Der THW Kiel zieht weiter einsam seine Kreise an der
Tabellenspitze der TOYOTA Handball-Bundesliga: Vor 3400 Zuschauern
in der restlos ausverkauften Wuppertaler Unihalle gewannen
die Zebras am Mittwochabend auch ihr 20. Saisonspiel. Beim
Aufsteiger Bergischer HC fuhren die Kieler einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg ein.
Bester Torschütze beim 34:21 (16:10)-Erfolg war
Momir Ilic,
der 7/5 Tore markierte. Mit
Christian Sprenger,
Marcus Ahlm und
Filip Jicha folgten
gleich drei Spieler, die fünf Tore aus dem Feld erzielten.
Gut eine Viertelstunde lang konnte der Aufsteiger von einer Sensation zumindest träumen.
Mit einer offensiven Abwehr hatte er dem Rekordmeister bis zum 4:5 (15.) einige knifflige Aufgaben
gestellt, als dieser jedoch die Antworten gefunden hatte, wurde das Spiel zu einer
deutlichen Angelegenheit. Nach einem 16:10 zur Pause hielten die Kieler den Vorsprung bis
zur 51. Minute konstant zwischen sechs und sieben Toren, ehe die THW-Abwehr in den
verbleibenden neun Minuten nur noch ein Tor zuließ. Die Konsequenz in einem über weite Strecken
rasanten, aber auch von vielen Fehlern in den jeweiligen Offensivbemühungen
geprägten Spiel: Die Zebras zogen Tor um Tor davon.
Konzentrierter Start mit vier Jicha-Toren
THW-Trainer
Alfred Gislason hatte von seinen Mannen
vor dem Spiel höchste Konzentration eingefordert. Kein Wunder, hatte der
Bergische HC doch am Wochenende zuvor bei der heimstarken TSV Hannover-Burgdorf einen
klaren Sieg eingefahren. In Wuppertal konnte der THW-Trainer auch wieder auf den
gegen Hüttenberg angeschlagen pausierenden
Filip Jicha
zurück greifen. Und der Tscheche, der auf der mittleren Rückraumposition begann, sollte gleich
mehrfach auf sein "Comeback" aufmerksam machen: Die ersten vier Kieler Tore erzielte
Jicha, nach neun Minuten führten die Zebras auch dank einer
aufmerksamen Deckung mit 4:2. Nach Oelzes verwandeltem Siebenmeter und Huhnstocks Parade
gegen
Christian Zeitz witterten die Gastgeber die Chance zum
Ausgleich. Doch der BHC-Torhüter bediente mit seinem Abwurf ausgerechnet
Dominik Klein,
der nach zwölf Minuten das erste "Nicht-
Jicha-THW-Tor" zum 5:3 erzielte.
Doch die neuerliche Zwei-Tore-Führung konnte nicht verbergen, dass sich der THW in dieser Phase
mit der extrem offensiv ausgerichteten Abwehr des Aufsteigers schwer tat. Nach Karasons
4:5-Anschlusstreffer zog
Gislason deshalb bereits nach einer
Viertelstunde den grünen Auszeit-Karton.
THW bekommt das Spiel in den Griff
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Kim Andersson markierte beim 20:16 die erste Vier-Tore-Führung.
©
Susanne Schauer |
Der Kieler Trainer reagierte, und brachte für den bis dato kaum zur Entfaltung gekommenen
Momir Ilic den wendigen
Daniel Narcisse,
Jicha machte Platz für den Spielgestalter und rückte auf
die Königsposition. Den ersten Akzent nach der Auszeit setzte aber
Thierry Omeyer:
Der schnappte sich einen freien Wurf und bediente
Christian Sprenger
mustergültig zum 6:4. Als
Klein wenig später einen Gegenstoß erfolgreich
abschloss, hellten sich die Mienen auf der Kieler Bank ein wenig auf. Erst Recht, als
nach Böhms 6:8 (19.) binnen weniger Sekunden erst
Sprenger einen Konter
verwandelte, und dann
Narcisse in der Abwehr aufmerksam einen Ball
stiebitzte: Sein Pass landete beim durchgestarteten
Kim Andersson,
der mit dem 20:16 (20.) die erste Kieler Vier-Tore-Führung erzielte.
Klare Halbzeitführung
Doch so früh wollten sich die Gastgeber vor ihren euphorischen Fans nicht geschlagen geben. Wieder hielten
Böhm und Woss ihre Farben in Reichweite des Rekordmeisters. Nach dem 8:10-Anschluss schwächten sich
die Gastgeber dann selbst. Zunächst musste Klev für zwei Minuten auf die Bank, was
Sprenger und
Marcus Ahlm
zum 12:8 nutzten. Kaum hatte der BHC die Sieben wieder aufgefüllt, scheiterte
Oelze am guten
Omeyer, im folgenden Angriff
wurde
Klein auf
Außen perfekt freigespielt, und der Nationalspieler versenkte den Ball sicher zum 13:8 (26.).
Drei Tore in vier Minuten - der THW-Express schien Fahrt aufzunehmen. Erst Recht, weil die
Außen sicher ihre Möglichkeiten nutzten.
Sprenger und
Klein
waren es dann auch, die mit ihrem jeweils vierten Treffer den THW beim 15:9 erstmals mit sechs Toren
in Führung warfen. In der Schlussminute der ersten Hälfte
markierte
Ilic per Siebenmeter gar das
16:9, doch dem ehemaligen Kieler Kreisläufer
Hendrik Pekeler gelang noch
vor der Pause das 10:16. Dennoch: Mit einer beruhigenden Führung für die Kieler wurden die Seiten
gewechselt.
Hektischer Wiederbeginn
Nach dem Wiederanpfiff bekamen die Zuschauer hektische Minuten mit vielen technischen
Fehlern zu sehen. Der BHC setzte in der zweiten Hälfte auf Stochl im Tor,
der sich mit zwei Paraden auch gleich hervorragend einführte. Drei Minuten benötigte der
THW, um sein erstes Tor zu erzielen. Die Gastgeber brauchten dafür sogar noch drei Minuten länger - allerdings
hatten diese nach den Zeitstrafen gegen
Pekeler und Klev für einige
Sekunden sogar in doppelter Unterzahl gespielt. Ein Doppelpack von
Ahlm
brachte das 18:10, ehe der beste BHC-Torschütze, Karason, die sechsminütige Flaute im
Angriffsspiel des Aufsteigers beendete - ebenfalls mit einem Doppelschlag. Doch die Kieler
ließen sich davon wenig beeindrucken:
Ahlm mit dem dritten Tor in Folge und
Narcisse im erweiterten Gegenstoß sorgten für die erneute Acht-Tore-Führung, die
Ilic wenig später sogar noch ausbaute (40.). Zwei Gegentreffer hatten die
Zebras bis dato in der zweiten Hälfte kassiert - ein Beweis für die erneut überragende Defensive.
Wechselspiele und ein deutlicher Sieg
Beim THW brach nun die Zeit der Wechsel an:
Aron Palmarsson
kehrte zum ersten Mal nach der
EM-Pause auf die Platte zurück, während
Andreas Palicka
Omeyer im Tor ersetzte und sich für das Vertrauen mit sechs starken
Paraden bis zum Schlusspfiff bedankte.
Lundström kam für
Klein,
und auch
Tobias Reichmann wurde auf das Feld beordert. Einen Bruch
gab es dadurch im THW-Spiel nicht, auch wenn
Pekeler in der 51. Minute
den 20:26-Anschluss per Kempa erzielte. Dann aber mischten die Kieler richtig Beton an: Nur noch
ein Tor gelang den Gastgebern bis zum Schlusspfiff. Die Vorlage der eigenen Defensivarbeit
nutzten die Zebras im Angriff gnadenlos aus. Weil auch
Palmarsson,
Zeitz,
Reichmann und
Lundström, der mit dem Schlusspfiff zum Endstand traf, noch über
Torerfolge jubeln konnten, freuten sich bis auf Abwehrspezialist
Daniel Kubes
alle eingesetzten Spieler über eine positive Veränderung ihrer persönlichen Trefferstatistik.
Die BHC-Fans verabschiedeten den Rekordmeister nach einer Gala-Vorstellung in den Schlussminuten mit
lang anhaltendem Applaus.
Sonntag erstes Champions-League-Endspiel
Diesen dürften die Kieler Spieler als zusätzliche Motivation
gerne mit auf die Heimreise in die Landeshauptstadt genommen
haben. Denn es bleibt ihnen nur wenig Zeit, sich auf den nächsten Gegner einzustellen. Und der
hat es in sich: Am kommenden Sonntag kommt es in der Sparkassen-Arena zum ersten Endspiel um
den Gruppensieg in der Königsklasse. Ab 18.45 Uhr zählt dann gegen den aktuellen Tabellendritten Ademar Leon, der
sich ebenfalls noch berechtigte Hoffnungen auf Platz eins macht, nur ein
Sieg.
(Christian Robohm)
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Lesen Sie bitte auch
Ich bin sehr zufrieden, dass wir gewonnen haben,
da ich bereits vor Wochen vor diesem Spiel gewarnt habe.
In der ersten Halbzeit haben wir sehr gut gedeckt,
vorne hatten wir allerdings Probleme und kamen nur schwer ins Spiel.
Stochl hat in der zweiten Halbzeit gut gehalten, und es hat lange gedauert,
bis wir uns absetzen konnten. Zum Glück hatten wir heute
mehr Wechselmöglichkeiten als der Bergische HC.
Es kommen noch sehr schwere Spiele auf uns zu. Der Spielfluss muss
wiederkommen, Ilic und andere Spieler sind nach der
EM noch nicht wieder frisch.
Ich bin sehr zufrieden, dass sich die Mannschaft heute so sehr auf das Spiel
konzentriert hat. Meinem alten Trainer wünsche ich, dass er
noch viele Punkte einfahren kann.
BHC-Trainer Hans-Dieter Schmitz:
Ich habe am Anfang registriert, dass der THW mit seiner
besten Besetzung angefangen hat. Ein gewisser Respekt war
wohl vorhanden. Wir haben, glaube ich, sehr gut gespielt - trotz der 3-2-1-Deckung.
Ein Lob an Alfred, dass er diese Spieler,
die alle aus der 6-0-Abwehrformation kommen, so einbinden kann in das neue Abwehrsystem.
Ab der 20. Minute war der Akku bei uns ein klein wenig leer.
In der Halbzeit haben wir besprochen, die Spitzen der 3-2-1-Deckung,
also Filip Jicha und Daniel Narcisse,
zu umgehen. Wir haben das Spiel lange offen gehalten. Wenn man gegen
den THW mit fünf oder sechs Toren zurückliegt, kann man das wohl so sagen.
- Bergischer HC:
-
Stochl (31.-60., 7 Paraden),
Huhnstock (1.-30., 5 Paraden);
Behr,
Vitek,
Klev (2),
Kleven Moen,
Nippes (1),
Oelze (3/2),
Weiß (1),
Wöss (3),
Böhm (3),
Teppich,
Pekeler (2),
Karason (6);
Trainer: Schmitz
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-44., 9 Paraden),
Palicka (44.-60., 6 Paraden);
Andersson (1),
Lundström (1),
Sprenger (5),
Ahlm (5),
Kubes,
Reichmann (2),
Zeitz (2),
Palmarsson (1),
Narcisse (1),
Ilic (7/5),
Klein (4),
Jicha (5);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Ronny Dedens / Nico Geckert
- Zeitstrafen:
-
BHC: 5 (2x Klev (23., 34.), Pekeler (33.), Behr
(41.), Böhm (56.));
THW: 1 (Ilic (44.))
- Siebenmeter:
-
BHC: 2/2;
THW: 5/5
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:1 (2.), 1:3 (4.), 2:3 (9.), 2:4 (10.), 3:5, 4:5 (16.), 4:7 (16.), 5:8 (19.),
6:9, 7:10 (22.), 8:11, 8:13 (26.), 9:14, 9:16 (29.), 10:16;
2. Hz.: 10:17 (34.), 11:18 (36.), 12:18, 12:21 (40.), 14:21 (41.), 16:23 (45.),
18:25 (49.), 20:26 (52.), 20:32 (58.), 21:32 (59.), 21:34.
- Zuschauer:
-
3400 (ausverkauft) (Unihalle, Wuppertal)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 16.02.2012:
THW landet nicht in Wuppertal
20. Sieg in Folge: Handball-Rekordmeister gewann beim Aufsteiger Bergischer HC letztlich deutlich mit 34:21
Wuppertal. Tabellenführer THW Kiel setzte seinen
Höhenflug in der Bundesliga gestern Abend mit dem
34:21 (16:10) auch beim Bergischen HC fort. In der
Wuppertaler Unihalle trotzten die "Zebras" der stimmungsvollen
Kulisse und einem kessen Aufsteiger, der
mit dem Rückenwind des Auswärtssieges in Hannover
mit breitem Kreuz auftrat. Am Ende feierten die Kieler
den klaren Sieg, bauten zudem ihren Startrekord
auf großartige 40:0 Punkte aus.
Der Bergische HC ist ein junger Verein, 2006 durch eine Fusion
der Traditionsclubs SG Solingen und LTV Wuppertal
entstanden. Zwei Städte, zwei Bürgermeister. Beide Stadtoberhäupter
drückten ihrem Bundesliga-15. die Daumen, hatten vorher in rheinländischer
Karnevalslaune forsch auf Sieg getippt. Der "Handball-Auskenner" war vorsichtiger.
Auf 99 Prozent taxierte Crischa Hannawald, bekannt
geworden als ehemaliger Nationaltorhüter in kurzen Hosen,
Kiels Siegchancen. "Der THW will die Champions League
gewinnen, wir freuen uns, wenn's mit dem Klassenerhalt
klappt. Die Sache ist eindeutig."
Natürlich saß der Torhütertrainer der Bergischen Löwen
auch gestern in kurzen Hosen neben Cheftrainer Ha-De Schmitz auf der Bank.
Er sah einen THW, der mit seiner offensiven Deckungsvariante
startete. Filip Jicha, in
den ersten beiden Spielen nach der EM-Pause mit Achillessehnenproblemen
noch geschont, war Abfangjäger in der 3:2:1-Formation. Der Tscheche erwischte einen glänzenden
Start, erzielte bis zur Kieler 4:2-Führung (10.) alle THW-Tore.
Mal per Tempogegenstoß, mal aus dem Rückraum - und erneut dank "Flankengott"
Thierry Omeyer, der
auch gestern im Stile eines Football-Quarterbacks zentimetergenaue
Pässe in die Hände seiner Mitspieler zirkelte, allein bis zur Pause profitierten
Jicha und Christian Sprenger
dreimal von Omeyers Vorlagen.
Dass sich die Kieler in den ersten 20 Minuten dennoch
schwer taten, sich zunächst nicht absetzen konnten, lag an
der Flaute im Rückraum. Ihr Zielwasser hatten vor allem die Linkshänder
Christian Zeitz und Kim Andersson im
Mannschaftsbus liegen gelassen.
Was sie auch anstellten, das Tor der Bergischen blieb
ihnen lange Zeit verschlossen.
Grund genug für Alfred Gislason,
frühzeitig nach der Grünen Karte zu greifen. Kiels
Trainer rief seine Mannen nach 15 Minuten zusammen,
stimmte sie neu ein. Mit Erfolg. Die Abwehr packte noch
fester zu, die daraus resultierenden Ballgewinne brachten vor allem die Außen,
Sprenger
und Dominik Klein, sicher im
BHC-Tor unter. Zur Halbzeit hatte sich der Favorit auf 16:10
abgesetzt.
Wuppertals Spielmacher Alexander Oelze hatte
am Wochenende in Hannover noch mit zwölf Toren und kluger
Regie geglänzt, gegen Kiel blieb es bei 3/2 Treffern. Es sei
eben etwas anderes, gegen so große und wendige Leute wie
Jicha oder Ahlm zu spielen,
sagte er. "Wir haben uns bemüht, aber das ist ein anderes Kaliber."
Kiels Vorsprung geriet
auch in den zweiten 30 Minuten nie mehr in Gefahr, zwar
ließen die "Zebras" den Außenseiter in der 52. Minute
beim 20:26 noch einmal näher heran, doch die Hoffnung auf
eine Sensation zerstob schnell. Spätestens als Momir Ilic,
Kiels mit sieben Toren treffsicherster Schütze, zum 30:20 (55.) traf, war's gelaufen. Anteil
daran hatte auch Andreas Palicka, der nach 45 Minuten
für Omeyer ins Tor rückte, seinem
Team mit sieben Paraden ein starker Rückhalt war. Ein
gelungenes Comeback nach Patellasehnenproblemen feierte
zudem Aron Palmarsson.
Gislason sah sich in seiner
Einschätzung des BHC-Leistungsvermögens
bestätigt. "Ich hatte meine Jungs völlig zu Recht gewarnt", sagte er
und drückt seinem Ex-Trainer aus Essener Zeiten die Daumen
für den Abstiegskampf. "Ich hoffe, dass HaDe Schmitz
noch viele Punkte sammelt."
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 16.02.2012)