THW-Logo
13.12.2006 WM 2007 / Interview

KN-Interview mit Heiner Brand: "Das ist ein einmaliges Erlebnis"

Bundestrainer Heiner Brand über die Handball-WM in Deutschland, die Chancen des eigenen Teams und Kritik an der Organisation

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.12.2006:

Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.

Kiel - Fast einen Monat vor der Handball-WM in Deutschland hofft Heiner Brand auf eine ähnliche Euphorie im Land, wie bei den Fußballern. Davon kann die Mannschaft profitieren, erklärt der Bundestrainer im Gespräch mit unserer Zeitung.
Kieler Nachrichten:
Ist es ein Vor- oder Nachteil, dass direkt nach der Fußball-WM im eigenen Land die Handball-WM ausgespielt wird?
Heiner Brand:
Von der Anspruchshaltung her, von den Vergleichen, die gezogen werden, ist es eher ein Nachteil. Aber ich denke von der Stimmung her, wird es ein Vorteil sein, dass die Leute aus der Erfahrung der Fußball-WM bereit sind, sich als Deutsche zu outen. Das wird sich positiv auf die Stimmung auswirken. Davon können wir als Mannschaft auch profitieren.
Kieler Nachrichten:
Jürgen Klinsmann hat ja lange vor der WM ein klares Ziel - wir wollen Weltmeister werden - formuliert. Haben Sie damit auch mal geliebäugelt?
Heiner Brand:
Ich habe immer anders argumentiert, mit anderen Zielen. Zum einen bin ich nicht der Typ, der Strahlemann, wie Jürgen Klinsmann. Nein, ich hab das jetzt bald 20 Jahre anders gemacht. Klinsmann hat nur einen zeitlich begrenzten Job gemacht. Das ist ja eine andere Situation als meine.
Kieler Nachrichten:
Freuen Sie sich denn richtig auf die WM im eigenen Land?
Heiner Brand:
Klar, es muss für jeden Spieler und Trainer eine richtige Freude sein. Das ist eine einmalige Chance und einmaliges Erlebnis. Allerdings bin ich noch gar nicht dazu gekommen, so etwas wie Vorfreude zu entwickeln, weil ich nur im Einsatz bin. Aber wenn ich mal Ruhe habe, werde ich mich schon drauf freuen.
Kieler Nachrichten:
Glauben Sie, dass Henning Fritz wieder zu solch einer Leistung finden wird wie in Athen, als er bei den Olympischen Spielen 2004 zum Helden wurde?
Heiner Brand:
Ich hoffe es. Seine Kurve bei uns geht klar nach oben. Das war schon sichtbar beim World Cup. Er fühlt sich körperlich gut. Natürlich kenne ich auch die Problematik in Kiel. Der Killer-Instinkt, den er sonst immer gehabt hat, der fehlt ihm zurzeit. Aber wenn er bei uns ist, kann sich das vielleicht ändern. Vielleicht wäre die WM-Vorbereitung für ihn so eine Art Neuanfang.
Kieler Nachrichten:
Was empfinden Sie denn, wenn Sie im Fernsehen den THW sehen und Omeyer steht im Tor?
Heiner Brand:
Dass ich nicht erfreut bin über diese Situation, ist klar. Ich bin auch nicht erfreut, wenn der Kim Andersson auf Halbrechts spielt und Zeitz auf Außen, aber ich muss das akzeptieren. Es gab ja Gründe für die Verpflichtung von Omeyer. Und ich weiß ja auch, dass Noka Serdarusic mir nicht schaden will. Ich habe mich jetzt für Fritz als Torwart entschieden. Damit ist die Sache, unabhängig von seinen Einsätzen, für mich erledigt.
Kieler Nachrichten:
Henning Fritz kann bis Ende Dezember allein entscheiden, ob er für zwei weitere Jahre in Kiel bleiben will oder nicht. Was glauben Sie, was Fritz macht?
Heiner Brand:
Schwer zu sagen, aber ich glaube nicht, dass er jetzt verlängern würde. In der jetzigen Situation könnte ich das auch verstehen, aber vielleicht wartet er auch ab bis nach der WM.
Kieler Nachrichten:
Sie hatten vor kurzem ein Gespräch mit Vertretern der Handball-Bundesliga, in dem Sie gefordert haben, dass Sie gerne mehr deutsche Spieler in den Kadern sehen würden. Das wurde abgelehnt. Ist das Thema für Sie jetzt endgültig erledigt?
Heiner Brand:
Das sollen jetzt andere angehen. Ich denke, Herr Blatter von der FIFA hat das für den Fußball mit der 6 + 5 Regelung angeleiert und klar gesagt, dass es kommen wird. Offensichtlich hatte Blatter schon auf politischer Ebene Gespräche geführt. Deswegen glaube ich daran, dass es kommen wird, und da wird sich der Handball auch nicht hinter verstecken können.
Kieler Nachrichten:
Die Mannschaft, die 2004 Europameister geworden ist, ist in einer Bundesliga voller Ausländer gewachsen.
Heiner Brand:
Sicher haben die Spieler profitiert, aber Leute wie Pascal Hens sind doch eher durch Zufall hochgekommen, weil kein Geld in den Vereinen war und man sich mit dem eigenen Nachwuchs beschäftigen musste. Es sind einfach zu wenige Spieler, die ich zur Auswahl habe. Vor Jahren musste ich mit Christian Zeitz, Frank von Behren oder Florian Kehrmann sogar Spieler aus der Zweiten Liga in die Nationalmannschaft holen. Das ist einfach ein Unding. Aktuell habe ich durch den Ausfall von Behren ein Besetzungsproblem in der Abwehr-Mitte. Also habe ich in meiner Verzweiflung das Saisonheft der Handball-Woche durchgeblättert, um zu sehen, ob es nicht einen gibt, der mir eventuell weiterhelfen könnte. Da komme ich zum Magdeburger Steffen Stiebler, der quasi nur noch Hobby-Handballer ist, und nur sporadisch trainiert oder zu Thomas Knorr, dann sind wir auch schon am Ende. Solche Zustände können weder im Sinne der Nationalmannschaft noch im Sinne des Handballs in Deutschland sein.
Kieler Nachrichten:
Uwe Schwenker und Kollegen argumentieren aber, dass sie zwar zuerst schauen, ob sie einen guten Deutschen bekommen, wenn der nicht zu haben ist, sehen sie sich aber nach Ausländern um, die gewährleisten, dass der Verein weiterhin hohes internationales Niveau präsentiert. Haben Sie dafür Verständnis?
Heiner Brand:
Natürlich muss ich das akzeptieren. Allerdings setzen gerade spanische Klubs auf eigene Leute. Bekanntlich haben spanische Vereine auch in der Champions League zuletzt klar dominiert. So stehen im Kader vom FC Barcelona zwölf Spanier. Selbst Ciudad hat acht eigene Leute. Die machen es uns vor, dass es geht, die haben auch ein paar junge Leute dabei, die den Durchbruch irgendwann schaffen. Ich verstehe schon den Druck, den die Vereine haben, wir wollen ja nicht die Ausländer abschaffen, wir profitieren ja auch von ihnen. Was wäre die Bundesliga oder Kiel zum Beispiel ohne so überragende Handballer wie Wislander oder Lövgren? Da kann doch jeder junge Spieler nur von träumen, mit so einem zusammen spielen zu dürfen und von dem zu lernen. Das sind ja Leute, die der Liga gut tun.
Kieler Nachrichten:
Wie sehr berührt Sie die Kritik an Fehlern der WM-Organisation?
Heiner Brand:
Da beschäftige ich mich nicht besonders mit. Viele Dinge hat ja auch die IHF zu verantworten. Was mich stört ist, wenn Leute aus dem Handball kommen, die teilweise nicht mal informiert sind und unwahre Geschichten erzählen. Der Handball hat manchmal nichts anderes zu tun, als sich selbst zu schwächen. Das ärgert mich.
Kieler Nachrichten:
Sollte Deutschland Weltmeister werden, treten Sie dann als Bundestrainer zurück?
Heiner Brand:
Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ist aber keine schlechte Idee. Der Bart kommt jedenfalls nicht mehr ab, der Gag ist weg.
Kieler Nachrichten:
Was machen Sie am 4. Februar, dem Endspieltag der WM?
Heiner Brand:
Ich hoffe, dass ich dann beim Endspiel in der Kölnarena auf der Trainerbank sitze. Wenn nicht, dann sitze ich in Köln im Brauhaus. An diesem Tag feiert nämlich mein Freund Kurt Klühspies Geburtstag.

(Das Gespräch führten Wolf Paarmann, Reimer Plöhn und Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 13.12.2006)


(13.12.2006) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite