03.09.2013 | Handball-Geschichte |
Darunter sind einige Raritäten, die auch kenntnisreiche Sporthistoriker verblüffen dürften. Etwa eine Plakette, die für den "Handball-Kriegsländerkampf" zwischen Deutschland und Japan in Tokio hergestellt wurde. Das Datum dieses Vergleiches im Feldhandball ist außergewöhnlich. Denn am 29. November 1942 hatte die Schlacht um Stalingrad bereits begonnen. Und die Statistik der deutschen Handball-Länderspiele endet eigentlich offiziell am 18. Oktober 1942, mit dem 14:2-Sieg in Budapest gegen Ungarn. Muss hier die Handballgeschichte umgeschrieben werden? Das ist nicht ganz klar. Plehn besitzt zwar auch einige Fotos von diesem Spiel und japanische Texte dazu. "Leider weiß ich nicht, was da drinsteht", sagt Plehn, der hagere Mann mit grauem Schnauzbart.
Seit fast einem halben Jahrhundert sammelt er schon. Handballfan ist er spätestens seit 1964, als er als Jugendlicher das Finale um die Deutsche Meisterschaft im Feldhandball sah. Damals radelte er die zwölf Kilometer von Altenhagen, wo er aufwuchs, nach Herford ins Ludwig-Jahn-Stadion und sah Grün-Weiß Dankersen gegen Wellinghofen siegen. "Das war ein tolles Erlebnis, großartig", erzählt er, seine Augen leuchten vor Begeisterung. Über 25.000 Zuschauer waren damals da, es war ein Volksfest, sagt er. "So ist meine Liebe zum Feldhandball entstanden."
In die Wiege gelegt wurde ihm dieser Enthusiasmus nicht. Geboren wurde er 1949 in Rendsburg, aber die Familie zog 1953 ins Ostwestfälische, als sein Vater eine Stelle als Arzt zugewiesen bekam. "So bin ich in einem Handballdorf gelandet", erzählt Plehn. Beim TSV Altenhagen 03 wurde nur Handball gespielt. "Fußball war eine Sünde", berichtet Plehn. "Das war verpönt wie damals in Gummersbach, wie Heiner Brand in seinem Buch erzählt hat."
Er selbst durfte kein Vereinsmitglied werden. Sein Vater aber bemerkte damals große intellektuelle Unterschiede bei den Jungs, die er untersuchte. Dazu Plehn: "Schon nach dem ersten Satz, den diese Jungs sprachen, wusste er Bescheid, welche Sportart sie betrieben, ob Fußball oder Handball. Im Vergleich zu den Handballern hatten die Fußballer kein Niveau."
Das seien geradezu soziologische Feldstudien gewesen, die auch ihn geprägt hätten. "Ich hege seit dieser Zeit eine tiefe Verachtung gegenüber dem Fußball", sagt er. "Das können Sie auch gern so aufschreiben."
Erlaubt war ihm aber, eine Schulmannschaft im Handball zu begründen, an seinem Gymnasium in Versmold. Das war ungefähr 1966/67, versucht er sich zu erinnern, so genau weiß er das aber nicht mehr. Und seither bewahrt er alles auf, was er zum Handball in die Finger bekommt. Selbst als er 1976 mit dem Pharmaziestudium begann, sammelte er weiter, las alle Zeitschriften und Zeitungsartikel über Handball. "Daraus ist eine lebenslange Beschäftigung mit dem Handball geworden. Es fasziniert mich immer noch."
Manches hat er komplett. Andere Teilgebiete haben Schönheitsfehler. So hat er zwar die Zeitschriftenjahrgänge des "Handballs" seit 1932 komplett im Regal. Aber der Jahrgang 1937, sagt er mit etwas traurigen Augen, "den habe ich nur als Kopie". Dass ihm eines Tages die Sammelobjekte ausgehen könnten, weil er schon alles hat zum Handball, das glaubt er nicht. "Sammeln ist ja immer ein offenes Ende", sagt er. Nun strahlt er wieder.
Vor gut einem Jahr hat er das große Handball-Archiv von Fritz Fischer übernommen, einem fleißigem Sammler aus Reinheim im Odenwald, der sich verdient gemacht hat um die Geschichte des deutschen Handballs und inzwischen verstorben ist. Dieses Archiv barg ebenfalls Preziosen. Zum Beispiel ganze Kartons voller Negative mit Aufnahmen aus den 1950er- und 1960er-Jahren. "Die müsste man mal alle scannen und ordnen", meint Plehn, als er die fein säuberlich beschrifteten Etuis zeigt.
Wenn beim Deutschen Handballbund (DHB) Fragen zur Handballgeschichte aufliefen, dann verwiesen sie immer auf Fischer, den Mann mit dem Elefantengedächtnis. Ein paar Mal, erzählt Plehn, habe Fischer zart beim Verband angefragt, ob sie in Dortmund nicht ein Handball-Museum gründen wollten, aber daraus wurde nichts. "Der DHB hat sich dafür wohl nicht sehr interessiert", sagt Plehn. Sein Blick verrät, wie verständnislos er dieser Ignoranz gegenüber der eigenen Geschichte gegenübersteht.
Ungeachtet dessen sammelt er weiter, mit einer Energie, die bemerkenswert ist. Er hat sich über die Jahre Kontakte aufgebaut, um ja nichts zu verpassen, etwa die Sonderpublikationen der Kieler Nachrichten über den THW Kiel, zum Beispiel das "Zebra-Journal". Kiel ist nämlich sein Lieblingsverein. "Einfach imponierend, wie dieser Klub geführt wird, einfach sympathisch", sagt er. "Großartig, die Ostseehalle." Wahrscheinlich gibt es keinen Fan in Deutschland, der die Zebras mehr verehrt als ihn - und das, obwohl er noch nie ein Heimspiel der Zebras live gesehen hat. "Vielleicht schaffe ich das noch einmal", sagt er. Ein, zwei Mal pro Saison geht er in die Kampa-Halle nach Minden. Mehr Besuche sind nicht drin, weil er zu viel zu tun hat in seiner Apotheke.
Und so kann er auch manche Anfrage der Wissenschaft nicht beantworten. Kürzlich zum Beispiel fahndete jemand nach den ersten Kontakten zwischen Israel und Deutschland in den 1950er-Jahren. "Das ist schwer für mich zu finden", sagt er. Zumal er viele Dokumente noch nicht systematisiert hat.
Zwar hat sein Sohn bereits eine Liste mit all den Zeitschriften und Büchern erstellt, die auch im Internet einsehbar ist. Aber die Auswertung und penible Registrierung aller Materialien, die er im letzten Jahrhundert zusammengeführt hat, will er in zwei Jahren angehen. "Das mache ich, wenn ich pensioniert bin", sagt er. Aber auch das Sammeln wird dann kein Ende nehmen, das kündigt er auf seiner Homepage an. Darauf hat Plehn sein Programm zusammengefasst: "Archivarbeit endet nie!"
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 24.08.2013)
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