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Jubel in rot-blau: Die SG Flensburg-Handewitt kann
doch noch Derbys gewinnen.
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Erstmals seit dem 22. September 2007 hat der THW Kiel
wieder ein Nordderby gegen die SG Flensburg-Handewitt
verloren. In der 73. Auflage am frühen Mittwochabend
in der ausverkauften Flens-Arena waren die "Zebras" gegen
berauscht auftrumpfende Gastgeber chancenlos und kassierten
eine deutliche 29:35 (14:19)-Niederlage. Damit gehen die
Kieler mit nun 33:5 Punkten als Tabellenzweiter hinter den
Rhein-Neckar Löwen in die fünfwöchige
WM-Pause.
Erfolgreichster Torschütze beim THW war
Filip Jicha
mit 9/3 Treffern, bei Flensburg erzielten Holger Glandorf, Thomas Mogensen
und Anders Eggert zusammen 24 Tore. Zudem trumpfte Torhüter
Mattias Andersson mit 20 Paraden,
darunter vier Siebenmeter, groß auf.
THW mit allen Spielern an Bord
Es schienen die besten Voraussetzungen für den 15. Derbysieg
in Folge für den THW Kiel gegeben, denn
Alfred Gislason
konnte erstmals seit vielen Wochen wieder auf seinen kompletten
Kader zurückgreifen. Auch
Daniel Narcisse
war nach seinem im
Wetzlar-Spiel zugezogenen
Pferdekuss wieder einsatzbereit.
Gislason
hatte so die Qual der Wahl und entschied sich dazu, zunächst auf
Patrick Wiencek und
Niclas Ekberg
zu verzichten. Und der THW startete mit der Rückraumformation, die
zuletzt beim
36:19-Kantersieg gegen den VfL Gummersbach
sehr gut harmonierte:
Filip Jicha
begann auf der Mitte, neben ihm liefen
Momir Ilic
und
Christian Zeitz auf.
Doch dass Flensburg ein ganz anderes Kaliber als Gummersbach darstellen
würde, zeigte sich bereits in den ersten Spielminuten. Der erste Wurfversuch
von Zeitz wurde geblockt, der erste Wurf
Jichas von Andersson
pariert und Svan Hansen traf per Gegenstoß zum 1:0 für die SG. Dann
scheiterte Ilic sogar per Strafwurf am einstigen
Kieler Keeper und Weinhold erhöhte mit einem Schlagwurf zum 2:0. Zwar
gelang Ilic danach endlich der erste Kieler
Treffer, doch nachdem Knudsen und zweimal Mogensen gar auf 5:1 erhöhten,
stand die Flens-Arena bereits nach sechs Minuten Kopf.
Ilic hält THW zunächst im Spiel
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Momir Ilic hielt die "Zebras" mit
seinen Toren in der Anfangsphase im Spiel.
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Die "Zebras" taten sich sehr schwer mit der 6:0-Deckung der Flensburger,
die allerdings keineswegs defensiv, sondern sehr offensiv auf alle Kieler
Rückraumspieler heraus rückte und daher manchmal eher wie eine
3:3-Formation wirkte. Nur selten fand der THW ein spielerisches Mittel,
um die Abwehr der Gastgeber zu knacken. Mut machte den schwarz-weißen
Fans in der Anfangsphase aber der Auftritt von
Momir Ilic,
der mit seinen Treffern zwei und drei immerhin den 4:6-Anschluss schaffte.
SG zieht davon
Der THW hatte mittlerweile von der 3:2:1-Deckung mit dem vorgezogenen
Jicha auf eine 6:0 mit
Ilic
und
Ahlm im Mittelblock umgestellt, um dem
spielfreudigen Flensburger Rückraum um Mogensen, Regisseur
Weinhold
und Glandorf kompakter entgegen zu treten. Zudem brachte
Gislason
im Angriff
Marko Vujin für den etwas
übermotiviert gestarteten
Christian Zeitz.
Doch das Flensburger Trio, das im Angriff fast die kompletten 60 Minuten
durchspielte, zeigte sich davon unbeeindruckt:
Weinhold bediente
Knudsen, der zum 7:4 traf, und nach einer
Andersson-Parade
gegen
Ilic erhöhte Svan Hansen im Gegenstoß
wieder auf vier Treffer Vorsprung.
Alfred Gislason
nahm seine Auszeit, den SG-Express vermochte er damit und mit der
Hereinnahme von
Daniel Narcisse aber
nicht zu stoppen: Einen Ballverlust im Aufbauspiel und einen
Pfostenwurf
Vujins später waren die
Gastgeber durch zwei weitere schnelle Treffer der beiden Außen
gar auf 10:4 (14.) enteilt.
Mittlerweile war auch
Rene Toft Hansen
für
Marcus Ahlm in die Partie gekommen.
Und immerhin: Nach einem
Sprenger-Gegenstoß,
einer
Omeyer-Parade gegen
Weinhold und
einem Treffer von
Toft Hansen, der mustergültig
von
Narcisse in Szene gesetzt wurde, hatte
der THW wieder Lunte gerochen. Und als
Weinhold einige Minuten
später ein Stürmerfoul unterlief und
Omeyer
mit einem weiten Pass
Christian Sprenger
zum zwischenzeitlichen 9:12 auf die Reise schickte, schien der THW
endgültig in der Partie angekommen zu sein.
Flensburger 5:0-Serie
Doch weit gefehlt: Linksaußen Anders Eggert nahm sich nach einem
Schubser von
Christian Zeitz gegen
Weinhold den Ball und tunnelte
Thierry Omeyer
aus dem Rückraum zum 13:9. Doppeltes Unglück für den THW:
Zeitz wurde von den guten
Unparteiischen zudem für zwei Minuten auf die Bank verbannt.
In Unterzahl schwammen den "Zebras" nun wieder die Felle davon:
Jicha verfehlte bei angezeigtem
Zeitspiel das Tor,
Palmarsson scheiterte
am starken
Andersson und Svan Hansen
und Eggert stellten das Ergebnis auf 15:9. Als dann auch noch
Aron Palmarsson eine Zeitstrafe
kassierte, waren die Gastgeber durch einen Eggert-Siebenmeter
und einen weiteren Mogensen-Kracher sogar auf 17:9 (25.) enteilt.
Kieler Aufbäumen vor der Pause
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Mit neun Treffern war Filip Jicha zwar
bester Schütze der Kieler, er scheiterte aber auch zweimal vom
Siebenmeterpunkt.
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Mit seinem Hüftgeschoss zum 10:17 weckte
Christian Zeitz seine Nebenleute noch
einmal auf. In der besten Phase - und mittlerweile wieder mit
der 3:2:1-Abwehr - robbten sich die Kieler in der Schlussphase des
ersten Durchgangs wieder etwas heran:
Jicha
verkürzte auf 11:17,
Omeyer parierte
gegen Knudsen und erneut
Jicha, der von
Zeitz auf halbrechter Position
freigespielt wurde, sorgte für das 12:17. Als
Ilic mit seinem vierten Treffer und
ein drittes Mal
Jicha nach
Zeitz' Ballgewinn in der Abwehr
das Ergebnis sogar auf 14:18 stellten, keimte im Kieler Lager wieder
Hoffnung auf. Das letzte Wort im ersten Durchgang hatten aber
wieder die Gastgeber: Mogensen setzte einen Rückraumwurf ans
Aluminium, doch Jacob Heinl schnappte sich den Abpraller und
traf zum 19:14-Pausenstand. Eine symptomatische Szene für die
ersten 30 Minuten (und, wie sich später herausstellen sollte,
auch für das gesamte Derby), denn die SG wirkte einfach präsenter,
bissiger, wacher als die "Zebras". Nichtsdestotrotz war dieser
Fünf-Tore-Rückstand zur Pause noch lange kein Grund, die Köpfe
in den Sand zu stecken.
Christian Zeitz dreht auf
Nach Wiederanpfiff befürchteten viele Flensburger Fans das
große Aufbäumen des THW. Indes: Die Mannschaft von Ljubomir
Vranjes ließ dies einfach nicht zu. Mit absoluter Entschlossenheit
setzte sich Thomas Mogensen gleich im ersten Angriff des
zweiten Durchgangs gegen die Kieler Deckung durch und traf
zum 20:14. Und als
Christian Zeitz
an
Andersson scheiterte, erhöhte der
im ersten Durchgang noch recht zurückhaltende Glandorf per
Sprungwurf gar wieder auf sieben Treffer. Immerhin
Christian Zeitz war nun endgültig
im Derbymodus angekommen und übernahm in dieser Phase viel
Verantwortung: Den von
Jicha
verwandelten Siebenmeter zum 15:21 bereitete
Zeitz
mit seinem Anspiel an
Sprenger vor,
und nach einem Durchbruch sowie einem unglaublichen Stemmwurf
des Kieler Linkshänders zum 17:22 keimte noch einmal Hoffnung
auf - zumal
Omeyer im Anschluss einen
abgefälschten
Weinhold-Wurf über die Latte lenken konnte.
Flensburg lässt sich nicht nervös machen
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Holger Glandorf erzielte sieben seiner neun Treffer
im zweiten Durchgang.
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Doch die SG blieb trotz des kleinen Kieler Strohfeuers
cool und hatte nun auch das Glück des Tüchtigen auf ihrer
Seite, als ein
Zeitz-Aufsetzer nur
die Latte traf. Statt des 18:22-Anschlusses sorgte so Glandorf
mit einem weiteren Sprungwurf-Kracher zum 23:17. Und als dann
auch noch die postwendende
Jicha-Antwort
geblockt wurde und
Mattias Andersson
im Sitzen einen weiten Pass auf Eggert zum 24:17 initiierte,
hielt es kaum noch einen Fan der Gastgeber auf den Sitzen.
Einmal kurz flackerte auf der Kieler Bank noch Hoffnung auf,
als Karlsson nach einem Foul an
Ahlm eine Zeitstrafe kassierte und
die Kieler in Überzahl durch zwei Jicha-Siebenmeter
wieder auf 19:24 verkürzten, während Eggert per Strafwurf nur den
Innenpfosten traf. Doch die SG blieb auch diesmal nervenstark:
Svan Hansen sprintete in ein Anspiel von Narcisse
auf Sigurdsson, und Mogensen erzielte
den 25. Flensburger Treffer. Nach dem 26:20 durch einen erneuten
Glandorf-Kracher stellte Gislason als
letzte Trumpfkarte noch einmal seine Deckung auf die 3:2:1-Variante
zurück, doch die Kieler stoppten sich bei ihrer Aufholjagd nun
auch selbst: Filip Jicha scheiterte
mit einem Siebenmeter am immer stärker werdenden
Andersson, Omeyers
für Sigurdsson gedachter Gegenstoßpass
landete in den Händen des aufmerksamen Glandorf. Und spätestens,
als Anders Eggert mit einem weiteren Konter gar das 28:20 (46.)
erzielte, war das 73. Nordderby bereits entschieden. Die Flensburger
Fans sprangen bei diesem Treffer ein weiteres Mal von ihren Sitzen
auf, blieben während der folgenden Auszeit Gislasons
stehen und dachten selbst bis zum Schlusspfiff nicht mehr daran, sich
wieder hinzusetzen.
Meisterschaft noch immer selbst in der Hand
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Kopf hoch, "Zebras"! Noch ist der THW Kiel an allen
Wettbewerben gut dabei.
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Immerhin verhinderten die "Zebras" in den letzten zehn Minuten
ein absolutes Debakel, das sich beim zwischenzeitlichen 32:23
durch
Weinhold (51.) gar im zweistelligen Differenzbereich
andeutete. Mit dem 29:35 - den Endstand besorgte
Filip Jicha
per Kempa nach
Sigurdsson-Vorlage -
waren die "Zebras" an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag, an dem
den Flensburger einfach alles gelingen wollte, letztlich sogar
noch gut bedient. Und immerhin: Mit 33:5 Punkten haben die
Kieler die deutsche Meisterschaft immer noch selbst in der Hand.
Ehe es im Februar weitergeht, steht aber erst einmal die
Handball-Weltmeisterschaft in Spanien
auf dem Plan, weshalb
Alfred Gislason
in den kommenden Wochen auf etwa die Hälfte seiner Mannschaft
verzichten muss.
(Sascha Krokowski)
Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...
Glückwunsch an Ljubo und Flensburg. Das war ein auch in dieser
Höhe verdienter Sieg. Wir haben schlecht angefangen und Flensburg
zu Gegenstößen eingeladen, die ihnen Mattias Andersson
geschenkt hat - wir sind nicht in die Partie gekommen. Ich bin
natürlich enttäuscht, weil wir nicht gut genug gespielt haben.
Nach dem schlechten Beginn sind wir immer einem komfortablen
Rückstand hinterhergelaufen. Meine Mannschaft hat zwar alles
gegeben, aber trotzdem ist es bitter, dass solch ein Jahr auf
diese Art und Weise zu Ende geht. Aber: Wenn man beim Tabellendritten
der DKB Handball-Bundesliga nicht gut spielt, ist es das
normalste auf der Welt, wenn man dieses Spiel verliert. Letztlich
ist aber alles offen. Wir haben zwei Punkte Rückstand auf die
Löwen und nun nur noch drei Punkte Vorsprung auf Flensburg.
Ich habe immer gesagt, dass es eine enge Saison werden wird -
die Rückserie wird nun richtig interessant. Ich hoffe aber,
dass ich nicht mehr allzu viele Tage wie diesen erleben muss.
SG-Trainer Ljubomir Vranjes:
Wir haben von der ersten bis zur 60. Minute das Spiel kontrolliert.
Das schaffen nicht viele Mannschaften in der Welt gegen diesen THW
Kiel. Ich bin sehr zufrieden damit, dass unser Spiel keinen
Tiefpunkt hatte. Wir haben 60 Minuen lang diszipliniert gespielt,
und Mattias Andersson war überragend.
In den letzten Jahren haben wir einen Schritt auf den THW zu
gemacht, aber das Niveau wie Kiel haben wir noch nicht. Wir haben
zu Hause gespielt, wir haben an uns geglaubt, und wir haben Mut
gehabt. Ich bin stolz, dass unsere kontinuierliche Arbeit auch von
den Fans gesehen wird. Denn heute habe ich das beste Publikum
erlebt, seit ich in Flensburg bin.
Ich hoffe, dass viele Menschen am Fernseher den tollen Handballsport,
der heute geboten wurde, gesehen haben. Wir hätten noch 30 Minuten
länger spielen können und hätten trotzdem nicht gewonnen. Nachdem
wir nun die beiden Duelle mit der SG bereits hinter uns haben, hoffe
ich, dass wir uns in Hamburg beim "Lufthansa Final Four" wiedersehen.
SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke:
Das Team hat heute die mentale Stärke gezeigt, die man braucht,
um solche Mannschaften wie Kiel zu schlagen. Es war eine
unglaubliche Stimmung mit Herz und Leidenschaft auf den Rängen,
der Funke ist übergesprungen. Jetzt haben wir eine gute
Ausgangslage für die Rückserie, worauf ich stolz bin.
Als Sportler muss man auch die Leistung der anderen anerkennen
können. Flensburg war heute klar besser und hat verdient gewonnen.
Entschieden ist noch lange nichts, und nach nicht so ordentlichen
60 Minuten lassen wir uns eine insgesamt gute Halbserie nicht
kaputtreden.
- SG Flensburg-Handewitt:
-
Andersson (1.-60., 20/4 Paraden),
Rasmussen (bei einem Siebenmeter, keine Parade);
Karlsson,
Machulla,
Eggert (8/2),
Glandorf (9),
Mogensen (7),
Svan Hansen (5),
Weinhold (3),
Heinl (1),
Gustafsson (n.e.),
von Gruchalla (n.e.),
Knudsen (2);
Trainer: Vranjes
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-48., 8 Paraden),
Palicka (48.-60., 1 Parade);
Toft Hansen (2),
Sigurdsson (2),
Sprenger (4),
Ahlm (1),
Ekberg (1/1),
Zeitz (3),
Palmarsson (1),
Narcisse,
Ilic (5),
Klein,
Jicha (9/3),
Vujin (1);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Andreas Pritschow / Marcus Pritschow
- Zeitstrafen:
-
SG: 3 (Karlsson (37.), Knudsen (52.), Heinl (59.));
THW: 4 (Zeitz (21.), Palmarsson (24.),
Toft Hansen (55.), Narcisse (56.))
- Siebenmeter:
-
SG: 3/2 (Eggert an den Pfosten (40.));
THW: 8/4 (Andersson hält Ilic (2.),
2x Jicha (44., 53.) und Ekberg (50.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 2:0, 2:1, 5:1 (7.), 5:3, 6:3, 6:4 (11.), 10:4 (14.),
10:6, 11:6, 11:7, 12:7, 12:9 (20.), 17:9 (25.), 17:12,
18:12, 18:14, 19:14;
2. Hz.: 21:14, 21:15, 22:15, 22:17 (34.), 24:27, 24:19,
25:10, 25:20 (41.), 28:20 (46.), 28:21, 29:21, 29:22,
30:22, 30:23, 32:23 (50.), 32:26 (54.), 34:26,
34:27, 35:27, 35:29.
- Zuschauer:
-
6.300 (ausverkauft) (Flens-Arena, Flensburg)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 27.12.2012:
THW ging im Flensburger Handball-Wirbel unter
"Zebras" liefen beim 29:35 immer der Musik hinterher - Andersson großer SG-Rückhalt
Flensburg. Die Serie ist gerissen: Gestützt auf
einen überragenden Torhüter Mattias Andersson
besiegte die SG Flensburg-Handewitt gestern Abend in eigener Halle
den THW Kiel verdient mit 35:29 (19:14). Das Team von
Alfred Gislason, der erstmals in seiner
Amtszeit bei den "Zebras" dieses Derby verlor, war von Beginn
an chancenlos und musste die Tabellenführung in der
Handball-Bundesliga wieder an die Rhein-Neckar Löwen abgeben.
Es war ein bisschen wie früher. Damals, als die SG in eigener
Halle die Derbys gegen den Lieblingsfeind in der Regel gewonnen
hat. Die Campushalle heißt zwar mittlerweile "Flens-Arena",
doch die Euphorie um und in der Arena erinnerte an alte Zeiten.
Bereits eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff reihten sich die Fans
bei strömendem Regen in langen Schlangen vor der seit Wochen
ausverkauften Halle auf. Die "Zebras" hätten auch mit ihrer
A-Jugend anreisen können, es wäre nicht aufgefallen. Als der
Hallensprecher sie vorstellte, gingen die Namen in einem
gellenden Pfeifkonzert unter.
Thierry Omeyer und Christian Zeitz,
bei den SG-Fans besonders unbeliebt, wurden schon beim Aufwärmen leidenschaftlich
beschimpft. Das Zentrum der Emotionen ist in Flensburg traditionell die
Nordkurve, in der es nur Stehplätze und sehr wenig Tierliebe gibt. "Zebras"
sind für diese Fans "Hurensöhne", welchen Stellenwert
Zeitz für sie hat, soll an dieser Stelle
aus Gründen des Jugendschutzes verschwiegen werden.
Nach zwölf Minuten feierte nicht nur die Nordkurve ihre Helden,
die zuletzt acht Liga-Spiele in Serie gewonnen hatten. Alle, mit
Ausnahme der rund 200 mitgereisten THW-Fans, erhoben sich von ihren
Sitzen, um die hoch überlegene Mannschaft von Ljubomir Vranjes zu
feiern. 8:4 führte die SG, als Gislason
eine Auszeit nahm. Die Seinen fanden gegen die bewegliche Deckung
der Flensburger, die in Andersson (23
Paraden) ihren Felsen hatten, einfach kein Rezept. Für Mittelmann
Filip Jicha brachte
Gislason nun den Franzosen
Daniel Narcisse, der zuletzt zwei Wochen
lang wegen eines schmerzhaften Pferdekusses pausieren musste.
Mit Narcisse lief es etwas besser, die
THW-Deckung wurde von Minute zu Minute stabiler, die Gäste kamen auf
9:12 heran. Die Wende? Nein. Der lediglich 1,79 Meter kleine
Linksaußen Anders Eggert traf frech aus dem Rückraum, und
Zeitz wurde nach einem Schubser gegen
Steffen Weinhold auf die Strafbank beordert. Anschließend erkannten
die pfeifenden Zwillinge Marcus und Andreas Pritschow nicht, dass
Andersson einen Wurf von
Aron Palmarsson hinter der Linie pariert
hatte.
Den Gegenstoß verwandelte Eggert zum 15:9. Dann kassierte
ein verärgerter Palmarsson eine Zeitstrafe,
und die SG nutzte die Überzahl, um erstmals mit acht Toren in Führung
zu gehen (17:9/24.). Zwar verkürzten die Kieler, doch die erste Halbzeit
war aus ihrer Sicht nicht mehr zu retten. Die wie aufgedreht spielenden
Hausherren verabschiedeten sich als klarer Punktsieger von ihren Fans,
die spätestens jetzt daran glaubten, dass die endlose Niederlagen-Serie
gegen Kiel (14 in Folge) an diesem 26. Dezember 2012 enden würde.
Die SG konnte ihr Feuer tatsächlich in die zweite Halbzeit retten.
Vielleicht wäre in der 45. Minute eine Wende möglich gewesen, doch
der famose Andersson parierte einen Siebenmeter
von Jicha, es hätte das 21:26 aus Kieler
Sicht sein können. Im Gegenzug warf der überragende Holger Glandorf,
der nach eigener Aussage seine Tore stets in der ersten Halbzeit
erzielt, weil er noch an den Folgen seiner schweren Fuß-Operation
leidet, sein fünftes Tor nach dem Seitenwechsel, dann vollendete Eggert
einen Gegenstoß - 29:21 aus SG-Sicht, Minute 49, die Party auf den
Rängen konnte beginnen. Nach dem Abpfiff mit SG-Mittelmann Thomas
Mogensen in der Nordkurve. Er mit Megaphon, die Kollegen auf dem
Hallenboden sitzend - Szenen, die es sonst nur in Fußballstadien gibt.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 27.12.2012)