Der THW Kiel hat gegen den abstiegsgefährdeten TV Großwallstadt am Mittwochabend einen
ungefährdeten Sieg errungen. Die Mainfranken hielten nur rund eine Viertelstunde mit, dann
setzte sich der deutsche Rekordmeister Stück für Stück ab. Beste Torschützen beim 34:23 (21:13)-Erfolg
des THW Kiel waren Niclas Ekberg und Momir Ilic
mit je sechs Treffern. Zudem hatte Thierry Omeyer mit 17 Paraden
großen Anteil am sicheren Erfolg. In die Freude über den Sieg mischte sich jedoch auch ein wenig Sorge,
da die Kieler mit Momir Ilic den dritten Rückraum-Rechtshänder im dritten
Spiel nacheinander durch eine Verletzung verloren.
Ilic war nach 33 Minuten bei einer Abwehraktion der Gäste
unabsichtlich verletzt worden und verbrachte die restliche Spielzeit mit einem
Eisbeutel auf dem lädierten Auge. Für ihn rückte Aron Palmarsson, der bis
dato glänzend Regie geführt hatte, als einzig verbliebener Rechtshänder im Rückraum
auf die halblinke Position, der gelernte Linksaußen Dominik Klein agierte
als Spielmacher. Dieser Positionswechsel war alternativlos, da Alfred Gislason
auf den im Wetzlar-Spiel durch ein Foul am Bein verletzten Daniel Narcisse
komplett verzichten musste und zudem Filip Jicha, durch ein
Foul im Melsungen-Heimspiel verletzt, dem THW lediglich in der Schlussphase in der
Defensive helfen konnte.
Wegen der peronellen Probleme setzte Gislason in der Defensive
zunächst auf zwei Kreisläufer: Rene Toft Hansen und
Patrick Wiencek standen dort Schulter an Schulter, im Angriff
wechselte Wiencek dann mit Marko Vujin.
Die Kieler starteten furios: Palmarsson setzte sich in einer
Eins-gegen-Eins-Situation durch, und Niclas Ekberg bediente
Ilic zu einem artistischen Rückraum-Kempa. Weil Ekberg
kurz darauf auch von Außen erfolgreich war und Palmarsson mit 103 km/h
abschloss, die Gäste ihrerseits aber zweimal durch Graubner erfolgreich waren, stand es nach
sechs Minuten 4:2 für die Gastgeber. Die machten aber weiter Druck - und ließen mit einer beweglichen
Abwehrformation den TVG kaum zur Entfaltung kommen. Da auch Omeyer gut in
die Partie kam und die "Zebras" sich auch in der Rückwärtsbewegung Szenenapplaus abholten,
setzte sich der THW zügig ab: Mit einer 4:0-Serie, die auch die eilig genommene Auszeit von
TVG-Coach Peter David nicht unterbrechen konnte, schraubten die Kieler die Führung auf 8:2 (11.).
Doch dann schlichen sich wieder Ungenauigkeiten in den Angriff ein, die die Gäste eiskalt ausnutzten:
Kaufmann und zweimal Eisenträger verkürzten binnen zwei Minuten auf 5:8, nach
Toft Hansens 9:5 sorgte ein erneuter TVG-Doppelschlag durch dieselben
Akteure für Raunen auf den Rängen. Bis auf zwei Tore kamen die Gäste heran - doch der THW ließ sich
dadurch nicht beirren.
Zwischenspurt sichert klare Halbzeitführung
Marko Vujin auf dem Weg zu einem seiner vier Treffer.
Erst verwandelte Ekberg seinen zweiten Siebenmeter sicher zum 11:8,
dann passte Klein bei einem Gegenstoß mustergültig auf den
mitgelaufenen Ekberg, der mit einem tollen Leger den
bis dato schönsten Angriff zum 12:8 abschloss, ehe sich Toft Hansen
um seinen Gegenspieler drehte und zum 12:8 traf. Als Omeyer
mit seinem weiten Pass Klein zur Flugshow einlud, wurde daraus
das spektakulärste Tor des Tages - und nebenbei das vierte THW-Tor in zwei Minuten. Doch ausgerechnet
in Überzahl stockte der THW-Offensiv-Motor erneut: Bühler und Spatz bedankten sich mit dem 10:14-Anschluss (21.).
Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass die Mainfranken sich einigermaßen in Reichweite des THW befanden.
Nach der Auszeit von Gislason ließen es die "Zebras" in den verbleibenden
neun Minuten richtig krachen: Erst leitete Wiencek, der in der
Abwehr sicher stand, aber im Abschluss ein wenig mit dem Wurfglück haderte, einen Gegenstoß ein,
den Ekberg zum 16:10 abschloss, dann jagte Marko Vujin
den Ball nach Schneller Mitte mit 108 km/h in die Maschen, ehe der serbische Linkshänder gleich
noch einmal einnetzte. Omeyer schickte Ekberg
steil, der den am Kreis besser postierten Klein zum 19:12 bediente,
ehe Ilic und erneut Ekberg ihre Treffer fünf
beziehungsweise sechs zum 21:13-Halbzeitstand erzielten - mit 7:3 entschieden die Kieler die letzten
neun Minuten der ersten Halbzeit für sich und sorgten so für beruhigte Mienen auf der Bank.
Ilic-Verletzung bringt kurzfristig Unordnung
Niclas Ekberg war sechsmal erfolgreich und überzeugte auch
als guter Passgeber.
Diese hatten sich nach Ilics Augenverletzung allerdings schnell wieder
in besorgte verwandelt. Denn der Ausfall des einzig verbliebenen Rechtshänders im
linken Rückraum sorgte kurzfristig für ein wenig Unordnung im Kieler Angriffsspiel. Da sich zudem
Galia im TVG-Tor mit einigen Paraden auszeichnete, kamen die Gäste nach Toft Hansens
24:14 noch einmal heran: Mit einem 4:1-Lauf verkürzten sie auf 18:25 (40.), was Gislason
zur zweiten Auszeit des Spiels zwang. Er beorderte Jicha in die Verteidigung und ließ
diese offensiver decken, zudem kam Christian Zeitz, der eigentlich geschont
werden sollte, zum Einsatz: Er schnappte sich gleich einen Ball und passte auf Gudjon Valur Sigurdsson,
der den Gegenstoß sicher verwandelte. Und nachdem Pomeranz mit einem Doppelschlag das Resultat auf 20:27
verändert hatte, war es Zeitz, der sich im Zweikampf durchsetzte und mit dem 28:20
die endgültige Entscheidung markierte. Danach feierten die 10.285 Fans in der Sparkassen-Arena
den ersten Treffer von Wiencek, der zuvor mit mehreren Holztreffern Pech hatte,
und die Siebenmeter-Parade von Omeyer gegen Pomeranz, weil der Franzose
auch noch den Nachwurf entschärfte. Am Ende wurde es so dann noch richtig deutlich - worüber sich
auch der THW-Nachwuchs freuen durfte. Denn für jedes THW-Tor an diesem Abend spendete die Kieler Volksbank
100 Euro für die "Jung-Zebra"-Abteilung.
Sonntag gegen Gummersbach
Während sich ein Großteil der Kieler langsam aber sicher auf Weihnachten einstimmt,
haben die Handballer des THW Kiel noch einiges vor: Bereits am Sonntag, dem vierten Advent,
steht das nächste Spiel auf dem Programm. Gegner ist ab 15.30 Uhr der im Abstiegskampf feststeckende
VfL Gummersbach. Und nach
der Bescherung an Heiligabend sollten die "Zebras" beim Festessen nicht allzu sehr zuschlagen.
Am 1. Weihnachtsfeiertag muss THW-Trainer Alfred Gislason seine Mannen
zum Training bitten, denn am 26. Dezember endet das erfolgreichste Jahr der Vereinsgeschichte mit
einem absoluten Kracher: mit dem Nordderby bei der SG Flensburg-Handewitt.
Wir haben die Anfangsphase völlig verschlafen, als der THW sofort zur Sache kam und unwahrscheinlich
viel Durck auf uns ausgeübt hat. Wir lagen schnell mit sechs Toren hinten. Schade, weil wir uns
etwas anderes vorgenommen hatten. Bis zur Pause konnten wir das einigermaßen korrigieren. Was gut war: Wir haben uns
in der Halbzeit darauf eingeschworen, dass wir hier nicht aufgeben und ohne Aggressivität spielen wollen. Uns
war bekannt, dass der THW Perosnalprobleme hat und mit der ersten Sieben nahezu durchspielen muss.
Hinzu kam die Verletzung von Ilic, dann sind wir ins Spiel gekommen. Wir hatten
bis zum 20:27 eine gute Phase, aber am Ende haben wir leider wieder den Faden verloren.
Der Sieg war
vielleicht ein oder zwei Tore zu hoch, wenngleich er natürlich verdient war.
Ich bin recht zufrieden damit, dass es nicht so ein enges Spiel war und wir klar gewonnen haben. Wir haben
gut angefangen, die Abwehr war sehr beweglich, wir haben hervorragend gedeckt und Titi
hat super gehalten. Problematisch war, dass wir vorne sehr viele Fehler gemacht und die Großwallstädter damit zu
Gegenstößen eingeladen haben. Direkt nach der Pause Momir zu verlieren, wodurch
nur noch ein etatmäßiger Rückraum-Rechtshänder einsatzfähig war, war schwierig.
Momir hat über Schmerzen am Auge geklagt. Er hat einen Finger ins
Auge bekommen. Das war bei einer normalen Abwehraktion, nicht bei so einer überharten
Aktion wie diejenigen, die Filip und Daniel
verletzt haben. Trotzdem musste ich danach
mit Dominik, der seine Sache ganz gut gemacht hat, improvisieren.
Momentan verlieren wir
einen Rechtshänder pro Spiel. Ich hoffe, dass es bei Momir nichts Schwerwiegendes ist und
er am Wochenende wieder spielen kann. Sonst wird es sehr brenzlig im linken Rückraum
und auf der Mitte.
Es war aber wichtig, dass wir insgesamt besser gespielt haben als zuletzt. Für die
Statistiker, die uns anderthalb Jahre immer etwas über die Serie gefragt haben, obwohl uns
das nicht gefiel: Jetzt haben
wir einen 4:0-Lauf (er lacht).
Großwallstadt hatte bisher zwar nicht so gute Ergebnisse,
hat aber eine gute Mannschaft. Daher wollten
wir Gas geben. Ich bin mit unserer Leistung zufrieden,
denn nach den vielen Ausfällen mussten wir
60 Minuten durchspielen.
TVG-Torhüter Michael Spatz gegenüber den KN:
Unser Ziel war, hier mit Spaß zu spielen und Selbstvertrauen
zu tanken. Ich habe einige gute Paraden gezeigt,
das hilft. Unsere Situation ist nicht optimal. Wir denken
nur von Spiel zu Spiel und hoffen, dass die Rückrunde
besser läuft, da wir viele wichtige Spiele zu
Hause haben. Insgesamt brauchen wir 20 Punkte.
34:23 - Handballmeister THW Kiel ließ dem TV Großwallstadt keine Chance - Ilic verletzt
Kiel. Es kam, wie es kommen musste: Der THW Kiel fertigte
gestern Abend den Tabellen-17. aus Großwallstadt mit 34:23
(21:13) ab und festigte seinen zweiten Platz. Der TVG, wie der Rekordmeister
eines von drei verbliebenen Gründungsmitgliedern der Handball-Bundesliga, war
chancenlos. Ein ähnliches Schicksal droht am Sonntag dem VfL
Gummersbach (15.30 Uhr), dem dritten Dinosaurier.
Die Mainfranken gaben in jeder Hinsicht ein trauriges Bild ab. Zerknautscht waren
sie aus ihrem Bus gestiegen, mit dem sie am Morgen die mehr als 600 Kilometer
lange Reise angetreten hatten. Keine Übernachtung auf der Strecke oder der
sonst gebräuchliche Mittagsschlaf in einem Tageshotel. Vor ausverkauften Rängen in
der mit 10 285 Zuschauern gefüllten Arena war das Team von Peter David für
die "Zebras" auch nicht mehr als ein einheitlich gekleideter Trainingspartner.
Die Gäste haben im bisherigen Saisonverlauf noch keinen Punkt aus einer
fremden Halle entführen können. Und auch in Kiel machten sie von Beginn an
nicht den Eindruck, als könnten sie ihren sensationellen Auswärtssieg wiederholen,
mit dem sie am 29. März 2011 (28:25) den THW aus dem Meisterrennen geworfen
hatten. Die Hausherren mussten auf
Daniel Narcisse (Pferdekuss) verzichten.
Auch Filip Jicha konnte mit seinem lädierten
rechten Oberarm erneut nur in der Deckung aushelfen. Trotzdem geriet
Heimsieg Nummer eins nach der Melsungen-Niederlage (25:29) nie in Gefahr.
Auch nicht, als Momir Ilic in der 35. Minute
verletzt das Feld räumen musste. Der Serbe, mit sechs Toren bester Kieler Werfer,
hatte die Hand von TVG-Abwehrchef Sverre Jakobsson ins Gesicht bekommen
und sah mit dem rechten Auge nur noch eingetrübt. Fortan spielte
Dominik Klein
im Rückraum, der als Linksaußen zuvor
das schönste Tor des Abends erzielt hatte.
Einen Pass des starken Thierry Omeyer
schnappte er sich im Flug und knallte ihn vor der Landung zum 14:8 (20.) ins Netz.
So blieb die spannendste Frage, wann Patrick Wiencek
endlich ein Tor erzielen würde? In der Deckung stand er sicher, im
Angriff hatte er lange Pech - bis zur 49. Minute, dann erlöste er die Fans, die ihm
hörbar die Daumen gedrückt hatten.
Als das einseitige Treiben aus Sicht der
Chancenlosen endlich ein Ende gefunden hatte, stiegen die Angestellten eines Vereins,
der sechsmal Meister war, zweimal den Cup der Landesmeister gewann und
vor 19 Monaten noch im Endspiel um den
EHF-Cup stand, fatalistisch wieder in ihren Bus ein. Sie hatten noch nicht einmal
das Kultmodell mitgenommen, jenes mit dem eingebauten Tresen. Diesem fehlten
sogar die Nackenstützen an den kargen Sitzen und eine Toilette, die eingebaute
war abgesperrt. Nachtfahrt in die 4000-Seelen-Gemeinde Großwallstadt, Abfahrt
in die Zweite Liga? "Ich hoffe nicht", sagte der Sportliche Leiter Uli
Wolf, dem aufgrund eines wichtigeren Termins die Ochsentour erspart geblieben
war. "Ich habe mir vom Weihnachtsmann den Klassenerhalt gewünscht und
hoffe, dass er das gehört hat."
Die Gäste hatten am Ende der vergangenen Saison mit Steffen Weinhold
(Flensburg), Jens Tiedtke (Wetzlar), Stefan Kneer und Moritz Schäpsmeier (beide
Magdeburg) einmal mehr vier Leistungsträger abgegeben. Zudem verlängerte der
chinesische Hauptsponsor, ein Hersteller von Haushaltsgeräten, seinen auslaufenden
Vertrag nicht. Davon soll, so die TVG-Offiziellen, der Etat von 3,3 Millionen Euro
unberührt geblieben sein. Was schwer vorstellbar ist und kaum zur Art der Anreise
passt, deren einzig sinnvolle Erklärung nur sein kann, dass der Traditionsverein
extrem sparen muss. Auch am bezahlten Mittagsschlaf des Personals.
Ähnliches gilt für den nächsten Gegner des THW: Am Sonntag stellt sich der VfL
Gummersbach (16.) vor, der gerade Neuling TV Neuhausen unterlag und ebenfalls
auf einem Abstiegsplatz gelandet ist. Immerhin einen vor Großwallstadt.