Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:
Die
WM in Schweden verfolgte der tschechische Nationalspieler
Filip Jicha nur am Bildschirm. Seine Mannschaft hatte sich nicht für das
Turnier qualifiziert. Und trotzdem war der Kieler Rückraum-Star einer
der ganz besonderen Gäste am Finalwochenende in Malmö. Der Grund war
so einfach wie herausragend:
Filip Jicha wurde die Auszeichnung zum
"Welthandballer des Jahres" verliehen.
ZEBRA sprach mit dem 28-Jährigen über die Ehrung, die Chancen und Ziele des THW in der
Rückrunde sowie seine persönliche Zukunft.
- ZEBRA:
-
Filip, du warst mit deiner Nationalmannchaft nicht in Schweden
dabei. Überwog der Ärger, sich nicht qualifiziert zu haben, oder der
Genuss einer Pause?
- Filip Jicha:
-
Ich habe die Pause gebraucht. In den vergangenen zwei Jahren habe ich
alles mitgemacht, was es im Handball zu spielen gab. Der Dezember war
sehr anstrengend für alle, die fit waren. Die mentale und die
körperliche Belastung war sehr hoch. Wenn dir dann der Kopf sagt, es
gibt keine Alternative zu deinem Einsatz, dann ist das sehr hart.
- ZEBRA:
-
Du warst mit deiner Frau und deiner Tochter eine Woche in Katar, wo du
auch schon gespielt hast. Was habt ihr dort erlebt?
- Filip Jicha:
-
Vor allem hat die Wärme ihren Zweck erfüllt. Ich konnte dort im T-
Shirt herumlaufen und Sonne tanken, während hier der Schnee lag. Meine
Frau war noch nie in Katar, ich habe ihr die Orte zeigen können, wo
ich vor acht Jahren bei meinem Gastspiel die Zeit verbracht habe. So
haben wir zum Beispiel in dem Restaurant gegessen, in dem ich mich
damals hauptsächlich ernährt habe (lacht). Aber auch ansonsten haben
wir die Momente genossen. Wir waren bummeln, sind in die Wüste
gefahren und hatten viel Zeit, um mit unserer Tochter zu spielen und
zu baden.
- ZEBRA:
-
Fühlst du dich jetzt wieder fit für die kommenden Aufgaben?
- Filip Jicha:
-
Die 14 Tage ohne Handball und Training am Jahresbeginn haben sehr gut
getan. Eine Woche wäre zu kurz gewesen, das spürt man gar nicht. So
aber hat mein Körper mir in der zweiten Woche Urlaub Signale gesendet,
dass ich wieder Training und Bewegung brauche. Das ist für mich das
Zeichen, dass ich mich erholt und wieder unbändige Lust auf meinen
Sport habe. Jetzt freue ich mich wieder auf den Spielstress.
- ZEBRA:
-
Hast du die WM in Schweden trotzdem verfolgt?
- Filip Jicha:
-
Natürlich. Ich habe beinahe jedes Spiel gesehen, wenn ich Zeit zum
Fernsehen hatte. Dass wir nicht dabei waren, hat mich traurig
gestimmt. Aber ich habe es als Tatsache akzeptiert. Das ist
Vergangenheit, und als Sportler sollte man immer in die Zukunft schauen.
- ZEBRA:
-
Wie hast du das Niveau der Spiele empfunden?
- Filip Jicha:
-
In der Vorrunde haben alle Mannschaften versucht, Gas zu geben. Es gab
dann viele enge Spiele mit wenigen Toren. Das Spiel zwischen Dänemark
und Kroatien war beispielsweise ein super Handballspiel. Das, was
beide Mannschaften in dieser Partie geleistet haben, war Werbung für
unseren Sport.
- ZEBRA:
-
Wie verfolgst Du die Spiele? Achtest Du besonders auf deine
Mannschaftskameraden?
- Filip Jicha:
-
Ich sitze nicht mit einer Fahne vor dem Fernseher und drücke
irgendeiner Mannschaft die Daumen. Natürlich freue ich mich, wenn zum
Beispiel Mini, Sprengi,
Titi oder Aron eine gute Leistung zeigen. Ich
schaue mir die Spiele aber nicht so genau an wie beim Videostudium vor
einem eigenen Spiel. Mich stören zudem manche Kommentatoren-Sprüche.
- ZEBRA:
-
Aber nicht nur die Medien waren im vergangenen Jahr voll des Lobes für
deine Leistungen. Nun wurdest du zum "Welthandballer des Jahres"
gewählt .
- Filip Jicha:
-
Natürlich ist diese Wahl etwas Besonderes und eine große Ehre. Wenn
ich irgendwann nach meiner Karriere auf dem Sofa sitze und auf die
Urkunden, Medaillen und Pokale schaue, werde ich bestimmt eine
Gänsehaut bekommen. Jetzt empfinde ich die Ehrung als schön, mache mir
aber nicht viel daraus. Die Wahl zum Welthandballer hilft mir im März
oder April wenig. Kein Gegner wird mir Platz machen, nur weil ich
diese Wahl gewonnen habe. Ich muss weiterhin meine Leistung abliefern.
- ZEBRA:
-
Erzeugt solch eine Ehre zusätzlichen Druck?
- Filip Jicha:
-
Natürlich spüre ich durch die Auszeichnung eine große Verantwortung,
diese gegenüber den Fans und meinen Mannschaftskameraden zu
rechtfertigen. Ich lasse mich dadurch aber nicht verrückt machen, ich
ziehe meine Linie durch und will Erfolge mit meiner Mannschaft feiern.
Dafür lebe ich als Sportler. Und deshalb schaue ich immer voraus und
nie zurück. Große Sportler haben immer wieder bewiesen, dass sie
unbedingt siegen wollen - egal, welche Erfolge sie schon gefeiert
haben. Titi ist das beste Beispiel: Er ist so ehrgeizig, dass er immer
gewinnen will. Und wenn man ihn beispielsweie im Fußball schlägt, ist
er richtig sauer. Das macht ihn aus, er guckt nicht darauf, was er
bereits gewonnen hat, sondern immer darauf, was er als nächstes
gewinnen kann.
- ZEBRA:
-
Was hat sich die Mannschaft für die Rückrunde vorgenommen?
- Filip Jicha:
-
Die Ziele für dieses Jahr sind ganz klar, auch wenn ich jetzt nicht
von Titeln reden werde. Unsere Leistung im Dezember hat unsere
Möglichkeiten eingeschränkt. Wir hatten immer wieder geahnt, dass uns
irgendwann mal solch ein Monat blühen wird. Als er dann da war, war
die Realität härter als unsere Vorstellungskraft. Aber wir werden uns
nicht verstecken. Wir wissen: Wenn wir im Sommer auf dem Rathausplatz
etwas mit unseren Fans zu feiern haben wollen, dürfen wir kein Spiel
mehr verlieren und möglichst auch keinen einzigen Punkt mehr abgeben.
- ZEBRA:
-
Ist das ein realistisches Ziel?
- Filip Jicha:
-
Das ist eine sehr, sehr große Hürde und eine wahnsinnige Aufgabe.
Unser Vorteil ist aber, dass wir eine komplette Rückrunde Zeit haben,
um die Aufholjagd zu gestalten. Und dann schauen wir, ob es gereicht
hat. Wir werden aber bis zum letzten Moment und bis zur letzten Minute
um jeden Zentimeter des Spielfeldes kämpfen und uns keinen Kopf über
Niederlagen machen.
- ZEBRA:
-
In der Champions League ist der THW weiter auf Kurs, oder?
- Filip Jicha:
-
Wir haben sehr gut gespielt, leider fehlte uns in einigen Spielen für
einige Minuten der Druck im Angriff. So kamen die Niederlage in Barcelona
und der Punktverlust bei den Löwen zustande. Aber wir sind
noch erster in unserer Gruppe, und es ist unser Anspruch, auch erster
zu bleiben. Dann kommt die K.O.-Runde, in der die Tagesform und ein
bisschen Losglück entscheiden. Aber zuerst wollen wir den Gruppensieg,
dann lassen wir uns überaschen.
- ZEBRA:
-
Im DHB-Pokal warten wieder die Füchse Berlin .
- Filip Jicha:
-
Wenn man schon einmal in Deutschland das Pokal-Final-Four in Hamburg
gespielt hat, dann will man dort immer wieder mitspielen. Im
vergangenen Jahr haben wir unsere vielleicht heftigste
Niederlage im Pokal in Gummersbach
erlebt. Da hatten wir keine Chance mehr, das
schnell zu reparieren. Man muss dann ein Jahr warten. Jetzt bei den
Füchsen in Berlin um das Final-Four-Ticket kämpfen zu dürfen, ist eine
reizvolle Aufgabe. Die Füchse haben schon mehrfach gezeigt, dass sie
zu Hause nicht einfach zu schlagen sind. Wir waren die ersten von den
Topclubs, die mit einer Niederlage aus Berlin nach Hause fahren
mussten. Im März wollen und werden wir so einen Abend nicht noch
einmal erleben.
- ZEBRA:
-
Wie planst du deine Zukunft?
- Filip Jicha:
-
Erfolge sind super, dafür spielt man. Aber letztlich muss einem vor
allem der Sport jeden Tag wieder begeistern, es muss Spaß machen, sich
zu quälen. Und diesen Spaß habe ich trotz aller Belastungen nie
verloren. Ich will mich weiter entwicklen und verbessern. Im Handball
bist du nie ein fertiger Spieler, auch mit 35 Jahren kann man immer
wieder etwas Neues lernen. Wenn ich nach einem Spiel im Auto auf dem
Weg nach Hause sitze und das Gefühl habe, meine bestmögliche Leistung
für den Erfolg der Mannschaft gebracht zu haben, ist das Ansporn für
die weitere Arbeit. Dieses Gefühl ist lebenswichtig, sollte es
irgendwann einmal nicht mehr da sein, müsste ich aufhören, Handball zu
spielen. Ich habe ein wenig Angst vor diesem Moment, deshalb hoffe
ich, diese Entscheidung noch viele Jahre nach hinten schieben zu können.
- ZEBRA:
-
In Kiel hätte man sicherlich nichts dagegen, wenn du so lange hier
bleiben würdest .
- Filip Jicha:
-
Mein Vertrag läuft ja noch bis 2014. Natürlich bekomme ich immer
wieder mal Anfragen, ob ich in Kiel noch zufrieden bin. Dann antworte
ich: Wir sind als Familie sehr zufrieden hier. Es würde nicht
funktionieren, wenn nur ich mit meinem sportlichen Leben hier
glücklich wäre. Auch meine Frau und meine Tochter müssen sich wohl und
hier zu Hause fühlen. Und das tun wir, wir haben auch außerhalb der
"Handballfamilie" viele Freunde gewonnen. So kann es weiter gehen.
(Das Gespräch führte Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)