Der THW Kiel ist erfolgreich aus der Länderspielpause in
die DKB Handball-Bundesliga zurück gekehrt: Am Mittwochabend
gewannen die "Zebras" das 72. Nordderby gegen die SG
Flensburg-Handewitt dank einer starken Schlussphase
noch deutlich mit 34:27 (15:13). Die ersatzgeschwächten
Gäste hielten in der ausverkauften Sparkassen-Arena
45 Minuten lang dagegen, ehe sich die
Kieler dank eines starken Thierry Omeyer,
der sieben Treffer von Daniel Narcisse,
des effizienten Christian Zeitz und
des abgeklärt Regie führenden Aron Palmarsson
den 14. Sieg in Folge gegen den Landesrivalen sicherten.
Bei den Flensburgern überragten Linksaußen Andreas Eggert
und Linkshänder Holger Glandorf, die gemeinsam 20 Treffer erzielten.
Daniel Narcisse zeigte seine
bislang beste Saisonleistung, war präsent wie eine
Geschenkeabteilung und erzielte sieben Treffer.
Mit großen personellen Problemen waren Ljubomir Vranjes
und seine Schützlinge in den Süden gereist. Rechtsaußen Lasse Svan
Hansen verletzte sich - wie auf Kieler Seite Rene Toft Hansen
- im Testspiel der dänischen Nationalmannschaft gegen Argentinien,
Rückraumspieler Lars Kaufmann konnte aufgrund von Kniebeschwerden
nur sporadisch in der Abwehr aushelfen. Und zu allem Überfluss
musste auch noch Kreisläufer Michael Knudsen krankheitsbedingt
das 51. Liga-Derby sausen lassen. Aber immerhin warteten die
Gäste mit einem Blitztransfer auf: Da der bislang einzige
Rechtsaußen im Flensburger Kader Lasse Svan Hansen länger auszufallen
droht, stattete die SG den 23-jährigen Florian von
Gruchalla vom insolventen Zweitligisten Post Schwerin mit einem
Vertrag bis zum Saisonende aus. Nach zweieinhalb Jahren
feierte der ehemalige Düsseldorfer daher ausgerechnet im
prestigeträchtigsten Derby des europäischen Handballs sein
Bundesliga-Comeback.
Alfred Gislason konnte hingegen -
mit Ausnahme von Rene Toft Hansen,
der mit einer schweren Prellung dem THW rund drei bis vier
Wochen fehlen wird (siehe Extra-Bericht)
- die gesamte Breite seines Kaders nutzen. Er entschied sich
zunächst für die arrivierten Kräfte, mit dem nur offensiv
eingesetzten Marko Vujin schnupperte
lediglich einer der Kieler Neuzugänge von Beginn an erste
Derbyluft. An seiner Seite wusste der Serbe Daniel Narcisse
und Filip Jicha im Rückraum,
Kapitän Marcus Ahlm am Kreis,
die deutsche Flügelzange um Christian Sprenger
und Dominik Klein sowie
Thierry Omeyer. Christian Zeitz
übernahm die Halbposition Vujins in der
3:2:1-Deckung.
Starker Beginn der Torhüter
Gästekeeper Mattias Andersson
begann stark, baute im Laufe der Partie aber immer weiter ab.
Die ersten Minuten gehörten ganz Thierry Omeyer:
Der Franzose entschärfte gleich drei ganz freie Würfe von
Heinl, von Gruchalla und erneut Heinl, zudem setzte er
Landsmann Daniel Narcisse mit
einem weiten Pass in Szene, den der Kieler Mittelmann zum
1:0 nutzte. Und noch ehe Arnor Atlason der erste Treffer
für die SG gelang, hatte Narcisse
per zweiter Welle mit einem Geschoss unter die Latte auf
2:0 für die Kieler erhöht. Doch nach dem 3:1 nach einem
Sprungwurf Jichas kam Flensburg
ins Spiel: Eggert verwertete einen von Heinl erkämpften
Strafwurf zum 2:3, der ebenfalls stark beginnende
Andersson parierte gegen den
auffälligen Narcisse und
Atlason traf bei angezeigtem Zeitspiel zum 3:3-Ausgleich nach
sechs Spielminuten.
THW setzt sich früh ab
Nun begann die erste richtig starke Phase des THW, der
mittlerweile auf eine 6:0-Deckung umgestellt hatte:
Vujin traf mit einem Stemmwurf
zum 4:3, nach einem technischen Fehler der Gäste schickte
JichaChristian Sprenger
zum 5:3 auf die Reise, und nach weiteren Paraden
Omeyers gegen Glandorf und
Mogensen erhöhte Vujin durch
zwei Strafwürfe gar auf 7:3 (14.). Ljubomir Vranjes zog die
Notbremse und nahm seine erste Auszeit.
Große Glandorf-Show
Und nach Wiederanpfiff hatte die SG Flensburg-Handewitt
endlich eine Lösung gegen das defensivere Kieler Deckungssystem
parat: Holger Glandorf. Der deutsche Nationalspieler drehte
nun unwiderstehlich auf, traf in den folgenden fünf Minuten
viermal und sorgte fast im Alleingang zum 8:8-Ausgleich.
Der THW nahm sich in dieser Phase allerdings nicht nur in
der Defensive eine kleine Auszeit, im Angriff tat man sich
gegen die gut gestaffelte 6:0 der Gäste ebenfalls schwer.
Narcisse und Jicha
vergaben ohnehin nicht gute Wurfchancen, und auch das
zwischenzeitliche 8:6 nach einem feinen Wackler von
Narcisse brachte keine Entwarnung.
Als die guten Unparteiischen Schulze/Tönnies
ein Zeitspiel des THW abpfiffen und Glandorf nach 18 Minuten
zum 8:8 egalisierte, hatte Alfred Gislason
genug gesehen.
Holger Glandorf war der einzige Flensburger
Rückraumspieler, der für Torgefahr sorgte.
Der THW-Coach versammelte nun seinerseits seine Spieler um
sich, brachte mit Ilic und
Palmarsson neue Kräfte im Rückraum.
Letzterer stellte gleich seine derzeit starke Form mit einem
tollen Sprungwurf zum 9:8 unter Beweis. Nach einem Stürmerfoul Atlasons
hatte Christian Sprenger das 10:8 auf der Hand, scheiterte
völlig frei allerdings an Andersson.
So taten sich die Kieler auch weiterhin schwer mit den
Flensburgern und konnten auch eine doppelte Überzahl nicht
nutzen, um sich ein kleines Polster zu erarbeiten. Stattdessen
überstand die SG diese prekäre Situation dank eines
Glandorf-Hüftwurfs sogar unbeschadet und kam durch Eggert nach
24 Minuten zum 11:11-Ausgleich.
THW mit Pausenführung
Nach einem Missverständnis im Kieler Angriffsspiel hatte
Lars Kaufmann per Gegenstoß sogar die Chance auf die erste
Flensburger Führung, doch Omeyer
parierte dessen Versuch. Stattdessen zeigte Palmarsson
einmal mehr sein gutes Auge und bediente Sprenger
zum 12:11. Im Anschluss lenkte Omeyer
einen Heber Eggerts vom Siebenmeterstrich an die Latte, das
serbische Duo Ilic/Vujin
erhöhte auf 13:11, Omeyer hielt gegen
Atlason und Palmarsson traf mit einem
ansatzlosen Hüftwurf zum 14:11. Die SG Flensburg-Handewitt drohte
kurz vor dem Seitenwechsel den Anschluss zu verlieren, und zu allem
Überfluss knickte Florian von Gruchalla bei einem Wurfversuch
unglücklich um und schied verletzt aus. Doch durch zwei
Eggert-Siebenmeter konnten die Gäste bis zur Pausensirene immerhin
noch auf 13:15 verkürzen.
THW dreht wieder auf
Fünf tolle Treffer und viele großartige Anspiele:
Aron Palmarsson.
Nach Wiederanpfiff traf Heinl sogar zum 14:15-Anschluss, doch
Narcisse per Sprungwurf bei angezeigtem
Zeitspiel und Klein erhöhten wieder
auf 17:14. Die "Zebras" schienen die Partie nun langsam unter
Kontrolle zu bekommen, nach einem Sprungwurf Vujins,
einer Parade Omeyers gegen Eggert
und einem Jicha-Gegenstoß nach
eigenem Steal stand es nach 38 Spielminuten 20:16 für den THW.
Flensburg lässt sich noch nicht abschütteln
Ljubomir Vranjes beorderte nun Rasmussen für den mittlerweile
völlig untergetauchten Mattias Andersson
zwischen die Pfosten. Und binnen vier Minuten war seine Mannschaft
wieder zurück in der Partie dank eines Eggert-Doppelpacks, einer
Wahnsinnsparade Rasmussens gegen Ilic
und des mittlerweile achten Glandorf-Treffers zum 19:20.
Gislason brachte nun wieder
Aron Palmarsson zurück aufs Parkett,
und der führte sich gleich mit einem phänomenalen No-Look-Pass
auf Dominik Klein zum 21:19 ein.
Und der deutsche National-Linksaußen legte noch einen Treffer
zum 22:19 nach, diesmal wusste der THW eine Überzahlsituation
nach Zeitstrafe gegen Atlason also zu nutzen.
Zeitz und Palmarsson sorgen für Vorentscheidung
Christian Zeitz konnte sich nach
der Partie und einer starken Leistung mit drei Treffern
und drei Steals in der entscheidenden Phase ein Lächeln
nicht verkneifen.
Alfred Gislason zog nun seine
nächste Trumpfkarte: Christian Zeitz,
der bislang nur in der ersten Halbzeit in der Abwehr eingesetzt
wurde, ersetzte nun Marko Vujin
und drehte sofort auf, mit einem Hüftwurf traf der Linkshänder
zum 23:19. Flensburg gab sich aber noch nicht auf, dank einer
Rasmussen-Parade gegen Jicha konnte
Eggert mit zwei Treffern wieder auf 21:23 verkürzen. Doch
Christian Zeitz hatte die perfekte
Antwort parat: Per Sprungwurf traf der Kieler erst zum 24:21
und ließ nach einem Fehlwurf Glandorfs aus vollem Lauf
spektakulär das 25:21 folgen. Als Aron Palmarsson,
dem im Angriff an diesem Tage einfach alles gelang, das Ergebnis
mit einem Durchbruch und einem abgefälschten Wurf sogar auf 27:22
schraubte, schwammen der SG zehn Minuten vor Schluss langsam
die Felle davon.
Im Schlussspurt zum deutlichen Sieg
Ljubomir Vranjes versuchte es noch einmal mit einer Auszeit,
doch der THW - und besonders Christian Zeitz
- ließ sich nun nicht mehr bremsen. Durch zwei Steals des Kieler
Linkshänders entschieden Sigurdsson
und Narcisse mit Tempo-Gegenstößen
zum 29:23 das 72. Nordderby für den THW. Die schwarz-weiße
Fanmenge in der Sparkassen-Arena hatte endgültig in den Feiermodus
umgeschaltet und bekam in den Schlussminuten noch einmal ein
paar schöne Kieler Treffer geboten: Narcisse
krönte seine starke Leistung mit seinem siebten Treffer nach einem
tollen Wackler; Palmarsson traf nach
schönem Jicha-Pass vom Kreis;
Zeitz gelang der dritte Steal binnen
weniger Minuten, mit dem er das 32:25 durch
Jicha einleitete;
Sigurdsson fing einen weiten
Omeyer-Pass und bedankte sich mit dem
33:26. Den Schlusspunkt zum 34:27 setzte Patrick Wiencek,
der sich am Kreis energisch durchzusetzen wusste.
Am Sonntag kommt Lübbecke
Der Auftakt zum Jahresendspurt des THW Kiel ist also geglückt,
auch wenn es noch nicht zum erhofften Sprung an die Tabellenspitze
gereicht hat. Tabellenführer bleiben die verlustpunktfreien
Rhein-Neckar Löwen, die beim HSV Hamburg deutlich mit 30:23 siegten.
13 weitere Pflichtspiele stehen im Jahr 2012 für den Triplesieger
noch an. Bereits am Sonntag geht es für den THW in der DKB
Handball-Bundesliga weiter, und erneut steht ein Heimspiel vor
der Tür: Um 15.00 Uhr wird die Partie gegen den aktuellen
Tabellensiebten TuS N-Lübbecke angepfiffen, Sport1 überträgt
live und kostenpflichtig im Internet.
Natürlich bin ich zufrieden mit dem Sieg. Das war ein schweres
Spiel, das lange Zeit sehr eng war. Ich war in der ersten Halbzeit
sehr unzufrieden mit unserer Abwehr, sie war nicht richtig da -
und vor allem Glandorf hat überragend getroffen. Auch vorne haben
wir ein wenig behäbig gespielt, aber das wurde nach und nach
besser - vor allem mit Palmarsson und
Narcisse. Aber angesichts der Vorbereitung
- ich hatte nur vier Spieler zum Training und erst gestern kamen
alle zusammen - kann ich zufrieden sein. Andererseits ist Flensburg
in den letzten Jahren eine absolute Spitzenmannschaft geworden, die
viel Erfahrung gewonnen hat. Die SG hatte ihre Probleme mit ihren
Verletzten. Aber Christian Zeitz konnte
gestern nicht aufs Tor werfen, und ich war nicht sicher, ob er
überhaupt spielen kann. Sein Ellenbogen hat aber gehalten, und er
hat ein sehr starkes Spiel gemacht. Er hat uns in einer wichtigen
Phase sehr geholfen. Auch wenn wir viele Fehler gemacht haben, haben
wir verdient gewonnen.
SG-Trainer Ljubomir Vranjes:
Glückwunsch zum verdienten Sieg. Wir haben 35 bis 40 Minuten ganz
gut gelöst, und wir haben mit allen Mitteln versucht, Kiel zu stören.
Der THW hat mehrfach seine Abwehrformation gewechselt, das war ein
Zeichen für unseren Erfolg. Aber nach 40 Minuten haben wir viele
einfache technische Fehler gemacht. Vielleicht waren wir müde, aber
Kiel hat uns das wie immer mit einfachen Toren durch Gegenstöße
schwer gemacht. Mit der Abwehr bin ich weitestgehend zufrieden, die
Gegentore kamen durch die erste und zweite Welle, die Stärke von Kiel.
Die Angriffsleistung in den letzten 20 Minuten war nicht ok, da müssen
wir uns verbessern, wenn wir eine Chance haben wollen.
Wir müssen weiter arbeiten, weil wir irgendwann ganz oben sein wollen,
wo Kiel ist. Aber wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns.
SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke:
Nach der Verletztenliste waren wir heute der Sieger. Das war ein
starkes Handicap. Deshalb hat sich unsere Mannschaft mindestens 45
Minuten sehr wacker geschlagen, am Ende ist es sehr hoch geworden.
Da haben uns Kraft und Möglichkeiten gefehlt. Kompliment an unsere
Mannschaft, sie hat gekämpft und alles gegeben. Tragisch ist, dass
unser über Nacht verpflichteter Rechtsaußen wahrscheinlich schwerer
verletzt ist. Er hat seine Sache bis dahin gut gemacht.
Glückwunsch auch an Flensburg. Die stellen ihr Licht gerne unter
den Scheffel. Aber die SG hat ein hervorragendes Spiel abgeliefert,
das war eines guten Derbys absolut würdig. Ich glaube aber, dass wir
verdient gewonnen haben.
[Was bedeutet dieser Sieg über Flensburg, das vor der Saison
als Kiel-Verfolger Nummer eins gehandelt wurde?]
Uns ist das völlig egal, was das bedeutet. Wir wollten unser Spiel
durchbringen, das ist sehr schwer nach einer Länderspielpause und
nur einer gemeinsamen Trainingseinheit. In der ersten Halbzeit ist
uns das nicht so gut gelungen, aber in der zweiten Halbzeit kam
dann die Leichtigkeit und am Ende war es ein sehr gutes Spiel von uns.
[Kim Andersson vermissen Sie nach
diesem Spiel nicht, oder?]
Das war schon großartig, was die beiden im rechten Rückraum
gespielt haben: Sensationell, was Marko
in der ersten Halbzeit "eingeschweißt" hat. Und Zeitzi
mit seinen drei gestohlenen Bällen, die uns auf die Siegerstraße
gebracht haben, da brauchen wir nicht über ehemalige Spieler sprechen.
[Und jetzt wollen Sie Tabellenführer werden?]
Ich antworte das, das ich die letzten sechs Jahre geantwortet habe:
Für uns ist die Tabelle nicht wichtig und wir schauen von Spiel zu
Spiel. Klar, das Phrasenschwein ist sehr groß, aber wir bleiben
dabei, denn wir sind damit gut gefahren.
Bei uns stellte sich die Leichtigkeit erst in der zweiten Halbzeit
ein. Gut, dass wir Titi Omeyer im Tor
hatten. Er weiß, was er kann und holt es immer im richtigen Moment heraus.
Wir haben uns erst in der zweiten Halbzeit gefunden. Das war
eine klasse Derby-Atmosphäre, das bringt uns fünf bis zehn
Prozent mehr für unser Spiel.
SG-Linksaußen Anders Eggert gegenüber den KN:
Es ist sehr schwer, Kiel zu schlagen. Aber wir wollen
jetzt jedes Spiel gewinnen - auch das Rückspiel gegen
Kiel. Wir sind nahe am THW dran und werden es auch
schaffen.
34:27 für Handballmeister THW Kiel: Starke SG-Deckung hält den Bundesliga-Gipfel bis zur 45. Minute offen
Kiel. Die SG Flensburg-Handewitt ist wahrscheinlich
die härteste Nuss, die der THW Kiel in der Handball-Bundesliga
auf dem Weg zum 18. Meistertitel knacken muss. Gestern Abend
suchten die "Zebras" 45 Minuten lang das richtige Werkzeug,
dann knackten sie die Nuss und gewannen mit 34:27 (15:13).
Verdient, aber auch um ein paar Tore zu hoch.
Das Derby hatte kuschelig begonnen. Lars Christiansen,
Kult-Flensburger im Ruhestand, durfte auf dem Spielfeld
ein Interview geben und wurde von Kieler Fans gefeiert.
Anschließend wurde die Schleswig-Holstein-Hymne intoniert,
auch eher Liedgut der entspannteren Kategorie. Als dann
auch noch die einst so ungeliebten Gäste mit Applaus
begrüßt wurden, schienen jene endgültig enttäuscht zu
werden, die auf Hitze und Emotionen gesetzt hatten.
Doch spätestens in der 40. Minute war das Gipfeltreffen
auch eines mit Feuer.
Kiel führte mit 20:19 gegen ein Flensburger Team, das mit
Sorgen angereist war. So musste Trainer Ljubomir Vranjes
auf seinen starken Rechtsaußen Lasse Svan Hansen (Wadenprobleme)
verzichten, den der aus Schwerin gekommene Florian von Gruchalla
nicht gleichwertig ersetzen konnte. Zudem fiel kurzfristig
Michael Knudsen (Fieber) aus. Der Kreisläufer, das wurde schnell
deutlich, ist im Spiel des Vizemeisters eine absolute
Schlüsselfigur. Gruchalla und Knudsen-Backup Jacob Heinl
scheiterten in den ersten beiden Minuten dreimal am starken
THW-Torhüter Thierry Omeyer.
Ein Fingerzeig dafür, dass der SG die breiten Schultern
ausgehen sollten. Hätten Holger Glandorf (8 Tore) und der
gewitzte Anders Eggert (12/7) den Bus verpasst, wäre die
Partie in jener 40. Minute entschieden gewesen. Hätten.
Hatten sie aber nicht.
Alfred Gislason holte sich in
dieser entscheidenden Phase eine Gelbe Karte ab, weil er die
Unparteiischen Robert Schulze und Tobias Tönnies erbost
darauf hinwies, dass auch seiner Mannschaft durchaus der
eine oder andere Siebenmeter zugestanden hätte. Auch
Gislason war nicht entgangen,
dass das Publikum einen sehr langen Anlauf nahm, um für
den Rückenwind zu sorgen, den ein Gastgeber gegen einen
starken Gast wie den aus Flensburg nun einmal braucht. Um
Fans zu erwecken, ist eine Konfrontation mit den Unparteiischen
ein durchaus gängiges Mittel. Ob sie inhaltlich gerechtfertigt
ist, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Weil Eggert, der nur einmal an Omeyer
scheiterte, sieben der acht SG-Strafwürfe verwandelte,
hielten die Flensburger die Partie lange offen. Doch mit
Aron Palmarsson und
Christian Zeitz kam die
Wende. Letzterer warf in seiner unnachahmlichen Art drei
Tore in Folge, klaute in der Deckung drei Bälle, die zu
weiteren Toren führten - der Knockout für das Vranjes-Team,
das zum 14. Mal in Folge gegen den Rekordmeister verlieren
sollte.
Noch am Vorabend hatte Zeitz im
Training gefehlt, zu stark waren die Schmerzen im linken
Ellenbogen gewesen. Gegen die SG ("Derby-Siege schmecken am
besten") biss der 30-Jährige auf die Zähne und traf dreimal
aus der Hüfte. "In der ersten Halbzeit waren wir noch etwas
verunsichert", sagte Zeitz. "Aber
nach der Pause standen wir in der Abwehr besser." Sein Gegenüber
Glandorf, mit dem er sich einst den rechten Rückraum in der
Nationalmannschaft teilte, lobte er mit einem kleinen
Augenzwinkern. "Er hatte ja gerade auch eine Woche Pause."
Glandorf hatte die beiden EM-Qualifikationsspiele
der Deutschen abgesagt, um sich zu erholen. Offenbar mit
Erfolg. Ein Glandorf und ein Eggert waren zu wenig, Kiel war
gestern schlicht die bessere Mannschaft. Mehr Alternativen,
mehr individuelle Klasse, mehr Wille - die letzten Zweifel
beseitigte schließlich Daniel Narcisse,
der mit seinem famosen Wackler den enttäuschenden Steffen
Weinhold austrickste und zum 30:24 (54.) traf. Eigentlich
wäre Weinhold mit seiner Rolle als Fahnenstange schon gestraft
genug gewesen. Doch die Unparteiischen kannten kein Mitleid
und schickten den Bedauernswerten auf die Strafbank. Sieben
selbstbewusste Kieler gegen sechs genickte Flensburger,
sechs Tore Vorsprung - die Fans feierten nun mit "La-Ola-Wellen"
und dem Derby-Klassiker: "Die Nummer eins im Land sind wir".