Damit ist Michael Haaß als 17. Spieler zuviel an Bord, der Kronauer wurde auf die Tribüne verbannt.

Gestern standen allerdings die "Aufräumarbeiten" nach dem 25:27 gegen Polen im Mittelpunkt. Die Niederlage bescherte der DHB-Auswahl nicht nur zwei Minuspunkte, die das Konto der Hauptrunde schon vor dem ersten Anpfiff belasten, sondern auch ein jähes Erwachen aus den vor WM-Beginn zur Schau getragenen Titelträumen. "Wir müssen unsere Fehlerquote weiter minimieren", fordert Heiner Brand.

Beim gemeinsamen Videostudium des Polen-Spiels sei die Mannschaft überrascht gewesen, wie schlecht sich einzelne Spieler verhalten hätten. Das Fazit des deutschen Übungsleiters: "Im Angriff haben wir zu wenig für ein Tor gearbeitet, in der Abwehr gab es individuelle Fehler, außerdem waren die Torhüter auch nicht immer da." Und enge Spiele, so Brand, würden letztlich von den Torhütern entschieden. Die nackten Zahlen verdeutlichten den Unterschied. Während Polens Slawomir Szmal (SG Kronau) 19 Bälle stoppte und auf einen Anteil von 44 Prozent kam, erreichte das deutsche Gespann Henning Fritz (THW, 6 Paraden) und Johannes Bitter (Magdeburg, 7) insgesamt nur 33 Prozent.

Knackpunkt der Niederlage war auch die Rote Karte gegen Abwehr-Chef Oliver Roggisch, für den in der 50. Minute bei deutscher 23:21-Führung nach der dritten Zeitstrafe das vorzeitige Aus kam. Mit Tkaczyk traf er ausgerechnet einen Magdeburger Vereinskollegen. "Kein Problem", betonte Roggisch. Er sei nach dem Krimi im Gerry-Weber-Stadion zu allen drei Magdeburger Mitspielern im Polenteam gegangen und habe sie umarmt, "obwohl wir uns vorher auf die Fresse gehauen haben. Nach dem Spiel ist alles vergessen".

Ob Rot korrekt gewesen sei, wurde Roggisch gefragt. "Ja", lautete die Antwort. Dabei habe ihn die Aggressivität der Polen sehr überrascht. Das deutsche Problem sei, so der 28-Jährige weiter, dass man diese Typen nicht im deutschen Team habe. Da sollte sich schnell etwas ändern. "Wenn jeder fünf Prozent mehr Härte zeigt, falle ich nicht mehr so auf."

Christian Zeitz, Kieler Linkshänder im DHB-Trikot, beklagte nach der Niederlage, miserabel geschlafen zu haben. "Ich hatte große Probleme abzuschalten und hatte am Morgen danach überhaupt keinen Bock auf das Polen-Video." Mit der eigenen Leistung haderte er ebenfalls. "Ich bin schlecht ins Turnier gestartet, das war bei der EM in der Schweiz viel besser." Vielleicht, so Zeitz, liege es daran, dass er zu viel auf einmal wolle. Auch sei die ganze Mannschaft bei diesem Turnier im Kopf nicht frei. "Vielleicht hätten wir nach dem Polen-Spiel einfach mal zusammen rausgehen und uns einen ballern sollen", so der Kieler. Das wäre, schränkte er ein, sportlich wohl nicht so gut gewesen, "hätte aber Einiges für die mannschaftliche Geschlossenheit bewirkt".

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 24.01.2007)


(24.01.2007) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite