Mit einem letztlich deutlichen Kantersieg über MT Melsungen
hat Titelverteidiger THW Kiel am Samstag zum zwölften Mal das Endspiel
um den DHB-Pokal erreicht. Im
Halbfinale des "Lufthansa Final Four" in der Hamburger
o2-World machten die "Zebras" nach einer ausgeglichenen
ersten Halbzeit nach dem Seitenwechsel Ernst und gewannen
schließlich ungefährdet mit 35:23 (16:14). Im Finale steht
am Sonntagnachmittag (14.00 Uhr, live auf Sport1) die
Neuauflage der letzten beiden Endspiele an - es kommt dann
zum insgesamt 74. Pflichtspielduell mit der SG Flensburg-Handewitt.
Allerdings wurde der Halbfinalsieg teuer bezahlt:
Christian Zeitz zog sich in der
ersten Halbzeit einen Mittelhandbruch in der rechten Hand zu
und droht damit bis zum Saisonende auszufallen (siehe Extra-Bericht).
Bester Torschütze der Partie war Marko Vujin
mit insgesamt 10/4 Treffern, auf der Gegenseite hielt besonders
Michael Allendorf Melsungen durch seine acht Tore lange im Spiel.
Beste Stimmung in der o2-World
Die Kieler Fankolonie in der o2-World hatte allen Grund zum Jubeln.
Durch das dramatische erste Halbfinale zwischen Flensburg und
Hamburg, das erst nach zehnminütiger Verlängerung zugunsten der
Schleswig-Holsteiner entschieden wurde, verzögerte sich der Anwurf
des zweiten Semifinals in der o2-World ein wenig. Der Stimmung in
der ausverkauften Arena tat dies allerdings keinen Abbruch. Die
vielen schwarz-weißen Fans, die nicht nur in der THW-Kurve zu
finden waren, peitschten ihre Mannschaft nach vorne, während sich
die Anhänger der beiden anderen Halbfinalisten mehrheitlich dem
vermeintlichen "Underdog" aus Melsungen anschlossen.
THW mit Bilderbuchstart
Und der THW Kiel wurde seiner Favoritenrolle in der Anfangsphase
gerecht: Es waren noch keine drei Minuten absolviert, da hatten
Palmarsson, Ekberg
und Christian Zeitz, der den Ball nach einem
abgeblockten Anspiel auf Toft Hansen aufnahm
und dann aus sechs Metern abschloss, bereits ein 3:0 für den Titelverteidiger
vorgelegt. Die in blau spielenden Melsunger wirkten zunächst nervös und
scheiterten zudem am stark beginnenden Andreas Palicka,
der die ersten Würfe von Schröder, Vuckovic und Karipidis entschärfen
konnte. Und nachdem Palmarsson den ersten
Treffer der Hessen durch Schröder postwendend mit einem abgefälschten
Wurf konterte und Vujin einen von
Ekberg herausgeholten Siebenmeter zum 5:1
verwandelte, schwante dem Melsunger Fanblock bereits Böses - zumal
Abwehrchef Daniel Kubes wenig später nach
hartem Einsatz gegen Toft Hansen die erste
Zeitstrafe der Partie kassiert und Vujin
nach Vorarbeit von Landsmann Ilic auf 6:2
erhöhte.
Melsungen findet durch doppelte Überzahl in die Partie
Der starke Michael Allendorf brachte Melsungen in die Partie.
Melsungen spielte die Zeit in Unterzahl aber clever herunter, und
als die Schiedsrichter Schulze/Tönnies
passives Spiel anzeigten, kassierte Toft Hansen
eine unnötige Zeitstrafe, weil er bei einem Freiwurf den Abstand nicht
eingehalten hatte. Als sich mit Momir Ilic wenige
Sekunden später nach einem Foul an Spielmacher Fahlgren auch die zweite
Hälfte des Kieler 6:0-Mittelblocks ebenfalls für zwei Minuten auf die Bank
verabschieden musste, war aus der Kieler Überzahl plötzlich eine doppelte
Unterzahl entstanden. Melsungen nutzte den Raum und einen verfrühten
Abschluss Vujins, um in dieser kurzen Phase
durch einen Allendorf-Hattrick zum 5:6 endlich in die Partie zu finden.
Und der Bundesliga-Elfte ließ sich auch durch die zweite Zeitstrafe
gegen Kubes nicht mehr verunsichern. Aufbauend
auf eine 5:1-Deckung mit dem vorgezogenen Allendorf war die Mannschaft
von Trainer Michael Roth jetzt im "Lufthansa Final Four" angekommen:
So gelang dem omnipräsenten Allendorf nach dem Kieler 7:5 durch
Toft Hansen nach schönem Anspiel Vuckovics
vom Kreis der erneute Anschluss, ehe Sandström gegen Landsmann
Ekberg parierte und ein verdeckter Wurf
von Fahlgren unglücklich für Palicka hinter
die Torlinie zum 7:7-Ausgleich trudelte. Nach 13 Spielminuten schien
das zweite Halbfinale um den DHB-Pokal noch einmal von vorne zu beginnen.
Filip Jicha setzt sich gegen Malte
Schröder durch.
Und Melsungen glaubte nun an sich und wollte mehr: Nach der trockenen
Antwort Ilics zum Kieler 8:7 gelang Malte
Schröder per Sprungwurf der erneute Ausgleich, ehe mit
Daniel Kubes ausgerechnet ein Ex-"Zebra"
in einen Querpass Palmarssons rauschte und
Melsungen per Gegenstoß erstmals in Führung warf. Als dem deutschen
Rekordmeister im nächsten Angriff ein technischer Fehler unterlief
und Stenbäcken das Ergebnis sogar auf 10:8 stellte, zog
Alfred Gislason die Notbremse.
3:2:1-Deckung stabilisiert den THW
Kiels Trainer brachte mit Filip Jicha
und Marcus Ahlm zwei neue Spieler aufs
Parkett und stellte die Abwehr auf die offensive 3:2:1-Formation
um. Diese Maßnahme hatte Erfolg: Melsungen tat sich nun deutlich
schwerer im Aufbauspiel, Vujin per Siebenmeter
und Ekberg in Überzahl sorgten für den
10:10-Ausgleich. Die Hessen aber legten noch einmal vor: Danner
nutzte einen Fahlgren-Pass vom Kreis zum 11:10, und der gut
aufgelegte Sandström parierte gegen Palmarsson,
der zuvor glänzend von Jicha in Szene
gesetzt wurde. Alfred Gislason stellte seine
Mannschaft nach einer Auszeit Roths weiter um, beorderte
Thierry Omeyer zwischen die Pfosten,
brachte mit Daniel Narcisse einen neuen
Mittelmann und wechselte Gudjon Valur Sigurdsson
für den heute unglücklich abschließenden Dominik Klein ein.
Und ab sofort verwandelte sich die Kieler Deckung endgültig in eine
beinahe uneinnehmbare Festung: Zwar gelang Allendorf nach einem
Schrittfehler Zeitz' per Gegenstoß noch
das 12:11 für Melsungen, dann aber ließen die "Zebras" sieben Minuten
lang keinen Gegentreffer mehr zu. Immer wieder rannte sich die MT
in der Kieler Deckung fest, immer wieder gaben die Schiedsrichter
das passive Vorwarnzeichen. Sigurdsson
holte bei einem Gegenstoß eine Zeitstrafe gegen Fahlgren und einen
Siebenmeter heraus, den Vujin einmal mehr
eiskalt zum 12:12 verwandelte. Dann parierte Omeyer
einen Verzweiflungswurf Stenbäckens, Jicha
warf den THW auf der Gegenseite per Sprungwurf in Führung. Und selbst
eine strittige Zeitstrafe gegen Marcus Ahlm
nach einem Schubser gegen Danner konnte dem Kieler Deckungsverbund
nichts anhaben: Einen technischen Fehler Stenbäckens netzte
Zeitz im Gegenstoß zum 14:12 ein, ehe
ein Anspiel Fahlgrens auf Vuckovic im Seitenaus landete und
Vujin mit seinem bereits vierten
Strafwurf das 15:12 besorgte. Erst eine schöne Einzelleistung
Fahlgrens beendete den Kieler Lauf, so dass nach Treffern von
Narcisse und Karipidis zum 16:14-Pausenstand
für den THW noch gar nichts entschieden war.
Fünf Treffer in Folge für den THW
16:14 für Kiel - dies war auch der Halbzeitstand in der Sparkassen-Arena
am 9. Dezember, als Melsungen letztlich sensationell mit 29:25
die 585-tägige Siegesserie der "Zebras" in der Bundesliga beendete.
Dementsprechend hoffnungsvoll kehrten die Hessen aus den Kabinen zurück
und kamen durch den bereits sechsten Allendorf-Treffer - per Nachwurf
nach einer Omeyer-Parade gegen Schröder -
zum 15:16-Anschluss. Der THW hatte zurück auf eine 6:0-Deckung gestellt,
in der nun Momir Ilic und Marcus Ahlm
den Mittelblock bildeten. Filip Jicha, der sich
fortan ganz auf die Offensive konzentrieren konnte, blühte nun auf,
traf bei angezeigtem Zeitspiel postwendend zum 17:15 und legte nach
Schrittfehler Vuckovics auch das 18:15 durch Sigurdsson
auf. Melsungen fand auch gegen die defensivere Kieler Abwehrvariante
keine Lösungen: Bei drohendem passiven Spiel flog ein Hüftwurf
Schröders an Omeyers Kasten vorbei,
Fahlgrens Wurfversuch wurde geblockt, und auch Vuckovic konnte in
Bedrängnis keine Torgefahr entwickeln. Die Folge war, dass der THW
durch einen Vujin-Gegenstoß, einen vom
Serben eingeleiteten Konter Sigurdssons
und einen Sprungwurf von Narcisse bis zur
37. Minute auf 21:15 davonzog.
Die Entscheidung war dies indes noch nicht, nach einem Fehlpass
Jichas verkürzte Allendorf per Gegenstoß
auf 16:21, Stenbäcken einige Minuten später gar auf 17:21. Und wer
weiß: Wenn Karipidis seinen Siebenmeter nicht neben das Tor gesetzt
hätte und Fahlgren seinen Rückraumhammer unter Bedrängnis nicht
über den Kasten gezirkelt hätte - Melsungen hätte die kleinen
Konzentrationsschwächen der Kieler durchaus noch härter bestrafen
können. Aber so ließen die "Zebras" ihren Kontrahenten nicht näher
als auf vier Treffer herankommen. Und nachdem Allendorf mit einem
Heber das 18:22 erzielte, schaltete der THW noch einmal einen
Gang hoch: Der starke Vujin bediente
Marcus Ahlm zum 23:18, ehe
Sigurdsson per Gegenstoß erhöhte. Eine
Viertelstunde war noch zu spielen, und die Melsunger versuchten
es nun vergeblich mit der Brechstange - und wurden vom THW gnadenlos
bestraft: Einen Lattenkracher Vuckovics ließ Vujin
per zweiter Welle das 25:18 folgen, einen technischen Fehler im
Melsunger Aufbauspiel bestrafte Sigurdsson
mit dem 26:18. Und als Aron Palmarsson dann
noch in einen Fahlgren-Pass spritzte und auf 27:18 erhöhte, war das
zweite Halbfinale nach 47 Minuten endgültig entschieden.
Alfred Gislason nutzte die Schlussphase
der Partie, um den Vielspielern in seiner Mannschaft ein paar
Verschnaufpausen zu gönnen. Die Kieler Akteure auf dem Parkett dankten
dies ihrem Trainer und ihren bereits in Feierlaune die "Schwarz und weiß"-Hymne
anstimmenden Fans mit weiteren sehenswerten Aktionen: Wiencek
zeigte seine Klasse bei seinen beiden Treffern, Vujin
brannte eine unglaubliche Fackel aus zehn Metern zum zwischenzeitlichen
29:19 ab, Ilic stand seinem Landsmann in
nichts nach, und Andreas Palicka begeisterte
mit einem parierten Siebenmeter und einem weiten Gegenstoßpass auf
Ekberg.
74. Nordderby am Sonntag
Durch den finalen Kracher von Marko Vujin zum
35:23-Endstand feierten die "Zebras" und ihre Fans letztlich sogar den
höchsten Sieg im Pokal-Final-Four seit 15 Jahren - seit dem 5. April 1998, als
der THW Kiel den TV Niederwürzbach im Endspiel mit 30:15
deklassierte. Damit gelang den Kielern die Wiedergutmachung
für die 25:29-Bundesliga-Niederlage gegen Melsungen
aus dem Dezember eindrucksvoll - und am Sonntag soll gleich die nächste Revanche
folgen: Im 74. Nordderby gegen die SG Flensburg-Handewitt, die sich am
Samstagnachmittag nach dramatischen 70 Minuten mit 26:25 nach Verlängerung
gegen den HSV Hamburg durchsetzte (siehe Spielbericht),
will der THW seinen neunten Pokalsieg feiern.
Der THW Kiel hat dieses Spiel sehr ernst genommen. Trotzdem haben
wir in der ersten Halbzeit eine tolle Leistung gezeigt. Leider haben
wir dann zwei bis drei wichtige Fehler gemacht, sodass wir nicht mit
einer Führung oder einem Unentschieden in die Pause gegangen sind.
Das hätten wir vielleicht gebraucht. Dann hat sich der THW in der
Abwehr deutlich gesteigert, hinzu kam eine katastrophale Quote aus
unserem Rückraum. Wenn Kiel dann erst einmal rollte, ist es schwer,
dagegen zu halten. Ich kann meiner Mannschaft trotzdem ein Kompliment
aussprechen, in dieser tollen Atmosphäre haben wir in der ersten
Hälfte gezeigt, dass wir zu Recht hier sind. Es hat Spaß gemacht,
dabei zu sein. Ich hoffe, dass wir aus den heutigen Erfahrungen
lernen und viel mitnehmen. Und es war toll, soviele Fans hinter uns
zu wissen.
Wir haben nicht mit der "zweiten Garde" begonnen, sondern mit der
Mannschaft, die zuletzt gegen Moskau so stark
gespielt hat. Wir wollten heute besser spielen als im Dezember. Und
ich hatte von vornherein geplant, blockweise zu wechseln - das hatte
nichts mit der schlechten Phase zwischen der 10. und 20. Minute zu
tun. Vorher hatten wir einen Super-Start, standen gut in der Deckung
und Palicka hat ein paar schöne Bälle
gehalten. Dann haben wir die Bälle zu schnell weggeworfen.
Nachdem sich unsere Abwehr stabilisiert hatte, lief es besser. Gefreut
habe ich mich über Marcus Ahlm, der im Innenblock
stark war, und über die Angriffsleistung von Marko Vujin,
der auch in der Abwehr immer sicherer wird. Ich bin also sehr zufrieden
mit unserem Spiel, wenn man die ersten zehn Minuten außer Acht lässt.
Ich hoffe, dass wir morgen ein gutes Spiel abliefern. Es stehen sich zwei
sehr gute Mannschaften im Finale gegenüber. Der Umstand, dass Flensburg
in die Verlängerung gehen musste, ist nicht entscheidend. Dafür haben wir
drei Stunden weniger Erholung. Wir freuen uns riesig auf das Finale!
Traurig ist, dass wir Christian Zeitz verloren haben. Die erste Diagnose
lautet Mittelhandbruch, für ihn ist die Saison wohl zu Ende.
gegenüber Sport1:
Natürlich sind wir sehr zufrieden, dass wir gewonnen haben, auch in dieser
Höhe. Wir haben sehr gut angefangen, aber mit der folgenden Viertelstunde
war ich nicht zufrieden.
Wir wollten unbedingt ins Finale. Ich war nicht mit allem zufrieden, aber
mit vielem schon.
Ich wollte heute die Last auf alle verteilen. Sprenger
z. B. hat in letzter Zeit konstant super Leistungen gezeigt, daher hat
Ekberg angefangen. Dominik
hat nicht ins Spiel gefunden, daher musste ich leider Sigurdsson
brignen. Und ich wollte unbedingt Patrick Wiencek
spielen lassen, das ging am Ende dann auch ohne Gefahr
Ich habe mich sehr über die Abwehrleistung gefreut.
Die Chancen morgen sind 50:50. Flensburg hatte heute ein sehr schweres Spiel,
dafür haben wir drei Stunden weniger Pause - das gleicht sich aus.
Letztes Jahr konnte sich Flensburg gegen Lübbecke locker warm laufen und wir hatten
das schwere Spiel gegen den HSV. Ich denke, das wird morgen ein spannendes Spiel.
Wir haben uns in der Halbzeit vorgenommen, kompakter zu stehen. Das hat
gut geklappt. Jetzt müssen wir den Kopf freibekommen und morgen wieder
angreifen. Denn wir wollen mit unseren fantastischen Fans in unserer
Kurve in dieser schönen Arena feiern.
Wir haben sehr gut begonnen, und bis zum 6:2 sehr gut gedeckt. Ich
konnte einige Bälle halten, und so kamen wir zu Gegenstoßtoren. Dann
wurde MT stärker, an eine Niederlage habe ich trotzdem nicht gedacht.
Das Finale wird ein sehr hartes Spiel, die Partien gegen Flensburg
sind immer eng und hart umkämpft. Wir müssen sehr gut spielen, um
den Pokal zu gewinnen.
Melsungens Linksaußen Michael Allendorf:
Es war für das gesamte Team ein Riesenlerlebnis, bei solch einem
tollen Event dabei gewesen zu sein. Natürlich sind wir traurig,
dass wir nicht ins Finale eingezogen sind. Aber wir sind stolz,
uns überhaupt qualifiziert zu haben. Wenn man diese Atmosphäre
einmal erlebt hat, möchte man immer wieder kommen.
gegenüber Sport1:
In der zweiten Halbzeit ist uns die Kraft ausgegangen. Die erste
Halbzeit hat viel Kraft gekostet mit nur vier Rückraumspielern,
und auch die 5:1-Deckung war relativ kraftaufwändig - die Kraft
hat uns dann in der zweiten Halbzeit gefehlt.
Aber zur Pause lag die Sensation erneut in der Luft. Wir haben
schon unsere Chance gesehen, aber Kiel ist eine Weltklassemannschaft
und hat dann zwei Gänge zugelegt und wir konnten nichts mehr
entgegensetzen.
Die Mannschaft war heute den ganzen Tag schon aufgeregt, sicher
würde da die Erfahrung solcher Spiele helfen, aber ich denke, wir
haben uns in der ersten Halbzeit gut verkauft.
Es war heute eine Riesenatmosphäre, ein Riesenevent.