Der THW Kiel hat in der Champions League seine erste Niederlage
hinnehmen müssen. Am späten Sonntagnachmittag verloren die "Zebras" die Neuauflage
des
letztjährigen Finals beim FC Barcelona nach
hartem Kampf mit 29:32 (15:13), bleiben aber dennoch Tabellenführer
in der
Gruppe A. Beste Torschützen
bei den Kielern waren
Tobias Reichmann
und
Christian Zeitz mit jeweils
sieben Treffern,
Thierry Omeyer überzeugte
zudem mit 19 gehaltenen Bällen.
Zu einem wahren Krimi geriet schon am Samstag die Anreise des THW
in die spanische Metropole. Aufgrund des landesweiten Fluglotsenstreits
bei den Iberern "strandete" die Mannschaft am Mittag zunächst auf dem
Münchener Flughafen. Die Weiterreise nach Katalonien gestaltete sich
schwierig, da alle Ausweichflüge nach Südfrankreich bereits ausgebucht
waren. Auf Kosten der EHF, die den Klassiker - im Gegensatz zu der Partie
zwischen Ciudad Real gegen das ebenfalls in München festsitzende Team aus
St. Petersburg - unbedingt am Sonntag anpfeifen lassen wollte, organisierte
der THW Kiel schließlich am späten Nachmittag eine Chartermaschine, die
den Titelverteidiger nach Perpignan bringen sollte, von wo aus die
letzten 200 Kilometer per Bus zurückgelegt werden sollten. Glück im Unglück
hatten die Handballer aber letztlich doch: Während des Fluges ergab sich,
dass das Flugzeug nun doch direkt in Barcelona landen dürfe. So traf
die Mannschaft am Samstagabend gegen 22.15 Uhr in ihrem Hotel ein.
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Aron Palmarsson spielte von Beginn an,
hatte aber eine Menge Pech im Abschluss.
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Alfred Gislason vertraute bei den in
Bestbesetzung antretenden Katalanen zunächst auf die Spieler, die
am vergangenen Mittwoch beim
26:29 in Mannheim
mit von der Partie waren und ließ die angeschlagenen, aber
einsatzbereiten
Christian Sprenger,
Filip Jicha und
Christian Zeitz
erst einmal auf der Bank. Und die "Zebras" begannen stark:
Lundström,
Reichmann
per Gegenstoß nach Ballgewinn von
Kubes
und
Ilic legten ein schnelles 3:0 für die
Gäste vor.
Thierry Omeyer präsentierte
sich von Beginn an in großartiger Verfassung hinter einer Abwehr, die
den Rekord-Champions-League-Sieger zu allerlei Verzweiflungswürfen
hinriss. Da auf der anderen Seite aber auch Danijel Saric zwei Würfe
von
Palmarsson parierte und den Kielern im
Angriff zwei Ballverluste unterliefen, verkürzte "Barca" durch zwei
Einzelleistungen von Entrerrios und Rutenka dennoch auf 2:3.
Die "Zebras" aber legten nach: Omeyer
parierte einen Gegenstoß des blassen Garcia, Lundström
schnappte sich kurz darauf den Ball in der Abwehr und enteilte zum
4:2. Fernandez per Siebenmeter und der
starke Reichmann von Linksaußen (!)
erhöhten gar auf 6:2. Als der junge Linkshänder nach klugem
Palmarsson-Anspiel auch noch das 7:3
markierte, hatte Barcelonas Coach Xavi Pascual zunächst genug
gesehen und nahm nach 14 Minuten seine Auszeit.
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Christian Zeitz kommt langsam wieder
in Schwung: In Barcelona erzielte der Linkshänder sieben Treffer.
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Mit Ugalde, Romero, Nöddesbo, Tomas, Sarmiento und Nagy brachte
Pascual nach und nach eine komplett neue Angriffsformation, und
insbesondere der ungarische Kapitän Nagy und der quirlige Spielmacher
Sarmiento brachten die Kieler Deckung ins Schwimmen - binnen drei
Minuten waren die Gastgeber bis auf einen Treffer herangekommen.
Alfred Gislason brachte daraufhin
Filip Jicha und
Christian Zeitz,
um dem schwächelnden Angriffsspiel neue Impulse zu verleihen;
Jerome Fernandez rückte derweil in
den linken Rückraum. Und besonders
Filip Jicha
fügte sich sofort gut ein, verteidigte mit zwei Treffern und
einer schönen Weiterleitung mit links auf
Christian Zeitz
die knappe Kieler Führung. Der Tscheche ließ sich auch durch eine
Manndeckung von Tomas nicht aus dem Konzept bringen und erhöhte
gar auf 12:10, ehe
Reichmann
den Ball gar zum 13:10 in den Winkel hämmerte. Als
Zeitz dann auch noch einen Treffer des
starken Nagy mit einem Unterarmgeschoss zum 14:11 und einem frechen Tor
in Unterzahl zum 15:11 konterte, war es im
gut gefüllten Palau Blaugrana zwischenzeitlich sehr still geworden.
Doch Ugalde und Romero mit einem Unterarmwurf kurz vor der
Pausensirene brachten die Gastgeber bis zum Seitenwechsel wieder
auf Tuchfühlung.
Da mit
Milutin Dragicevic ausgerechnet
der einzige Kieler Kreisläufer auf dem Spielberichtsbogen bereits
zwei Zeitstrafen kassiert hatte, musste
Alfred Gislason
seine Abwehr für die zweite Halbzeit umstellen.
Filip Jicha
deckte nun auf der Halbposition,
Kubes
agierte dafür in der zweiten Welle als Kreisläufer. Barcelona aber
kam hellwach aus der Kabine und durch Ugalde und Sarmiento
direkt nach Wiederanpfiff zum ersten Ausgleich in der Partie. Die Kieler
blieben dennoch cool: Mit einem sehenswerten Dreher aus vollem Lauf
sorgte der stets auf Höhe der Mittellinie in Empfang genommene
Filip Jicha für die erneute Kieler Führung,
und als
Lundström einen Gegenstoß an den
Pfosten setzte, der Ball dann aber vom Rücken des mittlerweile
eingewechselten
Sjöstrand zum 17:15 ins Tor fiel, kam auch noch das nötige
Glück für den THW hinzu. Spätestens, als
Zeitz
sich dann auf halblinks zum 18:16 durchtankte und
Reichmann
einen weiten
Omeyer-Pass zum 19:16
verwertete, schnupperten die "Zebras" gehörig am dritten Auswärtssieg
in Folge im Palau Blaugrana.
Doch noch waren 25 Minuten zu spielen, und Barcelona kämpfte sich
nach einer leichten Verwirrung in der Kieler Abwehr durch einen
Nöddesbo-Treffer in die Partie zurück. Der THW wirkte nun einige
Minuten lang völlig von der Rolle, lud Ugalde durch Fehler im
Angriff zu zwei Kontern ein. Als dann auch noch
Filip Jicha einen Wurf neben das Tor
setzte, erzielte Tomas in der 38. Minute gar die erste Barca-Führung
zum 20:19. Und es kam noch schlimmer: Der ansonsten gut aufgelegte
Lundström scheiterte freistehend an
seinem sich immer mehr steigernden Landsmann Sjöstrand und der ebenfalls
gute Christian Zeitz verzog einen spontan
angesetzten Wurf, während Nagy und Romero per Siebenmeter auf 22:19
erhöhten.
Barcelona | | Kiel
|
32/61
| 52%
| Würfe
| 29/55
| 53%
|
17/26
| 65%
| Tore von 6m
| 18/25
| 72%
|
2/4
| 50%
| Siebenmetertore
| 1/1
| 100%
|
9/24
| 38%
| Rückraumtore
| 6/25
| 24%
|
4/7
| 57%
| Gegenstoßtore
| 4/4
| 100%
|
Alfred Gislason rief seine Mannschaft
zusammen und dazu auf, im Angriff den Ball wieder disziplinierter
laufen zu lassen. Und in der Tat: Unterstützt durch Paraden
Omeyers gegen Sarmiento, Romero und Nagy
konterten die "Zebras" noch einmal, nach Treffern von
Dragicevic,
Zeitz,
Ilic,
Lundström
und
Reichmann lag der THW wieder mit 24:23 (46.)
vorne. Doch die insgesamt glücklosen
Ilic
und
Palmarsson bissen sich nun auf der
Jagd nach dem 25. Treffer an Barcelonas Abwehr die Zähne aus, auch
Reichmann, dem bis dahin im Angriff alles
gelungen war, scheiterte mit einem Versuch aus dem Rückraum. Bei den Gastgebern
übernahm nun der zuvor mit wenig Spielzeit bedachte Rutenka Verantwortung
und tankte sich zweimal in Folge durch die Kieler Deckung, ehe Nöddesbo
auf 26:24 (51.) für "Barca" erhöhte.
|
Mit 29:32 unterlag der THW in Barcelona.
|
In der Schlussphase versuchten die Kieler noch einmal alles, der zumeist
gut abgedeckte
Dragicevic verkürzte auf 25:26.
Doch nachdem Sarmiento die THW-Abwehr vernaschte,
Sjöstrand gegen
Zeitz parierte und erneut Nöddesbo zum
28:25 traf, lief dem deutschen Rekordmeister langsam die Zeit davon.
Reichmann per Kempatrick, der von
Ilic freigespielte
Lundström
und
Zeitz konnten
Sjöstrand zwar überwinden,
doch Nöddesbo und Rutenka hatten immer die passende Antwort parat.
Als
Kubes in der 59. Spielminute eine
Zeitstrafe kassierte,
Dragicevic Sjöstrand
nicht überwinden konnte und Sarmiento zum 31:28 einnetzte, war das
17. Duell zwischen dem FC Barcelona und dem THW Kiel endgültig entschieden.
Bereits am Samstag gewannen die Rhein-Neckar Löwen, erster Verfolger
des THW in der Champions-League-Gruppe A,
in der SAP-Arena knapp mit 33:32 (14:16) gegen RK Celje Pivovarna Lasko
(SLO) und sind nun wieder punktgleich mit den "Zebras" an der Tabellenspitze.
Da der direkte Vergleich der beiden Bundesligisten aber für den THW spricht,
können die Mannheimer nicht aus eigener Kraft Gruppensieger werden. Am
Sonntag gelang dem polnischen Meister KS Kielce indes der erste Sieg.
Nach dem klaren 31:25-Heimerfolg über Chambery Savoie (FRA) kann die
Mannschaft von Bogdan Wenta wieder vom Achtelfinaleinzug träumen.
Erstmals seit über sieben Jahren hat der THW Kiel zwei Pflichtspiele
in Folge verloren. Da dies aber unter personellen Engpässen und gegen
europäische Spitzenteams geschah, sollte den Fans in schwarz-weiß noch lange
nicht bange werden. In der Königsklasse sind die "Zebras" noch immer auf Kurs
Richtung Gruppensieg, die Saison in der Bundesliga ist noch lang und
der Rückstand auf Tabellenführer HSV Hamburg hält sich im Rahmen. Während einige
Kieler am Montag zu Nationalteam-Einsätzen aufbrechen, ist
der THW am kommenden Samstag wieder gefordert: Um 20.15 Uhr erfolgt dann
der Anpfiff zum Bundesliga-Heimspiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf.
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie bitte auch
Das war sehr schade. Es ist genauso gelaufen wie zuletzt
bei den Rhein-Neckar Löwen. Bei unserer
derzeitigen personellen Situation muss alles passen, damit
wir ein solches Spiel gewinnen. Das hat es leider wieder
nicht. In der 40. Minute haben wir eine Drei-Tore-Führung
verschenkt, den Gegner und die Halle aufgeweckt.
Barcelonas Trainer Xavi Pascual gegenüber den KN:
Um Kiel zu schlagen, muss man exzellent spielen.
Das haben wir heute in der zweiten Halbzeit gemacht.
Mit der Umstellung in der Abwehr auf die 5:1- und
4:2-Deckung haben wir den Rhythmus der Kieler erfolgreich
gestört. Wir hatten zudem einen guten Kontakt zu den Fans.
Ist der so wie heute, sind wir in eigener Halle unschlagbar.
THW-Geschäftsführer Uli Derad gegenüber den KN:
Heute wäre mehr möglich gewesen, aber Barcelona war am
Ende frischer. Die Anreise war ein Grund, ein anderer
unsere personelle Situation. Ich ziehe den Hut vor dieser
Mannschaft, die trotzdem ein solches Spiel abgeliefert hat.
Wir sind weiterhin Gruppenerster, und das wollen wir auch bleiben.
Barca-Urgestein Andrei Xepkin gegenüber den KN:
Kiel fehlt Daniel Narcisse.
Wenn er zurück ist, dann geht es wieder nach oben.
Barcelona hatte heute mehr Möglichkeiten, weil Kiel
einmal mehr so viele Verletzte hat. Der THW wird am Ende
mit Barcelona, Ciudad Real und den Rhein-Neckar Löwen
im Final4 stehen, das sind derzeit die besten vier Mannschaften.
THW-Rechtsaußen Tobias Reichmann gegenüber den KN:
Wir haben eigentlich ganz gut gespielt, aber als wir in der
zweiten Halbzeit in Rückstand gerieten, wollten wir mit aller
Macht aufholen, das hat nicht funktioniert. Die Anreise war
sicher nicht optimal, sie als Argument für diese Niederlage zu
nutzen, wäre aber eine Ausrede.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Stimmt, Rutenka hat mich nicht begrüßt, aber das kam
nicht überraschend. Wir haben in der Abwehr gut gestanden,
uns im Angriff aber nach der Pause das Leben schwer gemacht.
Zweimal haben wir fünf Minuten lang schlecht gespielt,
einmal konnten wir aufholen, beim zweiten Mal nicht. Ob es
an der Anreise lag? Nein, wir hätten trotzdem gewinnen können.
- FC Barcelona (ESP ):
-
Sjöstrand (28.-60., 12 Paraden),
Saric (1.-28., 6 Paraden);
Nöddesbo (5),
Garcia,
Tomas (2),
Entrerrios (1),
Sorhaindo,
Sarmiento (5),
Ugalde (5)
Romero (4/2),
Nagy (6),
Jernemyr,
Rutenka (4),
Rocas,
Oneto (n.e.),
Igropulo;
Trainer: Pascual
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 19/1 Paraden),
Palicka (n.e.);
Lundström (5),
Dragicevic (2),
Sprenger (n.e.),
Kubes,
Reichmann (7),
Zeitz (7),
Palmarsson,
Ilic (2),
Klein (n.e.),
Jicha (5),
Fernandez (1/1);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Vaclav Horacek / Jiri Novotny (Tschechien)
- Zeitstrafen:
-
FCB: 1 (Ugalde (37.));
THW: 4 (2x Dragicevic (11., 28.),
Ilic (38.), Kubes (59.))
- Siebenmeter:
-
FCB: 4/2 (Garcia an die Latte (11.), Omeyer hält Romero (28.));
THW: 1/1
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:3 (3.), 2:3 (7.), 2:6 (11.), 3:6, 3:7, 6:7 (18.), 6:8,
7:8, 7:9, 8:9, 8:10, 9:10, 9:11, 10:11 (24.), 10:13, 11:13,
11:15, 13:15;
2. Hz.: 15:15, 15:17, 16:17, 16:19 (35.), 22:19 (40.), 22:21,
23:21, 23:24 (46.), 26:24 (51.), 26:25, 28:25, 28:26, 29:26,
29:27, 30:27 (55.), 30:28, 31:28, 31:29, 32:29.
- Zuschauer:
-
6.500 (Palau Blaugrana, Barcelona (ESP))
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Die vier deutschen Teams im
EHF-Pokal und
Pokalsieger-Cup haben nach ihren Auftakterfolgen
spielfrei bis Februar 2011. Die Auslosung für die nächste Runde fand am
vergangenen Dienstag statt (siehe
Extra-Bericht).
Die SG Flensburg-Handewitt gewann bereits am Donnerstagabend einen
32:29-Erfolg in Rumänien über HCM Constanta, feierte damit den
fünften Erfolg in der Gruppe D
und zog damit vorerst wieder an Croatia Zagreb (CRO) auf Rang 2
vorbei.
Die Rhein-Neckar Löwen, Gruppengegner und erster Verfolger des THW Kiel in der
Vorrunden-Gruppe A, gewannen am
Samstagnachmittag in der SAP-Arena gegen den slowenischen Meister Celje
Pivovarna Lasko glücklich mit 33:32 (14:16) und bleiben dem THW damit weiter
auf den Fersen.
Der HSV Hamburg gewann am Samstag das Spiteznspiel der
Gruppe B gegen MKB Veszprem
mit 27:26 (13:11). Während die Ungarn trotz ihrer ersten Niederlage
weiter auf Platz 1 der Tabelle stehen, wahrten die Hanseaten damit
ihre Chancen auf den zweiten Rang.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010
Den "Zebras" ging die Puste aus
Auch der starke Omeyer verhinderte 29:32 in Barcelona nicht - Erste Saisonniederlage in der Champions League
Barcelona. Der THW Kiel hatte alles versucht, sich im
letzten Hemd beim spanischen Tabellenführer FC
Barcelona tapfer gewehrt. Den Streik der Fluglotsen
in den Knochen, viele angeschlagene Spieler in seinen
Reihen, sah der Titelverteidiger am siebten Spieltag
der Champions League lange wie ein Sieger aus, verlor
ermattet am Ende aber doch mit 29:32 (15:13).
Als die Partie angepfiffen wurde, hatte der Gast bereits
einen steinigen Weg beschritten. Deshalb hatte
Alfred Gislason auch das Training am
Vormittag gestrichen, die Übungseinheit am Abend war
der Horror-Anreise zum Opfer gefallen. Ausschlafen stand auf
dem Tagesplan, Brunch um halb elf, anschließend ein gemeinsamer
Spaziergang. Eine seriöse Vorbereitung auf einen solchen
Klassiker sieht anders aus. Auch die Schiedsrichter
mussten einige Hürden nehmen. Sie waren am Sonnabend
in Toulouse gelandet, mit dem Bus nach Barcelona gefahren und
dort am Spieltag um vier Uhr morgens angekommen. Die Herren
Horacek und Novotny machten trotzdem einen ausgeschlafenen Eindruck.
Ein seltsamer Rahmen war es dennoch. Einer, zu dem auch die magere
Kulisse und die leeren Oberränge passten. Handball ist hier in Katalonien
nach Fußball und Basketball die Nummer drei, die "Palau" nur bei wirklich
wichtigen Spielen ausverkauft. Ein Gruppenspiel, so die Gedanken der
Fans, ist eben kein Finale. Zudem hatten viele Spanier die bevorstehenden
Feiertage für einen Kurzurlaub genutzt.
Die besondere Akustik in dem Beton-Ufo ermöglichte allerdings auch den
5541 Zuschauern, einen ordentlichen Lärmpegel zu erzeugen. Kräftiges
Pfeifkonzert für die von Filip Jicha auf das
Feld geführten Kieler inklusive. Bei der Vorstellung der Gäste wurde
schnell deutlich, wer das Feindbild ist - Thierry Omeyer.
Siarhei Rutenka, der bei den Kieler Fans so unbeliebte Weißrusse, verweigerte
ihm die Begrüßung. Eine Dummheit, ist ein gereizter Omeyer
doch noch eine Klasse besser. Den Beweis lieferte der starke Franzose, der 17
Bälle parieren sollte, auch gestern.
Jicha, den zuletzt eine Blockade im Rücken behindert
hatte, saß zunächst auf der Bank. Wie belastbar das Sprunggelenk von
Christian Sprenger ist, sollte im Abschlusstraining
herausgefunden werden. Kein Training, keine Erkenntnis. Der Knöchel
von Christian Zeitz war auch vier Wochen nach seinem
Bänderriss erneut dick geworden, auch er schaute erst einmal zu. Auf der Bank saß
erstmals nach seiner Knieoperation vor sieben Monaten auch
Kim Andersson ("ich wollte unbedingt mitfahren").
Vor den Augen seines Nationaltrainers Ola Lindgren wärmte er sich mit den
Kollegen auf, ließ sich mit ihnen auspfeifen, aber er spielte nicht. Ein
Schnupperkurs für den Schweden, der einen Blitzstart sah.
Henrik Lundström, Tobias Reichmann
und Momir Ilic trafen zum schnellen 3:0,
Omeyer parierte glänzend. Der starke
Reichmann ließ den THW in der 13. Minute
erstmals mit vier Toren (7:3) führen, da hatten die ratlosen Gastgeber
ihren erlesenen Kader bereits einmal durchrotiert. Nach den Fluglotsen
schien sich auch "Barca" an den Kielern die Zähne auszubeißen.
Zeitz und Jicha
(Gislason: "60 Minuten hätte er nicht durchgehalten"),
die nach einer Viertelstunde eingewechselt wurden, ließen einen starken
THW schließlich mit einer Zwei-Tore-Führung in die Kabine gehen.
Doch nach dem Seitenwechsel wurde deutlich, dass derzeit die Last nicht
von allen getragen werden kann. Ilic wirkte
völlig ausgepumpt, Aron Palmarsson gelang nicht
viel und Milutin Dragicevic ("ich schlafe manchmal
und mache blöde Fouls") stand nach zwei unglücklichen Abwehraktionen
dicht vor dem Platzverweis. Im Angriff verpasste der Serbe in der
Schlussphase nach Zeitz-Anspiel das 29:30 und
eine erneute Wende. Der gute Schwede im Tor der Spanier, Johan Sjöstrand,
hatte stark pariert. Und als Victor Tomas im Gegenstoß das 31:28 erzielte,
brachen die Dämme. Auch ohne Oberrang.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010)
Aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010
THW-Odyssee nach Barcelona: Starterlaubnis im letzten Moment
Fluglotsen-Streik hätte Handball-Klassiker zwischen Kiel und "Barca" fast verhindert - Schuhe und Trikots im Handgepäck - Retter EHF und Lufthansa
München. Am Sonnabend um 15.15 Uhr sollte der THW Kiel
ursprünglich in Barcelona landen, doch es wurde 22 Uhr,
ehe die "Zebras" ihr Hotel "Prinzesa Sofia" erreichten.
Und - sie hatten Glück dabei, erreichte ihre Maschine doch
als erste den Flughafen "El Prat". An einem Tag, an dem
die Lotsen gemeinschaftlich "erkrankten" und den Luftraum
über Spanien völlig versiegelten. Die Chronologie einer
Anreise auf Umwegen:
Freitag, 23 Uhr:
Erste Meldungen von einem wilden Streik in Spanien erreichen
den THW. Geschäftsführerin
Sabine Holdorf-Schust
entwickelt einen B-Plan: Von München nach Marseille, von
dort mit dem Bus nach Katalonien. Die Lufthansa beruhigt. Noch.
Sonnabend, 11 Uhr:
Der THW fliegt von Hamburg nach München und erfährt in der
Luft, dass die Maschine, die den Titelverteidiger von München
nach Barcelona bringen soll, gestrichen ist. Alle Flüge bis
19 Uhr, so die Nachricht, fallen aus.
12.40 Uhr:
Als der 31-köpfige Tross München erreicht, Rekonvaleszent
Kim Andersson ist auch dabei,
ist die Lage bereits völlig verfahren. Das spanische Militär
will die Lotsen zur Arbeit zwingen, einige, so ist zu hören,
kehren aus Angst vor den Konsequenzen in die Tower zurück,
aber sie arbeiten trotzdem nicht. Bis 19 Uhr sind alle Flüge
nach Spanien gestrichen, auch der des THW.
14 Uhr:
Der B-Plan ist gescheitert. Der Flug nach Marseille,
für 14.45 Uhr terminiert, ist längst überbucht. In
München herrscht Chaos, Lyon wäre eine Option, aber eine
vage. Neben einem Ziel fehlte ein Großteil der Reisetaschen.
Vorsorglich hatten die Spieler Trikots und Schuhe im Handgepäck.
Zu diesem Zeitpunkt hätten die "Zebras" im Anzug geharzte
Bälle werfen müssen. Die EHF schlägt vor, eine Chartermaschine
zu organisieren.
15 Uhr:
Im "Cafe Käfer" im Airport-Terminal treffen die Kieler das Team
aus St. Petersburg. Das Spiel der Russen, das am Sonntag um 19
Uhr in Ciudad Real angepfiffen werden soll, ist gerade von
der Europäischen Handball-Föderation (EHF) abgesagt worden.
Den Klassiker will sie aber auf keinen Fall streichen, schließlich
wird er in 20 Ländern übertragen. "Wenn die EHF dafür sorgt, dass wir
nach Barcelona kommen, dürfen wir gar nicht ablehnen", sagt
Holdorf-Schust.
16 Uhr:
Die Chartermaschine ist gefunden, sie soll die Kieler
ins französische Perpignan bringen, von dort würde der
FC Barcelona sie mit dem Bus abholen lassen. Es ist die Maschine,
die den Meister der Vorsaison aus Großwallstadt direkt nach Kiel
gebracht hatte - endlich ein gutes Omen. Daran, einfach umzukehren,
denkt der THW nicht. Am 8. März 2011 wird das Achtelfinale ausgelost,
im Kalender findet sich bis dahin keine Lücke, um ein Gruppenspiel zu
wiederholen.
16.15 Uhr:
Alles schien geregelt. Schien. Es gibt keine Lande- und Starterlaubnis
für den Charter, der Luftraum über München ist zu voll. Dabei
hatte es einen Silberstreif gegeben, statt Perpignan und einer 200
Kilometer langen Busreise war der Direktflug eine Option. Außerdem war
das Gepäck dank engagierter Lufthansa-Mitarbeiter aufgetaucht.
Die Kieler entscheiden sich für eine letzte Frist: Gibt es bis 19 Uhr
kein grünes Licht, wollen sie den Horror-Trip abbrechen.
18.30 Uhr:
Es gibt die Starterlaubnis und kurz vor dem Abflug auch die Nachricht,
dass die Maschine in Barcelona landen wird. "Letztlich haben auch die
EHF und Barcelona einen großen Anteil daran, dass dieses Spiel stattfinden
wird", sagte
Holdorf-Schust, die Vergleichbares
in den vergangenen elf Jahren noch nicht erlebt hat.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010)