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Elf Feldtore in 46 Minuten: Tolle Bilanz für THW-Kreisläufer Igor Anic.
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Zwei Tage nach dem berauschenden
41:31 gegen den FC Barcelona in der
Champions League hat der THW Kiel seinen Fans auch in der TOYOTA Handball-Bundesliga
den ein oder anderen Leckerbissen serviert: Zeitweise spielten die Zebras mit den völlig harmlosen
Gästen Katz und Maus, am Ende hatten die Kieler durch den mehr als deutlichen 46:27 (23:10)-Heimsieg
gegen den TuS N-Lübbecke nicht nur die Tabellenspitze von der SG Flensburg-Handewitt zurück
erobert, sondern auch noch etwas für das Torverhältnis getan. Bester Werfer auf Kieler Seite war
Kim Andersson mit 12/4 Toren, bester Feldtorschütze indes
Igor Anic, der bei seinem bisher längsten Einsatz im THW-Dress in 46 Minuten
satte elfmal einnetzen konnte.
Die Vorgabe für den THW Kiel war vor der Partie klar: Möglichst frühzeitig sollten die Zebras die
Weichen auf Sieg stellen, um anschließend ein wenig Kraft schonender zu Werke gehen zu können. Bei diesem
Unterfangen nicht helfen sollte
Nikola Karabatic, der aufgrund seiner
im
Barcelona-Hinspiel erlittenen Bänderdehnung komplett geschont wurde und
nicht einmal auf der Bank Platz nahm. Für ihn auf der Platte stand
Filip Jicha,
Kapitän
Stefan Lövgren durfte zudem
Börge Lund auf
der Mittelposition die Hauptrolle überlassen. Ins Tor beorderte
Noka Serdarusic
Mattias Andersson. Trotz dieser Umstellungen lief das Kieler Angriffsspiel
von Beginn an wie geschmiert: Als TuS-Trainer Zlatko Feric nach zwölf Minuten eine Auszeit beim
Kampfgericht ankündigte, lagen seine Mannen bereits mit 3:9 zurück. Variabel über die Außen,
viele Gegenstöße und
Marcus Ahlm mit erneut einhundertprozentiger Ausbeute, in
der Abwehr konsequent - die Zebras setzten die Ziele ihres Trainers beeindruckend um. Die Gäste hingegen
versuchten zunächst, die Kieler Abwehr mit viel Tempo zu knacken. Angesichts der hohen Lübbecker Fehlerquote und
der aufmerksamen Zebra-Horde, die sich ein ums andere Mal einen freien Ball schnappte und per
Tempogegenstoß erfolgreich war, ein beinahe hoffnungsloses Unterfangen. Lediglich Neuzugang Michal Jurecki
sorgte für kurze Regungen auf der TuS-Bank, bis zur 13 Minute war er einziger Torschütze seines Teams.
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Durfte nach einer Viertelstunde endlich auch einmal verschnaufen: "Dauerbrenner" Marcus Ahlm.
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Das ließ auch in der Folge die Bissigkeit vermissen, die andere Abstiegskandidaten zum Teil in der
Sparkassen-Arena-Kiel schon an den Tag gelegt haben. Der THW bedankte sich dafür, trug Angriffe
zum Zungeschnalzen vor und freute sich über zahlreiche schöne Momente. Nach 14 Minuten war dann
der Arbeitstag für
Marcus Ahlm beendet, für ihn kam
Igor Anic.
Und der fügte sich gleich prächtig ein, erzielte drei Treffer in Folge - und tankte schon in dieser
frühen Phase mächtig viel Selbstbewusstsein. Das war den Gästen längst abhanden gekommen - vielleicht
hatten sie ein bisschen gehofft, der THW könne nach dem Kraftakt am Sonntag ein wenig müde sein. Vielleicht
waren sie deshalb auch überrascht, wie locker die Zebras jedes Tempo mitgingen und dieses sogar
stets hochhielten: Als
Anic locker seinen Gegenspieler abschüttelte und traf, kurz
darauf erneut einnetzte und
Mattias Andersson einen Tomic-Wurf im Stile
eines Fußball-Torwartes einfach wegfing, war es um den TuS endgültig geschehen: Vom 19:8 (22.),
Kim Anderssons 21:9 in Unterzahl,
Anic hatte eine
Zwei-Minuten-Zeitstrafe erhalten, erneut
Andersson mit einem 108-km/h-Kracher
zum 22:10 und
Lundströms feinem Tempogegenstoß zum 23:10 zeigte der THW
Handball zum Genießen - sein Gast stand und staunte über einen 13-Tore-Rückstand zur Pause, über den
gelernten Linksaußen
Dominik Klein, der sich mit
Vid Kavticnik
auf Rechtsaußen ablöste und über einen Kreisläufer namens
Igor Anic, der in 16 Minuten
gleich fünf Tore erzielte.
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Ratlos ob der Kieler Offensivkünste: TuS-Trainer Zlatko Feric.
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Das Spiel war natürlich längst entschieden - und so ging es beiden Teams in der zweiten Hälfte hauptsächlich darum,
ohne weitere Verletzte die restliche Zeit herunter zu spielen. Klar, dass darunter auch die
in der ersten Hälfte tolle Abwehrarbeit des THW litt. Klar aber auch, dass der TuS dem Kieler Angriff
so das Leben nicht allzu schwer machte. In diesem wechselten sich
Kim Andersson und
Igor Anic munter beim Torewerfen ab, passten aber auch auf ihre Nebenleute.
Nach dem 32:17 durften sich dann auch mal die Gäste, die mit ein bisschen mehr Biss aus der Kabine
kamen, freuen: Drei Treffer erzielten sie in kurzer Folge, darunter auch das schönste Tor des
Tages durch Tim Remer per Kempa-Trick erzielt. Der THW konterte mit drei Treffern in Folge, roch die
Torverhältnisverbesserung. Als
Kim Andersson seinen dritten erfolgreich
verwandelten Siebenmeter mit der geballten Faust feierte (42:25, 55.), hatten sich die gut gelaunten
Fans längst eine andere Disziplin gesucht: Sie sangen sich warm für die kommenden Aufgaben, feierten die Zebras
und trieben diese weiter nach vorn.
Viktor Szilagyi durfte noch einmal jubeln,
Jichas grandioser Pass von Kreis zu Kreis auf
Klein zum
45:25 riss die Zuschauer von den Sitzen. Standing Ovations, nicht ganz so laut wie am Sonntag, doch durchaus
ehrlich gemeint. So gut fühlte man sich gegen einen vermeintlich "Kleinen" schon lange nicht mehr unterhalten.
(Christian Robohm)
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Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Ich wollte, dass meine Spieler engagiert sind und so spielen, als würde es um unseren
Abstieg gehen. Wir sind verpflichtet, dem heimischen Publikum
eine gute Leistung zu zeigen.
Ich habe die Erfahrung, dass Sand ins Getriebe kommt, wenn ich viel
rotieren lasse und häufige Auswechselungen vornehme. Doch
heute war von Anfang an klar, dass einige Spieler geschont
werden und eine Pause bekommen müssen. Es freut mich,
dass es heute trotz häufigen Wechseln gut geklappt hat.
TuS-Trainer Zlatko Feric:
Ich bin froh, dass das Spiel dann doch so schnell zu
Ende war (lacht). So schnell werden wir wohl nicht
wieder die Gelegenheit bekommen, gegen den THW Kiel
zu spielen - zumindest nicht mehr in dieser Saison!
Sicherlich habe ich mir ein besseres Spiel von meiner
Mannschaft erhofft, jetzt muss ich aber ehrlich sagen,
dass bei der kommenden Begegnung FC Barcelona gegen den THW Kiel
mein Herz dem THW gehört und ich ihm weiterhin viel Glück
und Erfolg wünsche!
THW-Rückraumspieler Kim Andersson gegenüber den KN:
Ich war noch so unglaublich heiß vom Barcelona-
Spiel. Auf das Ergebnis habe ich nicht geschaut. Wir
sollten die Punkte im Blick behalten und uns nicht auf
das Torverhältnis verlassen.
THW-Kreisläufer Marcus Ahlm gegenüber den KN:
Lübbecke hat sich heute gar nicht gewehrt. Bei
einem Zehn-Tore-Rückstand kann ich das verstehen. Aber
sie haben von Beginn an nicht gekämpft. Und da stand es
0:0. Igor war einfach überragend. Elf Tore, zwei Fehlwürfe
- das ist eine tolle Quote.
TuS-Kreisläufer Oliver Tesch gegenüber den KN:
Wir wollten einen Untergang vermeiden, das ist leider
nicht gelungen. Für mich wäre eine Niederlage mit zwölf
Toren in Ordnung gewesen, schließlich hat hier gerade
Barcelona verloren. Ich drücke Kiel im Rückspiel die
Daumen, der Cup soll in deutscher Hand bleiben.
Wir sind nach Kiel gekommen, um Spaß zu haben.
Den hatten wir nicht. Ich hätte heute gerne die Abwehr
gehabt, die Mattias hatte.
Lesen Sie auch Zwei Minuten: Die THW-Kolumne nach dem Spieltag mit Igor Anic.
- THW Kiel:
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Omeyer (1 Siebenmeter, 0 Paraden),
M. Andersson (1.-60., 13 Paraden);
Lund (4),
Wessig (n.e.),
Kim Andersson (12/4)
Lundström (3),
Kavticnik (5),
Anic (11),
Lövgren,
Ahlm (4),
Szilagyi (1),
Klein (2),
Jicha (4);
Trainer: Serdarusic
- TuS N-Lübbecke:
-
Gudmundsson (18.-40., 2 Paraden),
Klockmann (1.-18., 40.-60., 9 Paraden);
Szymanski,
Greiner (1),
Kokir (3),
Tomic,
Schibschid,
Hildebrand (7/3),
Jurecki (5),
Datukashvili (1),
Tesch (6)
Skatar (1),
Remer (3),
Olafsson;
Trainer: Feric
- Schiedsrichter:
-
Harms / Mahlich (Magdeburg/Stendal)
- Zeitstrafen:
-
THW: 3 (Lund (16.), Anic (26.), Kim Andersson (48.));
TuS: 3 (Greiner (24.), Szymanski (28.), Jurecki (57.))
- Siebenmeter:
-
THW: 5/4 (Klockmann hält Lundström (4.));
TuS: 3/3
- Spielfilm:
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1. Hz.: 3:1 (4.), 7:3 (8.), 10:3 (12.), 13:4 (16 .), 16:7 (20.), 19:8 (24.), 21:10 (27.), 23:10;
2. Hz.: 25:11 (33.), 26:13 (37.), 29:15 (40.), 33:18 (44.), 36:21 (48.), 39:24 (52.), 43:25 (56.), 46:26 (59.), 46:27.
- Zuschauer:
-
10250 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena-Kiel, Kiel)
- Spielgraphik:
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Aus den Kieler Nachrichten vom 09.04.2008:
Intermezzo mit Torflut
46:27 über N/Lübbecke: THW wieder Tabellenführer - Großer Abend für Igor Anic
Kiel - Auch der zweite THW-Anzug sitzt. Zwei Tage
nach dem Handball-Festival in der Champions League gegen den
FC Barcelona (41:31) brachte der
Deutsche Meister im grauen Bundesliga-Alltag mit
der 46:27 (23:10)-Torflut über Abstiegskandidat TuS
N/Lübbecke erneut Farbe in die heimische Sparkassen-Arena.
Dabei durften sich die 10 250 Fans nicht nur über nimmersatte
THW-Torjäger freuen, sondern auch über die Rückeroberung
der Tabellenführung in der Handball-Bundesliga.
Ein weiterer erfreulicher Nebeneffekt für den Rekordmeister:
Auch die bisher um 26 Tore bessere Tordifferenz für den
einzig verbliebenen Titelkonkurrenten, SG Flensburg-Handewitt, schrumpfte durch
den Kantersieg auf sieben zusammen.
THW-Coach Noka Serdarusic, der auf den angeschlagenen
Nikola Karabatic
ganz verzichtete, hatte vor dem Halbfinal-Rückspiel am
kommenden Sonntag in der katalanischen Hauptstadt auf
Rotation in seinem Weltklasse-Kader gesetzt und schenkte vielen Spielern aus der zweiten
Reihe eine Chance. Mattias Andersson löste den zuletzt so
famosen Thierry Omeyer im Tor ab,
Börge Lund schlüpfte
in Stefan Lövgrens Regierolle
und Igor Anic löste Marcus Ahlm
schon in der 14. Minute am Kreis ab. Auch sonst wechselte
Kiels Trainer munter durch. Der Spielfreude schadete es nicht. Allerdings trafen
die Kieler auf einen Gegner, der maßgeschneidert für das
Intermezzo zwischen den Europacup-Auftritten daherkam.
Gästetrainer Zlatko Feric hatte seinen Spielern am
Sonntag das Fernseherlebnis zwischen dem THW und "Barca"
ausdrücklich ans Herz gelegt. Die TV-Lehrstunde in Sachen
Weltklasse-Handball zeigte Nachwirkungen.
Auf dem Parkett: Ein scheues Häufchen eingeschüchterter und vor Ehrfurcht erstarrter
TuS-Spieler. "Geht raus und habt Spaß", hatte Feric
seinen Spielern mit auf den Weg gegeben. Er sah einen leblosen
TuS, der nahezu jeden harten Körperkontakt vermied und anscheinend angereist
war, um einen Fairnesspreis abzuschleppen. Engagement
zeigte nur der Trainer selbst, der an der Seitenlinie wutentbrannt das Rumpelstilzchen
kopierte. "Sind die bekloppt", fluchte Feric, "die
wollen gegen diesen THW Tempohandball spielen, das
schaffte nicht mal Barcelona."
Die willkommene "Trainingseinheit" mit Wettkampfcharakter
nutzte vor allem Igor Anic. Elfmal legte der zuletzt
kaum noch berücksichtigte französische Neuzugang Ex-THW-Torhüter
Dennis Klockmann und seinem ebenfalls
überforderten Kollegen Birkir Gudmundsson den Ball
ins Netz. Die Fans gönnten es dem Franzosen von Herzen,
Anic profitierte auch davon,
dass er von seinen Mitspielern stets als Anspielstation gesucht
und gefunden wurde.
"Ich bin sehr zufrieden, muss aber noch viel lernen", gab
sich der 20-jährige THW-Youngster später bescheiden.
"In der Abwehr habe ich schlimme Fehler gemacht."
Das Spiel wird schnell vergessen sein, brachte aber möglicherweise
eine neue Erkenntnis ans Licht. Kim Andersson,
mit insgesamt zwölf Toren erfolgreichster Schütze, trat auch viermal von der Siebenmeterlinie
an - und schaffte die für THW-Verhältnisse unfassbar Quote von 100 Prozent.
Sind diese Sorgen jetzt aus der Welt? Andersson
nahm's emotionslos. Schön, dass er getroffen habe, sagte
der lange Schwede, "aber wir scherzen darüber nur. Leider
haben wir keinen Lars Christiansen
bei uns im Kader."
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 09.04.2008)