Mit einer konzentrierten Leistung ist der THW Kiel am Samstagnachmittag
in der Hamburger o2 World ins Endspiel um den
DHB-Pokal eingezogen. In der
Vorschlussrunde des "Lufthansa Final Four" siegten die "Zebras"
gegen Frisch Auf Göppingen verdient mit 28:23 (15:13). Bis zum
19:19 in der 43. Spielminute ließ sich der Tabellenfünfte der
TOYOTA-HBL nicht abschütteln, doch mit einem bärenstarken
Thierry Omeyer, einem glänzend aufgelegten
Aron Palmarsson und dem sicheren
Siebenmeterschützen
Filip Jicha
setzte sich der THW mit einem 9:2-Lauf entscheidend ab.
Die stimmungsvolle Kulisse in der ausverkauften o2 World war
gespannt darauf, wie sich der THW Kiel nach drei Pflichtspiel-Niederlagen
in Folge beim "Final Four" präsentieren würden. Ein kleines
Zeichen setzte bereits vor dem Anpfiff
Hein Daddel,
der die erste Etappe des Maskottchenrennens für sich entscheiden konnte.
Die Spieler des Rekordpokalsiegers knüpften zunächst nahtlos
an diese Leistung an. Den Führungstreffer von
Marcus Ahlm,
der glänzend von
Ilic eingesetzt wurde,
konnte Frisch Auf durch Schöne noch egalisieren. Doch dann setzten sich
die Kieler auch schon ab:
Zeitz per schneller
Mitte, eine Parade
Omeyers gegen Thiede,
Ilic per Strafwurf und
Klein
mit einem sehenswerten Heber sorgten für das frühe 4:1 aus Sicht
der "Zebras". Göppingen tat sich schwer gegen die 3:2:1-Deckung des
THW, die sehr engagiert zu Werke ging. Dennoch konnten die
Baden-Württemberger in der Folgezeit verkürzen, weil Keeper
Enid Tahirovic gegen
Jicha und auch
den zweiten Strafwurf
Ilics parieren
konnte. So waren die Grün-Weißen nach einem Treffer Späths im
Nachwurf zum 4:5 (9.) wieder dran.
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Endlich wieder Jubel: Der THW spielte stark.
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Sascha Klahn |
Der THW legte aber - mit viel Tempo und Ehrgeiz - erst einmal weiter
vor: Der im ersten Durchgang starke
Christian Zeitz
sorgte mit einem Dreher und per Gegenstoß zum 6:4 und 7:5, ehe
Daniel Kubes nach einem Foul an
Kaufmann für zwei Minuten auf die Bank musste. Kaufmanns
Nachschlagen gegen
Kubes' Gesichtstreffer
wurde nicht geahndet, der deutsche Nationalspieler nahm aber
dennoch mit einer blutenden Nase auf der Bank Platz. Die
Unterzahlsituation konnten die Kieler aber dank eines frechen
Treffers
Palmarssons ausgeglichen
gestalten. Doch nach diesem Treffer zum 8:6 wollte dem THW
acht Minuten lang kein Treffer mehr gelingen.
Sprenger,
Klein
und
Palmarsson scheiterten an Tahirovic,
auch unterliefen den Kielern im Spielaufbau ein paar leichte Fehler.
Trotz der Torflaute konnte Göppingen aber nicht in Führung gehen
und schaffte bis zur 22. Spielminute lediglich durch einen Duseltreffer
Kozlinas und einen Strafwurf Schuberts den Ausgleich zum 8:8. Denn
auch die THW-Deckung stand sicher, und
Thierry Omeyer
zeigte weiterhin großartige Reflexe.
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Sicher von der Siebenmeter-Linie: Filip Jicha.
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Sascha Klahn |
Filip Jicha war es dann, der die Initiative
ergriff: Der Tscheche erkämpfte sich einen Siebenmeter und verwandelte
ihn selbst zum 9:8, ehe er Platz machte für
Daniel Narcisse.
Der französische Rückraumspieler, der zuletzt mit einer Wadenzerrung
ausfiel, legte auch gleich für
Marcus Ahlm
zum 10:9 auf, und nachdem sich
Oprea im Spielaufbau verdribbelte,
nutzte
Klein dies per Konter zum 11:9
aus. Es ging nun Schlag auf Schlag, nach Treffern von Haaß,
dem sicheren
Klein, Späth und einem
ansatzlosen Geschoss von
Zeitz stand
es zwei Minuten vor der Pausensirene 13:11 für die "Zebras", ehe
die gut leitenden Schiedsrichter
Methe/Methe
nach dem 12:13 durch Thiede
Daniel Kubes
zum zweiten Mal auf die Strafbank schickten. Doch die "Zebras"
brachten den Vorsprung über die Zeit:
Zeitz
sorgte mit seinem fünften Treffer für das 14:12, und nachdem
Schubert verkürzte, nahm
Alfred Gislason
zehn Sekunden vor der Pausensirene seine Auszeit und ging volles
Risiko: Er brachte mit
Filip Jicha
im Leibchen einen sechsten Feldspieler, der die Aufmerksamkeit
der Göppinger Abwehr auf sich zog.
Zeitz
bediente dann
Narcisse, der per Kempa
zum 15:13-Halbzeitstand einnetzen konnte.
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Unterstützung auch von der Bank: Daniel Kubes.
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Sascha Klahn |
Dieser stark erkämpfte knappe Vorsprung war aber nach
Wiederanpfiff schnell dahin: Tahirovic entschärfte in den ersten
fünf Minuten der zweiten Halbzeit gleich vier Würfe und entnervte
vor allem
Christian Zeitz, der allein
dreimal scheiterte. Durch Thiede und Späth hatte Göppingen so
zum 15:15 ausgleichen können und sogar die Chance, erstmals in
dieser Partie in Führung zu gehen. Doch die Kieler Deckung zwang
Kaufmann zu einem Fehlpass, und
Narcisse
tankte sich durch zum 16:15. Mittlerweile war
Kim Andersson
für
Zeitz ins Spiel gekommen. Der THW
wankte in dieser Phase, kämpfte aber leidenschaftlich und nutzte
zwei Überzahlsituationen aus, um durch einen Siebenmeter
Jichas und einen Sprungwurf
Anderssons
auf 18:16 (40.) zu erhöhen. Dennoch konnte Frisch Auf den THW
durch zwei Thiede-Treffer und einen Gegenstoß Schönes nach 43
Minuten wieder stellen - es stand 19:19, das Spiel begann quasi
von vorn.
Alfred Gislason hatte mittlerweile
Ilic für Jicha
und Palmarsson für Narcisse
aufs Feld beordert, und mit dieser Formation setzte der THW zu
seiner stärksten Phase an. Palmarsson
holte einen Strafwurf heraus, den einmal mehr Jicha
zum 20:19 versenkte. Dann parierte Omeyer
gegen Haaß, anschließend schnappte sich Klein
den Ball nach einer Tahirovic-Parade und versenkte den Ball zum
21:19. Und als Omeyer auch noch eine
Kaufmann-Fackel hielt, erzielte Jicha -
wieder per Siebenmeter - beim 22:19 die erste Drei-Tore-Führung
für den THW seit der Anfangsphase.
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Heimspiel in Hamburg: Die THW-Fans machen ordentlich Stimmung.
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Sascha Klahn |
Manuel Späth ließ Göppingen im Anschluss noch einmal hoffen,
aber der THW hatte längst sein in den vergangenen Wochen
verlorenes Selbstvertrauen wiedergefunden und durch zwei
Geniestreiche
Palmarssons auf 24:20 (50.)
erhöht. Göppingens Trainer Velimir Petkovic nahm seine
Auszeit und stellte auf eine offensivere Deckung um, doch
auch diese konnte die Kieler nicht mehr stoppen. Späths
Treffer zum 24:21 konterten
Jicha
und
Palmarsson, und als
Dominik Klein dann in Unterzahl der
umkämpfte Ball am Göppinger Kreis eher zufällig in die
Hände fiel und er zum 27:21 (55.) vollendete, gab es
keine Zweifel mehr am Kieler Finaleinzug. Die schwarz-weißen Fans,
die das ganze Spiel über - wie aber auch die grüne Kurve der
Göppinger - klasse Stimmung machte, sangen schon längt ihre
"Schwarz und weiß"-Hymne, während die Baden-Württemberger
noch Ergebniskosmetik betrieben.
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Der THW-Fanshop in der o2 World erfreute sich großen Andrangs.
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Sascha Klahn |
Im Endspiel bekommt es der THW Kiel nun ausgerechnet mit dem
Lokalrivalen SG Flensburg-Handewitt zu tun. Der Pokalsieger
von 2003 bis 2005 bezwang die Rhein-Neckar Löwen im zweiten
Semifinale mit
22:20 (10:8) und ließ
damit einen weiteren Mannheimer Titeltraum platzen. Das 67.
Nordderby - zum dritten Mal nach 2000 und 2005 im Rahmen
des DHB-Pokalfinals - wird am Sonntag um 14.00 Uhr angepfiffen,
Sport1 überträgt live.
(Sascha Krokowski)
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Lesen Sie auch den Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Einen NDR-Bericht zum Spiel finden Sie
hier im Videostream.
Die Datei geht nach sieben Tagen offline.
Ich bin sehr froh, dass wir im Finale stehen. Das war kein leichtes
Spiel für uns, auch wenn uns das nach zwei deutlichen Siegen gegen
Göppingen in der Liga öfters eingeredet wurde.
Man hat auch heute gesehen, warum wir in letzter Zeit Probleme haben:
Die Spieler, die seit Monaten durchspielen müssen, sind platt. Und die
Spieler, die lange verletzt waren, sind noch nicht ganz wieder die Alten.
Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Die 3:2:1-Abwehr hat
sehr gut funktioniert, auch wenn man gesehen hat, dass Göppingen sich
drauf vorbereitet hatte. Wir haben leider oftmals Bälle geblockt und
geklaut, die dann aber doch wieder bei Göppingen landeten und drei- oder
viermal zu Gegentoren führten. Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung
von Aron Palmarsson, zudem hatte Thierry Omeyer
einen überragenden Tag, auch Christian Zeitz
war stark in der ersten Halbzeit. Insgesamt waren wir viel besser als
zuletzt.
Göppingens Trainer Velimir Petkovic:
Ich bin ein bisschen enttäuscht, denn die Hoffnung war da. Der
THW Kiel hatte zuletzt gezeigt, dass auch große Mannschaften mal
eine Krise haben können. Viele haben geglaubt, dass dies heute so
weitergehen würde. Aber der THW hat gezeigt, dass er schnell aus
dieser Krise herauskommen will, dieser Sieg kann ihm dabei helfen.
Meine Mannschaft hat vierzig bis fünfzig Minuten lang richtig
guten Handball gespielt, richtig gut gekämpft. Dann hat man gesehen,
was eine große Mannschaft von einer noch nicht so großen Mannschaft
unterscheidet: In den letzten Minuten kam die entscheidenden
Leistung vom THW von der Bank.
Trotzdem hat meine Mannschaft - im Vergleich zum letzten Spiel
gegen den THW Kiel - einen Riesenschritt nach vorne gemacht.
THW-Rückraumspieler Momir Ilic:
Dieser Sieg war heute sehr wichtig nach den Niederlagen, wir mussten dieses Spiel gewinnen, wir wollen mindestens einen Titel.
Für das Finale morgen warten wir nun auf den Gegner.
Das war ein Schritt nach vorne, aber wird sind noch nicht fertig. Wir sind der THW Kiel,
wir wollen gewinnen, wir haben die Siegermentalität.
[Frage: Es gibt Gerüchte, dass Sie zu den Rhein-Neckar-Löwen wechseln?]
Das will ich nicht kommentieren, ich konzentriere mich auf das Finale. Ich bin Kieler, ich habe noch zwei Jahre Vertrag,
alles weitere sieht man.
FAG-Rückraumspieler Lars Kaufmann:
Ich weiß noch nicht, was mit der Nase ist, ob sie gebrochen ist. Natürlich schränkt das ein, ich habe dann mit Wut im Bauch
gespielt. Wir sollen aber nicht enttäuscht sein, wir haen einen guten Fight geliefert.
Und man muss auch sehen, was wir für Leute haben und was Kiel.
- Frisch Auf Göppingen:
-
Tahirovic (1.-60., 13/1 Paraden),
Weiner (bei einem Siebenmeter, keine Parade);
Kneule,
Oprea,
Thiede (6),
Schöne (2),
Späth (5),
Kaufmann (2),
Kozlina (2),
Haaß (3),
Häfner,
Schubert (3/3),
Horak (n.e.);
Trainer: Petkovic
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 19 Paraden),
Palicka (n.e.);
Andersson (2),
Dragicevic,
Sprenger,
Ahlm (2),
Kubes,
Reichmann,
Zeitz (5),
Palmarsson (4),
Narcisse (2),
Ilic (3/1),
Klein (5),
Jicha (5/5);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Bernd Methe / Reiner Methe
- Zeitstrafen:
-
Göppingen: 4 (Kozlina (5.), 2x Späth (25., 36.), Kaufmann (39.));
THW: 3 (2x Kubes (14., 29.), Sprenger (54.))
- Siebenmeter:
-
Göppingen: 3/3;
THW: 7/6 (Tahirovic hält Ilic (10.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:4 (6.), 2:4, 2:5, 4:5, 4:6 (12.), 5:6, 5:7,
6:7, 6:8 (14.), 8:8 (22.), 8:9, 9:9, 9:11 (26.), 10:11, 10:12,
11:12, 11:13, 12:13, 12:14, 13:14, 13:15;
2. Hz.: 15:15, 15:16, 16:16 (37.), 16:18, 18:18, 18:19, 19:19 (43.),
19:22 (47.), 20:22, 20:24, 21:24 (51.), 21:28 (57.), 23:28.
- Spielgrafik:
-
- Zuschauer:
-
13000 (ausverkauft) (o2 World, Hamburg)
Aus den Kieler Nachrichten vom 09.05.2011:
Göppingen bot "Zebras" lange die Stirn
Halbfinale gegen die Schwaben kippte erst in der 45. Minute - Rangelei zwischen Kaufmann und Kubes
Hamburg. Das Halbfinale zwischen Kiel und FA Göppingen
war bis zur 45. Minute offen. 19:19 stand es in einem zähen
Ringen, in dem die Kieler sich mit Eisenkugeln an den Fesseln
über das Parkett schleppten. Eigentlich sind die Schwaben ein
Lieblingsgegner der "Zebras". In den vergangenen acht Spielen gegen
Göppingen hatten die Kieler mit mindestens acht Toren Differenz
gewonnen. Doch an diesem Sonnabend stand sich das Team von
Alfred Gislason zunächst noch selbst
im Weg, 45 lange Minuten. Letztlich gab die größere Qualität des
Kaders den Ausschlag zu Gunsten der Kieler.
"Die wechseln einfach einen komplett neuen Rückraum ein
und wir spielen mit einem durch", brachte Lars Kaufmann
den Unterschied auf den Punkt. Der Nationalspieler war die
Schlüsselfigur in der einzig unschönen Szene eines fairen Spiels.
Nach einem Schlag von Daniel Kubes
stürzte der Hüne mit Nasenbluten zu Boden. "Ich unterstelle ihm
keine Absicht", sagte Kaufmann. "Aber ich frage mich schon, ob
so eine Aktion fair ist." Es sei ihm schwer gefallen, sich
angesichts des angeblichen Übergriffes von Kubes
zurückzuhalten. Fotos und Filmaufnahmen bewiesen, dass Kaufmann
in der Rangelei mit dem Tschechen keineswegs die Rolle des
Unschuldsengels gespielt hat. Allerdings erkannten die Unparteiischen
nur die Aktion von Kubes und schickten
ihn auf die Strafbank.
"Wir hatten keine große Erwartungen an dieses Spiel", sagten
Jutta (50) und Kurt Walter (48), die mit 1200 weiteren FA-Fans
angereist waren. "Über 60 Minuten hat unsere Mannschaft gegen
Kiel keine Chance, die personelle Situation ist zu unterschiedlich."
Es sei trotzdem ein tolles Erlebnis gewesen, erstmals die Endrunde
in dieser Arena erlebt zu haben. "Diese Atmosphäre war beeindruckend."
(von Reimer Plöhn und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 09.05.2011)