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05./06.12.2010 - Letzte Aktualisierung: 06.12.2010 Champions League

Champions League: THW verliert Klassiker in Barcelona

CL, Gruppe A, 2. Spieltag: 05.12.2010, So., 17.15: FC Barcelona - THW Kiel: 32:29 (15:13)
Update #2 KN-Berichte, Spielbericht, Statistik und Bilder ergänzt ...

Tobias Reichmann überzeugte mit sieben Treffern aus acht Versuchen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Tobias Reichmann überzeugte mit sieben Treffern aus acht Versuchen.
Der THW Kiel hat in der Champions League seine erste Niederlage hinnehmen müssen. Am späten Sonntagnachmittag verloren die "Zebras" die Neuauflage des letztjährigen Finals beim FC Barcelona nach hartem Kampf mit 29:32 (15:13), bleiben aber dennoch Tabellenführer in der Gruppe A. Beste Torschützen bei den Kielern waren Tobias Reichmann und Christian Zeitz mit jeweils sieben Treffern, Thierry Omeyer überzeugte zudem mit 19 gehaltenen Bällen.
Zu einem wahren Krimi geriet schon am Samstag die Anreise des THW in die spanische Metropole. Aufgrund des landesweiten Fluglotsenstreits bei den Iberern "strandete" die Mannschaft am Mittag zunächst auf dem Münchener Flughafen. Die Weiterreise nach Katalonien gestaltete sich schwierig, da alle Ausweichflüge nach Südfrankreich bereits ausgebucht waren. Auf Kosten der EHF, die den Klassiker - im Gegensatz zu der Partie zwischen Ciudad Real gegen das ebenfalls in München festsitzende Team aus St. Petersburg - unbedingt am Sonntag anpfeifen lassen wollte, organisierte der THW Kiel schließlich am späten Nachmittag eine Chartermaschine, die den Titelverteidiger nach Perpignan bringen sollte, von wo aus die letzten 200 Kilometer per Bus zurückgelegt werden sollten. Glück im Unglück hatten die Handballer aber letztlich doch: Während des Fluges ergab sich, dass das Flugzeug nun doch direkt in Barcelona landen dürfe. So traf die Mannschaft am Samstagabend gegen 22.15 Uhr in ihrem Hotel ein.

Aron Palmarsson spielte von Beginn an, hatte aber eine Menge Pech im Abschluss.
Klicken Sie zum Vergrößern! Aron Palmarsson spielte von Beginn an, hatte aber eine Menge Pech im Abschluss.
Alfred Gislason vertraute bei den in Bestbesetzung antretenden Katalanen zunächst auf die Spieler, die am vergangenen Mittwoch beim 26:29 in Mannheim mit von der Partie waren und ließ die angeschlagenen, aber einsatzbereiten Christian Sprenger, Filip Jicha und Christian Zeitz erst einmal auf der Bank. Und die "Zebras" begannen stark: Lundström, Reichmann per Gegenstoß nach Ballgewinn von Kubes und Ilic legten ein schnelles 3:0 für die Gäste vor. Thierry Omeyer präsentierte sich von Beginn an in großartiger Verfassung hinter einer Abwehr, die den Rekord-Champions-League-Sieger zu allerlei Verzweiflungswürfen hinriss. Da auf der anderen Seite aber auch Danijel Saric zwei Würfe von Palmarsson parierte und den Kielern im Angriff zwei Ballverluste unterliefen, verkürzte "Barca" durch zwei Einzelleistungen von Entrerrios und Rutenka dennoch auf 2:3.

Die "Zebras" aber legten nach: Omeyer parierte einen Gegenstoß des blassen Garcia, Lundström schnappte sich kurz darauf den Ball in der Abwehr und enteilte zum 4:2. Fernandez per Siebenmeter und der starke Reichmann von Linksaußen (!) erhöhten gar auf 6:2. Als der junge Linkshänder nach klugem Palmarsson-Anspiel auch noch das 7:3 markierte, hatte Barcelonas Coach Xavi Pascual zunächst genug gesehen und nahm nach 14 Minuten seine Auszeit.

Christian Zeitz kommt langsam wieder in Schwung: In Barcelona erzielte der Linkshänder sieben Treffer.
Klicken Sie zum Vergrößern! Christian Zeitz kommt langsam wieder in Schwung: In Barcelona erzielte der Linkshänder sieben Treffer.
Mit Ugalde, Romero, Nöddesbo, Tomas, Sarmiento und Nagy brachte Pascual nach und nach eine komplett neue Angriffsformation, und insbesondere der ungarische Kapitän Nagy und der quirlige Spielmacher Sarmiento brachten die Kieler Deckung ins Schwimmen - binnen drei Minuten waren die Gastgeber bis auf einen Treffer herangekommen. Alfred Gislason brachte daraufhin Filip Jicha und Christian Zeitz, um dem schwächelnden Angriffsspiel neue Impulse zu verleihen; Jerome Fernandez rückte derweil in den linken Rückraum. Und besonders Filip Jicha fügte sich sofort gut ein, verteidigte mit zwei Treffern und einer schönen Weiterleitung mit links auf Christian Zeitz die knappe Kieler Führung. Der Tscheche ließ sich auch durch eine Manndeckung von Tomas nicht aus dem Konzept bringen und erhöhte gar auf 12:10, ehe Reichmann den Ball gar zum 13:10 in den Winkel hämmerte. Als Zeitz dann auch noch einen Treffer des starken Nagy mit einem Unterarmgeschoss zum 14:11 und einem frechen Tor in Unterzahl zum 15:11 konterte, war es im gut gefüllten Palau Blaugrana zwischenzeitlich sehr still geworden. Doch Ugalde und Romero mit einem Unterarmwurf kurz vor der Pausensirene brachten die Gastgeber bis zum Seitenwechsel wieder auf Tuchfühlung.

Anweisungen von Alfred Gislason an Filip Jicha.
Klicken Sie zum Vergrößern! Anweisungen von Alfred Gislason an Filip Jicha.
Da mit Milutin Dragicevic ausgerechnet der einzige Kieler Kreisläufer auf dem Spielberichtsbogen bereits zwei Zeitstrafen kassiert hatte, musste Alfred Gislason seine Abwehr für die zweite Halbzeit umstellen. Filip Jicha deckte nun auf der Halbposition, Kubes agierte dafür in der zweiten Welle als Kreisläufer. Barcelona aber kam hellwach aus der Kabine und durch Ugalde und Sarmiento direkt nach Wiederanpfiff zum ersten Ausgleich in der Partie. Die Kieler blieben dennoch cool: Mit einem sehenswerten Dreher aus vollem Lauf sorgte der stets auf Höhe der Mittellinie in Empfang genommene Filip Jicha für die erneute Kieler Führung, und als Lundström einen Gegenstoß an den Pfosten setzte, der Ball dann aber vom Rücken des mittlerweile eingewechselten Sjöstrand zum 17:15 ins Tor fiel, kam auch noch das nötige Glück für den THW hinzu. Spätestens, als Zeitz sich dann auf halblinks zum 18:16 durchtankte und Reichmann einen weiten Omeyer-Pass zum 19:16 verwertete, schnupperten die "Zebras" gehörig am dritten Auswärtssieg in Folge im Palau Blaugrana.

Doch noch waren 25 Minuten zu spielen, und Barcelona kämpfte sich nach einer leichten Verwirrung in der Kieler Abwehr durch einen Nöddesbo-Treffer in die Partie zurück. Der THW wirkte nun einige Minuten lang völlig von der Rolle, lud Ugalde durch Fehler im Angriff zu zwei Kontern ein. Als dann auch noch Filip Jicha einen Wurf neben das Tor setzte, erzielte Tomas in der 38. Minute gar die erste Barca-Führung zum 20:19. Und es kam noch schlimmer: Der ansonsten gut aufgelegte Lundström scheiterte freistehend an seinem sich immer mehr steigernden Landsmann Sjöstrand und der ebenfalls gute Christian Zeitz verzog einen spontan angesetzten Wurf, während Nagy und Romero per Siebenmeter auf 22:19 erhöhten.

Barcelona Kiel
32/61 52% Würfe 29/55 53%
17/26 65% Tore von 6m 18/25 72%
2/4 50% Siebenmetertore 1/1 100%
9/24 38% Rückraumtore 6/25 24%
4/7 57% Gegenstoßtore 4/4 100%
Alfred Gislason rief seine Mannschaft zusammen und dazu auf, im Angriff den Ball wieder disziplinierter laufen zu lassen. Und in der Tat: Unterstützt durch Paraden Omeyers gegen Sarmiento, Romero und Nagy konterten die "Zebras" noch einmal, nach Treffern von Dragicevic, Zeitz, Ilic, Lundström und Reichmann lag der THW wieder mit 24:23 (46.) vorne. Doch die insgesamt glücklosen Ilic und Palmarsson bissen sich nun auf der Jagd nach dem 25. Treffer an Barcelonas Abwehr die Zähne aus, auch Reichmann, dem bis dahin im Angriff alles gelungen war, scheiterte mit einem Versuch aus dem Rückraum. Bei den Gastgebern übernahm nun der zuvor mit wenig Spielzeit bedachte Rutenka Verantwortung und tankte sich zweimal in Folge durch die Kieler Deckung, ehe Nöddesbo auf 26:24 (51.) für "Barca" erhöhte.

Mit 29:32 unterlag der THW in Barcelona.
Klicken Sie zum Vergrößern! Mit 29:32 unterlag der THW in Barcelona.
In der Schlussphase versuchten die Kieler noch einmal alles, der zumeist gut abgedeckte Dragicevic verkürzte auf 25:26. Doch nachdem Sarmiento die THW-Abwehr vernaschte, Sjöstrand gegen Zeitz parierte und erneut Nöddesbo zum 28:25 traf, lief dem deutschen Rekordmeister langsam die Zeit davon. Reichmann per Kempatrick, der von Ilic freigespielte Lundström und Zeitz konnten Sjöstrand zwar überwinden, doch Nöddesbo und Rutenka hatten immer die passende Antwort parat. Als Kubes in der 59. Spielminute eine Zeitstrafe kassierte, Dragicevic Sjöstrand nicht überwinden konnte und Sarmiento zum 31:28 einnetzte, war das 17. Duell zwischen dem FC Barcelona und dem THW Kiel endgültig entschieden.

Bereits am Samstag gewannen die Rhein-Neckar Löwen, erster Verfolger des THW in der Champions-League-Gruppe A, in der SAP-Arena knapp mit 33:32 (14:16) gegen RK Celje Pivovarna Lasko (SLO) und sind nun wieder punktgleich mit den "Zebras" an der Tabellenspitze. Da der direkte Vergleich der beiden Bundesligisten aber für den THW spricht, können die Mannheimer nicht aus eigener Kraft Gruppensieger werden. Am Sonntag gelang dem polnischen Meister KS Kielce indes der erste Sieg. Nach dem klaren 31:25-Heimerfolg über Chambery Savoie (FRA) kann die Mannschaft von Bogdan Wenta wieder vom Achtelfinaleinzug träumen.

Erstmals seit über sieben Jahren hat der THW Kiel zwei Pflichtspiele in Folge verloren. Da dies aber unter personellen Engpässen und gegen europäische Spitzenteams geschah, sollte den Fans in schwarz-weiß noch lange nicht bange werden. In der Königsklasse sind die "Zebras" noch immer auf Kurs Richtung Gruppensieg, die Saison in der Bundesliga ist noch lang und der Rückstand auf Tabellenführer HSV Hamburg hält sich im Rahmen. Während einige Kieler am Montag zu Nationalteam-Einsätzen aufbrechen, ist der THW am kommenden Samstag wieder gefordert: Um 20.15 Uhr erfolgt dann der Anpfiff zum Bundesliga-Heimspiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf.

(Sascha Krokowski)

Lesen Sie bitte auch


Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason gegenüber den KN:
Das war sehr schade. Es ist genauso gelaufen wie zuletzt bei den Rhein-Neckar Löwen. Bei unserer derzeitigen personellen Situation muss alles passen, damit wir ein solches Spiel gewinnen. Das hat es leider wieder nicht. In der 40. Minute haben wir eine Drei-Tore-Führung verschenkt, den Gegner und die Halle aufgeweckt.
Barcelonas Trainer Xavi Pascual gegenüber den KN:
Um Kiel zu schlagen, muss man exzellent spielen. Das haben wir heute in der zweiten Halbzeit gemacht. Mit der Umstellung in der Abwehr auf die 5:1- und 4:2-Deckung haben wir den Rhythmus der Kieler erfolgreich gestört. Wir hatten zudem einen guten Kontakt zu den Fans. Ist der so wie heute, sind wir in eigener Halle unschlagbar.
THW-Geschäftsführer Uli Derad gegenüber den KN:
Heute wäre mehr möglich gewesen, aber Barcelona war am Ende frischer. Die Anreise war ein Grund, ein anderer unsere personelle Situation. Ich ziehe den Hut vor dieser Mannschaft, die trotzdem ein solches Spiel abgeliefert hat. Wir sind weiterhin Gruppenerster, und das wollen wir auch bleiben.
Barca-Urgestein Andrei Xepkin gegenüber den KN:
Kiel fehlt Daniel Narcisse. Wenn er zurück ist, dann geht es wieder nach oben. Barcelona hatte heute mehr Möglichkeiten, weil Kiel einmal mehr so viele Verletzte hat. Der THW wird am Ende mit Barcelona, Ciudad Real und den Rhein-Neckar Löwen im Final4 stehen, das sind derzeit die besten vier Mannschaften.
THW-Rechtsaußen Tobias Reichmann gegenüber den KN:
Wir haben eigentlich ganz gut gespielt, aber als wir in der zweiten Halbzeit in Rückstand gerieten, wollten wir mit aller Macht aufholen, das hat nicht funktioniert. Die Anreise war sicher nicht optimal, sie als Argument für diese Niederlage zu nutzen, wäre aber eine Ausrede.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Stimmt, Rutenka hat mich nicht begrüßt, aber das kam nicht überraschend. Wir haben in der Abwehr gut gestanden, uns im Angriff aber nach der Pause das Leben schwer gemacht. Zweimal haben wir fünf Minuten lang schlecht gespielt, einmal konnten wir aufholen, beim zweiten Mal nicht. Ob es an der Anreise lag? Nein, wir hätten trotzdem gewinnen können.

Champions League, Gruppe A, 2. Spieltag: 05.12.10, So., 17.15: FC Barcelona (ESP) - THW Kiel: 32:29 (13:15)

Logo Leon FC Barcelona (ESP Flagge ESP):
Sjöstrand (28.-60., 12 Paraden), Saric (1.-28., 6 Paraden); Nöddesbo (5), Garcia, Tomas (2), Entrerrios (1), Sorhaindo, Sarmiento (5), Ugalde (5) Romero (4/2), Nagy (6), Jernemyr, Rutenka (4), Rocas, Oneto (n.e.), Igropulo; Trainer: Pascual
Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-60., 19/1 Paraden), Palicka (n.e.); Lundström (5), Dragicevic (2), Sprenger (n.e.), Kubes, Reichmann (7), Zeitz (7), Palmarsson, Ilic (2), Klein (n.e.), Jicha (5), Fernandez (1/1); Trainer: Gislason
Schiedsrichter:
Vaclav Horacek / Jiri Novotny (Tschechien)
Zeitstrafen:
FCB: 1 (Ugalde (37.));
THW: 4 (2x Dragicevic (11., 28.), Ilic (38.), Kubes (59.))
Siebenmeter:
FCB: 4/2 (Garcia an die Latte (11.), Omeyer hält Romero (28.));
THW: 1/1
Spielfilm:
1. Hz.: 0:3 (3.), 2:3 (7.), 2:6 (11.), 3:6, 3:7, 6:7 (18.), 6:8, 7:8, 7:9, 8:9, 8:10, 9:10, 9:11, 10:11 (24.), 10:13, 11:13, 11:15, 13:15;
2. Hz.: 15:15, 15:17, 16:17, 16:19 (35.), 22:19 (40.), 22:21, 23:21, 23:24 (46.), 26:24 (51.), 26:25, 28:25, 28:26, 29:26, 29:27, 30:27 (55.), 30:28, 31:28, 31:29, 32:29.
Zuschauer:
6.500 (Palau Blaugrana, Barcelona (ESP))

Kurzumfragen:

Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.

 

Die anderen deutschen Europapokal-Teilnehmer

Die vier deutschen Teams im EHF-Pokal und Pokalsieger-Cup haben nach ihren Auftakterfolgen spielfrei bis Februar 2011. Die Auslosung für die nächste Runde fand am vergangenen Dienstag statt (siehe Extra-Bericht).

Die SG Flensburg-Handewitt gewann bereits am Donnerstagabend einen 32:29-Erfolg in Rumänien über HCM Constanta, feierte damit den fünften Erfolg in der Gruppe D und zog damit vorerst wieder an Croatia Zagreb (CRO) auf Rang 2 vorbei.

Die Rhein-Neckar Löwen, Gruppengegner und erster Verfolger des THW Kiel in der Vorrunden-Gruppe A, gewannen am Samstagnachmittag in der SAP-Arena gegen den slowenischen Meister Celje Pivovarna Lasko glücklich mit 33:32 (14:16) und bleiben dem THW damit weiter auf den Fersen.

Der HSV Hamburg gewann am Samstag das Spiteznspiel der Gruppe B gegen MKB Veszprem mit 27:26 (13:11). Während die Ungarn trotz ihrer ersten Niederlage weiter auf Platz 1 der Tabelle stehen, wahrten die Hanseaten damit ihre Chancen auf den zweiten Rang.

Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010

Den "Zebras" ging die Puste aus

Auch der starke Omeyer verhinderte 29:32 in Barcelona nicht - Erste Saisonniederlage in der Champions League
Barcelona. Der THW Kiel hatte alles versucht, sich im letzten Hemd beim spanischen Tabellenführer FC Barcelona tapfer gewehrt. Den Streik der Fluglotsen in den Knochen, viele angeschlagene Spieler in seinen Reihen, sah der Titelverteidiger am siebten Spieltag der Champions League lange wie ein Sieger aus, verlor ermattet am Ende aber doch mit 29:32 (15:13).

Als die Partie angepfiffen wurde, hatte der Gast bereits einen steinigen Weg beschritten. Deshalb hatte Alfred Gislason auch das Training am Vormittag gestrichen, die Übungseinheit am Abend war der Horror-Anreise zum Opfer gefallen. Ausschlafen stand auf dem Tagesplan, Brunch um halb elf, anschließend ein gemeinsamer Spaziergang. Eine seriöse Vorbereitung auf einen solchen Klassiker sieht anders aus. Auch die Schiedsrichter mussten einige Hürden nehmen. Sie waren am Sonnabend in Toulouse gelandet, mit dem Bus nach Barcelona gefahren und dort am Spieltag um vier Uhr morgens angekommen. Die Herren Horacek und Novotny machten trotzdem einen ausgeschlafenen Eindruck.

Ein seltsamer Rahmen war es dennoch. Einer, zu dem auch die magere Kulisse und die leeren Oberränge passten. Handball ist hier in Katalonien nach Fußball und Basketball die Nummer drei, die "Palau" nur bei wirklich wichtigen Spielen ausverkauft. Ein Gruppenspiel, so die Gedanken der Fans, ist eben kein Finale. Zudem hatten viele Spanier die bevorstehenden Feiertage für einen Kurzurlaub genutzt.

Die besondere Akustik in dem Beton-Ufo ermöglichte allerdings auch den 5541 Zuschauern, einen ordentlichen Lärmpegel zu erzeugen. Kräftiges Pfeifkonzert für die von Filip Jicha auf das Feld geführten Kieler inklusive. Bei der Vorstellung der Gäste wurde schnell deutlich, wer das Feindbild ist - Thierry Omeyer. Siarhei Rutenka, der bei den Kieler Fans so unbeliebte Weißrusse, verweigerte ihm die Begrüßung. Eine Dummheit, ist ein gereizter Omeyer doch noch eine Klasse besser. Den Beweis lieferte der starke Franzose, der 17 Bälle parieren sollte, auch gestern.

Jicha, den zuletzt eine Blockade im Rücken behindert hatte, saß zunächst auf der Bank. Wie belastbar das Sprunggelenk von Christian Sprenger ist, sollte im Abschlusstraining herausgefunden werden. Kein Training, keine Erkenntnis. Der Knöchel von Christian Zeitz war auch vier Wochen nach seinem Bänderriss erneut dick geworden, auch er schaute erst einmal zu. Auf der Bank saß erstmals nach seiner Knieoperation vor sieben Monaten auch Kim Andersson ("ich wollte unbedingt mitfahren"). Vor den Augen seines Nationaltrainers Ola Lindgren wärmte er sich mit den Kollegen auf, ließ sich mit ihnen auspfeifen, aber er spielte nicht. Ein Schnupperkurs für den Schweden, der einen Blitzstart sah. Henrik Lundström, Tobias Reichmann und Momir Ilic trafen zum schnellen 3:0, Omeyer parierte glänzend. Der starke Reichmann ließ den THW in der 13. Minute erstmals mit vier Toren (7:3) führen, da hatten die ratlosen Gastgeber ihren erlesenen Kader bereits einmal durchrotiert. Nach den Fluglotsen schien sich auch "Barca" an den Kielern die Zähne auszubeißen. Zeitz und Jicha (Gislason: "60 Minuten hätte er nicht durchgehalten"), die nach einer Viertelstunde eingewechselt wurden, ließen einen starken THW schließlich mit einer Zwei-Tore-Führung in die Kabine gehen.

Doch nach dem Seitenwechsel wurde deutlich, dass derzeit die Last nicht von allen getragen werden kann. Ilic wirkte völlig ausgepumpt, Aron Palmarsson gelang nicht viel und Milutin Dragicevic ("ich schlafe manchmal und mache blöde Fouls") stand nach zwei unglücklichen Abwehraktionen dicht vor dem Platzverweis. Im Angriff verpasste der Serbe in der Schlussphase nach Zeitz-Anspiel das 29:30 und eine erneute Wende. Der gute Schwede im Tor der Spanier, Johan Sjöstrand, hatte stark pariert. Und als Victor Tomas im Gegenstoß das 31:28 erzielte, brachen die Dämme. Auch ohne Oberrang.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010

THW-Odyssee nach Barcelona: Starterlaubnis im letzten Moment

Fluglotsen-Streik hätte Handball-Klassiker zwischen Kiel und "Barca" fast verhindert - Schuhe und Trikots im Handgepäck - Retter EHF und Lufthansa
München. Am Sonnabend um 15.15 Uhr sollte der THW Kiel ursprünglich in Barcelona landen, doch es wurde 22 Uhr, ehe die "Zebras" ihr Hotel "Prinzesa Sofia" erreichten. Und - sie hatten Glück dabei, erreichte ihre Maschine doch als erste den Flughafen "El Prat". An einem Tag, an dem die Lotsen gemeinschaftlich "erkrankten" und den Luftraum über Spanien völlig versiegelten. Die Chronologie einer Anreise auf Umwegen:

Freitag, 23 Uhr:
Erste Meldungen von einem wilden Streik in Spanien erreichen den THW. Geschäftsführerin Sabine Holdorf-Schust entwickelt einen B-Plan: Von München nach Marseille, von dort mit dem Bus nach Katalonien. Die Lufthansa beruhigt. Noch.
Sonnabend, 11 Uhr:
Der THW fliegt von Hamburg nach München und erfährt in der Luft, dass die Maschine, die den Titelverteidiger von München nach Barcelona bringen soll, gestrichen ist. Alle Flüge bis 19 Uhr, so die Nachricht, fallen aus.
12.40 Uhr:
Als der 31-köpfige Tross München erreicht, Rekonvaleszent Kim Andersson ist auch dabei, ist die Lage bereits völlig verfahren. Das spanische Militär will die Lotsen zur Arbeit zwingen, einige, so ist zu hören, kehren aus Angst vor den Konsequenzen in die Tower zurück, aber sie arbeiten trotzdem nicht. Bis 19 Uhr sind alle Flüge nach Spanien gestrichen, auch der des THW.
14 Uhr:
Der B-Plan ist gescheitert. Der Flug nach Marseille, für 14.45 Uhr terminiert, ist längst überbucht. In München herrscht Chaos, Lyon wäre eine Option, aber eine vage. Neben einem Ziel fehlte ein Großteil der Reisetaschen. Vorsorglich hatten die Spieler Trikots und Schuhe im Handgepäck. Zu diesem Zeitpunkt hätten die "Zebras" im Anzug geharzte Bälle werfen müssen. Die EHF schlägt vor, eine Chartermaschine zu organisieren.
15 Uhr:
Im "Cafe Käfer" im Airport-Terminal treffen die Kieler das Team aus St. Petersburg. Das Spiel der Russen, das am Sonntag um 19 Uhr in Ciudad Real angepfiffen werden soll, ist gerade von der Europäischen Handball-Föderation (EHF) abgesagt worden. Den Klassiker will sie aber auf keinen Fall streichen, schließlich wird er in 20 Ländern übertragen. "Wenn die EHF dafür sorgt, dass wir nach Barcelona kommen, dürfen wir gar nicht ablehnen", sagt Holdorf-Schust.
16 Uhr:
Die Chartermaschine ist gefunden, sie soll die Kieler ins französische Perpignan bringen, von dort würde der FC Barcelona sie mit dem Bus abholen lassen. Es ist die Maschine, die den Meister der Vorsaison aus Großwallstadt direkt nach Kiel gebracht hatte - endlich ein gutes Omen. Daran, einfach umzukehren, denkt der THW nicht. Am 8. März 2011 wird das Achtelfinale ausgelost, im Kalender findet sich bis dahin keine Lücke, um ein Gruppenspiel zu wiederholen.
16.15 Uhr:
Alles schien geregelt. Schien. Es gibt keine Lande- und Starterlaubnis für den Charter, der Luftraum über München ist zu voll. Dabei hatte es einen Silberstreif gegeben, statt Perpignan und einer 200 Kilometer langen Busreise war der Direktflug eine Option. Außerdem war das Gepäck dank engagierter Lufthansa-Mitarbeiter aufgetaucht. Die Kieler entscheiden sich für eine letzte Frist: Gibt es bis 19 Uhr kein grünes Licht, wollen sie den Horror-Trip abbrechen.
18.30 Uhr:
Es gibt die Starterlaubnis und kurz vor dem Abflug auch die Nachricht, dass die Maschine in Barcelona landen wird. "Letztlich haben auch die EHF und Barcelona einen großen Anteil daran, dass dieses Spiel stattfinden wird", sagte Holdorf-Schust, die Vergleichbares in den vergangenen elf Jahren noch nicht erlebt hat.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 06.12.2010)


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