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24./25.01.2008 - Letzte Aktualisierung: 25.01.2008 EM 2008 / Nationalmannschaft

Deutschland nach Krimi gegen Schweden im Halbfinale

Update #3 KN-Bericht, weitere Bilder, weitere Stimmen und Spielbericht ergänzt...

Christian Zeitz und Markus Baur drehen nach dessen entscheidenden Tor jubelnd ab.
Klicken Sie zum Vergrößern! Christian Zeitz und Markus Baur drehen nach dessen entscheidenden Tor jubelnd ab.
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft steht im Halbfinale der Europameisterschaft! In einem wahren Handball-Krimi besiegte das DHB-Team im "Endspiel" der Hauptrundengruppe 2 die Auswahl Schwedens mit 31:29 (16:18). Erst in den Schlussminuten drehte sich das Blatt zugunsten des Teams von Bundestrainer Heiner Brand, aber erst der Treffer von Markus Baur drei Sekunden vor dem Ende machte den Einzug ins Halbfinale perfekt. Am Samstag trifft Deutschland nun auf Dänemark. Beste Werfer im DHB-Dress waren Holger Glandorf und Pascal Hens mit je sieben Toren, für Schweden traf Kim Andersson neun Mal ins Netz.
Der Erfolg war allerdings schwer erkauft, denn Oliver Roggisch wird mit einem Muskelfaserriss in der Wade mit Sicherheit für das Halbfinale ausfallen, auch Michael Kraus verletzte sich. Sein Einsatz am Samstag ist ungewiss.

Starkes Spiel: Pascal Hens traf sieben Mal
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Die Ausgangslage vor diesem Krimi war klar: Gewinnt Deutschland die Partie, ist der Halbfinaleinzug vollbracht - bei einem Sieg der Schweden oder einem Remis wären die Skandinavier in die nächste Runde eingezogen. Dementsprechend motiviert gingen beide Mannschaft von Beginn an zur Sache. Zunächst kamen die Schweden besser ins Spiel, führten schnell mit 2:0. Es dauerte sechs Minuten, bis die deutsche Auswahl zum ersten Mal ausgleichen konnte. Markus Baur von der Siebenmeterlinie traf zum 4:4. Bereits zu diesem Zeitpunkt stellten die Beobachter eine im Vergleich zu den restlichen Turnierspielen gute Trefferquote im Angriff des Brand-Teams fest. Vor allem Pascal Hens und Holger Glandorf hatten endlich die richtige Justierung ihrer Visiere gewählt, trafen immer wieder gegen einen dieses Mal blassen Schweden-Keeper Tomas Svensson, der sich bereits nach 14 Minuten entnervt auswechseln ließ.

Purer Wille: Der verletzte Oliver Roggisch sieht Markus Baur jubeln.
Klicken Sie zum Vergrößern! Purer Wille: Der verletzte Oliver Roggisch sieht Markus Baur jubeln.
So gut es im Angriff lief, so bescheiden starteten die Deutschen in der Abwehr. Dabei stellten besonders THW-Rückraum-Ass Kim Andersson und das ehemalige Zebra Martin Boquist die deutsche Verteidigung vor nahezu unlösbare Aufgaben. Elf Tore konnten sich die beiden bis zum Pausentee auf ihr Habenkonto schreiben, trafen ihrerseits nach Belieben. Verhindern konnte dies auch ein Henning Fritz nicht, dessen Einwechslung für den bis dato glücklosen Jogi Bitter der Defensive mehr Stabilität verlieh. Dennoch: Trotz einer zwischenzeitlichen 9:7-Führung (13.) konnte die DHB-Auswahl die Bigpoints der ersten Hälfte nicht setzen, auch weil Dan Beutler im schwedischen Tor ein wenig mehr zu fassen bekam als Svensson. Ein Doppelschlag von Kim Andersson brachte Schweden beim 13:11 (22.) wieder mit zwei Toren in Führung, Heiner Brand zog die grüne Auszeit-Karte und forderte von seinem Angriff, der in dieser Phase hektisch agierte, mehr Geduld - mit kurzem Wiederhall durch den Ausgleich von Glandorf. Im Spiel vier gegen vier - in der ansonsten fairen Partie hatte es kurz vor der Pause je zwei Zeitstrafen auf beiden Seiten gegeben, erzielte Henrik Lundström den 18:16-Halbzeitstand für Schweden. Deutschland drohte das Aus.

In diesem Moment scheiter Holger Glandorf am schwedischen Abwehrbollwerk - insgesamt traf der Nordhorner aber sieben Mal.
Klicken Sie zum Vergrößern! In diesem Moment scheiter Holger Glandorf am schwedischen Abwehrbollwerk - insgesamt traf der Nordhorner aber sieben Mal.
War die erste Halbzeit schon von Spannung geprägt, so sollte die zweite dramatisch werden. Das DHB-Team erwischte den besseren Start, glich binnen 90 Sekunden durch Glandorf und Hens aus. Ein erneuter Doppelschlag vom überragenden Kim Andersson brachte die Schweden wieder mit zwei Toren in Führung, ehe Roggisch verletzt auf die Bank musste (37.) - böse Ahnungen rief das Fehlen des Abwehr-Asses in den vielen deutschen Fans in Trondheim hervor. Doch dieses Mal konnten Sebastian Preiß und Andrej Klimowets die entstandene Lücke hervorragend schließen, zudem ging die Defensive nun aggressiver auf die Rückraumschützen der Schweden. Trotzdem: Als kurz nach Hens' 25:24 (45.) auch noch Michael Kraus verletzt ausschied, glich die deutsche Bank mehr einem Lazarett als einem zu allem entschlossenen Team.

Christian Zeitz kam nun auf die Platte und sorgte für Akzente: Zunächst glich er zum 26:26 aus (50.). Als Andersson nach einem Zweikampf mit Preiß am Ohr blutend kurz außerhalb der Platte behandelt werden musste,
Ein heißer Kampf zwischen Deutschland und Schweden.
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War die e stockte urplötzlich das schwedische Angriffsspiel. Und auch in der skandinavischen Defensive offenbarten sich Lücken, die Klimowets zum 27:26 nutzen konnte. Eine grandiose Parade von Bitter, der nach einem "Hallo-wach-Kopftreffer" von Lars Kaufmann in der Halbzeitpause inzwischen wieder zwischen den Pfosten stand, leitete den Tempogegenstoß von Kehrmann ein, den dieser sicher zum 28:26 abschloss. Deutschland war am Zug, doch in der immer mehr Fahrt aufnehmenden Partie wollten sich die Schweden keinesfalls kampflos ergeben - sie witterten auch nach Zeitz'-Hammer zum 29:27 und Hens' durch die Beine von Beutler gehendes 30:27 (56.) noch ihre Chance auf das Remis. Das DHB-Team versuchte, mit lang ausgespielten Angriffen die Zeit von der Uhr zu nehmen, doch selbst nach Bitters gehaltenem Lundström-Siebenmeter und Baurs abgefangenen Andersson-Pass durfte nicht aufgeatmet werden. Vier torlose Minuten - Doder und Lennartsson bedankten sich zum 29:30 aus schwedischer Sicht. Noch zwanzig Sekunden waren da zu spielen, Scheden-Coach Ingemar Linnell ordnete eine offene Manndeckung an, Heiner Brand nahm vierzehn Sekunden vor Ende die letzte Auszeit.

Geschafft! Deutschland feierte mit einer Jubeltraube den Halbfinaleinzug.
Klicken Sie zum Vergrößern! Geschafft! Deutschland feierte mit einer Jubeltraube den Halbfinaleinzug.
"Ball halten, sicher abspielen - mehr können wir nicht tun!" Gesagt getan - der finale Bodenpass landete bei Baur, der zwei Sekunden vor dem Ende alles klar machte - Deutschland steht im Halbfinale der diesjährigen Europameisterschaft!

Am kommenden Samstag treffen die Deutschen dort auf Dänemark, im zweiten Halbfinale kämpfen Thierry Omeyer und Nikola Karabatic gegen Kroatien um den zweiten Finalteilnehmer. Die Kroaten hatten zuvor mit einem 23:23-Remis Gastgeber Norwegen ausgeschaltet.

(Christian Robohm)

Im ersten Spiel des Tages in der deutschen Gruppe 2 schlug Ungarn erwartungsgemäß den mit der zweiten Garnitur spielenden amtierenden Europameister Frankreich mit 31:28 (15:11) (siehe Spielbericht). Spanien schlug Island indes mit 33:26 (18:15).

Lesen Sie bitte auch den ausführlichen Spielbericht der KN.

Stimmen zum Spiel:

Bundestrainer Heiner Brand gegenüber der ARD:
Insgesamt war der Sieg heute verdient, wir haben eine sehr starke Leistung - die beste des bisherigen Turniers - abgeliefert. In der Abwehr hatten wir zu Beginn einige Probleme, dafür zeigte der Angriff sein bisher bestes Spiel. Oliver Roggisch wird mit einem Muskelfaserriss wahrscheinlich für das Wochenende ausfallen, sodass er auch gegen Dänemark wohl nicht eingesetzt werden kann. Die Dänen liegen uns sicher besser als Frankreich, wenngleich wir das Testspiel in Kiel nicht als Maßstab nehmen dürfen.

gegenüber den KN:
Dieses Spiel ist nach unseren bisher gezeigten Leistungen eine kleine Überraschung für mich gewesen. Wir haben uns im Angriff enorm verbessert. Dänemark hat eine gute Truppe, sonst wären sie nicht Erster geworden.

Johannes Bitter gegenüber der ARD:
Heute hatten wir einfach mehr Glück. Es war ein knappes Spiel, in dem die Schweden zeitweilig sogar überlegen waren, wir am Ende aber einfach mehr an uns geglaubt haben. Wir haben mehr gekämpft, wollten unbedingt siegen. Dass Lars Kaufmann mir in der Pause den Ball ins Gesicht geworfen hat, hat bei mir eine zusätzliche Portion Adrenalin freigesetzt. Zum Halbfinale: Die Dänen haben sich mit Sicherheit nicht uns als Gegner gewünscht, trotzdem wird es ein ganz anderes Spiel als zuletzt in Kiel. Dänemark hat bisher eine Super-EM gespielt, aber wir müssen trotz unserer Ausfälle einfach weiter machen!
TV-Experte Christian Schwarzer gegenüber den KN:
Kämpferisch war das erste Sahne. Das war deutscher Handball wie man ihn kennt. So muss es sein. Mit mir können sie eben nicht verlieren.
Michael Kraus gegenüber den KN:
Jetzt sind wir wieder ganz dick dabei. Man hat gesehen, wie wir alle zusammengehalten haben. Die ganze Bank hat mitgezittert - so muss es sein.
Florian Kehrmann gegenüber den KN:
Was genau den Ausschlag gegeben hat, kann man gar nicht genau sagen. Als Mannschaft haben wir super gekämpft. Im Halbfinale ist jetzt alles möglich.
Schweden-Keeper Tomas Svensson gegenüber den KN:
Wir haben zwei Tage hintereinander Glück gehabt, diesmal nicht. Deutschland hat es verdient. Sie hatten in den entscheidenden Situationen mehr Selbstbewusstsein als wir. Ich bin trotzdem stolz, was unsere junge Mannschaft geleistet hat.
Schweden-Keeper Dan Beutler gegenüber den KN:
Wir waren nur zwei Tore vom Halbfinale entfernt. Natürlich sind wir enttäuscht, man darf aber nicht vergessen, dass wir gegen eine gute Mannschaft ausgeschieden sind, die verdient gewonnen hat.

24.01.08, Do., 19.15: Deutschland - Schweden: 31:29 (16:18)

Deutschland:
Fritz (14.-40., 5 Paraden), Bitter (1.-14., 41.-60., 10 Paraden); Hens (7), Roggisch, Klein, Preiß (1), Glandorf (7), Baur (5/4), Zeitz (2), Jansen, Klimovets (4), Kraus, Kehrmann (5), Kaufmann (n.e.); Trainer: Brand
Schweden:
Svensson (1.-17., 54.-60., 3 Paraden), Beutler (18.-54., 11 Paraden); Boquist (6), Lundström (2/2), Kim Andersson (9), Källman (1), Jernemyr, Pettersson (n.e.), Lennartsson (4/1), Doder (3), Ahlm (1), Arrhenius (1), Larholm (1/1), Carlen (1); Trainer: Linnell
Schiedsrichter:
Visekruna / Stanojevic (SRB)
Zeitstrafen:
Deutschland: 5 (2x Roggisch (29., 33.), 2x Klimowets (30., 48.), Kehrmann (60.)) ;
Schweden: 3 (Larholm (29.), Jernemyr (30.), Andersson (38.))
Siebenmeter:
Deutschland: 5/4 (Beutler hält Baur (49.)) ;
Schweden: 7/4 (Andersson gegen Fritz an die Latte (15.), Beutler hält Larholm (35.) und Lundström (58.))
Spielfilm:
1. Hz.: 0:2, 1:3 (3.), 2:4, 4:4 (6.), 5:6 (8.), 7:6 (11.), 9:7 (13.), 9:9 (17.), 10:9, 10:11 (21.), 11:11, 11:13, 12:14 (25.), 14:14 (27.), 14:16, 15:17 (29.), 16:18;
2. Hz.: 18:18 (32.), 19:19, 19:21 (37.), 21:21 (38.), 24:22 (41.), 24:24, 26:26 (50.), 28:26 (53.), 28:27, 30:27 (56.), 30:29 (60.), 31:29.
Zuschauer:
2915 (Trondheim Spektrum, Trondheim (NOR))

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2008:

Mit Zitterpartie und Kämpferherz ins Halbfinale

31:29-Sieg über Schweden - Jetzt gegen Dänemark - Roggisch schwer verletzt - Baur machte alles klar
Nach dem Sieg feierten die Deutschen bei McDonald"s.
Klicken Sie zum Vergrößern! Nach dem Sieg feierten die Deutschen bei McDonald's.
Trondheim - Zwei blaue Augen und ein Lachen. Nach den Niederlagen gegen Spanien und Frankreich saß die deutsche Nationalmannschaft in Norwegen schon auf gepackten Koffern. Doch nach dem dramatischen 31:29 (16:18)-Sieg gegen Schweden hat der Weltmeister gestern Abend tatsächlich noch den Einzug ins Halbfinale perfekt gemacht. Gegner ist morgen in Lillehammer der WM-Dritte Dänemark (18 Uhr, ARD).

Die Entscheidung fiel wieder einmal in den letzten Sekunden. 30:28 führten die Deutschen, als Henrik Lundström zum Siebenmeter antrat. Gegen Johannes Bitter. Schweden gegen Deutschland, oder THW Kiel gegen den HSV Hamburg. Im Bundesliga-Derby hatten die "Zebras" sechs Siebenmeter gegen Bitter verworfen. Aber nicht Lundström. Der Schwede wollte den Hünen auf dessen linker Seite knacken. Halbhoch. Und verwarf. "Das ist einzige Stelle, auf die man bei Bitter auf keinen Fall zielen darf", ärgerte sich der Linksaußen.

Henning Fritz gönnt sich und seinen Teamkollegen ein Menü.
Klicken Sie zum Vergrößern! Henning Fritz gönnt sich und seinen Teamkollegen ein Menü.
Ein Unentschieden hätte den Skandinaviern genügt, doch der Weltmeister blieb auf der Zielgeraden eiskalt. Der gute Christian Zeitz spielte Markus Baur frei und Kapitän traf zum 31:29. Eine Erlösung für das deutsche Team, das in Norwegen bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat. "Das ganze Turnier ist für uns eine einzige Achterbahnfahrt", meinte Oliver Roggisch. "Aber heute war der Wille da. Wir wollten unbedingt gewinnen und haben die entscheidenden zehn Prozent gebracht." Auch der Abwehrchef, der sich aber mit gemischten Gefühlen freuen musste. In der 38. Minute hatte ihm das rechte Bein den Dienst versagt. Bei einem Gegenstoß, ohne Kontakt mit einem Schweden. "Da hat es plötzlich geknallt", sagt Roggisch, der einen Muskelfasserriss und damit das EM-Aus befürchtet. "Das wird wohl nichts mehr." Angeschlagen auch Michael Kraus, der im zweiten Durchgang einen Schlag auf den linken Unterarm erhalten hatte. Die Hand wurde taub, das Gefühl war weg. Auch hinter dem morgigen Einsatz von Kraus ("Ich hatte höllische Schmerzen") steht ein Fragezeichen.

Zwischendurch erinnerte das Spielfeld an ein Feldlazarett. Überall lagen verletzte Spieler, umringt von besorgten Betreuern. Beide Mannschaften hatten in diesem intensiven Ringen alles gegeben. Am Ende entschieden Kleinigkeiten. Zweimal hatten die Skandinavier in der Hauptrunde zuvor ein Spiel noch in der letzten Sekunde gedreht, diesmal war das Glück auf der Seite der Deutschen. Sie hatten es sich mit einer enormen Leistungssteigerung nach der Pause auch verdient. Bis dahin ließ die Abwehr jenes Feuer vermissen, das sie tags zuvor bei der 23:26-Niederlage gegen Frankreich gehabt hatte. Vor allem gegen Kim Andersson fanden die Deutschen kein Rezept. Der Linkshänder des THW Kiel warf neun Tore, war mit einem Fehlpass in dieser unglaublichen Schlussminute aber auch an der Niederlage beteiligt. In den Reihen der Deutschen meldete sich endlich der siebenfache Torschütze Pascal Hens zurück. Der Hamburger, bislang eine Enttäuschung, avancierte neben Holger Glandorf (7) zum Matchwinner einer Mannschaft, der nun wieder alle Türen offen stehen. Nach dem Sieg verschwand das Team geschlossen zu McDonalds, heute morgen reist es nach Lillehammer weiter, um das zu schaffen, womit eigentlich keiner mehr gerechnet hatte - die Goldmedaille gewinnen.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2008)


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