Sieg Nummer sechs im sechsten Spitzenspiel innerhalb von drei Wochen:
Der THW Kiel hat in der
Champions-League-Gruppe D
erstmals die Tabellenführung übernommen und sich vorzeitig für
das Achtelfinale qualifiziert. In einem von vielen Fehlern bestimmten Spitzenspiel
rang der
zweifache Titelträger aus Kiel die erstmals an der Königsklasse teilnehmende
Weltklasse-Mannschaft AG Kopenhagen mit 28:26 (12:14) nieder. Lange Zeit hatten die Gäste das Spiel
bestimmt, zwischenzeitlich sogar mit drei Toren geführt. Am Ende übernahm
Christian Zeitz
Verantwortung: Seine sieben Tore und zahlreiche Paraden von
Thierry Omeyer ebneten
den Weg zum Sieg. Auf dänischer Seite überragend waren der Rechtsaußen
Niclas Ekberg und
Rechtshänder Mikkel Hansen mit je acht Toren.
Der THW Kiel hatte einmal mehr mit einer überragenden Schlussphase zwei ganz wichtige
Punkte geholt. Da
im zweiten Nachholspiel der
Gruppe D Montpellier HB (FRA)
die Ungarn von Pick Szeged mit 29:26 (17:14) besiegte, war der Erfolg gegen Kopenhagen
doppelt wichtig: Dadurch sicherten sich die Kieler die vorzeitige Qualifikation für
das Achtelfinale.
THW ohne Daniel Narcisse
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Filip Jicha hatte wie seine Kollegen Probleme gegen die
harte AG-Abwehr.
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Wie schon beim
Pokalerfolg in Berlin musste THW-Trainer
Alfred Gislason
gegen Kopenhagen auch auf
Daniel Narcisse verzichten. Für ihn
rückte
Aron Palmarsson in die Startaufstellung, in der auf Linksaußen
Henrik Lundström den Vorzug vor
Dominik Klein
erhalten hatte. Die Partie begann vielversprechen: Gleich den ersten Angriff der Kopenhagener
blockte die Kieler Defensive, und
Jicha netzte zum 1:0 ein. Dann aber
zeigten die Gäste, dass sie der Ankündigung, in Kiel einen Sieg einfahren zu wollen, Taten folgen
lassen wollten:
Rene Toft Hansen, ab dem kommenden Sommer ein Kieler,
setzte sich am Kreis durch und traf zum Ausgleich, mit zwei Gegenstößten durch den in der ersten
Hälfte überragenden
Niclas Ekberg und Olafur Stafansson gingen die Dänen mit 3:1 in Führung.
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt war absehbar, dass die aggressive AG-Deckung den nach der
Spitzenspiel-Orgie der vergangenen Wochen müde wirkenden Zebras arg zusetzen würde.
Schwieriger Start
Die antworteten aber erst einmal im Stile eines Champions:
Zeitz
wackelte die Abwehr aus,
Omeyer passt über den herauseilenden
Kasper Hvidt hinweg auf
Lundström, der zum 3:3 ins leere Tor traf.
Ilic erzielte per Siebenmeter die Führung, die
Palmarsson vom Kreis
nach einem feinen
Jicha-Pass ausbaute (9.). Doch
Ekberg,
der von Stefansson toll freigespielt wurde, war einfach nicht in den Griff zu bekommen: Der
schwedische Rechtsaußen markierte jeweils den Anschluss, und nach 13 Minuten glich er sogar wieder
aus. Nun taute auch Mikkel Hansen, Superstar der Dänen, auf: Er brachte seine Farben beim 7:6 (14.)
wieder in Führung. Das Spiel glich dabei einem Wellenbad der Gefühle: Fehler hüben wie drüben
verhinderten, dass sich eine Mannschaft absetzen konnte. Weil Hivdt sich einen
Ilic-Siebenmeter
krallte und fortan immer stärker wurde, hatte der THW weiter Probleme.
Gislason
beorderte
Jicha für den kaum zur Geltung gekommenen
Marcus Ahlm
an den Kreis - aber ohne Erfolg. Auch der Tscheche scheiterte an Hvidt und verpasste so das 11:11 (25.).
Dafür bediente Hansen
Gudjon Valur Sigurdsson zum 10:12 (26.). Gut nur, dass
Klein
nach seiner Einwechslung zumindest
Ekberg gut im Griff hatte.
Zwei-Tore-Rückstand zur Pause
Mit einem Doppelschlag sorgte
Filip Jicha für den erneuten Ausgleich,
dann schickte das in der ersten Hälfte unsichere Schiedsrichter-Duo Nashevski/Nikolov zuerst
Rene Toft Hansen, und dann
Sigurdsson auf die Sünderbank. In 4:2-Überzahl,
so hoffte die Mehrzahl der Fans in der Sparkassen-Arena, würde der THW einen entscheidenden Schritt
in Richtung Pausenführung machen - doch weit gefehlt. Mikkel Hansen fand mit einem 113-km/h-Geschoss
die Lücke zwischen den Zebras, im Gegenzug stand
Christian Sprenger
nach einem gefangenen Pass im Aus, und Joachim Boldsen bediente wenige Sekunden vor dem Pausenpfiff
den durchstartenden Mikkel Hansen mit einem frechen Pass zu dessen 14:12. Die rund 800 stimmungsvollen
Dänen, die ihre Mannschaft an die Förde begleitet hatten, feierten ausgelassen diesen Coup.
THW-Blitzstart schnell gekontert
Aus dieser kamen die Kieler mit einer gehörigen Portion Wut über die vielen eigenen Fehler. Diese
wandelten die Zebras in Energie um:
Klein überwand Hvidt mit einem Heber,
und auch
Kim Andersson legte seine zuvor gezeigte Ladehemmung mit
einem 106-km/h-Wurf zu den Akten. Da
Omeyer sich gleich zu Beginn der
zweiten dreißig Minuten einige Male schön in Szene setzte, hofften die Kieler Fans auf einen
Durchmarsch. Doch so leicht ließ Kopenhagen sich nicht aus dem Konzept bringen: Angetrieben von Hansen
gingen die Gäste wieder mit zwei Toren in Führung, und nachdem
Ilic
nach schneller Mitte den Anschluss geschafft hatte, legten
Ekberg und Hansen, der erneut in
Unterzahl traf, nach: Beim 17:20 (41.) schien sich die Waagschale längst in Richtung der Dänen
geneigt zu haben.
Gislason nahm eine frühe Auszeit, die von den
dänischen Fans schon wie ein Sieg gefeiert wurde. Der Kieler Trainer brachte
Zeitz
auf Rechtsaußen, und
Andersson wuchtete den Ball mit 115 km/h in die
Maschen. Kurz darauf begann die große
Zeitz-Show der letzten 15 Minuten mit
einem Durchmarsch zum 19:20, dem
Klein im Gegenstoß das 20:20 folgen ließ.
Zeitz und Omeyer drehen auf
Dass vor diesem Tor Hansen aber am Kieler Kreis liegen geblieben war und die Schiedsrichter
die Partie trotzdem nicht unterbrachen, regte Kasper Hvidt derart auf, dass er für zwei
Minuten auf die Bank geschickt wurde.
Zeitz bedankte sich für
die Freiräume mit einem Dreher zum 21:20, und kurz darauf schickte
Omeyer
den Linkshänder auf die Gegenstoß-Reise zum 22:20. Die Halle kochte, die THW-Fans feierten den
"Hammer", und AG-Coach Magnus Andersson zog den grünen Auszeit-Karton. Mit Erfolg, denn die
Torejagd von
Zeitz hatte er damit zunächst unterbrochen. Mehrfach
bot sich ihm die Chance, den Vorsprung auszubauen. Doch sowohl sein Gegenstoß als auch sein
Geschoss aus dem Rückraum landeten nicht im Tor. Weil
Steinar Ege auch
einen freien
Sprenger-Ball parierte, woraufhin
Gislason
zunächst
Reichmann auf die Platte beorderte, blieb Kopenhagen im Spiel. Nach
einem Traum-Anspiel von
Zeitz auf
Klein zum 25:22 (54.) brauchten
die Dänen nur wenuge Sekunden, um durch ihre beiden stärksten Akteure
Ekberg und Hansen den
24:25-Anschluss herzustellen.
In Unterzahl gewirbelt
|
Die dänischen Fans hatten am Ende wenig zu feiern.
|
Weil
Klein zudem nach einem Foul an
Ekberg zwei Minuten zuschauen musste,
drohte Ungemach. Doch das vertrieben erneut
Omeyer und
Zeitz:
Der eine lenkte einen Stefansson-Wurf um den Pfosten, der andere jagte den Ball mit einem Geniestreich
ins Gästetor. Doch auch dieses 26:24 (57.) beruhigte die Situation nicht - Kopenhagen blieb
durch
Rene Toft Hansens Überzahl-Treffer zum 25:26 im Spiel. Der THW,
bei dem
Gislason in dieser Unterzahl-Phase ausschließlich seinen
Rückraumspielern vertraute, antwortete mit einem
Andersson-Kracher
aus elf Metern (27:25, 58.). AG machte Druck, doch dann kam
Zeitz:
Er fuhr bei einem Pass von Snorri Stein Gudjonsson auf Mikkel Hansen dazwischen, schnappte sich den
Ball und riss mit seinem verwandelten Tempogegenstoß die Fans von den Sitzen. Die Entscheidung war
gefallen - 60 Sekunden vor dem Ende konnte daran auch die offene Manndeckung der Dänen nichts mehr
ändern. Stefannson erzielte den Treffer zum Endstand, der aber von den Zuschauern, die mit
"oh, wie ist das schön"-Gesängen feierten, kaum noch wahrgenommen wurde.
Mittwoch kommt Hildesheim
Feiern konnten die müden Zebras diesen Erfolg allerdings nicht ausgiebig:
Bereits am Mittwoch wartet das nächste Spiel auf die Kieler. Dann gastiert mit Eintracht Hildesheim
ein Aufsteiger an der Förde. Nach den Spitzenspiel-Wochen gilt es für den THW, die
Konzentration auch im Bundesliga-Alltag hochzuhalten. Denn mit einem Erfolg gegen die Niedersachsen könnten
die Kieler am Mittwoch den Bundesliga-Start-Rekord des TBV Lemgo aus dem Jahr 2003 (34:0 Punkte)
einstellen.
(Christian Robohm)
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Lesen Sie bitte auch
Kopenhagens Trainer Magnus Andersson:
Ich bin natürlich enttäuscht, aber wir haben gegen eine richtig gute
Mannschaft verloren. Es war ein tolles, intensives Spiel. Mit meiner
Mannschaft war ich spielerisch richtig zufrieden, sie hat die vorher
besprochene Taktik hervorragend umgesetzt. Die vielen Zwei-Minuten-Strafen in der
zweiten Halbzeit haben viel Kraft gekostet. Auch der THW-Run von 17:20 auf 22:20
war durch eine Zeitstrafe gegen uns begünstigt. Aber: In der Sparkassen-Arena kann man
verlieren.
Ich bin glücklich, dass wir heute gewonnen haben. Es war ein sehr enges Spiel, und
AG Kopenhagen war in der ersten Halbzeit besser als wir. Wir hatten große Probleme
mit der Abwehr und den Torhütern und konnten unser Spiel nicht wie gewohnt aufziehen.
Man hat meinen Jungs angemerkt, dass nach den Belastungen der vergangenen Wochen die
Spritzigkeit fehlte. In der zweiten Halbzeit wurden wir dann mit zunehmender Zeit besser, und
"Titi" hatte auch wieder einen guten Tag. Beide Mannschaften
haben heute viele Fehler gemacht. Aber man hat gesehen: AG Kopenhagen hat eine super Mannschaft,
gegen die wir heute große Mühe hatten.
Wir haben nicht gut angefangen. Im Angriff haben wir zuviele Fehler gemacht und in der
Abwehr nicht kompakt genug gestanden. In der zweiten Hälfte haben wir dann gut gedeckt und am
Ende auch verdient gewonnen.
Wenn wir ins Final4 kommen wollen, müssen wir enge Spiele gewinnen und nicht wie heute
verlieren. Wir haben noch einige schwere Partien vor uns: Wir müssen nach Montpellier und
haben Kiel noch zu Gast. Aber wir wollen gewinnen und uns wegen eines möglicherweise
leichtere Achtelfinal-Gegners unter den ersten beiden Teams in der Gruppe platzieren.
Es ist immer schön, hier zu spielen. Das ist der Handball-Tempel in Europa. Leider
sind die Ergebnisse hier meist nicht so erfreulich. Aber wir haben uns heute gut verkauft und
unsere Stärken ausgespielt. Wir haben leider verloren, im Rückspiel wollen wir das ändern.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Kopenhagen, das haben wir heute erlebt, hat eine
wirklich starke Mannschaft. Aber wir haben am Ende verdient gewonnen,
weil wir nach der Auszeit sehr gut gedeckt haben und unsere Fehler abstellen
konnten.
THW-Spielmacher Aron Palmarsson gegenüber den KN:
Das war ein sehr angestrengendes Spiel, aber das
wussten wir schon vorher. Wir wollten unbedingt den ersten Platz in der
Gruppe übernehmen. Die Abwehr von Kopenhagen war richtig stark, da ist
uns im Angriff lange keine Lösung eingefallen. In der Auszeit haben wir uns
vorgenommen, wieder schneller zu spielen, weil wir wussten, dass sie irgendwann
müde werden. Ich finde, Kopenhagen hat eine Weltklasse-Mannschaft.
THW-Linksaußen Dominik Klein gegenüber den KN:
Wir haben das Spiel über den Kampf gewonnen, das
zeigt erneut den großartigen Charakter der Mannschaft, die sich auch reinkniet,
wenn es mal nicht so gut läuft. Jeder hat gezeigt, dass immer noch etwas
drin ist im Reservekanister. Es ist auch gut, wenn man mal in die Gesichter
der Gegner schaut. Das hat uns geholfen. Die waren am Ende nicht leer,
aber schon ein wenig verzweifelt.
THW-Spieler Filip Jicha gegenüber den KN:
Als Alfred (Gislason,
d. Red.) die Auszeit genommen hat, lagen wir 17:20 zurück. Wir haben
uns vorgenommen, die Köpfe nicht hängen zu lassen, unser Spiel zu zeigen,
mit dem wir zuletzt so erfolgreich waren. Die Stimmung war unglaublich.
Wenn die 1000 dänischen Fans gebrüllt haben, dann haben sofort gefühlt
15 000 Kieler geantwortet - sie haben es sich verdient, dass wir am Ende
noch gewonnen haben. Genau wegen dieser Spiele willst Du unbedingt
das Trikot des THW tragen.
THW-Linksaußen Henrik Lundström gegenüber den KN:
Kopenhagen spielt einen anderen Handball als die Bundesligisten. Ihr Spiel ist viel
breiter angelegt, die Halben spielen den Ball weiter und setzen die Außen
super ein, das haben sie auch hier gut gemacht. Kopenhagen ist mit Montpellier
auf Augenhöhe, ein europäisches Top-Team. Wir haben gewonnen,
weil wir am Ende noch einmal Gas geben konnten, aber letztlich haben
Kleinigkeiten entschieden.
Kopenhagens Kreisläufer Rene Toft Hansen gegenüber den KN:
Wir haben heute ein sehr gutes Spiel gemacht, vielleicht war nur unser Heimspiel gegen
Montpellier in dieser Saison noch besser. Wir hatten hier gehofft, in der
letzten Minute auf Augenhöhe zu sein und dann noch das Siegtor zu werfen.
Das hat leider nicht geklappt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir in Kopenhagen
gewinnen können. Persönlich freue mich schon jetzt darauf, nächste
Saison immer vor diesem Publikum spielen zu dürfen.
AG-Abwehrchef Joachim Boldsen gegenüber den KN:
Schade, wir hatten heute wirklich die Chance, in
Kiel zu gewinnen. In einigen Tagen werden wir uns bestimmt über unsere
gute Leistung freuen können, heute aber noch nicht. Kleinigkeiten haben
am Ende den Unterschied ausgemacht. So wie das Tor von Kim
(Andersson, d. Red.), der in Unterzahl aus 15 Metern
zum 27:25 trifft. Bei zehn Versuchen gelingt so ein Tor einmal, das war leider
diesmal der Fall.
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 14 Paraden,
Palicka (2 Siebenmeter, 0 Paraden);
Andersson (3),
Lundström (1),
Dragicevic (n.e.),
Sprenger (1),
Ahlm (3),
Kubes (n.e.),
Reichmann,
Zeitz (7),
Palmarsson (1),
Narcisse (n.e.),
Ilic (4/1),
Klein (3),
Jicha (5/3);
Trainer: Gislason
- AG Kopenhagen (DEN ):
-
Hvidt (1.-16., 31.-45., 8 Paraden),
Ege (16.-30., 45.-60., 5 Paraden);
Ottesen,
R. Toft Hansen (2),
Jörgensen,
Sigurdsson (3),
Gudjonsson (1),
Stefansson (2),
H. Toft Hansen (2),
Ekberg (8/3),
Malmagro,
Hundstrup,
Larsen,
Boldsen,
Hansen (8);
Trainer: Andersson
- Schiedsrichter:
-
Slave Nikolov/Gjorgji Nachevski (MKD)
- Zeitstrafen:
-
THW: 3 (Ahlm (23.), Klein (56.), Andersson (59.));
Kopenhagen: 5 (Jörgensen (7.), R. Toft Hansen (28.), Gudjonsson (29.),
Ekberg (41.), Hvidt (45.))
- Siebenmeter:
-
THW: 5/4 (Hvidt hält Ilic (10.));
Kopenhagen: 4/3 (Ekberg gegen Palicka an die Latte (23.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:0, 1:3 (3.), 5:3 (9.), 6:4 (11.), 6:7 (14.), 8:8, 9:9 (19.), 10:10 (24.), 10:12 (26.), 12:12 (29.), 12:14;
2. Hz.: 14:14 (32.), 15:15, 15:17 (36.), 17:18 (38.), 17:20 (41.), 22:20 (47.), 24:21 (52.),
25:22, 25:24 (56.), 26:25 (58.), 28:25 (59.), 28:26.
- Zuschauer:
-
10.285 (ausverkauft)(Sparkassen-Arena, Kiel)
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Aus den Kieler Nachrichten vom 19.12.2011
Die besonderen THW-Momente
28:26 - Zeitz entschied großartigen Champions-League-Gipfel gegen Kopenhagen in der Schlussphase
Kiel. Zum Schluss der sechsteiligen Serie von Handball-Krachern
mit Beteiligung des THW Kiel das Beste:
10 300 Fans, darunter 500 dänische, erlebten gestern
Abend beim Champions-League-Gipfel zwischen
den "Zebras" und AG Kopenhagen Handball auf
höchstem Niveau, wurden durch ein Wechselbad der
Gefühle gejagt, bildeten selbst einen grandiosen Rahmen
für dieses bemerkenswerte Spiel - und sahen
einen Sieger, der erneut THW Kiel hieß. Lohn für das
Team von Trainer Alfred Gislason: Der THW kippte
AGK mit dem 28:26 (12:14) von der Spitze und überwintert
als Tabellenführer der Vorrundengruppe D.
Es wurde das erhoffte Handball-Fest, weil der dänische
Meister hielt, was seine wohlklingenden Namen im Kader
des schwedischen Trainers Magnus Andersson versprochen
hatten. Ob Kasper Hvidt und Steinar Ege im Tor, das
Bollwerk Lars Jörgensen/Joachim Boldsen im Kopenhagener
Abwehrzentrum, dazu die schlaue Spielführung von Snorri Gudjonsson, die
Kaltschnäuzigkeit von Rechtsaußen Niclas Ekberg
oder der Gala-Auftritt des neuen dänischen Superstars
Mikkel Hansen - dieses ständig rotierende Kopenhagen-Ensemble hatte auf nahezu
alle THW-Finten eine Antwort, war die beste Mannschaft,
die in den letzten Monaten den Kieler Handball-Tempel mit breitem Kreuz betreten
hat. Dass sie ihn nicht aus den Angeln hob, lag an einem Kieler Team, das auch an
diesem Gegner wuchs, in kniffligen Momenten fast schon arrogant selbstbewusst
die Ruhe bewahrte und mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit
den Kopf aus der Schlinge zog.
"Wir glauben fest an uns, haben, als es nicht so gut lief,
trotzdem an dem vorgegebenen Konzept festgehalten, die
Fehler abgestellt und gewonnen", brachte Kapitän Marcus Ahlm
die aktuelle THW-Philosophie der Unbesiegbarkeit
auf den Punkt.
Große Spiele mit Mannschaften auf Augenhöhe werden
zumeist durch Kleinigkeiten entschieden. Zum Beispiel
durch Torhüterparaden. Das Kopenhagener Duo Hvidt/Ege zeigte Klasse,
Kiels Torhüter Thierry Omeyer
Weltklasse in den entscheidenden
Augenblicken. Und sie werden entschieden durch die besonderen Momente. Dafür
war gestern wieder einmal Christian Zeitz verantwortlich.
Kiels Linkshänder begann stark, wurde nach 15 Minuten
aber zunächst durch einen Zusammenprall mit Olafur
Stefansson in seinem Eifer gebremst. Blut tropfte aufs
Parkett, Ursache war eine Risswunde über der linken Augenbraue. Zwei Stiche von
Mannschaftsarzt Dr. Frank Pries behoben den Schaden.
Christian Zeitz kehrte zurück.
Und wie. Als der THW auf die Verliererstraße einbog,
riss der 31-Jährige das Steuer mit bemerkenswerten Aktionen
herum. 17:20 hieß es nach 42 Minuten als Gislason zum
Anker Auszeit griff. Ein Weckruf zur rechten Zeit, innerhalb
von fünf Minuten gelang den "Zebras" eine 5:0-Serie zum 22:20-Zwischenstand.
Zeitz netzte dreimal ein - zweimal mit Wucht, einmal einmal
per Dreher.
Doch der dänische Meister steckte nicht auf, kämpfte
sich zurück, hielt die Partie offen und die Zuschauer in
Atemnot. Kiels Abwehr hatte ihre Probleme vor allem mit
Mikkel Hansen. Der hoch aufgeschossene Rückraumspieler
zaubert nicht nur einen überragenden Bums aus seinem
rechten Arm, genau so auffällig ist sein Spielverständnis,
seine Anspiele sind kunstvoll. Acht Tore standen am Ende in
Hansens Bilanz. AGK-Besitzer Jesper Nielsen, der seinen
Reichtum mit Schmuck gegründet hatte, erklärt das 24-jährige Handball-Juwel
schlichtweg als unverkäuflich. Der laufende Vertrag mit
Hansen datiert bis 2017.
Entschieden wurde der Krimi in den Schlussminuten.
Zeitz ("Hätte ich heute Zeit gehabt, hätte ich bei einigen
Aktionen der Dänen applaudiert") traf in Zeitnot zum
26:24, Rene Toft Hansen, ab der kommenden Saison am
THW-Kreis beschäftigt, verkürzte, Kim Andersson konterte
aus zehn Metern, und als die Dänen ihre Kräfte zum Endspurt sammelten, funkte
der Mann der besonderen Momente dazwischen. Der listige
"Ballklau" von Zeitz zum 28:25 machte alles klar.
(von Reimer Plöhn und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 19.12.2011)