17.06.2009 | Champions League |
Die begehrteste Vereins-Trophäe Europas steht also ein weiteres Jahr in der Vitrine jenes Clubs, der von Mäzen und Milliardär Domingo Diaz de Mera Jahr für Jahr mit Millionen-Spenden überhäuft wird. Großes Lob für die Kieler Saisonleistungen erreichte die Geschlagenen aus dem Mund eines Flensburgers. Manager Fynn Holpert erklärte den THW "zur besten Mannschaft der Welt, trotz der Niederlage gegen Ciudad." Zwei Gruppenphasen, Viertel- und Halbfinale, insgesamt 14 Spiele mussten die "Zebras" auf dem Weg Richtung Finale bewältigen. In der ersten Gruppenphase bekamen sie es mit Metalurg Skopje, Mazedoniens Meister, den Norwegern von Drammen HK und dem FC Barcelona zu tun. Als Ausbeute standen am Ende 12:0 Punkte, die halbe "Miete " für ein erfolgreiches Abschneiden in der zweiten Gruppenphase, weil die Zähler aus den direkten Duellen gegen den Zweiten, Barcelona, mitgenommen wurden. Die Siege gegen Barcelona zählten dabei zu den ersten Saison-Höhepunkten, einer sportlich überragenden THW-Spielzeit.
Fantastisch der 31:27-Triumph am 19. Oktober 2008 in der "Hölle" Palau Blaugrana, in der die Kieler so manche Demütigung hatten ertragen müssen. Besiegt wurde dieser "Fluch" dank überragender Leistungen von Torhüter Thierry Omeyer, der Lozano, Nagy und Co mit 20 Paraden entnervte, im Angriff trafen Nikola Karabatic (7), Marcus Ahlm (6) und Vid Kavticnik (6) am besten . Wermutstropfen war allerdings die schwere Verletzung von Börge Lund, dem ohne gegnerische Einwirkung die Achillessehne riss. Folge: Der Norweger fiel über ein halbes Jahr aus. Drammen und Skopje hatten mit dem Ausgang beim Rennen um den Gruppensieg nichts zu tun. Das Gruppenfinale zwischen Kiel und "Barca" stieg am 23. November in der Sparkassen-Arena. "Oh, wie ist das schön", sangen die THW-Fans bereits lange vor dem Abpfiff, die "Zebras" verwöhnten ihren Anhang ein weiteres Mal mit einer Handball-Gala. Am Ende stand es 33:26. "Was sollen wir machen," stöhnte Demetrio Lozano, Ex-Kieler in den Reihen von Barcelona. "Was der THW gespielt hat, war schön, schnell und sehenswert."
Vor allem aber erfolgreich. Die "Zebras" zogen verlustpunktrrei zusammen mit Barcelona (0:4) in die Hauptrunde ein. Dort warteten Ciudad Real (4:0) und der dänische Spitzenclub GOG Gudme Svendborg (0:4). Die beiden Siege gegen Gudme standen auf dem Fahrplan, der 33:26-Triumph im Hinspiel gegen Ciudad in dieser Deutlichkeit nicht. Trainer Talant Duschebajew war der Schrecken über diese ungewohnte Abfuhr so sehr in die Knochen gefahren, dass er seiner Mannschaft nach dem Abpfiff eine halbstündige Gardinenpredigt verabreichte. "Da haben die Wände gewackelt", berichteten THW-Angehörige vom Geschehen im Innenleben der Arena.
Siarhei Rutenka, Star im Team der Spanier, ertrug die sportliche Demütigung nicht, Kim Andersson bekam die Faust des gebürtigen Weißrussen auf der Nase zu spüren, Rutenka die rote Karte unter die Nase gehalten. Das Rückspiel in Spanien geriet zu einem stressfreien "Betriebsausflug". In der Schlussphase gaben die Kieler bei der 33:35-Niederlage zwar noch den möglichen Sieg aus der Hand, der Gruppensieg aber blieb ungefährdet. Balic, Vori, Lazarov, Namen von Weltstars, die Respekt einflößen. Sie tragen das Trikot von THW-Viertelfinalgegner RK Zagreb, schafften es aber nicht, den famosen THW 2009 aus der Fassung zu bringen. Aus der kroatischen Metropole brachten die Spieler von Trainer Alfred Gislason ein 28:28 mit an die Förde. "Immerhin haben wir nicht 40 Tore kassiert, wie viele andere Mannschaften ", tröstete sich RK-Linksaußen Ljubo Vukic. Torhüter Gorazd Skof machte sich vor dem Rückspiel in Kiel Mut: "Unsere Chancen stehen Fifty-fifty". 17:11 stand es zur Halbzeit, die Kroaten machten es dem THW dennoch über weite Strecken schwer, mussten aber mit 27:31 die Segel streichen. Aus die Maus, hieß es für Ivano Balic und Co, der THW stand im Halbfinale gegen die Rhein-Neckar Löwen.
Ein brisantes Duell, zumal seit dem Beginn der Manipulationsaffäre immer wieder Störfeuer aus dem Badischen Richtung Kiel gefeuert worden waren. Am Zielrohr saß zumeist Jesper Nielsen, dänischer Sponsor und Gesellschafter der Mannheimer mit Hang zur öffentlichen Selbstdarstellung. Entsprechend geladen waren die "Zebras" vor dem Hinspiel. "Ich muss nur die Namen Jesper Nielsen und den von Manager Thorsten Storm nennen, das reicht, um meine Mannschaft heiß zu machen", sagte Alfred Gislason. Tatsächlich eine wirkungsvolle Motivationsspritze. Beim 37:23-Triumph fegten die Kieler wie ein Orkan über die Löwen hinweg, die Kieler Arena wackelte in ihren Grundfesten, das Tor zum Finale stand sperrangelweit auf. "Der THW hat nun mal die beste Mannschaft Europas", spielte Storm die Brisanz herunter. Kreisläufer Christian Schwarzer, auf Jesper Nielsen angesprochen, echauffierte sich. "Wir wollten hier Sport machen, sonst nix, um den andren Scheiß sollen sich andere Leute kümmern!" Die 30:31-Niederlage im Mannheimer Rückspiel tat den "Zebras" nicht mehr weh, auffällig war nur die Schiedsrichteransetzung -und zwar im Nachhinein betrachtet. Slobodan Visekruna und dessen serbischer Landsmann Zoran Stanojevic pfiffen die Begegnung.
Aus unerfindlichen Gründen hatte die Europäische Handball-Föderation (EHF) das Duo auch für das Final-Rückspiel in Ciudad Real angesetzt. Eine ausgesprochen ungewöhnliche Aktion, dass Halbfinal-Schieris auch das Endspiel pfeifen. Mitgereiste THW-Fans vermuteten nach dem 39:34-Hinspielsieg, der in den letzten sieben Minuten herausgeworfen worden war, einen Komplott. Die EHF wolle nicht, dass der THW nach der Manipulationsaffäre den Titel gewinne, raunten viele Anhänger. Bundesliga-Chef Reiner Witte, Spielbeobachter in Spanien, ging nicht so weit, nannte den Vorgang aber unmiss verständlich "unmöglich". Das Spiel in der Quijote-Arena wurde für die THW-Stars zum Albtraum. Das Publikum beschimpfte die Gäste, bewarf Torhüter Omeyer ununterbrochen mit Papierschnipseln, Duschebajew provozierte und tobte, die Schiedsrichter ließen ihn gewähren. Dennoch führte ein überragender Thierry Omeyer seine "Zebras" mit unfassbaren Reaktionen zum 20:16. Die 40. Minute lief, nichts deutete mehr auf eine Wende hin. Dann unterliefen den "Zebras" Fehler am Fließband, einige komische Schiedsrichterpfiffe kamen hinzu, die Halle stand Kopf, die Kieler erlitten einen kollektiven Blackout, der "Pott" wanderte innerhalb von Minuten aus Kieler in spanische Hände. Schon vor der Sirene flössen Tränen, die Fans aber feierten den dritten CL-Triumph von BM Ciudad.
Anfangs sah es ja auch wirklich gut aus. Schnell gingen die Zebras in Führung und ein ums andere Mal hielt Thierry Omeyer in der ersten Halbzeit wichtige Bälle, die die Forstbaumschule zum Kochen brachten. Doch nicht nur dort versammelten sich hunderte Kieler. Im Holsteiner und im Trafo fieberten und litten sie mit den Spielern und den 300 mitgereisten deutschen Fans in der Quijote-Arena mit; im Saal 9 des Cinemaxx Kiel sah es nicht anders aus. Nach dem Hinspiel wurde ebenfalls das Rückspiel auf der Großbildleinwand übertragen und lockte viele trotz sommerlicher Temperaturen ins Kino. In der KVG-Kantine hatten die beiden Fanklubs, "ZebraSprotten" und "Schwarz-Weiß", ein gemeinsames Public Viewing organisiert. Unterm Strich bleibt ein verlorenes Finale gegen Ciudad Real und tausende am Ende enttäuschte Fans - doch ein kollektives "Zebra"-Gefühl, das die Trauer und Enttäuschung zumindest ansatzweise linderte.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 12.06.2009)
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