Mit einem deutlichen Kantersieg hat der THW Kiel
die Chancen auf den Gruppensieg in der "VELUX EHF Champions League"
am Leben gehalten. Am Sonntagabend besiegten berauscht
aufspielende "Zebras" in der ausverkauften Sparkassen-Arena
den zuvor verlustpunktfreien
Tabellenführer MKB Veszprem mit 32:21 (17:13)
und verkürzten den Rückstand auf die Ungarn vor
dem letzten Spieltag auf zwei Punkte. Aus einer
geschlossenen Mannschaftsleistung ragte
Thierry Omeyer heraus,
der insgesamt zwanzig Würfe der Gäste entschärfen konnte.
Erfolgreichster Torschütze war Gudjon Valur Sigurdsson
mit sieben Treffern.
Ganz Handball-Europa schaute an diesem Abend auf die
seit Wochen ausverkaufte Kieler Sparkassen-Arena, die EHF
hatte die Partie zudem als das Spiel der Woche angepriesen.
Keine Frage: Mit Veszprem und dem THW traten zwei der
Favoriten auf den Champions-League-Titel aufeinander.
Und die Kieler Fans machten von Beginn an ordentlich
Lärm, um ihre Mannschaft auf dem Weg zur Revanche für
die knappe 30:31-Hinspielniederlage in Veszprem
zu unterstützen.
THW mit Traumstart in die Partie
Die "Zebras" erwischten in der Tat gleich einen Start nach Maß:
Alfred Gislason, der auf Kapitän
Marcus Ahlm wegen einer im
Sävehof-Spiel zugezogenen Augenverletzung
verzichten musste, setzte gegen die in der Königsklasse noch
ungeschlagenen Ungarn auf eine 6:0-Deckung und vertraute dort
Kreisläufer Rene Toft Hansen und
Momir Ilic im Mittelblock.
Spielmacher Aron Palmarsson, der
aus Veszprem gekommene Marko Vujin,
Gudjon Valur Sigurdsson und
Christian Sprenger auf den Außenpositionen
sowie Thierry Omeyer im Tor komplettierten
die Kieler Startaufstellung, die von Beginn an eine ungeheure
Körpersprache an den Tag legte.
Marko Vujin durfte gegen seinen
ehemaligen Verein von Beginn an ran und erzielte drei Treffer
in der ersten Halbzeit.
Zwar gelang Veszprem im ersten
Angriff durch einen Rückraumkracher von Superstar Laszlo Nagy
die erste (und einzige!) Führung, doch Momir Ilic
glich postwendend aus, Omeyer parierte
einen Wurf von Rechtsaußen Tamas Ivancsik, und Toft Hansen
verwertete ein Traumanspiel von Palmarsson
zum 2:1. Spielmacher Gabor Csaszar gelang zwar nach feiner Einzelleistung
noch der 2:2-Ausgleich, aber dann spielte nur noch der THW:
Palmarsson traf zum 3:2, Omeyer
parierte gegen Nagy, und der von Ilic in
Szene gesetzte Sigurdsson besorgte mit einem
sehenswerten Heber das 4:2. Kiels isländischer Linksaußen hätte mit
einem Gegenstoß bereits nachlegen können, doch er donnerte diesen an
die Latte. Da auf der Gegenseite aber Omeyer
einen Ivancsik-Konter vereitelte, konnte der in den ersten 25 Minuten
überragende Momir Ilic per Sprungwurf
doch noch auf 5:2 erhöhen. Nagys Anschlusstreffer konterte
Vujin gleich im Gegenzug zum 6:3,
und nachdem Omeyer den nächsten Versuch
des omnipräsenten Nagy entschärfte, sorgte Sprenger
- erneut von Ilic bedient - sogar für
das 7:3.
Doch nach dem 8:4 durch Palmarsson war der
THW-Zauber zunächst vorbei. Gästecoach Antonio Carlos Ortega hatte
mittlerweile Nandor Fazekas für den glücklosen Mirko Alilovic
zwischen die Pfosten beordert, zudem rückte Marco Oneto für
Sulic an den Kreis. In der Abwehr bildete der Chilene nun mit
Schuch den Mittelblock, während Nagy auf der Halbposition die
Wege von Ilic einengen sollte. Und
tatsächlich: Binnen vier Minuten konnten die Gäste gegen den
kurzzeitig wankenden THW egalisieren, weil Terzic zweimal
erfolgreich war, während Vujin mit
seinen beiden Versuchen an Fazekas scheiterte und Sigurdsson
ein Ilic-Anspiel nicht unter
Kontrolle bekam. So stand es nach einem von Tamas Ivancsik
verwandelten Strafwurf nach 14 Minuten plötzlich 8:8 unentschieden.
Momir Ilic und Thierry Omeyer Garanten für die Pausenführung
Aber der THW ließ sich von dieser Phase nicht aus dem Konzept
bringen, spielte vorne weiterhin schnörkellos, mit Spielwitz
und einem überragenden Ilic und stellte
den Rückraum Veszprems mit einer starken 6:0-Deckung immer wieder
vor schwierige Aufgaben. Momir Ilic traf
zunächst zum erlösenden 9:8, ehe Omeyer
gegen Oneto parierte und Sigurdsson im
Gegenzug für das 10:8 und wieder beruhigtere Mienen auf der Kieler
Bank und den Tribünen sorgte. Zwar gelang Csaszar bei angezeigtem
Zeitspiel per Durchbruch der Anschluss, doch einmal mehr
Momir Ilic aus dem Rückraum, Thierry Omeyer
mit einem sensationellen Reflex beim Ivancsik-Siebenmeter und
Sigurdsson mit einem Heber von Linksaußen
erhöhten auf 12:9. Auch die Auszeit Ortegas sowie die Hereinnahme
von Chema Rodriguez und Iman Jamali konnte den THW-Express nicht
stoppen: Zwei weitere Omeyer-Paraden,
ein fulminanter Hüftwurf Vujins, zwei
Steals des mittlerweile in der Abwehr eingesetzten Christian Zeitz
sowie der fünfte Treffer von Momir Ilic
schraubten das Ergebnis sogar auf 14:9 (25.) - obwohl die "Zebras"
besonders aus ihren Tempo-Gegenstößen mehrfach kein Kapital schlagen
konnten. Veszprem konnte zwar nach einigen Kieler Unkonzentriertheiten
durch schnelle Konter von Ugalde und Rodriguez zwischenzeitlich
auf 12:15 verkürzen, doch nach dem dritten Vujin-Treffer
und der elften Omeyer-Parade kurz vor
der Pausensirene ging es mit einer 17:13-Führung und Ovationen der
Kieler Fans in die Kabinen.
Fazekas lässt THW kurzzeitig verzweifeln
Im Abschluss hatte er ein paar Mal im Pech, aber in der Abwehr
angelte sich Christian Zeitz mehrfach
den Ball.
Es war über weite Strecken ein wahres Feuerwerk, das die "Zebras"
in der ersten Halbzeit abgebrannt hatten - und das, obwohl Kapitän
Marcus Ahlm verletzt fehlte und mit
Filip Jicha und Daniel Narcisse
zwei Schlüsselspieler des THW noch gar nicht eingesetzt wurden.
Die beiden durften aber zum Wiederanpfiff ran, denn Gislason
wechselte seinen gesamten Rückraum und brachte auch Christian Zeitz.
Die Anfangsphase des zweiten Durchgangs gehörte aber zweifelsohne
den Gästen, und dies vor allem dank Nandor Fazekas. Der 36-jährige
ehemalige Gummersbacher Schlussmann wuchs nun über sich hinaus,
parierte nicht nur einen Wurf des bedrängten Toft Hansen,
sondern auch zwei Gegenstöße von Zeitz
und Sprenger und sorgte dafür, dass
seine Mannschaft durch zwei Nagy-Geschosse und einen Stemmwurf
Csaszars auf 16:18 verkürzen konnte. Mehrfach hatte Veszprem
nun die Chance zum Anschlusstreffer, doch Omeyer
entschärfte einen weiteren Nagy-Wurf, und auch Terzic verzog.
Im Gegenzug gelang der Ball dann über die Stationen
Zeitz und Jicha
zu Sigurdsson, der den kurzzeitigen
Torbann mit seinem Treffer zum 19:16 beendete. Dann schnappte sich
Daniel Narcisse den Ball bei einem
versuchten Kreisanspiel Nagys, und mit seinem bereits siebten
Treffer sorgte Sigurdsson per Gegenstoß
beim 20:16 wieder für etwas klarere Verhältnisse.
Berauschter THW mit 12:2-Lauf
So hatten sich Iman Jamali, Gabor Csaszar und Laszlo Nagy
die Reise an die Kieler Förde gewiss nicht vorgestellt.
Unterstützt von den lautstarken Fans im Hexenkessel Sparkassen-Arena
spielten sich die Kieler nun langsam in einen Rausch, während sich
auf der anderen Seite allmählich bemerkbar machte, dass Laszlo Nagy
bislang ohne eine Sekunde Pause auf dem Parkett stand. Dem Linkshänder
unterlief ein technischer Fehler im Angriff, und als Zeitz
dann einen seiner gefürchteten Schlagwürfe andeutete, stattdessen aber
den für einen Bruchteil einer Sekunde aus den Augen gelassenen
Toft Hansen zum 21:16 in Szene setzte,
schwammen den Gästen so langsam die Felle und die blütenweiße Weste
davon. Zumal nun auch Thierry Omeyer
hinter der sattelfesten 6:0-Deckung nicht nur an die Galaform aus
dem ersten Durchgang anknüpfte, sondern sie sogar noch toppte.
So entschärfte der Franzose einen Wurf von Terzic sowie den
Siebenmeter Csaszars, während auf der Gegenseite Zeitz
bei angezeigtem Zeitspiel und der mittlerweile für Sprenger
ins Spiel gekommene Ekberg nach weitem
Omeyer-Pass auf 23:16 erhöhten.
Veszprem war völlig von der Rolle, zwischen der 35. und 55. Spielminute
sollten den Magyaren lediglich zwei Treffer vom Kreis gelingen. Alle
anderen Versuche - sofern der ungarische Serienmeister überhaupt noch
zum Abschluss kam - waren ein gefundenes Fressen für
Thierry Omeyer, der sich mittlerweile an
die 50-Prozent-Quote parierter Bälle annäherte. Und die Kieler kannten
auch im Angriff kein Pardon mit den Gästen, durch einen fantastischen
Sprungwurf von "Air France" Daniel Narcisse,
einen Jicha-Treffer, zwei sicher verwandelte
Siebenmeter, ein unnachahmliches Zeitz-Geschoss
und eine von Sprenger abgeschlossene Ballstafette
stand es mittlerweile 29:18 für den THW. Die Kieler Fans feierten die
Demontage der Ungarn, die nach einem Jicha-Steal,
zwei Doppelpässen mit Vujin und Klein
sowie dem erfolgreichen Abschluss des Tschechen zum 30:18 (53.) einen neuen
Höhepunkt erreichte.
Standing Ovations für bärenstarke Kieler
Niclas Ekberg kehrte nach einer
Platzwunde nur acht Spielminuten später aufs Parkett zurück.
Erst in den letzten sechs Minuten durfte Veszprem wieder ein bisschen
mitspielen, als die "Zebras" in den Zaubermodus gestellt hatten und
sich unter anderem an einem Kempa von Jicha
auf Klein versuchten - doch Fazekas, mit
13 Paraden bester Spieler der Gäste, blieb hier der Spielverderber. Einen
Sonderapplaus holte sich auch Niclas Ekberg
ab, der in der 47. Spielminute unliebsame Bekanntschaft mit dem
Wurfarm Jamalis machte und mit einer Platzwunde vom Parkett ging, mit
Kopfverband aber in der 55. Minute noch einmal zurückkehrte. Eine
schöne Fußnote unter einem Spiel, in dem der THW mit einer geschlossenen
und beeindruckenden Mannschaftsleistung seine Ambitionen auf die
Titelverteidigung in der "VELUX EHF Champions League" eindrucksvoll
untermauern konnte. 32:21 gegen Veszprem - mit so einem deutlichen
Ergebnis hatten wohl nur die wenigsten gerechnet.
Letztes Gruppenspiel am Mittwoch bei HCM Constanta
Alle Informationen zur "VELUX EHF Champions League" finden
Sie hier.
Trotz der bitteren und deutlichen Niederlage aber hat MKB Veszprem
mit nun 16:2 Punkten in der Gruppe B
immer noch alle Trümpfe in der Hand. Der THW (14:4 Punkte) kann die
Ungarn aus eigener Kraft nicht mehr abfangen und muss auf einen
Ausrutscher Veszprems am kommenden Samstag gegen Atletico Madrid
hoffen. Vorher aber müssen die Kieler am Mittwochabend in Bukarest
beim rumänischen Meister HCM Constanta siegen. Die Mannschaft um
Ex-"Zebra" Milutin Dragicevic hofft allerdings
ihrerseits, mit einem Sieg gegen den THW und ein für sie passendes
Ergebnis zwischen Sävehof und Celje am Donnerstag ins Achtelfinale einzuziehen.
Ich probiere immer auf dem Feld Spaß zu haben und die Spiele hier zu genießen.
Es war sehr wichtig, dass wir ein gutes Spiel gegen solch eine starke Mannschaft
wie Veszprem abliefern - und das haben wir heute gemacht. Im Achtelfinale müssen
wir genau solch eine Leistung zeigen. Um in der Champions League erfolgreich zu
sein, muss man zunächst in der Abwehr gut stehen. Das haben wir heute überragend
gemacht. Wir wussten um die Qualität der Schützen von Veszprem. Gegen sie zu spielen
mit einer 6:0-Deckung ist nicht so einfach, aber wir haben sehr gut geblockt.
Wenn man in so einer Mannschaft spielt, ist es egal, wer die Tore wirft und
wer einen guten Tag hat, Hauptsache man gewinnt zusammen. Ich werde einfach
weiter versuchen, meinen Job so gut wie möglich zu machen. Hoffentlich geht
das auch so weiter. Zuletzt war ich nicht ganz so mit mir zufrieden, heute
war das wieder besser.
Jetzt müssen wir schauen, ob Atletico Madrid in Veszprem gewinnt...
Wir wollten kein weiteres Spiel in der Champions League mehr verlieren,
und die Jungs wollten Gas geben, weil sie sich im Hinspiel in Vezprem
ungerecht behandelt gefühlt haben. Wir haben diese Motivation gut
umgesetzt, waren sofort präsent. Wir werden von Spiel zu Spiel spritziger.
Veszprems Trainer Antonio Carlos Ortega gegenüber den KN:
Kiel war in allen Aspekten besser. Wir haben versucht, in der
Abwehr zu variieren, aber es hat nichts bewirkt. Geärgert
hat mich, dass Kiel trotz der harten Abwehr nur eine
Zwei-Minuten-Strafe bekommen hat.
Wir haben in der Abwehr sehr gut gestanden, die zweite Halbzeit
war top. Zum Publikum: Es ist immer eine super Stimmung, aber heute
war sie besonders. Wenn man so ein Spiel abliefert, dann haben auch
die Fans ihren Anteil daran.
Bei meinen ersten Angriffen hat es noch nicht gepasst,
aber nachher lief es rund. Es ist wichtig, in solchen Situationen
ein Gedächtnis wie ein Goldfisch zu haben und das schnell abzuhaken.
Wir wollten zeigen, dass wir zu Hause eine Macht sind.
Alle Spieler lieben solche Spiele, ich vielleicht besonders. Dann
muss man einfach eine starke Leistung bringen. Auch das Publikum
hat mehr gegeben als sonst auch schon.
Veszprems Rückraumspieler Moorchegani Iman Jamali gegenüber den KN:
Das war enttäuschend. Wir können viel mehr. Das Publikum war
kein Problem, das sind wir aus Veszprem gewohnt. Aber wir haben
in unserer Liga zu wenige Spiele von solcher Intensität.
Für die drei Bundesliga-Vertreter im EHF-Pokal
steht an diesem Wochenende der zweite Vorrundengruppen-Spieltag auf dem Programm.
Den Auftakt des deutschen EHF-Cup-Trios machte der SC Magdeburg, der
am Sonnabend um 15 Uhr in der Getec-Arena den rumänischen Vertreter
Stiinta Municipal Dedeman Bacau mit 33:25 (16:13) schlug. Auch die
Rhein-Neckar Löwen feierten am Samstag ihren zweiten Sieg: Nach dem
knappen 34:33-Auftaktsieg beim slowakischen Serienmeister Tatran Presov
hatte der Bundesliga-Spitzenreiter beim 35:22 (18:11)-Heimsieg über
HC Motor Zaporozhye (UKR) keine Probleme. Frisch Auf Göppingen hingegen
musste am Samstagabend in der Gruppe A
die erste Niederlage hinnehmen. Die ersatzgeschwächten Baden-Württemberger
unterlagen in Spanien bei Naturhouse La Rioja mit 23:25 (13:12).
In der Königsklasse hat die SG Flensburg-Handewitt in der
Gruppe A mit einem 27:22 (14:10)-Heimerfolg
gegen Ademar Leon bereits am Mittwoch den Druck auf die Mitbewerber um den
Gruppensieg erhöht. Der HSV Hamburg zog aber am Samstag nach und eroberte durch
einen 42:21 (24:10)-Kantersieg bei Partizan Belgrad die Tabellenspitze.
Die Füchse Berlin haben unterdessen in der
Gruppe D vorzeitig den zweiten Platz fixiert.
Nachdem die Hauptstädter am Donnerstag mit 40:35 (21:16) bei den Kadetten Schaffhausen
in der Schweiz siegten, sorgten am Samstag der Erfolg Barcelonas gegen Zagreb (35:25)
sowie die Niederlage Minsks in Szeged (21:26) für klare Verhältnisse auf den
ersten drei Plätzen der Gruppe.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Kiel. An Tagen wie diesen - der Ohrwurm der "Toten
Hosen", der stets nach dem Abpfiff der Fußballspiele
der Düsseldorfer Fortuna abgespielt wird, hätte gestern
Abend auch gut in die Arena des THW Kiel gepasst.
Der 17. Februar 2013 war einer jener Tage, an
dem die "Zebras" ihren Sport, den Handball, nahezu
in Vollendung präsentierten. Weil sie in der Chancenverwertung
ein großes Herz offenbarten, unterlag
MKB Veszprem in der Champions League nur mit
21:32 (13:17). Es hätte den Spitzenreiter der
Gruppe B
an diesem besonderen Tag noch härter treffen können.
Die Kieler hatten das Hinspiel mit 30:31
verloren. Um nun noch eine kleine Chance zu haben, die Gruppenphase
als Erster abzuschließen, mussten sie den ungarischen Serienmeister
mit zwei Toren Differenz besiegen. Ein schweres Unterfangen, hatte
das Team von Carlos Ortega sich in der Königsklasse in dieser Saison
noch keine Blöße gegeben, alle acht Spiele gewonnen. Nach diesem
Gala-Auftritt steht Veszprem aber im abschließenden Heimspiel gegen
Atletico Madrid am Sonnabend (17.15 Uhr) unter Druck. Sollten die
Kieler am Mittwoch (19 Uhr) beim rumänischen Meister HCM Constanta
gewinnen, darf Veszprem nicht verlieren. Wenn doch, hätte der dann
punktgleiche Titelverteidiger (16:4) die Nase vorne, weil er den
direkten Vergleich für sich entscheiden konnte. Und wie.
Die Kieler standen noch im Vorraum, eine massive Eisentür trennte
sie von den mehr als 10 000 Fans in der Halle, als sich auf den Rängen
schon die Emotionen überschlugen. Im Alltag sitzt das Publikum,
während auf dem Videowürfel die Spieler vorgestellt werden. Die
Stimmung ist zumeist gemäßigt, die Fans wollen die Mannschaft sehen.
Doch gestern war alles anders. Während die "Zebras" vor der Tür mit
den Hufen scharrten, hielt es die Zuschauer nicht mehr auf den Sitzen
- als Filip Jicha sie schließlich in
Vertretung des verletzten Kapitäns Marcus Ahlm
aufs Feld führte, erwartete sie ein außergewöhnlicher Empfang. Anders
als in den letzten Spielen gegen Sävehof (40:29)
und Hannover (39:29) waren die Schützlinge von
Alfred Gislason diesmal von Beginn an
hellwach, führten schnell mit 7:3 (10.). Ortega nahm die erste Auszeit
und wechselte Mirko Alilovic, der keine Hand an den Ball bekam, gegen
Nandor Fazekas aus. Tatsächlich kamen die Gäste nun besser ins Spiel,
glichen zum 8:8 (15.) aus, doch eine Trendwende gelang ihnen nicht. An
Tagen wie diesen ist der THW Kiel nicht zu stoppen, auch von der
Weltklasse nicht. Der Triple-Sieger konnte sich auf eine bärenstarke
Deckung verlassen, hinter der Thierry Omeyer
an Glanzzeiten anknüpfte. Der 35-jährige Franzose, der Endspiele wie
diese liebt, parierte 18 Bälle und fütterte seine flotten Außen mit
Pässen aus dem Handball-Bilderbuch - als Omeyer
in der 41. Minute einen Siebenmeter von Gabor Csaszar, bis dato der
Motor im Veszprem-Spiel, hielt, brachen alle Dämme. Auf den Rängen, aber
auch bei den Ungarn, die nun fassungslos miterleben mussten, wie sie
nach allen Regeln der Kunst vorgeführt wurden. Vergessen waren zu diesem
Zeitpunkt längst die zahlreichen Fehlwürfe der Hausherren, die schon zur
Pause mit acht, neun Toren hätten führen können.
Was noch? Auch in der Halbzeit gab es Rührendes. Paare, die von der
Kamera eingefangen wurden, sollten sich küssen. Nicht jeder reagierte
schnell genug, manchmal zerstörte das Taschentuch den Liebesbeweis, doch
an Tagen wie diesen nahmen viele die Aufforderung zum Küssen gerne an.
Auch Maskottchen Hein Daddel hatte Spaß. Muss
er sich sonst T-Shirts vom Leib reißen, oder Akrobatik auf dem Skateboard
zeigen, um die Zuschauer zu erwecken, musste er diesmal nur leicht in seine
Vorderhufe schlagen. Ein Umfeld, in dem Niclas Ekberg
seinen wohl bewegensten Moment im THW-Trikot erleben durfte. Der Schwede
hatte sich nach einem Ellenbogen-Check eine Platzwunde an der Stirn (47.)
zugezogen und musste mit drei Stichen genäht werden. Flotten Schrittes war
er mit Mannschaftsarzt Dr. Frank Pries in die
Kabine gerannt, er wollte keine Zeit verlieren, unbedingt wieder Bestandteil
dieses besonderen Spiels werden. Als er schließlich mit Kopfverband
zurückkehrte, nickte er nur kurz, als Gislason
sich nach seinem Zustand erkundigte, und kehrte auf das Feld zurück - die
Zuschauer erhoben sich, um Ekberg zu feiern,
dessen Einsatzwille symptomatisch war für alle "Zebras" an diesem Abend. An
einem Tag wie diesem.
(von Wolf Paarmann und Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 18.02.2013)