Mit einem Kraftakt in der Schlussviertelstunde hat der
THW Kiel seine Chance auf das Erreichen des "VELUX EHF Final4"
in Köln gewahrt. Am späten Sonntagnachmittag besiegten die
"Zebras" im Viertelfinal-Hinspiel in der Sparkassen-Arena den
bärenstarken ungarischen Serienmeister MKB Veszprem mit
32:31 (15:16), nachdem sie zwischenzeitlich mit bis zu
sechs Toren ins Hintertreffen geraten waren. Die Entscheidung
um den Halbfinaleinzug fällt am kommenden Samstag ab 16.00 Uhr
in der Veszprem-Arena.
Bester Torschütze beim THW Kiel war Marko Vujin,
der gegen seinen Ex-Klub achtmal erfolgreich war. Bei Veszprem
überragte wieder einmal Dreh- und Angelpunkt Laszlo Nagy, der am
Ende gar auf elf Treffer kam.
Veszprem mit besserem Start
Vor 10.000 schon vor Spielbeginn euphorischen Zuschauern in der
Sparkassen-Arena erwischten die Gäste vom Plattensee den besseren
Start: Nagy besorgte per Hüftwurf den ersten Treffer, und nach einem
Missverständnis zwischen Jicha und
Vujin im Angriff legte Cristian Ugalde
das 2:0 für die Magyaren nach. Der Spanier bildete die Spitze einer
5+1-Deckung der Gäste und erschwerte den Gastgebern gehörig das
Aufbauspiel. Durch einen Sprungwurf Jichas
gelang den Kielern nach zweieinhalb Minuten dennoch der erste Treffer,
doch Veszprem blieb zunächst weiter am Drücker: Obwohl die "Zebras"
mit einer defensiven 6:0-Deckung spielten mit Jicha
und Ahlm im Mittelblock sowie
Momir Ilic auf halb für Vujin,
kamen die Ungarn in der Folgezeit gleich dreimal über Kreisläufer
Sulic zum Torerfolg. Und obwohl Vujin
von Beginn an im Angriff ein Feuerwerk abbrannte, Marcus Ahlm
zum 2:3 bediente und selbst zum 3:4 vollstreckte, war Veszprem nach
einem Steal Ugaldes nach zehn Minuten auf 6:3 davongezogen.
THW findet dank Vujin in die Partie
Laszlo Nagy erzielte acht seiner elf Treffer nach der Pause.
Alfred Gislason nahm seine Auszeit und
brachte Aron Palmarsson für Daniel Narcisse
auf der Rückraummitte. Aber es war erneut Marko Vujin,
der eine Lücke in der Gäste-Abwehr fand und zum 4:6 verkürzte. Als
wenig später dann nach einem Stürmerfoul Ugaldes Filip Jicha
von der Mittellinie aus losstürmte und energisch zum 5:6 traf, wurden
die Kieler Fans erstmals richtig laut - ihr THW schien in der Partie
angekommen zu sein. Veszprem aber legte auch weiter vor, der von Nagy
eingesetzte Oneto traf vom Kreis zum 7:5, und Terzics abgefälschter
Wurf trudelte unhaltbar für Omeyer zum
8:6 ins Netz. Zum Glück hatte der THW aber Marko Vujin,
der seine neue Mannschaft gegen die alten Kollegen fast im Alleingang
in der Partie hielt: Der Serbe traf per Sprungwurf zum 7:8 und
beantwortete zwei Treffer des Iraners Jamali jeweils postwendend.
Als Filip Jicha dann Jamali den
Ball stibitzte und per Gegenstoß erfolgreich war, hatte der THW nach
18 Minuten erstmals in der Partie ausgeglichen - es stand nun 10:10.
Sprenger sorgt für Kieler Führung
Zunächst aber legte Veszprem in einer rasanten ersten Halbzeit, in
der sich keiner der vier Torhüter besonders auszeichnen konnte, weiter
vor: Jamali erzielte mit einem weiteren Wurfgeschoss das 11:10 für
die Gäste, ein von Toft Hansen geblockter
Rodriguez-Wurf landete genau bei Nagy, der in Unterzahl zum 12:11
traf. Doch der von Ilic bediente
Sprenger sowie einmal mehr
Marko Vujin mit seinem mittlerweile
sechsten Treffer egalisierten jeweils, ehe Toft Hansen
einen Csaszar-Versuch blockte und Sprenger
mit einem Heber die erste Kieler Führung zum 13:12 erzielte.
Jamali glich zwar aus, doch per schneller Mitte legte
Toft Hansen erneut vor.
Indes: Es sollte die letzte Kieler Führung bis zur Schlussminute
bleiben. Einen Pfostentreffer des völlig unbedrängten Nagy wussten
die "Zebras" in dieser Phase nicht auszunutzen: Filip Jicha
setzte einen von Vujin erkämpften
Siebenmeter auf die Latte, Ilic verzog
aus dem Rückraum und Palmarsson scheiterte
an Fazekas. Urplötzlich war Veszprem trotz Unterzahl-Situation nach
einem Ivancsik-Konter wieder auf 16:14 enteilt. Immerhin gelang
Sprenger vor dem Pausenpfiff noch der
15. Kieler Treffer, und Palicka hielt
mit einem Reflex gegen Ugalde den knappen 15:16-Rückstand zur
Halbzeit fest.
Bitterer Start in Hälfte zwei
Momir Ilic verwandelte seine
Siebenmeter gewohnt eiskalt.
Hatten die Kieler am vergangenen Wochenende im DHB-Pokal noch
sowohl im Halbfinale gegen Melsungen als
auch im Endspiel gegen Flensburg direkt nach
Wiederanpfiff aufgedreht, verpassten sie dieses Mal den Start in
den zweiten Durchgang komplett: Reihenweise wurden nun vorne die
Bälle weggeworfen, die wenigen guten Chancen fischte sich der
nun aufblühende Fazekas. Da zudem Sigurdsson
einen Gegenstoß nur unfair verhindern konnte und dafür für zwei
Minuten auf die Bank musste, erspielte sich Veszprem innerhalb
von nicht einmal vier Minuten durch jeweils zwei Treffer von
Nagy und Sulic eine komfortable 20:15-Führung. In der Sparkassen-Arena
wurde es auch auf den Rängen etwas unruhig, Alfred Gislason
zog sofort die Notbremse, um seine Mannschaft neu einzustellen.
Veszprem zieht bis auf sechs Tore davon
Zwar vergab Jicha den nächsten Wurfversuch,
doch so langsam fanden die "Zebras" in die Partie zurück.
Toft Hansen traf nach Jicha-Anspiel
zum 16:20, nachdem Sulic eine Zeitstrafe kassiert hatte. Bei der
Aufholjagd stand sich der THW aber in der Folgezeit selbst im Weg:
So vergab Jicha nach einem Narcisse-Steal
in arger Bedrängnis einen Gegenstoß, während Terzic zum 21:16
für Veszprem traf. Und es kam auch noch Pech dazu: Nach einer
tollen Parade Omeyers gegen Gulyas
entschied sich der Ball für das Seiten- statt für das Tor-Aus, statt
Kieler Ballgewinns sorgte Nagy für das 22:17. Und nachdem in
Überzahl ein Anspiel Palmarssons auf
Sprenger leicht abgefälscht wurde, der
Ball auf dem Fuß des Kieler Rechtsaußens landete und der nicht mehr
zu bremsende Nagy bei angezeigtem Zeitspiel im zweiten Versuch
zum 24:18 traf, betrug der Rückstand des THW auf die Ungarn sogar
erstmals sechs Tore.
Nagy, Nagy, Nagy
Auch dank mehrerer Omeyer-Paraden
konnte der THW die Partie noch drehen.
Im Angriff lief es bei den Kielern zwar nun wieder besser,
Vujin traf aus dem Rückraum,
Toft Hansen wurde zweimal mustergültig
bedient und Ilic vollstreckte seine
Strafwürfe souverän. Der Rückstand aber hielt sich weiter konstant,
weil Laszlo Nagy nicht mehr aufzuhalten war: Der Linkshänder erzielte
die nächsten drei Treffer für Veszprem, den ersten davon sogar per
Kempatrick - ein deutliches Zeichen für das Selbstbewusstsein, mit
dem die Mannschaft von Trainer Ortega an die Kieler Förde gereist
war. Als dann auch noch ein Kreisanspiel Nagys, das eigentlich
für Oneto gedacht war, glücklich bei Ugalde landete, der zum
28:22 für die Gäste traf, glaubten 13 Minuten vor Schluss auch von
den THW-Fans nicht mehr viele an eine Wende - auch wenn die "Zebras"
nun mit ihrer offensiven 3:2:1-Deckung antraten.
Kieler 6:0-Serie
Doch die Wende kam, und wie: Laszlo Nagy wurde für ein Foul an
Jicha auf die Strafbank verbannt,
Ilic verwandelte einen Siebenmeter
zum 23:28. Dann weckte Thierry Omeyer
mit einer fantastischen Doppelparade auch den letzten Zuschauer
wieder auf, und nach einem schnellen Doppelpack
Sigurdssons hatte der THW den Rückstand
bereits halbiert. Dann blieb Omeyer
Sieger gegen Tamas Ivancsik, und mit einem herrlichen Wackler
sorgte Daniel Narcisse mit seinem
ersten Treffer für das 26:28. Und dank einer weiteren Großtat
Omeyers, der zweiten Zeitstrafe
gegen Nagy sowie Treffern von Sprenger
und Narcisse gelang dem THW sogar
der Ausgleich. Die Sparkassen-Arena stand Kopf, während Ortega
den Kieler 6:0-Lauf mit seiner letzten Auszeit zu stoppen
versuchte.
Narcisse sorgt für Kieler Happy-End
Daniel Narcisse erzielte vier
der letzten sieben THW-Treffer.
Und dies gelang dem Spanier erst einmal dadurch, dass er
Mirko Alilovic zurück ins Tor beorderte. Der Kroate parierte
gleich die ersten drei Kieler Würfe von Jicha
und Vujin, und durch Ugalde und einen
Sulic-Gegenstoß legte Veszprem wieder auf 30:28 vor. Mit einem
energischen Sprungwurf beendete Marko Vujin
dann aber die kurze Kieler Flaute. Dann erkämpften sich die "Zebras"
in der Abwehr den Ball, Daniel Narcisse
fing einen weiten Pass, doch Laszlo Nagy rutschte in den Franzosen
hinein und verhinderte den Ausgleich auf unfaire Weise. Die
mazedonischen Schiedsrichter verhängten keine Zeitstrafe gegen
Veszprems Superstar, doch Narcisse zeigte
sich unbeeindruckt und fand die Lücke in der Gäste-Abwehr zum
30:30. Wie so oft in dieser Partie aber schlug Veszprem trotz
angezeigtem Zeitspiel zurück, Nagy sorgte in der vorletzten Minute
mit seinem elften Treffer für das 30:31. Dann erkämpfte sich
Sigurdsson einen Siebenmeter und eine
Zeitstrafe gegen Csaszar. Ilic verwandelte
erneut souverän und ließ wieder auf einen Kieler (Etappen-)Sieg
hoffen - zumal Veszprem in Bedrängnis nicht zum Torerfolg kam.
Alfred Gislason nahm acht Sekunden vor
der Schlusssirene seine Auszeit, um den letzten Spielzug zu
besprechen. Eine Finte: Denn Daniel Narcisse
schnappte sich den Ball nach Wiederanpfiff, stieg hoch und sorgte
mit seinem Treffer zum 32:31 für Ekstase auf dem Parkett und auf
den Rängen.
Rückspiel am Samstag
Somit benötigen die "Zebras" am kommenden Sonnabend im Rückspiel
im Hexenkessel Veszprem-Arena mindestens ein Unentschieden, um
das Ticket für Köln zu lösen. Auch eine Niederlage mit einem Tor
Unterschied, wenn der THW selbst mindestens 32 Treffer erzielt,
würde reichen. Doch auf solche Gedankenspiele wird sich bei der
Mannschaft von Alfred Gislason sicherlich
keiner einlassen - in Ungarn werden die Kieler auf Sieg spielen.
Wer die entscheidende Partie in Kiel nicht alleine verfolgen
möchte, kann sich ein Ticket für das Public Viewing in der
Sparkassen-Arena sichern - dort wird das Spiel auf dem Videowürfel
übertragen (siehe Extra-Bericht).
Das war ein richtig hartes Spiel. Wir wussten, dass Veszprem in der
Gruppenphase hier nicht alles gezeigt hat. Für sie ging es damals um
nichts. Heute hatten wir große Probleme, Tore zu erzielen. Die
MKB-Defensive und die Torhüter waren stark. Ich bin glücklich, dass
wir trotzdem gewonnen haben. Nun geht es auswärts gegen eine der
besten Heimmannschaften Europas, die in einer der schwierigsten Arenen
spielt. Wenn wir dort nicht fantastisch auftreten, geht es nicht nach
Köln. Die Domstadt ist unser großes Ziel, dafür müssen wir nun auswärts
bei einer der besten Mannschaften Europas bestehen. Aber das heutige
Spiel hat gezeigt: Wir geben nie auf, und wir glauben immer an uns. Das
heute war unser viertes schweres Spiel innerhalb einer Woche, und ich
hoffe, dass wir die kurze Pause nutzen können, um zu regenerieren. Wir
haben in der Gruppenphase in Veszprem verloren, das wollen wir gerade rücken.
Veszprems Trainer Antonio Carlos Ortega:
Das war ein gutes Match auf einem ganz hohen Niveau. In den letzten
Minuten haben wir leider einen Sechs-Tore-Vorsprung verspielt, trotzdem
bin ich stolz auf meine Mannschaft und das, was wir hier erreicht haben.
Jetzt haben wir die Chance, vor unseren Fans die "VELUX EHF Final4"-Qualifikation
zu schaffen. Das ist unser Ziel, aber es wird hart, denn Kiel kann
auswärts überall gewinnen.
Uns erwartet ein ganz heißes Rückspiel in einer der lautesten Arenen
Europas. Aber wir freuen uns darauf, denn solche Partien sind besonders
intensiv - und wir lieben solch eine Atmosphäre. Ich denke, das Rückspiel
wird ähnlich spannend wie heute. Und letztlich wird dieses Viertelfinale
wahrscheinlich in den letzten zehn Minuten entschieden.
Veszprems Kapitän Laszlo Nagy:
Das war ein großes Spiel. In den letzten zehn Minuten haben wir vorn
zuviele Fehler gemacht, hinzu kamen einige Zwei-Minuten-Strafen. Das
gab letztlich den Ausschlag in einem Spiel, in dem beide Mannschaften
hinten wie vorne stark waren. Wir glauben an uns, aber wir wissen, dass
der THW Kiel auch auswärts stark ist. Jetzt haben wir eine Woche
Vorbereitung auf diese wichtige Partie.
Es war ein unglaublich schweres Spiel. Zu Beginn haben wir viel zu viele
Fehler gemacht, haben zu viel verworfen. Trotzdem haben wir das Spiel
gedreht, daher sind wir zufrieden mit dem Ergebnis, aber nicht mit dem
Spiel. In Veszprem wird es laut und hart. Aber es ist ein K.o.-Spiel,
wir sind heiß und wollen uns gut präsentieren.
Wir haben erwartet, dass es zwei schwere Spiele werden. Jetzt sind 60
Minuten um, und in den zweiten 60 Minuten müssen wir besser spielen.
Das wird ein schweres Stück Arbeit. Aber die Stimmung in Veszprem
spornt uns an.
Der Anfang war nicht gut, aber das hatten wir auch im Pokal. Erst in der
letzten Viertelstunde haben wir sehr guten Handball gespielt. In Veszprem
müssen wir besser spielen. Wir sind Kiel, wir gewinnen in Veszprem und
fahren dann nach Köln.
Für die drei Bundesliga-Vertreter im EHF-Pokal
standen an diesem Wochenende ebenfalls die Viertelfinal-Hinspiele auf dem Programm.
Am Samstag erarbeitete sich Titelverteidiger Frisch Auf Göppingen dank zehn
Rnic-Treffern ein 26:26 (15:13)-Unentschieden beim slowenischen Vertreter
RK Maribor Branik. Im Rückspiel am 27. April (19.30 Uhr) in der heimischen
EWS-Arena reicht der Mannschaft von Trainer Velimir Petkovic somit ein
einfacher Sieg zum Weiterkommen.
Mit den Rhein-Neckar Löwen und dem SC Magdeburg spielen im zweiten von
nur drei Viertelfinals - HBC Nantes qualifizierte sich als Gastgeber
automatisch für das neu eingeführte Finalturnier - zwei Bundesligisten
gegeneinander. Das Hinspiel gewannen die Magdeburger in der heimischen
GETEC-Arena am Sonntagnachmittag mit 31:28 (16:12), das Rückspiel steigt
am 27. April (19.00 Uhr) in der Mannheimer MWS-Halle am Herzogenried.
In der Königsklasse hat der HSV Hamburg am Sonntagabend das Tor zum
"VELUX EHF Final4" in der Flensburger Flens-Arena weit aufgestoßen.
Im bereits sechsten Nordduell dieser Saison siegte die Mannschaft
von Trainer Martin Schwalb überraschend deutlich mit 32:26 (15:14)
bei der SG Flensburg-Handewitt. Das entscheidende Rückspiel wird am
28. April (18.30 Uhr) in der Hamburger O2-World ausgetragen.
Starker Endspurt: "Zebras" retten die Hoffnung ins Ziel
Nach 22:28 noch 32:31 - THW besiegt Veszprem im Champions-League-Viertelfinale
Kiel. Es ist die beste Mannschaft, die der THW Kiel jemals hatte, eine
Ansammlung von Stars, die in den vergangenen Jahren auch gute
Freunde geworden sind. Vier werden am Saisonende gehen. Vier, die
sich auf einer großen Bühne von ihren Kollegen verabschieden wollen.
In Köln soll das geschehen, am 1./2. Juni, dem "Final4" in der Champions
League. Beim 32:31 (15:16)-Sieg im Viertelfinal-Hinspiel gegen
MKB Veszprem sah es gestern aber lange so aus, als würde das größte
Fest im europäischen Vereinshandball ohne den THW stattfinden.
In der 48. Minute lagen die "Zebras" mit sechs Toren zurück (22:28), die
Stimmung in der mit 9300 Zuschauern gefüllten Arena erreichte einen Moment
ungewohnter Stille. Im weiten Rund waren lediglich die rund 200 mitgereisten
Fans des ungarischen Serienmeisters zu hören, eine Vorspeise für das Rückspiel
am Sonnabend (16 Uhr/Eurosport). Dann, wenn die "Veszprem-Arena" sich in einen
der heißesten Orte auf diesem Planeten verwandeln wird. In der Gruppenphase
verloren die "Zebras" dort mit 30:31. Ein Ergebnis, das
nicht reichen würde, um das "Final4" zu erreichen. Anders als in der Vorrunde
zählen in der K.o.-Runde im direkten Vergleich die mehr erzielten Auswärtstore.
Im Vorfeld wollte sich Thierry Omeyer nicht auf
eine Zahl festnageln lassen, auf die Größe eines Polsters, das die Nerven
vor dem harten Gang an den Plattensee beruhigen könnte. Reichen vier Tore?
Oder sollten es doch mindestens acht sein? "Es kommt immer darauf an, welches
Ergebnis am Spieltag überhaupt möglich ist", sagte der Franzose, der 45 Minuten
brauchte, um aktiv am Geschehen teilzunehmen. "Manchmal kann auch ein knapper
Vorsprung ein sehr gutes Ergebnis sein." Vielleicht sollte der zweimalige
Olympiasieger nach dem Ende seiner Karriere eine als Wahrsager einschlagen.
Dieser Sonntag war ein solcher Tag, an dem ein hauchdünner Sieg für die Kieler
letztlich noch ein hervorragendes Ergebnis war.
Christian Zeitz, der sich beim Pokal-Halbfinale die
rechte Mittelhand brach, hatte sich zuvor sehr optimistisch gegeben, darauf
gehofft, dass die Ungarn sich an das Rückspiel in der Gruppenphase
erinnern würden, in dem sie mit elf Toren Differenz in Kiel untergegangen waren.
"Vielleicht sind sie noch ein wenig eingeschüchtert", sagte der Linkshänder, der
auch im eigenen Interesse darauf hofft, dass sich die Kollegen durchsetzen. "Für
mich ist die Saison noch nicht beendet, sonst könnte ich jetzt ja auch in den
Urlaub fahren", sagte Zeitz. "Ich will beim Final4
wieder mitspielen."
An Marko Vujin, dem zweiten Linkshänder im THW-Trikot,
lag es nicht, dass die Kieler bis zur 45. Minute kein Rezept gegen einen Gegner
fanden, der unglaublich selbstbewusst auftrat. Der Serbe, der sechs Jahre lang für
den Gegner gespielt hat, warf acht Tore und hielt die neuen Kollegen im Spiel.
Doch weil sonst sehr verlässliche Größen wie Filip Jicha
keinen guten Tag erwischten, zogen die Ungarn, die sich auf ihre beinharte Deckung
verlassen konnten, Tor um Tor davon. Angetrieben vom überragenden Laszlo Nagy, der
schon ein THW-Alptraum war, als dieser vor 13 Jahren das Finale gegen den FC
Barcelona verlor. Erst als bei dem elfmaligen Torschützen die Kräfte schwanden,
er in der Deckung zweimal zu spät kam und Zeitstrafen kassierte, rückten die Kieler
heran. Angetrieben von einem Publikum, das die Hoffnung aufgegeben hatte, die
Charakterstärke der Hausherren aber nun mit stehenden Ovationen honorierte.
"Kiel hat uns gezeigt, was sie in fünf Minuten veranstalten können", sagte
Mittelmann Gabor Csaszar. "Aber wir können mit uns trotzdem zufrieden sein."
Csaszar & Co. verspielten zwar einen Sechs-Tore-Vorsprung (28:28/54.), doch
anschließend zeigten sie, dass sie aus Hartholz geschnitzt sind. In dieser Atmosphäre
gehen die meisten Gegner in der Kieler Arena unter, gegen einen Gastgeber, der wieder
in die Spur gekommen war und mit Volldampf Kurs auf einen klaren Sieg nahm. Doch der
bärenstarke Kreisläufer Renato Sulic und der flinke Außen Christian Ugalde ließen
die Gäste wieder mit zwei Toren enteilen.
Letztlich verdankte der THW es
Momir Ilic und Daniel Narcisse,
dass es doch noch ein unerwarteter Sieg wurde. Ilic gelang,
wie Jicha und Palmarsson, zwar
aus dem Rückraum nichts, doch als Siebenmeterschütze bewies er Nerven aus Draht. Er
traf zum 31:31, den umjubelten Schlusspunkt setzte Narcisse,
der seine vier Tore in den letzten Minuten erzielte. Acht Sekunden vor dem Abpfiff
nahm Gislason noch einmal eine Auszeit,
Omeyer hatte den Ball, die Ungarn mussten mit fünf
Feldspielern (Zeitstrafe Csaszar) auskommen. Jeder wartete auf einen Spielzug, doch
Omeyer warf in alter Gewohnheit direkt zu seinem Landsmann
Narcisse, und der marschierte in seiner unnachahmlichen
Art durch die ungarischen Hünen zum 32:31.
(von Wolf Paarmann und Felix Haas, aus den Kieler Nachrichten vom 22.04.2013)