Eine konzentrierte Leistung und einen guten Start in die Partie hatte THW-Trainer
Alfred Gislason vor dem Rückspiel gegen Partizan Belgrad gefordert.
Seine Spieler hatten offenbar gut zugehört, starteten mit 3:0 in die Partie und
fuhren aufmerksam einen mehr als deutlichen und nie gefährdeten
35:24 (19:10)-Sieg in der serbischen Hauptstadt ein.
Thierry Omeyer
ebnete mit 13 seiner insgesamt 17 Paraden in der ersten Hälfte den Weg,
den Rest erledigte der Rückraum unter anderem mit einem überragenden
Filip Jicha,
der für seine 11/3 Tore nur 32 Minuten Einsatzzeit benötigte,
und einem starken
Momir Ilic (6 Tore).
Aber auch die Außen
gefielen in Belgrad mit insgesamt elf Toren, fünf davon markierte
Tobias Reichmann.
Durch den dritten Sieg im fünften Spiel arbeitete sich der THW in der
Champions-League-Gruppe D von Platz vier erstmals auf den
Platz an der Sonne vor - allerdings kann Kopenhagen (gegen Leon) mit einem
Sieg wieder an den Zebras vorbei ziehen.
Kühlschrank statt Hexenkessel
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Vor dem Anpfiff in der nur mit 2700 Zuschauern gefüllten Pionir-Halle in Belgrad.
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Die "Pionir"-Arena kann ein Hexenkessel sein - beim Basketball. Am Mittwochabend hatte die
für die
Europameisterschaft sanierte 8000-Zuschauer-Halle
eher Kühlschrankcharakter:
Nur rund 2700 Handball-Fans verirrten sich auf den steil aufsteigenden Tribünen. Und die
hatten von Beginn an auch wenig Grund, auf Betriebstemperatur zu kommen. Denn
Gislason
hatte in Belgrad den Experimentier-Kasten nicht dabei: Er setzte auf die Mannschaft, die beim
36:28-Erfolg im Hinspiel die Kieler auf die Siegesspur gebracht hatte. Einzige
Ausnahme:
Dominik Klein kam für den im
Hinspiel
überragenden achtfachen Torschützen
Henrik Lundström in die Startformation.
In dieser stand auch wieder
Milutin Dragicevic, der sich zu Beginn mit
Daniel Kubes die Angriff-Abwehr-Arbeit teilte.
Omeyer und Jicha trumpfen auf
Das Spiel begann für die Serben mit einem hoffnungsvollen Zeichen: Dejan Vasic
parierte nach 40 Sekunden einen Siebenmeter von
Momir Ilic. Doch schnell
war klar, dass sich der THW an diesem Abend nicht überraschen lassen wollte.
Omeyer machte
da weiter, wo er drei Tage zuvor in der zweiten Halbzeit aufgehört hatte. Den ersten Wurf von
Dimitrijevic fing der französische Torhüter ab und schickte
Dominik Klein
auf die Reise zum 1:0 (2.), nach seiner dritten Parade fackelte
Jicha
nicht lange und traf zum 2:0, nach der vierten
Omeyer-Glanztat
erzielte der tschechische Rückraumspieler das 3:0 (5.). Satte fünfeinhalb Minuten
benötigten die Belgrader, bis Dimitrijevic den ersten Treffer erzielen konnte. Und der THW machte
weiter Druck -
Daniel Narcisse aus dem rechten Rückraum und
erneut
Jicha machten das 5:1 (7.). Wären in dieser Phase nicht einige Milic-Paraden, technische Fehler und Fehlwürfe
der Kieler gewesen, die Partie hätte frühzeitig entschieden sein können.
Omeyer
glänzte mit einer Doppelparade gegen Milosevic und Kostadinovic, aber auch Milic konnte
sich bei einem Gegenstoß gegen
Klein glänzend in Szene setzen. Innerhalb
von 30 Sekunden fanden die Gastgeber so zwei Mal die Lücke im engen Kieler Deckungs-Verband. Beim
3:5 keimte Hoffnung auf.
Ilic knüpft nahtlos an Jichas Leistung an
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Fünf Tore zwischen der 18. und 30. Minute: Momir Ilic.
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Doch fünf Minuten später war diese bereits wieder auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Drei weitere
Tore von
Jicha - Nummer fünf, sechs und sieben - und ein feiner Treffer
von
Sprenger bedeuteten das 10:5 (15.).
Gislason
wechselte nun beinahe im Block den kompletten Rückraum aus:
Ilic,
Christian Zeitz und
Palmarsson kamen
nacheinander auf die Platte. Die Eingewöhnungszeit nutzten die Gastgeber zum 8:11-Anschluss (18.),
Ilic hielt mit drei Toren im Wechsel mit serbischen Treffern den
Drei-Tore-Vorsprung. In Unterzahl,
Kubes musste auf die Bank,
parierte
Omeyer gleich zwei Mal nacheindner einen Milinic-Wurf,
dann vergab Maksic noch einen Siebenmeter. Die Chance, dem THW wieder auf zwei Tore auf die
Pelle zu rücken, war vertan. Das Tor von Mandic zum 10:13 (22.) sollte das letzte Aufflackern
von Tor-Gier der Gastgeber für die nächsten acht Minuten vor und die ersten drei Minuten nach der Pause
gewesen sein.
Neun Tore Vorsprung zur Pause
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Spielszene.
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Omeyer schloss seinen Kasten ab, die THW-Abwehr störte den
Partizan-Angriff, und die Zebras zogen wieder davon - mühelos, wie es schien.
Sprenger verwandelte einen Gegenstoß,
Ilic
machte sein vierte Tor,
Reichmann vollendete gekonnt,
ein Hammer von
Ilic landete im Kasten, und schlussendlich setzte
sich
Omeyer mit einem unglaublichen Pass auf
Reichmann
noch die Vorbereiter-Krone auf: Das 19:10 zur Pause war mehr als eine Vorentscheidung. Hatten die
Gastgeber vor der Partie auf eine Wiederholung der ersten Halbzeit im
Hinspiel
gehofft, sie hatten sich getäuscht. Der THW machte ernst, ging über weite Strecken konzentriert zur
Sache und ließ an seinem Willen, zwei Punkte aus der serbischen Hauptstadt mitnehmen zu wollen,
überhaupt keinen Zweifel aufkommen.
Fünfminütige Torflaute
Nach der Rückkehr auf das Parkett ließ
Gislason wieder seine
Startformation auflaufen. Diese dankte es ihm mit weiteren
Omeyer-Paraden,
und einem gewaltigen
Jicha-Hüftwurf zum 10:20. Dann schickte
Andersson
ein Geschoss zum 21:11 in die Maschen, dem der Schwede kurze Zeit später einen
fantastischen Pass auf
Reichmann folgen ließ. Weil
Jicha
dann aber einen Gegenstoß am Tor vorbei drehte und kurz darauf erneut mit einem Konter an Milic
scheiterte, wurde es nicht noch deutlicher. Erst, nachdem
Andersson
an den Kreis auflöste und
Klein bediente, der mit einem Heber
zum 23:12 vollstreckte (36.), schlich sich ein wenig der Schlendrian in die THW-Abwehr ein.
Partizan bedankte sich mit einem Doppelschlag von Mester und zwei Dimitrijevic-Fackeln zum 16:23, ehe
Reichmann die fünfminütige Kieler Torflaute beendete. Der junge
Rechtsaußen des THW hätte kurz darauf seine gute Leistung krönen können, doch Vasic
parierte dessen Wurf nach Kempa-Anspiel. Dafür markierte
Jicha
mit einem Gegenstoß ohne Gegenwehr das 27:17 und verabschiedete sich Richtung Bank: Es war wieder
Zeit für den Blockwechsel im Kieler Rückraum.
Ab der 46. Minute mit gebremstem Elan
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Christian Zeitz schickte einen gewaltigen Hüftwurf zum 32:22 in die Maschen.
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Fortan kehrte der Haupttorschütze nur noch für Strafwürfe auf das Parkett zurück - alle drei
verwandelte der Tscheche sicher. Spätestens mit
Kim Andersson
29:18 (46.) schraubten die Zebras dann ihren Einsatz ein wenig zurück. Nur sechs Tore
erzielten sie in den letzten 14 Minuten, ebenso viele wie die Gastgeber. Das lag auch am
immer stärker werdenden Oldie im Partizan-Tor, Dejan Vasic, der acht Paraden in der
zweiten Halbzeit zeigte. Aber in Gefahr geriet der THW natürlich auch dadurch nicht mehr.
Mit einem Doppelpass von
Lundström und
Ilic, den
der Kieler Linksaußen zum 35:24 (58.) vollstreckte, war der Torhunger beider Mannschaften endgültig
gestillt. Der THW feierte einen überlegenen, zu keiner Zeit gefährdeten Sieg im Land der
kommenden
Europameisterschaft, zwei wichtige Punkte im Kampf um
Tabellenplatz eins und gleichmäßig verteilte Spielanteile
für nahezu alle Akteure.
Bundesliga-Hammer in Magdeburg und Revanche in Montpellier
Weiter geht es für den THW mit einer harten Bundesliga-Aufgabe: Am kommenden Dienstag empfängt
der SC Magdeburg die Zebras. Anpfiff in der GETEC-Arena ist um 20 Uhr, Sport1 überträgt das Spiel
live. In der Champions League ist die nächste Herausforderung eine Spitzen-Partie: Am Sonntag, dem
4. Dezember, kommt es in Montpellier zum Treffen zweier Favoriten auf den Gruppensieg - und zur
Revanche für die
23:24-Hinspiel-Niederlage in der Sparkassen-Arena.
(Christian Robohm)
Lesen Sie bitte auch
- Partizan Belgrad (SRB ):
-
Vasic (36.-60. und 2 Siebenmeter, 10 Paraden),
Milic (1.-36., 7 Paraden);
Milosevic (3),
V. Ilic (2/1),
Minic,
Mandic (3),
Radanovic,
Dimitrijevic (4),
Maksic (3),
Radivojevic (1/1)
Babic,
Milinic (2),
Kostadinovic (2),
Mester (2),
Marsenic,
Potic (2/1);
Trainer: Brkovic
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-51., 17 Paraden),
Palicka (51.-60., 3 Paraden);
Andersson (3),
Lundström (1),
Dragicevic (1),
Sprenger (2),
Kubes,
Reichmann (5),
Zeitz (1),
Palmarsson (1),
Narcisse (1),
Ilic (6),
Klein (3),
Jicha (11/3);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Marek Baranowski / Bogdan Lemanowicz (Polen)
- Zeitstrafen:
-
Belgrad: 2 (2x Mandic (24., 30.));
THW: 2 (Kubes (22.), Lundström (60.))
- Siebenmeter:
-
Belgrad: 4/3 (Maksic gegen Omeyer an den Pfosten (24.));
THW: 4/3 (Vasic hält Ilic (1.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:3 (5.), 1:4, (7.), 3:5 (9.), 3:7, (12.), 4:8 (13.), 5:9, 6:10 (15.), 8:11 (18.),
9:12 (19.), 10:13 (22.), 10:15 (25.), 10:19;
2. Hz.: 10:20, 11:22 (34.), 12:23 (35.), 16:23 (40.), 17:24, 17:29 (46.), 20:29 (48.), 22:31, 23:33 (57.), 24:24, 24:35 (58.).
- Zuschauer:
-
2700 (Pionir-Arena, Belgrad)
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Die deutschen Teams im
EHF-Pokal und
Pokalsieger-Cup haben noch spielfrei und
werden erst ab 26. November eingreifen.
Am Sonntag stehen die Füchse Berlin
in der Gruppe B unter Zugzwang: Die
Hauptstädter wollen sich um 17 Uhr bei der ungarische Top-Mannschaft
MKB Veszprem KC für die 24:29-Niederlage in Berlin revanchieren. Eurosport überträgt dieses Spiel live.
Bereits um 15.30 Uhr empfängt der HSV Hamburg am Sonntag den polnischen Meister
Orlen Wisla Plock zum Spiel der Gruppe C. Auch diese
Partie wird live bei Eurosport gezeigt.
Aus den Kieler Nachrichten vom 24.11.2011:
Ilic wird zum Stadtführer
THW-Trainer Gislason belohnt seine Spieler für das 35:24 mit einem Belgrad-Abend
Belgrad. Der THW Kiel hat in der Champions
League wieder alle Handball-Trümpfe in der Hand, um die Vorrunde
doch noch als ein Gruppensieger zu beenden.
Gestern Abend gewannen die sehr konzentriert
auftretenden "Zebras" bei Partizan
Belgrad mit 35:24 (19:10) und machten in der
Gruppe D einen Sprung
vom vierten auf den ersten Platz.
Wenn die Basketballer von Partizan in der "Pionir-Arena"
ihre Champions-League-Spiele bestreiten, dann bricht
die Halle auseinander. Ausverkauft bis unter das Dach,
Fans, die sich wie Sardinen auf den Gängen drängen und
bis zum Abpfiff toben. Handball, das ist in Serbien eine
andere Welt, eine kleinere, leisere. Im Stadtbild von Belgrad
gab es keinerlei Hinweise, dass der THW Kiel zu Gast
sein würde. Für den Tabellenführer der "Merkur Osiguranje
Superliga" war es das Spiel des Jahres, für alle anderen
Belgrader offenbar nur eine Fußnote. Einzig auf dem Platz
der Republik waren Handballer auf einer Videowand zu sehen.
Immer wieder liefen Szenen aus dem Hinspiel ab, allerdings
auf solche beschränkt, in denen Partizan-Spieler trafen. Im
Nieselregen verweilten aber nur wenige, um sich Kieler im
dauerhaften Rückwärtsgang anzusehen.
Auch in der Arena hatten sich nur 2500 Zuschauer auf
7000 Plätze verteilt. Die von den Eurosport-Kameras abgewandte
Tribüne war völlig verwaist. Wer gekommen war, pfiff die Kieler beim Einlaufen
kräftig aus, besonders Thierry Omeyer, das wurde
hörbar, stand nach seinem Paraden-Gewitter im Hinspiel
in der Gunst ganz unten.
Vor den Augen der serbischen Handball-Nationalmannschaft
der Frauen wurden die Gäste ihrer Favoritenrolle
von Beginn an gerecht. Im Hinspiel hatten sie die erste
Halbzeit verschlafen, das sollte sich nicht wiederholen.
Die erste Viertelstunde stand vor allem im Zeichen von
Filip Jicha, der zur 10:5-Führung
sieben Treffer beisteuerte. "Es ist nicht wichtig, wie viele Tore
ich gemacht habe", sagte der Tscheche, der am Ende elf
Mal getroffen haben sollte. "Es tat der Mannschaft gut,
nur darum geht es." Als Jicha gegen
Momir Ilic ausgewechselt
wurde, setzte dieser die Torflut aus dem linken Rückraum
fort.
Spätestens zur Halbzeit hatten die Zuschauer die
Hoffnung aufgegeben, dass ihr Team die sechste Niederlage
im sechsten Gruppenspiel verhindern kann. Ganz gegen
ihren Willen entlockte ihnen nun sogar Omeyer mit seinen
zahlreichen Paraden und millimetergenauen
Pässen Töne des Entzückens. Gleiches galt
für einen Hammer von
Christian Zeitz, der, noch geschwächt
von einem Magen-Darm-Virus, unbedingt mitwirken
wollte. "Ich hatte einige Tage im Bett gelegen, und
mir tat der Rücken weh. Ich dachte mir, dass dagegen der
Sport helfen würde." Tat er.
THW-Trainer Alfred Gislason
hatte sich für die 6:0-Deckung entschieden und damit
den Gegner vor ein großes Problem im Wortsinn gestellt.
Gegen Jicha, Daniel Kubes
und Kim Andersson, alle zwei
Meter lang, fanden die Serben kein Rezept. Einzig Vladimir
Mandic, mit monatlich 2000 Euro der Top-Verdiener des
achtmaligen Meisters, fand gelegentlich eine Lücke. Ab
und zu gelang auch ein schönes Anspiel an den Kreis, doch
dies war zu wenig, um einen souveränen THW in Verlegenheit
zu bringen. "Wir wollten von Anfang an verhindern,
dass es hitzig wird. Das haben die Jungs gut umgesetzt",
sagte Gislason und spendierte
seinen "Zebras" einen Belgrad-Abend: "Wenn Momir
ihnen die Stadt zeigen will, soll er das gerne machen." Die
Mannschaft sei diszipliniert genug, um zu wissen, dass am
Dienstag in Magdeburg ein ganz wichtiges Spiel auf dem
Kalender stehen würde.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 24.11.2011)