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15.01.2009 WM 2009

Kieler Nachrichten: WM ist für Kroatien das Allergrößte

Gastgeberland fiebert Startschuss entgegen

Aus den Kieler Nachrichten vom 15.01.2009:

Kroatien und die Handball-Weltmeisterschaft - das ist eine Liaison wie aus dem Märchenbuch. In keinem anderen Land auf dem Globus besitzt diese Sportart einen derart hohen Stellenwert wie in der 4,5 Millionen Bürgern zählenden Sport-Nation auf dem Balkan. Die Menschen freuen sich auf die Tage vom 16. Januar bis zum 1. Februar, und Kroatiens Handball-Präsident Sandi Solar schwärmt. "Das ist der größte Sport-Event, den wir je ausrichten durften."
Handball bewegt fast jeden dem einst von Krisen geschüttelten Balkanstaat. Bezeichnenderweise führte Superstar Ivano Balic, ein Handballer eben, das kroatische Olympiateam bei den Spielen 2008 in Peking als Fahnenträger zur Eröffnungsfeier. Weil dieser Sport traditionell auf dem Balkan verwurzelt ist, wohl auch, weil er seelenverwandt ist mit dem Temperament dieser Menschen, ist auch das Selbstvertrauen fast grenzenlos. Den klassischen olympischen Gedanken vom "Dabei sein ist alles" überlassen die Gastgeber lieber den Gästen. Trainer Lino Cervar, der Handball-Fuchs, will nach olympischen Lorbeeren (1996, 2004) und dem WM-Titelgewinn von Portugal (2003) jetzt erst recht ganz nach oben aufs Treppchen. "Weltmeister im eigenen Land zu werden, das ist etwas ganz Besonderes", sagt der 58-Jährige, "dafür werden wir alles geben." Es fällt nicht schwer, Lino Cervar zu glauben.

Sandi Sola geht aber noch weiter, lässt keinen Platz für Selbstzweifel. Es solle nicht arrogant klingen, sagt der 35-Jährige, "aber wir haben Balic, Metlicic, Vori und Lackovic. Wenn wir von Verletzungspech verschont bleiben, haben wir das beste Team der Welt." Punkt. Fragen nach anderen Favoriten wie Dänemark, Frankreich, Spanien blockt der erstaunlich junge Verbandspräsident mit jugendlicher Leichtigkeit ab. Gute Mannschaften seien das, "aber besser als Kroatien? Nein!" Altmeister Vlado Stenzel, der 1978 Vater des deutschen WM-Triumphes in Dänemark war, erklärt die Siegessicherheit der Landsleute mit dem "deutlich größeren Nationalgefühl. Das Nationalteam ist in gewisser Weise Religion".

Die WM in diesem sportbesessenen Land präsentiert sich also in gewisser Weise als eine Art Handball-Messe. In sieben Städten findet das Ringen um die Welt-Krone statt. Schon im Vorfeld haben die Veranstalter neue Dimensionen und Maßstäbe gesetzt. Sechs Arenen wurden extra für die WM aus dem Boden gestampft. Besonders beeindruckend ist die Betonschüssel, die in Kroatiens Hauptstadt Zagreb steht. Die Multifunktionshalle fasst 15 200 Menschen und dürfte bei einem Finale mit kroatischer Beteiligung zum feuerspuckenden Krater mutieren.

Auch in der deutschen Vorrunden-Stadt, dem nordkroatischen Varazdin, finden die Spiele in neuen Gemäuern statt. Dabei gab es im Herbst noch Zweifel an der rechtzeitigen Fertigstellung der Hallen und an der Erfüllung der hohen Anforderungen des Welthandballverbandes (IHF). Die haben Präsident Sola und seine Mitstreiter aber schnell zerstreut. Ein Test-Durchlauf in allen WM-Stätten beruhigte die IHF-Funktionäre. "Wir sind sehr zufrieden mit den Vorbereitungen", erklärt Ekke Hoffann, ehemaliger DHB-Bundestrainer und jetzt bei der IHF als "Head of Sports" in Amt und Würden.

Ein Haar in der Suppe glaubt indes Vlado Stenzel ausgemacht zu haben. Es gebe atmosphärische Störungen im Team von Kroatien, raunt der 74-Jährige. Mirza Dzomba, Weltklasse-Rechtsaußen der Kroaten, zuletzt aber von Formschwankungen und Verletzungspech gebeutelt, sagte seine WM-Teilnahme vier Wochen vor dem Startschuss ab. Angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Zwischen Cervar und den Spielern herrsche nicht mehr die Harmonie früherer Tage, sagt Stenzel. "Bevor ein kroatischer Nationalspieler auf die WM im eigenen Land verzichtet, muss überspitzt formuliert, eigentlich im Rollstuhl sitzen." Handball und Kroatien: Holen die Gastgeber Gold, machen sie sich unsterblich.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 15.01.2009)


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