Der THW Kiel hat die Tabellenführung in der DKB Handball-Bundesliga
eindrucksvoll verteidigt. Am Mittwochabend siegten die "Zebras" in der
ausverkauften Sparkassen-Arena deutlich mit 31:20 (17:8) gegen
Frisch Auf Göppingen. Aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung -
gleich sechs Kieler erzielten vier oder mehr Treffer - ragte
Torhüter Andreas Palicka heraus, der
insgesamt 23 Würfe der Gäste entschärfen konnte.
Nach dem Punktverlust im Heimspiel gegen Magdeburg
und dem hart erkämpften 28:25-Auswärtssieg in Balingen
blickte ganz Handball-Deutschland am Mittwochabend gespannt nach Kiel.
Der Rekordmeister galt als müde und ausgelaugt, zumal er in der
vergangenen Woche auch noch sein Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel
in Ungarn gegen Zaporozhye absolvieren musste und neben dem
Langzeitverletzten Rasmus Lauge auch
Torhüter Johan Sjöstrand wegen einer
Gehirnerschütterung ausfiel. Und dann waren da auch noch ausgerechnet
aufstrebende Göppinger zu Gast, die sich zuletzt der letzten
Abstiegssorgen entledigt hatten und mit dem ins Nationalteam
zurückgekehrten Michael Kraus eine Trumpfkarte in ihren Reihen
wissen. Auch Bundestrainer Martin Heuberger war daher unter den
10.285 Zuschauern in der Sparkassen-Arena - auch, um mit den Kielern
Patrick Wiencek und Dominik Klein
zwei weitere Nationalspieler unter die Lupe zu nehmen.
Die Skeptiker schienen zunächst Recht zu behalten: Nach fünf Minuten
führten die Gäste mit 3:2, da Aron Palmarsson
und Marko Vujin am stark beginnenden
Primoz Prost scheiterten. Als mit Filip Jicha
auch der dritte Kieler Rückraumspieler mit einem Fernwurf scheiterte,
bekamen die Grün-Weißen sogar die Chance zur Zwei-Tore-Führung.
Momir Rnic passte nach außen auf Marcel Schiller, der aber an
Andreas Palicka scheiterte. Auf der
Gegenseite bediente Jicha dann
Patrick Wiencek, der den 3:3-Ausgleich
markierte.
THW startet Handballgala
Dies war der Auftakt zu einer Kieler Handballgala, die diese
mit Spannung erwartete Partie bereits bis zur Pausensirene
entscheiden sollte. Frisch Auf, das ohne Rechtsaußen Christian
Schöne auskommen musste, begann zunächst mit drei Rechtshändern
im Rückraum, weil Linkshänder Felix Lobedank angeschlagen mit
einer Schulterverletzung angereist war. Die Kieler 6:0-Deckung,
wie gewohnt mit Rene Toft Hansen und
Wiencek im Mittelblock, hatte sich
nach den Anfangsminuten schnell darauf eingestellt und stand
von Minute zu Minute sicherer. Der erschreckend schwache
Topshooter Momir Rnic und Michael Kraus ließen sich so zu
Verlegenheitswürfen hinreißen, die Palicka
mühelos fangen konnte. Und so sorgten der gut aufgelegte
Die Göppinger Nationalspieler Tim Kneule und Michael Kraus blieben blass.
Aron Palmarsson per Sprungwurf und
der mustergültig von Palicka bediente
Toft Hansen für das Kieler 5:3.
Wiencek erhöhte nach Palmarsson-Anspiel
gar auf 6:3, ehe Göppingen durch Mitar Markez seine sechsminütige
Torflaute beenden konnte - auch, weil Wiencek
von den Schiedsrichtern Schulze/Tönnies für zwei Minuten auf die
Bank geschickt wurde. Doch auch die Unterzahl vermochte den
THW-Express nicht zu stoppen: Niclas Ekberg
traf im Nachwurf zum 7:4, und als die "Zebras" wieder vollzählig
waren, legten Jicha und
Zeitz per zweiter Welle zum 9:4
nach. Kiels Linkshänder war in der 15. Spielminute bereits
der achte schwarz-weiße Torschütze an diesem Abend.
Starker Palicka sorgt für frühe Entscheidung
Auch in der Folgezeit ließ sich der THW nicht bremsen.
Göppingen spielte zwar ebenfalls eine 6:0-Deckung, in der mit
Späth und Pevnov ebenfalls zwei Kreisläufer den Mittelblock
bildeten. Doch im Gegensatz zur Kieler Abwehr wirkten die
Baden-Württemberger zu lethargisch und agierten zu passiv.
Dies nutzten die Gastgeber, insbesondere Palmarsson,
konsequent aus und setzten sich über 11:5 und 13:6 bis
auf 16:7 ab. Grund dafür war auch die gute Kieler Deckung,
die auch die mittlerweile eingewechselten Daniel Fontaine
und Felix Lobedank blass aussehen ließ sowie ein famos
aufgelegter Andreas Palicka,
der allein im ersten Durchgang 13 Würfe und damit 62
Prozent aller Würfe entschärfen konnte. Als Ekberg
mit einem Sprungwurf aus dem Rückraum zum 17:8 traf und
Palicka den finalen Wurf Kneules
parierte, war die Partie bereits vor Anpfiff des zweiten
Durchgangs entschieden.
Kurzweilige zweite Halbzeit
Christian Zeitz war mit seiner
Zeitstrafe nicht einverstanden.
Daher entwickelten sich kurzweilige zweite 30 Minuten,
in denen auch die Kieler Deckung nicht mehr mit vollem
Einsatz agierte und damit insbesondere den im ersten
Durchgang erschreckend schwachen Nationalspielern Kneule
und Kraus zu einigen Erfolgserlebnissen verhalf. Doch die
"Zebras" sorgten stets dafür, dass die Göppinger nicht
mehr näher als auf sieben Treffer verkürzen konnten - und
sie verwöhnten ihre Fans im eigenen "Wohnzimmer" mit einigen
Kabinettstückchen: Palmarsson,
Zeitz und Wiencek
zeigten per zweiter Welle eine schwindelerregende Kombination
zum zwischenzeitlichen 19:9. Filip Jicha
versenkte einen Sprungwurf aus zehn Metern, und sein Traumpass
auf Toft Hansen erntete einen Sonderapplaus,
wenngleich der Däne den Ball nicht an Marinovic vorbei ins Tor
brachte. Christian Zeitz bekam im
zweiten Durchgang viel Einsatzzeit, agierte wie auch
Marko Vujin teilweise auf der
Rückraummitte und erzielte nebenbei vier spektakuläre Treffer.
Einzig Wael Jallouz wollte kein
Tor gelingen. Der Tunesier bekam viel Einsatzzeit, hatte im
Abschluss aber viel Pech.
Da die Partie längst entschieden war, konnte Gislason
im Hinblick auf das Champions-League-Rückspiel am Sonntag gegen
Zaporozhye seinen Vielspieler wie Jicha,
Palmarsson und Vujin
lange Verschnaufpausen geben, ohne dass an diesem Abend noch etwas
anbrennen konnte. Dafür sorgte auch Palicka,
der sich weiterhin auf fantastischem Niveau präsentierte, sich
auch vom Siebenmeterstrich von Kraus nicht düpieren ließ und auch
noch mit mehreren Doppelparaden für Begeisterungsstürme sorgte.
Als der Schwede in der 59. Spielminute für Moritz Krieter
Platz machte, stand letztlich eine Fangquote von 53,5 Prozent
zu Buche.
Am Sonntag kommt Zaporozhye
Mit deutlichem Rückenwind gehen die "Zebras" somit nun in die
Partie am kommenden Sonntag. Mit einem Heimsieg gegen den
ukrainischen Meister HC Motor Zaporozhye soll zum zehnten Mal
in Folge der Sprung unter die besten acht Mannschaften Europas
gelingen. Karten für das Achtelfinal-Rückspiel in der
Champions League sind noch in allen Preiskategorien im Vorverkauf
erhältlich.
Glückwunsch an meine Mannschaft, wir haben doch einigermaßen
schwere Wochen hinter uns. Aber meine Spieler arbeiten sich
Stück für Stück aus dem kleinen Tal, in dem wir uns befunden
haben. Das war in der zweiten Halbzeit in Ungarn zu sehen, das
war auch in der zweiten Halbzeit in Balingen so. Heute haben
wir dann auch richtig gut angefangen. Die Abwehr stand sehr
gut, insgesamt haben wir sehr gut gespielt.
Palle hatte einen sehr guten Tag,
deswegen haben wir auch in der Höhe verdient gewonnen. Ich
freue mich über die Leistung gegen eine sehr gute Göppinger
Mannschaft, die in den vergangenen Spielen stark aufgetrumpft
hat.
Göppingens Trainer Aleksandar Knezevic:
Ich gratuliere dem THW Kiel, die Kieler waren heute in jedem
Bereich besser. Wir haben fünf Minuten mithalten können, dann
waren wir in der Abwehr und im Angriff zu schwach. Wir haben zu
viel verworfen, 23 Paraden bei Andreas Palicka
sprechen da schon eine deutliche Sprache. Wenn die Kieler dann
ins Laufen kommen, sind sie nicht zu stoppen.
Starke Mannschaftsleistung und überragender Palicka ermöglichen 31:20 gegen Göppingen
Kiel. Nach dem Kraftakt am Sonntag in Balingen musste der
THW Kiel sein Notstromaggregat nicht anwerfen. Beim 31:20 im Heimspiel
gegen Frisch Auf Göppingen lag der deutsche Handball-Meister schon
nach der ersten Halbzeit beruhigend mit 17:8 in Führung. Dass diese
im weiteren Verlauf nicht mehr in Gefahr geriet, war wichtig, denn
die Verfolger aus Mannheim und Flensburg hatten gestern Abend
vorgelegt.
Zwar laufen die Akkus der Zebras langsam aber sicher aufgrund der
derzeit dünnen Personaldecke heiß, dennoch konnte sich der
Spitzenreiter mit einer großen Energieleistung gegen Göppingen
souverän durchsetzen und seine Top-Position sichern. Der Grundstein
für den Erfolg wurde in einer bemerkenswerten ersten Halbzeit gelegt.
Man konnte vor dem Spiel kaum davon ausgehen, dass Vieles bereits
nach 30 Minuten so deutlich für die Hausherren sprach.
Rasmus Lauge fehlt als Langzeitverletzter
im Rückraum, im Kieler Kasten musste der herausragende
Andreas Palicka auf tatkräftige
Unterstützung seines Keeper-Kollegen Sjöstrand
verzichten. Fynn Ranke und
Torhüter Moritz Krieter ergänzten den Kader.
Göppingen präsentierte sich zwar von Beginn an spielfreudig, aber
Kapitän Michael Kraus konnte als Regisseur in der Rückraummitte kaum
Akzente setzen. Dem engagierten zupackenden Göppinger 6:0-Abwehr zogen
die Zebras den Zahn, indem sie lange Wege gingen, kreuzten und die
Lücken suchten - bemerkenswert, angesichts der Tatsache, dass die
Kieler nach kräftezehrenden Wochen und Personalmangel vermeintlich
auf Energie ihres Notstromaggregats zurückgreifen mussten.
Der THW wirkte in Abwehr und Angriff überraschend frisch, von Müdigkeit
nahezu keine Spur. Göppingen musste für seine Chancen deutlich mehr tun.
Auch eine Neujustierung durch Trainer Aleksandar Knezevic ( "Wir konnten
nur die ersten fünf Minuten mithalten, dann waren Abwehr und Angriff zu
schwach"), der beim Stand von 9:4 die Auszeit nahm, brachte keinen Erfolg.
Die zweite Hälfte präsentierte sich nahezu als Abziehbild der ersten
Halbzeit: Göppingen fehlten die zündenden Ideen, bei den Kielern passte
deutlich mehr zusammen, die Reserven schienen unerschöpflich, das Glück des
Tüchtigen tat in kritischen Situationen sein Übriges. Spätestens als
Christian Zeitz aus dem Stand ein 110-km/h-Geschoss
an Keeper Marinovic vorbeifeuerte (50.), und Keeper
Palicka ("Heute lief es richtig gut") weiterhin
im Akkord Bälle parierte, gab es unter den lautstarken THW-Fans keine
Zweifler mehr.
"Keine Ahnung, wo wir die Energie hergenommen haben, aber im Sport darf man
nicht darüber nachdenken, ob man müde ist oder nicht, sonst hat man schon
verloren", erklärte Filip Jicha. Auch THW-Trainer
Alfred Gislason war zufrieden: "Wir haben
schwierige Wochen hinter uns, doch die Mannschaft kommt langsam aus ihrem Tal."