Der THW Kiel hat zum dreizehnten Mal das Finalturnier um
den DHB-Pokal, das "Lufthansa Final Four",
erreicht. Im Viertelfinale
gewannen die "Zebras" am Dienstagabend beim Ligakonkurrenten
TSV Hannover-Burgdorf mit 34:29 (15:14). Nachdem die Kieler
in der ersten Halbzeit lange einem Rückstand hinterher liefen,
hatten sie die Partie nach dem Seitenwechsel schnell im Griff,
siegten letztlich souverän und können am ersten Maiwochenende
in der Hamburger O2-World den achten Pokalsieg in Angriff nehmen.
Bester Torschütze des THW in der AWD-Hall war Dominik Klein
mit sieben Treffern, auf Seiten der Gastgeber erzielte Lars Lehnhoff
8/3 Treffer.
TSV-Trainer Christopher Nordmeyer und seine Mannschaft glaubten
an eine Pokalüberraschung und die Chance auf das erstmalige Erreichen
des "Lufthansa Final Four". Die Fans der Niedersachsen indes waren offenbar skeptischer,
denn die AWD-Hall war mit weniger als 2.000 Zuschauer nicht einmal
halb gefüllt. Da es Probleme mit dem rutschigen Hallenboden
gab, mussten diese noch einige Minuten auf den Anpfiff des Viertelfinals
warten. Indes: Das Parkett bereitete den Spielern während der Partie
dennoch große Schwierigkeiten.
THW anfangs zu behäbig
Marcus Ahlm scheiterte mit den ersten beiden
Versuchen, danach verwandelte er zuverlässig wie gewohnt.
Dann aber hatten zunächst die Anhänger der Gastgeber etwas zu feiern.
Denn der THW startete behäbig in die Partie und wirkte müde, obwohl
mit Palmarsson, Zeitz
und Klein drei Akteure in der Startformation
standen, die am Sonntag beim anstrengenden 24:24-Remis in Kopenhagen
nur wenig bis gar nicht gespielt hatten. Die Kieler taten sich schwer
gegen die Hannoveraner 6:0-Deckung, die aber auch mit viel Einsatzfreude
heraus rückte. Zudem erwischte auch TSV-Keeper Nenad Puljezevic einen
glänzenden Start, parierte die ersten drei THW-Würfe von
Palmarsson, Ahlm
und Zeitz und sorgte so dafür, dass seine
Mannschaft durch zwei Strafwürfe Lehnhoffs und einen Rückraumkracher
von Ex-"Zebra" Piotr Przybecki mit 3:0 in
Führung ging.
Nenad Puljezevic war zu Beginn ein fast unüberwindbares Hindernis.
Christian Zeitz gelang zwar mit einem
Unterarmgeschoss wenig später der erste Kieler Treffer, doch Hannover
legte erst einmal weiter nach: Puljezevic leitete nach einer Parade gegen
Sprenger, der sein Glück aus dem Rückraum
versuchte, das 4:1 durch einen Svavarsson-Gegenstoß ein, Lehnhoff konterte
den Anschlusstreffer Sprengers mit einem
feinen Dreher, und als Puljezevic erneut einen Ahlm-Wurf
hielt und Hannovers quirliger Spielmacher Morten Olsen unbeirrt durch die Kieler
3:2:1-Deckung stolzierte und auf 6:2 (10.) erhöhte, lag eine
Überraschung in der Luft.
Erst eine Zeitstrafe gegen Abwehrchef Rydergard, der Christian Zeitz
unsanft stoppte, rüttelte den THW endlich wach. Kim Andersson
kam in die Partie, bediente Marcus Ahlm, der im dritten
Versuch endlich seinen ersten Treffer beisteuern konnte. Dann blockte
Ilic einen überhasteten Johannsen-Wurf und
der zunächst nur in der Abwehr an der Spitze der 3:2:1-Deckung agierende
Filip Jicha traf per zweiter Welle vom
Kreis zum 4:6. Als dann auch noch Olsen verzog und der THW wunderbar
auf Sprenger zum 5:6 abräumte, hatten die
Kieler die zehn schwachen Anfangsminuten binnen zwei Überzahlminuten
fast schon wieder egalisiert.
Morten Olsen trumpft groß auf
Morten Olsen lieferte eine starke erste Halbzeit ab.
Als die TSV Hannover-Burgdorf wieder komplett war, wusste sie sich
aber wieder zu wehren: Svavarsson verwertete einen Abpraller zum 7:5, und
auch nachdem Ilic und Ahlm
Mitte der ersten Halbzeit den Ausgleich zum 7:7 herstellten, ließen die
Gastgeber nicht locker. Mit dem in der ersten Halbzeit überragenden
Morten Olsen fanden sie immer wieder ein Mittel gegen die offensive
Kieler Deckung. So bediente Olsen Lars Lehnhoff zum 8:7, so erhöhte
Szücs nach einer Puljezevic-Parade gegen Andersson
mit einem trockenen Rückraumwurf auf 9:7. Nachdem der THW durch einen
Ilic-Siebenmeter und den ersten Treffer
Kleins erneut egalisierte, drehte Morten
Olsen erst so richtig auf: Immer wieder verblüffte der 27-jährige Däne
Thierry Omeyer und die gesamte Kieler Deckung
mit versteckten Sprung- und ansatzlosen Schlagwürfen, traf zum 10:9 und
zum 12:10. Als Olsen dann noch einen weiteren Schlagwurf zum 13:10 (25.)
in den Winkel donnerte, zog Alfred Gislason
die Notbremse.
"Mehr Druck Richtung Tor" forderte der isländische Coach von seiner
Mannschaft, und nachdem er bereits kurz zuvor Daniel Narcisse
aufs Parkett geschickt hatte, beorderte er nun auch Filip Jicha
in den Rückraum sowie Andreas Palicka ins Tor,
zudem stellte Gislason auch in der Abwehr
auf eine 6:0-Deckung um. Mit durchschlagendem Erfolg: Mit einem unnachahmlichen
Wackler läutete Narcisse die Aufholjagd ein,
nach einem Fehlwurf Szücs' sorgte Jicha für
den 12:13-Anschluss. Zwar sorgte Morten Olsen mit seinem fünften (und letzten)
Treffer für den 14. Hannoveraner Treffer, doch nachdem Narcisse
zunächst Klein und nach einem technischen Fehler
Svavarssons per zweiter Welle Ahlm bediente,
hatte der THW die Gastgeber kurz vor dem Seitenwechsel wieder gestellt.
Und mehr noch: Bei angezeigtem Zeitspiel unterlief Szücs ein Fehlpass
und Klein sorgte mit einem Heber für die
erste Gäste-Führung und gleichzeitig den 15:14-Pausenstand.
THW dreht nach Seitenwechsel auf
Auch Filip Jicha zeigte eine starke Partie
und kam am Ende auf fünf Treffer.
Personell beinahe unverändert - lediglich Thierry Omeyer
kehrte zwischen die Pfosten zurück - starteten die Kieler in die zweiten
dreißig Minuten. Und sie machten sofort dort weiter, wo sie aufgehört
hatten: Der spielfreudige Narcisse besorgte
den ersten Treffer nach Wiederanpfiff, und nachdem Przybecki
verkürzte, erhöhten Ahlm und Andersson
per Gegenstoß auf 18:15. Die TSV Hannover-Burgdorf fand nur noch
selten ein Rezept gegen das Kieler Abwehrbollwerk, so beispielsweise
Torge Johannsen, der nach einem Eckball mit einem simplen Doppelpass
mit Svavarsson die linke Kieler Abwehrseite aushebelte und zum 16:18
traf. Aber insbesondere Morten Olsen fand nicht mehr in die Partie
zurück. Die Würfe des Dänen wurden nun geblockt oder landeten in den
Armen von Thierry Omeyer, und auch die Ideen
schienen dem Spielmacher langsam auszugehen. Während
Jicha per Durchbruch, Sprenger
nach weitem Omeyer-Pass und Andersson
mit zwei klasse Sprungwürfen auf 22:17 für den THW erhöhten, war bereits
Hannes Jon Jonsson für Olsen gekommen, aber auch der Isländer konnte
dem Spiel Hannovers nicht seinen Stempel aufdrücken.
Kiel verwaltet Vorsprung
Auch Andreas Palicka rutschte
auf dem sehr glatten Boden aus.
Die mitgereisten Kieler Fans hatten die AWD-Hall mittlerweile
fest in ihrer Hand und feierten lautstark jeden Kieler Treffer:
Jicha aus dem Rückraum zum 23:19,
Klein per Gegenstoß zum 24:19,
Jicha per zweiter Welle zum 25:20,
Narcisse unnachahmlich zum 26:20
und auch Anderssons postwendende
Antwort auf einen Szücs-Treffer zum 27:21 (45.). Der THW Kiel
hatte die Partie längst im Griff, lediglich Nenad Puljezevic
sorgte mit seinen Paraden dafür, dass sich der Vorsprung noch
im Rahmen hielt.
Nachdem der starke Svavarsson zwölf Minuten
vor Schluss von seinem Landsmann Jonsson angespielt wurde und
zum 24:28 verkürzte, keimte zwar noch kurzzeitig Hoffnung auf
bei den Gastgebern. Doch diese machte der THW schnell zunichte:
Denn Svavarsson kassierte nach einem Foul an Ahlm
eine Zeitstrafe, in Überzahl trafen Klein
und Ahlm zum 30:24. Und nachdem das
Duo noch zwei weitere Treffer zum 32:24 (53.) folgen ließ, drohte
den Hausherren doch noch eine Klatsche. Die TSV aber überstand die
Schlussphase, in denen beide Mannschaften noch einmal munter
durch- und auf Kraftsparmodus wechselten, glimpflich, so dass
statt einer Niederlage im zweistelligen Bereich letztlich ein
29:34 auf der Anzeigetafel stand.
Auch Flensburg und Lübbecke beim "Final Four"
Die "Zebras" bedanken sich nach dem Spiel bei ihren Fans.
Die Höhe des Erfolgs dürfte den Kielern eh egal gewesen sein.
Einzig der Sieg zählt, denn dieser bringt dem THW die erneute
Teilnahme am "Lufthansa Final Four", für das sich am Dienstagabend
auch der TuS N-Lübbecke (28:25 gegen den VfL Gummersbach) und
Vorjahresfinalist SG Flensburg-Handewitt (28:22 gegen den Zweitligisten
Neuhausen) qualifizieren konnten. Im letzten Viertelfinalspiel
stehen sich am Mittwochabend der Drittligist EHV Aue und der
letztjährige Meister HSV Hamburg gegenüber. Darüber, gegen wen der THW
Kiel am Samstag, den 5. Mai im Halbfinale in der O2-World
antreten muss, entscheidet am Donnerstagnachmittag Thorsten Fink.
Der Trainer des Fußballbundesligisten HSV Hamburg zieht ab
14.00 Uhr in der Hansestadt die Lose, Sport1 überträgt die
Auslosung live und kostenlos im Internet.
Wir haben unser Ziel erreicht. Wir wussten, dass es schwer werden würde wie
auch in den letzten Jahren. Wir hatten nur einen Tag Pause, dann die Anreise
und mussten gleich wieder spielen, nachdem wir erst 50 Stunden vorher ein
sehr kraftaufwändiges Spiel hatten.
Das war heute ein hartes Stück Arbeit. Es wäre schön gewesen, wenn wir erst
am Mittwoch gespielt hätten. So war das schwirig für meine Mannschaft, zumal
wir auch Probleme mit dem Boden hatten. Das war teilweise gefährlich. Dadurch
kamen dann viele Ballverluste zustande. Aber ich bin stolz auf die Leistung
meiner Jungs, besonders nach der Pause.
Meinen Glückwunsch an den Trainer und die Mannschaft! Die TSV hatte auf uns
gewartet und darauf, dass wir Fehler machen. Hut ab, dass man auf diesem Boden
doch gespielt hat. Jetzt hoffen wir am Donnerstag auf eine gute Auslosung.
Wenn man immer von der hohen Belastung bei den Spielern spricht, sollte
man auch die hohe Belastung für unsere Fans nicht vergessen. Sie haben uns
auch heute wieder tatkräftig unterstützt, dafür vielen vielen Dank!
Hannovers Trainer Christopher Nordmeyer:
Wir haben in der zweiten Halbzeit gesehen, dass wir nicht mehr gegenhalten
konnten. Jedoch haben wir es in der ersten Halbzeit geschafft, gegen die
Kieler 3:2:1 gut zu spielen. Damit bin ich sehr zufrieden. In der zweiten
Halbzeit standen wir dann nicht mehr so kompakt in der Abwehr und verloren
viele Zweikämpfe. Damit haben wir unser Ziel, heute zu gewinnen, leider nicht
erreicht. Aber das Lob von THW-Seite macht mich sehr zufrieden.
Was in der ersten Halbzeit los war, ist schwer zu sagen. Wir hatten 48
Stunden vorher ein sehr schweres Spiel in Kopenhagen, mussten heute sehr
hart kämpfen. In der zweiten Halbzeit haben wir das dann aber ordentlich gemacht
und zurecht gewonnen.
[Woran lag's in der ersten Halbzeit? Geist und Körper müde?]
Ja, alles, außerdem kam auch dazu, dass uns der rutschige Boden etwas
gestört hat, da waren wir zunächst sehr vorsichtig, wollten uns nicht
verletzen. Aber dann gibt sich das, man vergisst das. In der ersten Halbzeit
haben wir auch zu einfache Tore kassiert, in der zweiten Halbzeit dann
besser zugemacht. Ich weiß gar nicht, wieviele Spiele wir in den letzten
zehn Minuten gewonnen haben. Über 60 Minuten sind wir sehr schwer zu
schlagen, da können nur sehr wenige Mannschaften mithalten.
Hannovers Linksaußen Lars Lehnhoff gegenüber Sport1:
Wir haben lange gut mitgespielt, auch gegen solch eine Mannschaft
hat man eine Chance. Aber man muss sie auch nutzen...
Nach Stotterstart den Weg ins Final Four freigemacht
Eine Halbzeit Anlaufzeit, dann stürmte der THW mit 34:29 in Hannover zum Pokalsieg
Hannover. Die Handball-Maschine ist zum 13. Mal im
Final Four angekommen. Nur zwei Tage nach dem
schweren Champions-League-Spiel bei der AG Kopenhagen
setzte sich der THW Kiel gestern Abend im
Pokal-Viertelfinale beim TSV Hannover-Burgdorf
nach Startproblemen mit 34:29 (15:14) durch.
In der Bundesliga ist die AWD-Hall eine kleine Hölle.
Die Begegnung mit der Hitze wird der THW Kiel am Sonntag
haben, wenn die "Zebras" im Punktspiel zu Gast sind.
Im DHB-Pokal wurde es in der knapp 4000 Zuschauer
fassenden Arena nie hitzig. Bei der Vorstellung der
Hannoveraner konnte der Eindruck entstehen, die Spieler
hätten sich, ganz cool, diesmal auf Vornamen reduzieren
lassen. In der Regel schreit in den meisten Hallen einer
den Vornamen ins Mikrofon, der Nachname fällt dann in den
Zuständigkeitsbereich der Fans. Gestern schlug der Doppelpass
fehl, weil die Antworten ausblieben. Gut die Hälfte
der lediglich 2000 Zuschauer hielten es mit den Kielern, die
sehr herzlich empfangen worden waren.
Im Vorfeld fühlte sich dieses Viertelfinale wie ein Testspiel
an. Die Niedersachsen hatten sich nichts ausgerechnet. Manager
Benjamin Chatton sprach gar davon, dass die Glücksfee Urlaub
gemacht hätte, als dem TSV der Titelverteidiger zugelost worden
war. Der Liga-14. haderte nicht nur mit der Höhe der Hürde,
sondern auch mit dem tiefen Loch in der Kasse. In den ersten
Runden hatte der TSV auswärts bei Zweit- und Drittligisten
antreten müssen. Klare Ergebnisse, aber dunkelrote Zahlen. Und
gegen den THW füllte sich die Halle auch nur zur Hälfte, weil der
gleiche Gegner bereits am Sonntag wieder zu Gast ist.
Weil das Spiel erst um 20.45 Uhr angepfiffen wurde. Weil
Sport1 live übertrug. Weil...
"Wir hätten lieber in Kiel gespielt", sagte Pressesprecher
Holger Staab. "Da hätten wir wenigstens ein bisschen Geld verdient."
Wer mit dem THW das Heimrecht in einem Viertelfinale tauschen will,
glaubt nicht an das Erreichen der Pokalendrunde, die morgen von
Thorsten Fink, Trainer des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV,
ausgelost wird. Das sollte sich nach zehn Minuten ändern. Das
Team von Christopher Nordmeyer ("Kiel war klar besser") führte
6:2 gegen einen THW, der noch unter der Kopenhagen-Reise litt.
Besonders im Angriff spielten die Gäste fahrig, aber auch in der
Deckung taten sich erstaunliche Lücken auf. Dazu kam der rutschige
Boden, den der Hausmeister am Morgen versehentlich mit Seifenlauge
gereinigt hatte. "Das war ein Skandal", sagte Kapitän
Marcus Ahlm. "So etwas darf
nicht passieren." Die Kieler hatten intensiv beraten, ob sie
überhaupt antreten wollten. "Aber wann hätten wir dann spielen
sollen?" fragte sich THW-Trainer Alfred Gislason
mit Blick auf den prallen Terminkalender. "Hätte sich ein
Spieler verletzt, wären wir allerdings sofort abgereist."
Auf dem glatten Boden hätten sich die Taktiken nicht sauber
umsetzen lassen. So dauerte es eine Halbzeit, bis sich die
Gäste an den Untergrund gewöhnt und das Kopenhagen-Spiel aus
den Knochen gespielt hatten. "Ich bin stolz auf die Truppe", sagte
der sechsfache Torschütze Filip Jicha,
der seine Sohlen mit Harz beschmiert hatte. "Das war eines der
schweren Spiele in dieser Saison."