Zuletzt machten es die Handballer des THW Kiel stets spannend: Die
Heimspiele des deutschen Rekordmeisters gegen Gummersbach
und Wetzlar gerieten zu Krimis. Gegen GWD Minden
aber machten die "Zebras" von Beginn an klar, dass sie ihre erneut
großartigen Fans dieses Mal nicht bis zur Schlusssekunde zittern lassen
wollten. Nach einem 19:11 zur Pause gewann der THW Kiel am Ende deutlich
mit 34:25. Aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung ragte Torhüter
Johan Sjöstrand mit 19 Paraden heraus, bester
Kieler Torschütze war Niclas Ekberg mit sechs Toren.
Blitzstart der "Zebras"
Dreieinhalb Minuten dauerte es, bis die Gäste zum ersten Mal richtig
mitspielen durften. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kieler bereits ein 3:0
vorgelegt - und deutlich gemacht, dass sie an diesem Abend Spannung nicht
aufkommen lassen wollten. Vor allem Johan Sjöstrand
entwickelte sich fortan zum Spielverderber der Mindener Aktionen. Immer
wieder hatte der Schwede ein Körperteil am Ball, und auch die vor ihm
postierte Defensive schnappte sich den ein oder anderen Ball. So war es
Filip Jicha, der nach einem Steal
Gudjon Valur Sigurdsson auf die schnelle Reise
zum 5:1 schickte.
Wiencek stark am Kreis
Patrick Wiencek erarbeitete sich und seiner
Mannschaft viele Chancen.
Aber auch aus dem gebundenen Spiel wussten die "Zebras" an diesem Abend
zu überzeugen. So glänzte Lauge als Regisseur
genauso mit vielen tollen Anspielen wie Jicha,
die sowohl die Außen bedienten als auch immer wieder eine Lücke am Kreis
fanden. In diese hatte sich zumeist Patrick Wiencek
bewegt. Und der Nationalspieler, der für den angeschlagenen
Rene Toft Hansen in die Startformation gerückt
war, nutzte diese perfekt: Entweder er holte Siebenmeter heraus, wie vor
Vujins 7:3 (9.), oder er traf selbst - und dies
zum Teil artistisch.
Sjöstrands 13 Paraden sorgen für klare Pausenführung
Niclas Ekberg war mit sechs Treffern
erfolgreichster Schütze.
Beim 7:11 kamen die Gäste noch einmal heran (18.), weil vor allem die
GWD-Außen eine gute Partie machten. Aber nach diesem Anschlusstor traf
Ekberg zum 12:7, da sicherte
Sigurdsson gedankenschnell einen Abpraller
und bediente Wiencek zum 13:7, ehe der Linksaußen
- traumhaft bedient von Lauge - selbst zum 14:7
traf. Drei Tore in drei Minuten - die Gäste bekamen kaum Luft zum
Durchschnaufen. Auch, weil die Kieler Defensive sicher stand. Aber auch,
weil Johan Sjöstrand allein in den ersten 30
Minuten 13 Bälle parierte. Mit einer ungewohnt hohen 19:11-Führung
verabschiedeten sich die "Zebras" in die Pause.
THW lässt nichts mehr anbrennen
Aus dieser kamen sie allerdings nicht ganz so frisch wie zuvor. Nur ein
Treffer gelang den Kielern in den ersten acht Minuten nach dem
Seitenwechsel. Die Gäste verkürzten auf 14:20 (38.), während THW-Trainer
Alfred Gislason mit der Chancenverwertung
seiner Mannschaft haderte - oder mit dem Glück. Denn allein zehnmal
trafen die "Zebras" an diesem Abend Holz. Aber die Gäste konnten auch
daraus keinen Nutzen ziehen, denn nach Palmarssons
Schuss in die lange Ecke und Ekbergs tollem
Treffer im Gegenstoß führte der THW wieder mit acht Toren (23:15, 41.).
Da auch Dominik Klein, zur Pause für
Sigurdsson gekommen, erneut treffsicher war,
kamen die Gäste nicht mehr in Reichweite.
Am Mittwoch in Magdeburg
Dominik Klein erzielte im zweiten
Durchgang drei Treffer.
Die 10.285 Fans in der restlos ausverkauften Sparkassen-Arena feierten
ihre Mannschaft schon weit vor dem Schlusspfiff mit der La Ola und
stehenden Ovationen. Zum Stimmungshöhepunkt wurde die 55. Minute, in
der Neuzugang Wael Jallouz nach zuletzt drei
Spielen ohne Torerfolg wieder einnetzte und von den Zuschauern mit einem
ohrenbetäubenden "Hej, Willy, hej" gefeiert wurde. Als Rene Toft Hansen
wenig später das 32:22 markierte, war der Kieler Vorsprung erstmals auf
zehn Tore angewachsen. Dass dieser nach dem tollen Kempatrick von
Dominik Klein auf Niclas Ekberg
zum 34:24 keinen Bestand mehr hatte, war Oliver Teschs finalem Tor zu
verdanken. Trotzdem feierten die Kieler Zuschauer ihre "Zebras" mit
lautem Jubel - zu Recht. Denn der THW Kiel hatte an diesem Abend mit
einer tollen Mannschaftsleistung den Gegner gar nicht erst ins Spiel
kommen lassen. Alle eingesetzten Feldspieler - einzig
Christian Sprenger wurde geschont - trafen.
Und auch spielerisch geht die Entwicklung klar nach oben. Das muss sie
aber auch, denn auf die "Zebras" wartet am kommenden Mittwoch eine
Herkulesaufgabe: Der heimstarke SC Magdeburg empfängt dann den THW
Kiel zum Duell, das ab 20.15 Uhr live in Sport1 zu sehen sein wird.
Die erste Halbzeit hat mir richtig gut gefallen. Wir wollten dieses
Mal nicht zu früh abschließen und auf unsere Chance warten. Wir haben
uns viele Möglichkeiten erspielt. Wenn es etwas zu bemängeln gibt,
dann die Tatsache, dass wir zu viele klare Chancen liegen gelassen
haben. Insgesamt war das heute aber seine sehr gute Leistung - auch
wieder von unseren Torhütern. Auch die Spieler, die sonst weniger zum
Einsatz kommen, haben überzeugt. So hat zum Beispiel
Patrick Wiencek eine sehr gute erste
Halbzeit gespielt. Wir kommen nach und nach immer besser in Tritt.
Mindens Trainer Goran Perkovac:
Wir hatten uns intensiv auf diese Partie uns insbesondere das
Kreisläufer-Spiel des THW Kiel vorbereitet, das wir unbedingt in den
Griff bekommen wollten. Das haben wir in den ersten 30 Minuten komplett
verschlafen, zehn Tore allein von der Linie bekommen. Das war nicht
zufriedenstellend, und der THW hatte heute ein leichtes Training mit uns.
34:25 - Handballmeister THW Kiel feiert nach dramatischen Wochen einen entspannten Heimsieg gegen Minden
Kiel. Achtes Spiel, achter Sieg - Handballmeister
THW Kiel polsterte nach dem souveränen 34:25
(19:11)-Heimsieg gegen den Bundesliga-16. GWD Minden
sein Konto auf makellose 16:0 Punkte auf. Der
Rekordmeister belegte am Sonnabend aber auch eindrucksvoll,
dass die harte Arbeit auf der Großbaustelle
"THW 2013" langsam ihre Früchte trägt.
Gegen Wetzlar (26:25), Gummersbach
(31:30), Melsungen
(29:26) und zuletzt auch in der
Champions League gegen den dänischen Vizemeister KIF
Kolding (29:26) hatten die Zebras
sich vor eigenem Publikum erst in den letzten Sekunden
über die Ziellinie retten können. Gegen Minden kehrte
nach Wochen der Mühsal die Leichtigkeit zurück.
"Was heute anders war? Wir haben uns fest vorgenommen,
von Beginn an Vollgas zu geben", sagte Rechtsaußen
Niclas Ekberg, der 60 Minuten
durchspielte, weil Christian Sprenger
(Zerrung) noch geschont wurde. Der sechsfache Torschütze war
ein Grund, warum der Gastgeber bereits nach einer Viertelstunde
(10:4) enteilt war. Johan Sjöstrand
parierte stark, die offensive Deckung mit
Filip Jicha als Spitze stand gut,
im Angriff unterliefen dem Team von
Alfred Gislason im ersten Durchgang
keine nennenswerten Fehler - in dieser Verfassung ist der THW
Kiel für einen Abstiegskandidaten wie GWD Minden eine Nummer
zu groß.
"Das war für Kiel nur ein Trainingsspiel", ärgerte sich Goran
Perkovac, Trainer der Besiegten. "Wir hatten uns intensiv darauf
vorbereitet, dass Kiel viel über den Kreis spielt. Und dann
bekommen wir in der ersten Halbzeit zehn Tore von der Linie!" Das
dürfe nicht einmal einer "Regional-Mannschaft" passieren, stöhnte
der Kroate. "Für einen Bundesligisten geht das gar nicht."
Jicha sah am Ende des einseitigen
Treibens auch nicht die Abwehr als Schlüssel zum Erfolg. "Es
heißt zwar immer, dass hier der Grundstein gelegt wird", sagte
der Kapitän. "Ich sehe es anders, für mich beginnt der Erfolg im
Angriff." Wer hier mit hoher Effektivität spielen würde, hätte
auch entsprechend weniger Sorgen in der Deckung.
Im besagten Kreisspiel tat sich im ersten Durchgang besonders
Patrick Wiencek hervor. Was nicht
verwundert, schließlich ist der deutsche Nationalspieler ein
Kreisläufer. Seine Bilanz bis zur Pause: Vier Tore, fünf der
sieben Siebenmeter erarbeitet.
Weil die zwölfte Niederlage in Folge gegen den THW Kiel
bereits zur Pause feststand, konnte Gislason
("Wir machen Fortschritte") im zweiten Durchgang ein wenig experimentieren.
So schickte er Aron Palmarsson für ein
paar Minuten aufs Feld. Der Isländer, der sich Schritt für Schritt
von den Folgen seiner schweren Knieoperation erholen soll, hatte in
den vergangenen Wochen oft in der Not aushelfen müssen. Gegen Minden
konnte er erstmals in dieser Saison entspannt Spielpraxis sammeln -
die Ostwestfalen hatten nach dem Seitenwechsel alle Hoffnungen
aufgegeben und vermieden es, ihren Frust mit übergroßer Härte zu
verarbeiten. So erlebte auch Wael Jallouz
einen kuriosen Kurzauftritt. Der Tunesier, von allen nur "Willi"
gerufen, kassierte zwar nach einer unglücklichen Aktion gegen Nenad
Bilbija nur Sekunden nach seiner Einwechslung eine Zeitstrafe.
Doch kurz darauf hämmerte der Neuzugang, der in Kiel noch große
Startschwierigkeiten hat, den Ball mit Wucht ins Netz. Selten löste
ein Tor zu einem eher beliebigen Zwischenstand wie 31:22 (56.) eine
solche Begeisterung auf den Rängen der ausverkauften Arena aus. "Das
hat mich sehr gefreut, dass die Fans mir so applaudiert haben",
bedankte sich Jallouz artig.
Von den Kollegen hatte er den einen oder anderen aufmunternden
Schlag auf sein breites Kreuz erhalten. "Ein solches Tor hat er
mal gebraucht", sagte Jicha, der aber
nicht glaubt, dass dieser leichte Sieg die Gefühlswelt seiner
Mannschaft vor dem schweren Auswärtsspiel beim SC Magdeburg
(Mittwoch, 20.15 Uhr) grundlegend verändert. "Nach Magdeburg
fährst Du immer mit dem gleichen Gefühl." Er weiß nur zu gut,
wie hoch die Hürde in der voraussichtlich mit 7000 Zuschauern
ausverkauften Arena sein wird. "Wir fahren in die Hölle Ost",
brachte es Dominik Klein auf den Punkt.