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13.02.2010 Mannschaft

KN-Abpfiff: Ausrutscher als Lehrstunden begreifen

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.02.2010:

Sie spielen seit Juni 2009 nicht mehr für den THW Kiel. Der eine hat seine Karriere beendet und ist dem Handball als Lehrer verbunden geblieben. Der andere gewinnt seine Titel nun wieder im Auftrag von Montpellier HB. Doch spätestens nach der bitteren Pokal-Pleite in Gummersbach wurden Stefan Lövgren und Nikola Karabatic wieder einmal intensiv vermisst. Aber ob diese Mittelmänner der Extraklasse das Viertelfinal-Aus hätten verhindern können, ist rückwärtsgerichtet und deshalb Zeitverschwendung. Zumal bei aller Kritik nicht vergessen werden darf, dass die erste VfL-Sieben große Klasse besitzt.
Sicher, Lövgren, Karabatic und Vid Kavticnik (Montpellier) hinterließen ein großes Loch. Doch das aktuelle Personal hat mehrfach bewiesen, dass es diese Lücken schließen kann. Mit anderen Persönlichkeiten. Anders, aber nicht schlechter. Denken wir an den Kantersieg in Flensburg im Oktober (41:33), als die SG-Ikone Lars Christiansen jenen denkwürdigen Satz sagte: "Gegen Kiel waren wir nie chancenlos, diesmal schon." Oder das 40:22 gegen den damaligen Liga-Dritten FA Göppingen zwei Wochen später.

Was dem "neuen" THW aber fehlt, ist Konstanz und eine Hierarchie. Noch fehlt der "Chef" auf dem Feld. Jene Figur, die entschlossen nach den Zügeln greift, wenn der Boden wankt. So wie in Gummersbach.

Doch das Potenzial, in die Spuren eines Lövgren zu treten, haben viele. Am ehesten ist wohl Filip Jicha dazu in der Lage. Bei der EM in Österreich als "wertvollster Spieler" ausgezeichnet, jüngst als "Handballer des Jahres" geehrt, ist der Tscheche sich treu geblieben. Bodenständig, bescheiden, stets die Mannschaft im Blick: "Die Ehrungen sind schön, aber ich fange jedes Spiel wieder bei Null an." Ein typischer Jicha-Satz. An seiner enormen Entwicklung lässt sich am besten ablesen, was der Abschied von Stars für die bedeutet, die bleiben - die Chance, sich selbst zu Weltstars zu entwickeln.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass mit Daniel Narcisse ein Kreuz-Bube noch gar nicht stechen konnte. An seiner außergewöhnlichen Klasse besteht kein Zweifel. Auf die Frage, welche Spieler den Unterschied ausmachen, fallen stets die gleichen Namen - Narcisse und Karabatic.

Es wäre auch zu einfach, das Gummersbach-Waterloo an das Fehlen Einzelner zu knüpfen. Zwei Beispiele: Vor zehn Jahren spielten die Kieler zuletzt in der winzigen Eugen-Haas-Halle. Der THW war Titelaspirant, Gummersbach Zwölfter. Auch damals war es das Spiel eins nach einem Turnier. Die Gold-Schweden Lövgren, "Max" Wislander und Staffan Olsson sowie Klaus-Dieter Petersen waren gerade von der EM in Kroatien zurückgekehrt. Kiel verlor 27:28. Auch, weil der Rhythmus fehlte. Oder jenes historische 24:39 im Dezember 2006 in Magdeburg, als Kiel mit Lövgren und Karabatic nach der Pause sechs (!) Tore warf.

Sicher, die Art und Weise, wie der aktuelle Kader sich in Balingen und Gummersbach präsentierte, darf nicht verniedlicht werden. Steht die Mannschaft aber wieder auf, so wie am Mittwoch in Mannheim, dürfen diese Ausrutscher getrost als Lehrstunden verbucht werden. Und bei denen ist es wichtig, aus ihnen zu lernen. Das ist geschehen.

PS: Klubs wie die Rhein-Neckar Löwen, bereits neun Punkte hinter Kiel, und der TBV Lemgo (10 zurück) wären froh, wenn bei ihnen der Umbruch ähnlich erfolgreich verlaufen wäre.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 13.02.2010)


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