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Filip Jicha glänzte als elffacher Torschütze.
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Susanne Schauer |
Dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung mit einem überragenden elffachen
Torschützen
Filip Jicha hat der THW Kiel am Dienstagabend
erstmals seit drei Jahren wieder beim TBV Lemgo gewonnen. Vor 6.400 Zuschauern
im nur etwas mehr als halbvollen Gerry-Weber-Stadion im westfälischen Halle siegten die
"Zebras" souverän mit 33:26 (18:12) und verteidigten mit dem 23. Saisonerfolg
den zweiten Platz in der TOYOTA Handball-Bundesliga. Bei den über weite Strecken
enttäuschenden Gastgebern war Kreisläufer Christoph Theuerkauf mit 7/3 Treffern
bester Schütze.
Christian Zeitz trat die Reise nach Ostwestfalen
aufgrund einer Hüftprellung, die sich der Linkshänder am Samstag beim
Sieg in Wetzlar zugezogen hatte, erst gar nicht mit an.
Alfred Gislason vertraute im rechten Rückraum
daher von Anfang an dem Rekonvaleszenten
Kim Andersson.
Gegen den TBV Lemgo startete er zudem mit
Filip Jicha
und
Momir Ilic im Rückraum. Doch die "Zebras" begannen
nervös. Gleich im ersten Angriff unterlief dem THW ein technischer Fehler, der
erste Torwurf
Jichas wurde von Geburtstagskind und
Landsmann Martin Galia entschärft. Der TBV Lemgo, der zuletzt im EHF-Pokal mit
zwei Siegen über den spanischen Spitzenclub Ademar Leon aufhorchen ließ, ging
somit durch einen Gegenstoß Kehrmanns und einen Siebenmeter Theuerkaufs mit
2:0 in Führung. Auch wenn
Andersson und
Ilic
mit Rückraumkrachern ausgleichen konnten, gehörte die Anfangsphase eindeutig
den Gastgebern, die die Unkonzentriertheiten des THW im Aufbauspiel allerdings
nur unzureichend bestraften. So scheiterte Linksaußen Manuel Liniger nach
einem Fehlpass
Jichas völlig frei an
Thierry Omeyer.
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Einen konzentrierten Abschluss zeigte Dominik Klein,
der Linksaußen erzielte fünf Treffer.
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Susanne Schauer |
Der deutsche Rekordmeister fand nach sechs Minuten - zu diesem Zeitpunkt
musste der bis dahin zweifache Lemgoer Torschütze Florian Kehrmann bereits angeschlagen
auf der Bank Platz nehmen - aber so langsam zu seiner Sicherheit im Angriffsspiel.
Jicha aus neun Metern und
Ilic
nach klugem Anspiel von
Andersson brachten den THW
beim 4:3 (8.) erstmals in Führung. Nachdem der gute Theuerkauf, der im Angriff
den Vorzug gegenüber
Sebastian Preiß erhielt, nach
gutem Pass Ilyes' egalisierte, konterte der heute sehr konzentrierte
Dominik Klein mit einem Doppelschlag zum 6:4 für die
"Zebras". Ferenc Ilyes hielt seine Farben mit zwei Rückraumkrachern bis zum
zwischenzeitlichen 6:7 noch im Spiel, doch der THW beantwortete jeden Gegentreffer
postwendend per schneller Mitte, so beispielsweise
Andersson zum 7:5 oder
Ilic zum 9:7.
Mit der gesunkenen Fehlerquote des THW im Angriffsspiel schrumpften auch
die Chancen des TBV auf einfache Tore. Nachdem die "Zebras" auch Ilyes
in den Griff bekamen, gab es für die Lipperländer im Positionsspiel kaum
noch ein Durchkommen gegen das flinke Kieler 6:0-Bollwerk. Klein
per Gegenstoß nach weitem Omeyer-Pass und
Ahlm per zweiter Welle nach einem weiteren
klasse Anspiel von Kim Andersson bedeuteten
das 11:7 (15.) für den THW. Volker Mudrow nahm nun seine Auszeit und brachte
nach Glandorf nun mit Schneider und Datukashvili einen komplett neuen
Rückraum sowie Carsten Lichtlein für den glücklosen Galia. Dies schien
aber nicht zu fruchten, denn nach einem technischen Fehler Schneiders
und einer Parade Omeyers enteilten die Kieler
durch zwei Jicha-Treffer gar auf 13:8 (16.).
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Christoph Theuerkauf überzeugte beim TBV Lemgo am Kreis und blieb
ohne Fehlwurf.
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Susanne Schauer |
Allerdings verhedderten sich die "Zebras" nun für kurze Zeit in ihrem
eigenen Tempospiel. Die drei Kieler Rückraumshooter schossen nacheinander
mit ungeplanten Würfen Lichtlein warm und
Preiß
und Glandorf verkürzten auf 10:13. Indes: Es war nur ein kurzes Strohfeuer
des TBV Lemgo, der hinten wie vorne recht harmlos agierte. Als
Thierry Omeyer einen "Freien" von
Preiß
parierte und
Filip Jicha zentimetergenau
auf den gestarteten
Klein passte, beendete
der Linksaußen mit einem sehenswerten Dreher die Kieler Torflaute.
Alfred Gislason brachte
Palmarsson
und
Narcisse in die Partie, und nachdem der
Franzose mit einem Sprungwurf und
Christian Sprenger
per Gegenstoß auf 16:10 (24.) für die Kieler erhöhten, drohte den
Gastgebern gar ein Debakel. Der THW schwächte sich nun allerdings selbst,
Dominik Klein und
Christian Sprenger
wurden binnen 15 Sekunden zur Strafe auf die Bank geschickt. Die freien
Räume wusste der TBV Lemgo endlich zu nutzen, Glandorf und Liniger verkürzten
auf 12:16. Doch mit einem Geniestreich in doppelter Unterzahl beendete
Daniel Narcisse die kleine Aufholjagd der Lipperländer
jäh. Und nachdem der schwache Datukashvili mit seinem letzten Wurf an
Omeyer scheiterte, schraubte
Filip Jicha
das Ergebnis mit der Pausensirene sogar auf 18:12 für die Kieler.
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Lemgos Mittelblock nimmt Marcus Ahlm in die Mangel.
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Susanne Schauer |
Der TBV hatte sich für die zweite Halbzeit viel vorgenommen, Mudrow
startete im Rückraum wieder mit der ersten Garde um Spielmacher Strobel,
Ilyes und Hermann, auch Rechtsaußen Florian Kehrmann kehrte dick bandagiert
zurück. Doch was immer die Gastgeber auch versuchten - der THW Kiel hatte
auf der Gegenseite immer eine passende Antwort parat. Mit mehr Spielwitz
schafften es die Blauen zwar nun häufiger, die Kieler Deckung zu knacken -
so wie der glänzend von Ilyes eingesetzte Bechtloff zum 13:18, Kehrmann
vom Kreis zum 14:19 oder der schnelle Spielzug zum 15:20, der von
Liniger abgeschlossen wurde. Der THW Kiel aber blieb konzentriert im
Angriff und hatte in
Filip Jicha einen
gnadenlosen Vollstrecker, der von der passiven Lemgoer Abwehr viel zu
selten angegangen wurde. Und die "Zebras" hatten auch das Glück der
Tüchtigen: Nachdem
Dominik Klein mit einem Heber,
seinem einzigen Fehlwurf, an Lichtlein scheiterte, Theuerkauf auf 16:21
verkürzte und Lichtlein noch einmal parierte, hechtete
Marcus Ahlm
in den Kreis und boxte den Ball doch noch über die Linie zum 22:16 (37.).
Die nächste Möglichkeit für den TBV, noch einmal heranzukommen, ergab
sich nach 41 Minuten, als
Momir Ilic eine
Zeitstrafe abbrummen musste. Doch wieder war es
Daniel Narcisse,
der bei angezeigtem Zeitspiel in Unterzahl den Ball zum 24:18 ins
Tor wuchtete. Als "Air France" wenig später auch zum 26:20 (46.) traf,
glaubte längst kaum noch jemand in der recht stimmungslosen Halle an eine Wende.
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Aufsteigende Tendenz: Daniel Narcisse
setzte vor allem in Unterzahl wichtige Treffer für den THW.
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Susanne Schauer |
Alfred Gislason verzichtete dennoch auf
große Wechselspiele. Nur
Kim Andersson durfte
ein paar Minuten verschnaufen, wurde durch
Jerome Fernandez
aber glänzend vertreten. Ein Kuriosum gab es noch in der 50. Spielminute
zu bestaunen:
Filip Jicha stand zum Siebenmeter
bereit, doch bevor der Tscheche warf, wurde er von den Schiedsrichtern
Pritschow/Pritschow zurückgepfiffen.
Jicha, der die Entscheidung nicht nachvollziehen
konnte und dafür eine Zeitstrafe kassierte, revanchierte sich auf seine
Weise: Mit seinen Treffern neun, zehn und elf erhöhte er in der Schlussphase
einer insgesamt recht un- und entspannenden zweiten Halbzeit auf 33:25,
ehe Sebastian Schneider den Schlusspunkt setzte.
Der THW Kiel ist also endgültig zurück in der Erfolgsspur. Nach sechs
Partien in 18 Tagen haben die "Zebras" nun erst einmal acht Tage spielfrei -
sofern sie nicht in ihren Nationalmannschaften gebraucht werden wie
Dominik Klein, auf den in den kommenden Tagen
ein Lehrgang von Heiner Brand und zwei Testspiele gegen Norwegen warten.
Am nächsten Mittwoch, den 20. April empfangen die Kieler dann im absoluten
Spitzenspiel Tabellenführer HSV Hamburg in der Sparkassen-Arena-Kiel und
wollen der Mannschaft von Martin Schwalb die erste Bundesliga-Niederlage
nach 27 Spielen beibringen.
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie bitte auch
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THW-Linksaußen Dominik Klein gegenüber Sport1:
Man hat gesehen, dass wir unsere schwierige Phase überstanden haben,
haben heute in der Abwehr Zement angerührt. Den Sieg heute haben wir
auch Kubes zu verdanken, der bei seinem
Ex-Verein eine starke Partie gezeigt hat. Wir haben derzeit alle drei
Tage ein Spiel, in dem wir uns verbessern können - und wir haben heute
eindrucksvoll bewiesen, dass wir wieder da sind.
[Zum bevorstehenden Spiel gegen Hamburg:]
Wir wollen unseren Zuschauern etwas bieten und zeigen, dass wir eine
schwierige Phase hatten, aber wieder auf unserem Weg sind - und dann
schauen wir einmal, was rauskommt.
[Sind noch Titel möglich?]
Unsere Zielsetzung hat sich nicht geändert, wir denken von Spiel zu
Spiel, wollen jedes Spiel gewinnen - und dann hoffen wir, dass es am
Ende der Saison in Kiel etwas zu feiern gibt.
THW-Rückraumspieler Filip Jicha gegenüber Sport1:
Ich bin froh, dass wir hier heute überhaupt gewonnen haben, die letzten
zwei Jahre war das nicht der Fall und das ist uns noch in Erinnerung. Die
letzten Spiele liefen nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten, umso
mehr freuen wir uns über diesen Sieg und eine ordentliche Leistung.
[Gerade in der Abwehr lief es heute besser...]
Wir haben im Training viel gesprochen. Als wir die Spiele verloren haben,
haben wir viele individuelle Fehler gemacht. Heute war das anders, wir
standen wieder kompakter, defensiver. Und Thierry Omeyer
hat uns mit seinen Paraden im Tor sehr geholfen. Das ist unser Spiel, dass
wir uns auf Abwehr und Torhüter verlassen können und dann Druck aufbauen.
Aber wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns. Die Saison geht jetzt in die
entscheidende Phase, wir wollen noch ein Wörtchen mitreden. Klar wissen wir,
wie es in der Bundesliga steht, aber wir haben noch viele Ziele und wollen
die Saison glücklich abschließen.
TBV Lemgo:-
Lichtlein (15.-60., 11 Paraden),
Galia (1.-15., 1 Parade);
Ilyes (2),
Smoler,
Preiß (1),
Bechtloff (1),
Datukashvili,
Glandorf (4),
Theuerkauf (7/3),
Kehrmann (3),
Strobel (1),
Hermann (1),
Liniger (3),
Schneider (3);
Trainer: Mudrow
THW Kiel:-
Omeyer (1.-60., 11 Paraden),
Palicka (n.e.);
Andersson (3),
Lundström (n.e.),
Sprenger (2),
Ahlm (3),
Kubes,
Palmarsson,
Narcisse (4),
Ilic (3),
Klein (5),
Jicha (11/1),
Fernandez (2);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Andreas Pritschow / Marcus Pritschow
- Zeitstrafen:
-
TBV: 2 (Preiß (11.), Bechtloff (33.));
THW: 4 (Klein (25.), Sprenger (25.),
Ilic (41.), Jicha (50.))
- Siebenmeter:
-
TBV: 3/3;
THW: 2/1 (Jicha abgepfiffen (50.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 2:0, 2:2 (4.), 3:2, 3:4, 4:4, 4:6 (9.), 5:6, 5:7,
6:7, 6:8, 7:8 (13.), 7:11, 8:11, 8:13 (16.), 10:13,
10:16 (24.), 12:16, 12:18;
2. Hz.: 13:18, 13:19, 14:19, 14:20, 15:20, 15:21 (35.), 16:21, 16:22,
17:22, 17:23, 18:23 (41.), 18:24, 19:24, 19:25, 20:25, 20:26 (46.), 21:26,
21:28, 22:28 (51.), 22:29, 24:29, 24:30, 25:30 (55.), 25:33, 26:33.
- Zuschauer:
-
6.400 (Gerry-Weber-Stadion, Halle/Westfalen)
- Spielgrafik:
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Aus den Kieler Nachrichten vom 13.04.2011:
Die Sicherheit ist zurück
Beim 33:26-Sieg gegen Lemgo fand der THW wieder zu gewohnter Stärke - Elf Jicha-Tore
Lemgo. Handballmeister THW Kiel hat seinen Rhythmus wieder gefunden.
Nach den beiden Heimniederlagen gegen Großwallstadt
und die RN Löwen und drei Tage nach dem souveränen
32:24-Erfolg bei der HSG Wetzlar gewannen die
"Zebras" gestern Abend mit 33:26 (18:12) Toren bei TBV Lemgo.
Es war ein überzeugender Sieg, mit dem die "Zebras" ihre Negativserie
bei den Ostwestfalen auslöschten und Platz zwei in der Tabelle der
Handball-Bundesliga festigten. Trainer Alfred Gislason
fiel nach der Partie ein dicker Stein vom Herzen. Das sei unheimlich
wichtig gewesen, betonte Kiels Übungsleiter, strich sich über sein Kinn
und bekannte: "Wir hatten ein bisschen mehr als eine Mini-Krise, deswegen
war dieser Erfolg für meine Mannschaft so extrem wichtig." In Wetzlar,
so Gislason weiter, habe sein Team schon sehr
gut gespielt, "heute war das noch besser, wir sind zurück in der Spur".
Dreimal ist der TBV Lemgo in der laufenden Bundesligasaison von der
eigenen Lipperlandhalle ins 80 Kilometer entfernte, 11000 Zuschauer
fassende Gerry-Weber-Stadion nach Halle/Westf. umgezogen. Gegen den
HSV (27:29) und Göppingen (27:30) kamen zum eigenen "Auswärtsspiel"
neben dürftigen Zuschauerkulissen Niederlagen hinzu. Zum Abschluss der
TBV-Halle-Trilogie sollte die Statistik gegen Kiel geschönt werden,
schließlich hatte der deutsche Meister in den vergangenen beiden Jahren
zweimal als Verlierer aus Westfalen abziehen müssen.
Doch schon an den Kassen gab es lange Gesichter, nur 6200 Zuschauer
wollten den deutschen Meister sehen. Die gewöhnlich gut gefüllten
Ränge der riesigen Arena, in der sonst die weltbesten Tennisspieler
aufschlagen, wiesen unübersehbare Lücken auf.
Die Kieler waren am Morgen ohne Christian Zeitz
angereist. Der Linkshänder hatte als Andenken aus dem Wetzlar-Spiel eine
schwere Hüftprellung mitgenommen. Vorsichtshalber entschied die
medizinische Abteilung, den 30-Jährigen zu schonen. Eine längere Pause
sei nicht zu befürchten, hieß es. Trainer Alfred Gislason
hatte trotzdem die Qual der Wahl, weil auch Jerome Fernandez
im Mannschaftsbus saß. Der Franzose bleibt bis zum Saisonende beim THW, der
geplante vorzeitige Wechsel zu HB Toulouse ist geplatzt. Einen glücklichen
Eindruck machte Fernandez gestern Abend nicht,
aber er stellte sich in den Dienst der Mannschaft, half am Ende mit zwei
wuchtigen Toren, den Sieg in trockene Tücher zu bringen.
Nur in der Anfangsphase deutete Lemgo an, den THW auf seinem Weg zurück
zur alten Form bremsen zu können. Es war ein kurzes Aufbäumen. Nach zehn
Minuten waren die Kieler Herren in fremder Halle, legten den Grundstein
zum Sieg schon in der ersten Halbzeit mit einer aggressiven 6:0-Abwehr,
brachten die in der Abwehr gewonnenen Bälle schnell nach vorn und
konzentriert im TBV-Tor unter. Auffällig agierten im THW-Team vor allem
die ehemaligen Lemgoer Filip Jicha und
Daniel Kubes. Jicha
trug sich elfmal in die Torschützenliste ein, sein tschechischer Landsmann
avancierte zum Herrscher in der THW-Abwehr.
Stark war auch die Kieler Flügelzange. Dominik Klein
(5) und Christian Sprenger (2) spielten hoch
konzentriert, glänzten mit Übersicht und 100-prozentiger Torquote. "Wir
haben in der Abwehr dank Daniel Kubes Zement
angerührt und so ins Spiel gefunden. Ich denke, wir haben unsere schwierige
Phase jetzt überstanden", meinte Dominik Klein.
"Einen hoch verdienten Kieler Sieg" hatte so auch TBV-Trainer Volker Mudrow
gesehen. "Wir konnten keinen Druck aufbauen, schon nach sechs, sieben Minuten
war mir klar, dieser THW ist fast wieder der alte."
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 13.04.2011)