Der THW Kiel musste am Mittwoch im Bundesliga-Spitzenspiel in Mannheim
seine dritte Saison-Niederlage hinnehmen. Im letzten Teil der
"Löwen-Trilogie" musste
Alfred Gislason
auch noch auf
Christian Sprenger und
Goalgetter
Filip Jicha verzichten - ein
zu großer Aderlass für die "Zebras", die beim 26:29 (14:15) eine
Dreiviertelstunde lang mit den Gastgebern mithielten, durch vier Gegentore
in Folge dann aber auf die Verliererstraße gerieten. Bester Torschütze beim
THW war
Milutin Dragicevic mit acht Treffern.
Die personellen Hiobsbotschaften rissen für
Alfred Gislason
nicht ab: Zwar meldete sich der noch immer angeschlagene
Christian Zeitz für das Spiel in
der SAP-Arena wieder einsatzbereit, doch zum Kieler Lazarett
um
Kim Andersson,
Daniel Narcisse
und
Marcus Ahlm gesellte sich nun auch
noch Top-Torschütze
Filip Jicha hinzu.
Der Tscheche konnte wegen eines Hexenschusses ebenso wenig eingreifen
wie
Christian Sprenger, der nach seiner
am Freitag zugezogenen Weichteilquetschung im Fuß ebenfalls nur auf
der Bank Platz nahm wie Blitz-Verpflichtung
Robert Arrhenius.
Die Mannschaft stellte sich also fast von alleine auf:
Palmarsson,
Ilic
und
Fernandez begannen im Rückraum,
Dragicevic am Kreis,
Klein
und
Reichmann auf den Außen sowie
Thierry Omeyer im Tor.
Vor nicht ganz 12.000 Zuschauern in der SAP-Arena begannen die
Rhein-Neckar Löwen fulminant: Nach Treffern von Stefansson, Bielecki
und Groetzki legte der Gastgeber ein schnelles 3:1 vor. Doch die Kieler
fanden nach zwei tollen
Dragicevic-Treffern
und einer Parade
Omeyers gegen Myrhol in
die Partie und kamen zum 3:3-Ausgleich. Insgesamt dominierten die
Angriffsreihen die Anfangsphase, während die beiden Welthandballer
der vergangenen beiden Jahre zwischen den Pfosten, Slawomir Szmal
und
Thierry Omeyer, sich zunächst kaum
auszeichnen konnten. Die Rhein-Neckar Löwen legten erst einmal weiter
vor, besonders der überraschend auf der Spielmacherposition beginnende
Schweizer Neuzugang Andi Schmid riss das Spiel an sich und begeisterte
mit guten Anspielen und insgesamt fünf Treffern in der ersten Halbzeit.
Doch auch bei den "Zebras" lief es im Angriff, besonders die Achse
Palmarsson/
Dragicevic
sorgte immer wieder für Kieler Treffer. Nachdem Gensheimer das 7:5 für
die Gastgeber erzielte, ging der THW durch einen abgefälschten
Palmarsson-Wurf, einen
Klein-Gegenstoß
nach weitem
Omeyer-Pass und einem
weiteren Konter von
Reichmann nach einem
Block von
Ilic gegen Bielecki nach 14 Minuten
sogar mit 8:7 in Führung.
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Andi Schmid kam zu fünf Treffern. Erst mit dem Halbzeitpfiff
scheiterte der Schweizer erstmals - sein direkter Freiwurf
prallte an den Pfosten.
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Jedoch nutzten die Kieler in der weiteren Phase ihre Chancen nicht.
Der unglücklich agierende
Ilic scheiterte
vom Siebenmeterpunkt am immer stärker werdenden Slawomir Szmal, der
wenig später auch eine spektakuläre Doppelparade gegen die Kieler
Außen zeigte. So gingen die Löwen trotz zweier "Fahrkarten" von
Tkaczyk durch Groetzki und Schmid wieder mit 11:10 (19.) in Führung.
Alfred Gislason reagierte nun, verschaffte
Jerome Fernandez eine Ruhepause und brachte
Christian Zeitz in die Partie. Die Glanzpunkte
im Kieler Spiel setzte aber weiterhin
Aron Palmarsson
mit einem grandiosen Schlagwurf zum 12:13 und Anspielen auf
Reichmann und den zumindest im Angriff
großartig auftrumpfenden
Milutin Dragicevic.
So blieben die "Zebras" trotz nur drei Paraden von
Omeyer
in der ersten Halbzeit und einem Dusel-Treffer von Groetzki, als der
bereits entschärfte Ball im hohen Bogen kurz vor der Torlinie ins
Spielfeld zurückprallte und sich dann doch entschied, ins Netz zu trudeln,
stets auf Tuchfühlung und gingen "nur" mit einem 14:15-Rückstand in die Kabinen.
Als nach Wiederanpfiff zunächst Reichmann in
Überzahl den Ausgleich erzielte, dann Omeyer
endlich einmal einen Rückraumwurf entschärfte und schließlich
Dragicevic - wieder einmal nach Anspiel
Palmarssons - den THW sogar in
Führung warf, schien trotz der Personalsituation ein Sieg in Mannheim
möglich. Doch nun schlichen sich zu viele Fehler ins Kieler Angriffsspiel
ein. Der etwas übermotivierte Zeitz warf
vorbei und kassierte wenig später eine Zeitstrafe, Palmarsson
und Ilic scheiterten an Szmal, und Gensheimer
brachte seine Farben mit einem Hattrick wieder nach vorne. Als dann auch
noch Tkaczyk die Lücke in der Kieler Deckung fand, lagen die Rhein-Neckar Löwen
beim 19:16 (37.) sogar erstmals mit drei Toren vorn.
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Christian Zeitz kam zu seinem Comeback,
konnte aber an seine starken Leistungen vor seiner Verletzung
noch nicht anknüpfen.
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Der deutsche Rekordmeister ließ sich aber noch nicht abschütteln: Mit
Fernandez im linken Rückraum für
Ilic versuchte
Alfred Gislason
eine neue Angriffsvariante, zudem lief auch
Thierry Omeyer
zwischen den Pfosten kurzzeitig warm. Der Franzose parierte freie Würfe
von Groetzki und Myrhol und sorgte dafür, dass der THW durch je zwei
Treffer von
Dragicevic und
Zeitz
sowie eine feine Einzelleistung von
Fernandez
bis zum 21:23 (45.) an den Gastgebern dran blieb. Jedoch schienen bei
den "Zebras" so langsam die Kräfte zu schwinden. Mehrere Fehlpässe erlaubten
sich die Kieler nun im Angriff, hinzu kamen zwei Paraden von Szmal gegen
Fernandez sowie zwei Lattentreffer von
Dragicevic und
Ilic.
Während der THW acht Minuten lang nicht das Tor traf, zogen die Rhein-Neckar Löwen
in dieser Phase vorentscheidend davon: Groetzki per Kempa, Stefansson,
Tkaczyk und Bielecki sorgten binnen fünf Minuten für das 27:21. Die
Kieler wollten mit aller Macht so schnell wie möglich verkürzen,
besonders der lange Zeit starke
Aron Palmarsson
übernahm die Verantwortung, der Isländer scheiterte aber immer wieder.
Erst in der 53. Spielminute - mittlerweile musste Omeyer
nach einem Gerangel mit Gensheimer für zwei Minuten auf die Bank - konnte
Momir Ilic wieder für den THW treffen und leitete
damit ein letztes Kieler Aufbäumen ein. Aber spätestens, als
Palmarsson vier Minuten vor Schluss statt
Dominik Klein einen Fotografen im weißen Shirt
anspielte, war der letzte Funke Hoffnung auf einen Punktgewinn in Mannheim
erloschen, die abschließenden Tore von Ilic
und Reichmann zum Endstand waren nichts weiter
als Ergebniskosmetik.
Trotz der dünnen Personaldecke kennt der Terminkalender keine Gnade
mit dem THW: Bereits am kommenden Sonntag steht in der Champions League
das "Duell der Giganten" beim FC Barcelona an.
Christian Sprenger wird voraussichtlich
wieder mitspielen können, aber ob Filip Jicha
bis dahin wieder fit sein wird, entscheidet sich erst kurzfristig.
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie bitte auch
THW-Geschäftsführer Uli Derad gegenüber Sport1:
Unsere Verletztenliste tut schon weh. Aber wir haben in der ersten Halbzeit
gesehen, dass hier dennoch mehr drin gewesen wäre. Wir konnten aber einige
freie Chancen nicht nutzen, Szmal hat auch stark gehalten.
Wir konzentrieren uns jetzt auf das nächste Spiel am Sonntag in Barcelona.
Wir schauen weiterhin von Spiel zu Spiel und erst am Ende der Saison, wo
wir stehen.
- Rhein-Neckar Löwen:
-
Szmal (1.-60., 16/1 Paraden),
Fritz (n.e.);
Schmid (5),
Gensheimer (5/1),
Roggisch,
Sesum,
Tkaczyk (4),
Bielecki (2),
Lund,
Gunnarsson (1),
Stefansson (3),
Myrhol (2),
Sigurdsson,
Groetzki (7);
Trainer: Gudmundsson
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-44., 50.-52., 8 Paraden),
Palicka (44.-50., 52.-60., 3 Paraden);
Arrhenius (n.e.),
Lundström,
Dragicevic (8),
Sprenger (n.e.),
Kubes,
Reichmann (4),
Zeitz (2),
Palmarsson (4),
Ilic (5/2),
Klein (1),
Jicha (n.e.),
Fernandez (2/1);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Bernd Methe / Reiner Methe
- Zeitstrafen:
-
RNL: 3 (Myrhol (30.), Lund (40.), Gensheimer (56.));
THW: 4 (Kubes (23.), Lundström (32.),
Zeitz (35.), Omeyer (52.))
- Siebenmeter:
-
RNL: 1/1;
THW: 5/3 (Szmal hält Ilic (15.),
Fernandez übers Tor (51.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 2:0, 2:1, 3:1, 3:3 (6.), 5:3, 5:4, 6:4 (10.),
6:5, 7:5, 7:8 (14.), 9:8, 9:10 (18.), 11:10, 11:11,
13:11 (26.), 13:12, 14:12, 14:13, 15:13, 15:14;
2. Hz.: 15:16 (33.), 19:16 (37.), 19:17, 20:17,
20:19, 21:19, 22:19, 22:20 (45.), 23:20, 23:21, 27:21 (50.),
27:22, 28:22, 28:24, 29:24, 29:26.
- Zuschauer:
-
11.744 (SAP-Arena, Mannheim)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 02.12.2010:
"Schrumpf-Team" des THW von den Löwen erwischt
Beim 26:29 in Mannheim fiel auch Jicha aus - "Zebras" jetzt vier Punkte hinter dem HSV
Mannheim. Es ist passiert, die Rhein-Neckar Löwen
haben ihre Niederlagenserie gegen Meister THW Kiel
beendet. Nach zwei vergeblichen Anläufen in der
Champions League gewannen die Mannheimer das
Bundesligaspiel mit 29:26 (15:14) Toren. Jubel dürfte
dieser Sieg auch in Hamburg ausgelöst haben. HSV
und THW trennen im Meisterrennen jetzt vier Zähler.
Am Dienstagabend hatte Robert Arrhenius
erfahren, dass der THW ihn wolle, 24 Stunden später streifte sich der
Schwede in den Katakomben der Mannheimer SAP-Arena das weiße Kieler
Trikot über. Allerdings nahm der 31-Jährige zunächst Platz auf der
Bank, setzte sich neben Landsmann Henrik Lundström.
Kurz dahinter hatte sich Marcus Ahlm platziert,
Kiels Kapitän, dessen Verletzung der Grund für den Blitztransfer
aus dem spanischen Aragon gewesen war. "Eine gute Aktion von meinem Verein",
erklärte Ahlm, "natürlich weiß ich, welche Qualitäten
mein Landsmann besitzt. Er wird uns mit Sicherheit helfen, in der Abwehr und
auch im Angriff."
Arrhenius sah einen THW, der ohne
Filip Jicha (Hexenschuss) spielte, ohne den
weiterhin angeschlagenen Rechtsaußen Christian Sprenger
und zunächst auch ohne Christian Zeitz, der nach
vierwöchiger Zwangspause sein Comeback feiern sollte und in der 14. Minute
tatsächlich eingriff. "Wir sind heute einfach mal dran, den THW zu
schlagen, es muss einfach klappen", hatte Löwen-Manager
Thorsten Storm vor der Partie optimistische Töne
angeschlagen - in Kenntnis der Kieler Personalprobleme.
Der THW ließ sich auch ohne seine verletzten oder angeschlagenen
Stammkräfte nicht einschüchtern, war in den ersten 30 Minuten gleichwertig.
Aron Palmarsson führte mit viel Inspiration Regie,
fand mit Milutin Dragicevic am Kreis einen dankbaren
Abnehmer seiner Anspiele, traute sich auch selbst. Viermal legte der zuletzt
gescholtene Dragicevic den Ball an Löwen-Torhüter
Slawomir Szmal vorbei, viermal traf auch Palmarsson
in der ersten Halbzeit. Allerdings ließ der Serbe zwei "Riesen" gegen
den vor der Partie von Welthandball-Präsident Hassan Mustafa als "Welthandballer
2009" geehrten polnischen Schlussmann ungenutzt.
Doch auch andere Kieler verfehlten: Reichmann,
Klein, Ilic,
Kubes. Leichtfertig ausgelassene Chancen, die eine
mögliche Führung kosteten. Sie wäre verdient gewesen, das Kieler Schrumpf-Team
war das bessere. Die Mannheimer spielten zunächst zwar engagiert, aber ohne
große Linie. Auffälligster Spieler war Torhüter Szmal, der sich nach schwachem
Start stetig steigerte.
15:14 stand's bei Halbzeit, gleich nach Wiederanpfiff brachten
Reichmann und Dragicevic
den Meister mit 16:15 in Front, Filip Jicha schmorte
weiter auf der Bank, machte keine Anstalten, ins Spiel zu kommen. Einzige Aktion
des sonstigen Kieler Leithammels war die Seitenwahl vor der Partie. Dann kippte
die Partie in die von Storm erhoffte Richtung. Gensheimer
traf dreimal in Folge, zwar verhinderte Omeyer mit drei
Paraden am Stück einen höheren Rückstand, die Niederlage aber nahm ihren Lauf,
die Halle kochte, die Löwen spielten sich in einen Rausch, unterstützt durch den
überragenden Szmal. Auf der anderen Seite warfen die "Zebras" überhastet, verloren
die Linie der ersten Halbzeit vollends. Die Last auf den wenigen gesunden
Schultern wurde zu schwer. Vom 23:21 (47.) zogen die Löwen innerhalb von drei
Minuten auf 27:21 davon - die Entscheidung.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 02.12.2010)