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03.03.2009 Bundesliga

Kieler Nachrichten: "Keine Lust auf diese Seifenoper"

Aus den Kieler Nachrichten vom 03.03.2009:

Meister THW Kiel ist in der Bundesliga morgen gegen den VfL Gummersbach gefordert. Aber über dieses Spiel spricht niemand, der deutsche Handball-Vorzeigeverein füllt bundesweit die Schlagzeilen wegen Bestechungsvorwürfen.
Alfred Gislason war gestern Nachmittag sehr schwer zu erreichen, reine Glückssache. Telefon-Terror im Hause des THW-Trainers in Rammsee. Ausgerechnet er, der neue Coach, der einzig dafür verantwortlich ist, dass der Handballmeister von einer Rekordmarke zur nächsten eilt, sollte Fragen zur "größten Katastrophe in der Geschichte der Handball-Bundesliga" beantworten. "Dabei habe ich überhaupt keine Lust, diese Seifenoper zu kommentieren", sagte der Isländer. "Meine Mannschaft spielt seit Monaten ganz großen Handball in der Liga, marschiert ohne Punktverlust durch die Champions League, aber jeder spricht nur über diese dämliche Geschichte." Seine Mannschaft, so Gislason, hätte andere Gesprächsinhalte verdient.

Trainer und Team können es sich nicht aussuchen. Ein Gerücht hat sich verselbstständigt und rast im Nebel von unbewiesenen Vorwürfen, Vermutungen und folgenden Dementis ungebremst durch die Handball-Republik. Wie geht das Team mit der vertrackten Situation um, ist es ein großes Thema im Training? Nein, darüber sei überhaupt nicht gesprochen worden, sagt Gislason mit süßsaurer Miene. "Wir haben heute trainingsfrei."

Was ist überhaupt geschehen in den zurückliegenden 48 Stunden? Was liegt vor gegen den THW an harten Beweisen, warum befindet sich der hoch geachtete Vorzeigeverein der Bundesliga so sehr in der Defensive? Die Faktenlage ist dünn - wenn es überhaupt eine gibt, die diesen Namen verdient. Ein Brief, abgeschickt am Donnerstag von Löwen-Beiratsvorstand Dieter Matheis, trat die Reise nach Kiel an, landete am Wochenende bei Manager Uwe Schwenker, ein weiterer beim Aufsichtsratsvorsitzenden der Handball-Bundesliga (HBL), dem ehemaligen Manager der SG Flensburg-Handewitt, Manfred Werner. Inhalt: Matheis soll Schwenker in dem Schreiben auffordern, zu bestimmten Gerüchten Stellung zu nehmen. Gerüchte, in denen eine Person, die niemand benennen will, Bestechungsvorwürfe absondert.absondert. THW-Fans vermuten eine Art Racheakt von Noka Serdarusic, der im Juli 2008 im Streit vom THW geschieden war und im Dezember bei den Löwen einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben hatte. Vergangene Woche löste Serdarusic den Löwen-Vertrag vorzeitig auf, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Aber haben die Mannheimer den ehemaligen THW-Trainer nicht mehr beschäftigen wollen, weil dieser selbst die Affäre verstrickt ist? Gerüchte. Allerdings: Hätte Serdarusic nicht von sich aus den Rückzug angetreten, sagte Löwen-Manager Thorsten Storm dem "Mannheimer Morgen", hätten die Löwen gehandelt. "Dann hätten wir um Vertragsauflösung gebeten."

Miroslaw Baum und Marek Goralczyk, das polnische Schiedsrichterpaar, das das Rückspiel im Champions-League-Finale zwischen Kiel und Flensburg am 29. April 2007 gepfiffen hat, soll bestochen worden sein. Kiel, damals noch von Noka Serdarusic trainiert, gewann nach einer dramatischen Auseinandersetzung mit 29:27 Toren und feierte seinen bisher größten Triumph. Beweise für eine Manipulation gibt es keine, schräge Pfiffe: Fehlanzeige. Vielleicht die frühe rote Karte gegen Joachim Boldsen, die einige Flensburger als zu hart empfanden. Andere sagen, die Disqualifikation sei zu Recht erfolgt. Dass der THW ganz zum Schluss mit Vier gegen Sechs in Unterzahl spielen musste, spricht auch nicht dafür, dass die beiden Polen irgendetwas im Schilde geführt haben könnten. "Einfach irre, von Bestechung zu reden", echauffiert sich auch THW-Kapitän Stefan Lövgren.

Es soll noch eine Selbstanzeige eines Geldboten oder gar von Noka Serdarusic selbst bei der Berliner Staatsanwaltschaft vorgelegen haben. Eine weitere Behauptung, von wem auch immer, die gestern dementiert wurde. "Eine solche Anzeige ist hier nicht bekannt", erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Simone Herbeth. Punkt. Vielleicht ist es einfach nur so, dass diese Skandalgeschichten bestimmten Leuten gut gefallen, vermutet Alfred Gislason. "Leuten, die sich überhaupt nicht gerührt hätten, wenn wir auf Platz fünf in der Tabelle stünden."

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 03.03.2009)

Stimmen:

THW-Kapitän Stefan Lövgren gegenüber den KN:
Bestechung von Schiedsrichtern gibt es in meiner Welt nicht. Ich will daran auch nicht glauben.
Kiels Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz gegenüber den KN:
Der THW gehört seit vielen Jahren zur absoluten Weltspitze im Handball und hatte es nie nötig, Siege zu kaufen. Die Verantwortlichen des deutschen Handballs sind gut beraten, diese Verdächtigungen schnell, gründlich und rückhaltlos aufzuklären. Dazu gehört auch, dass die Urheber solcher Gerüchte schnellstens hieb- und stichfeste Beweise vorlegen oder sich entschuldigen.
LSV-Präsident Ekkehard Wienholtz gegenüber den KN:
Ich war entsetzt, als ich von den Vorwürfen erfahren habe und denke nicht, dass das möglich ist. Der THW sollte schnellstens reagieren.
Ex-Beiratsvorsitzender Roland Reime gegenüber den KN:
Man weiß im Mannschaftssport, dass Schiedsrichter aufmerksam behandelt werden sollten, aber das heißt nicht, dass man sie besticht. Dafür spricht gar nichts. Der THW ist wegen der Art und Weise von Noka Serdarusics Beurlaubung in einer schwierigen Phase. Das war ein großer Fehler. Man hätte Nokas Trainervertrag einfach auslaufen lassen müssen.


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